Der Aufschwung Böhmisch-Mährischen Kirche, - Licht und Recht
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Jahr 1790–1848. Die von Kaiser Josef II. beabsichtigte <strong>und</strong> auch proklamierte Toleranz glich<br />
mehr einer gutgemeinten Freiheit, als einer bloßen Duldung, <strong>und</strong> gewiss, die evangelische <strong>Kirche</strong><br />
Österreichs würde dabei sehr gute Erfolge gehabt haben, wenn die erteilte Toleranz im Geiste Josefs<br />
II. wäre gehandhabt worden. Es gab aber damals in Österreich noch wenige fortschrittliebende<br />
Männer; die meisten Regierungsorgane widersetzten sich den Absichten des Kaisers; die mächtige<br />
Hierarchie trachtete die Toleranz gleich im Keime zu ersticken, <strong>und</strong> die Landesbeamten in Böhmen<br />
<strong>und</strong> Mähren waren noch aus der vorhergegangenen Zeit in der Verfolgung der Evangelischen so<br />
eingeübt, dass sie es auch ohne Auftrag von oben für ein verdienstliches Werk hielten, die Protestanten<br />
zu unterdrücken. Alle diese feindlichen Faktoren erwirkten schon bei Kaiser Josef II., unter<br />
dem Vorwande, die herrschende Religion zu schützen, allerlei Erlässe, die die ursprüngliche Toleranz<br />
bedeutend einschränkten. <strong>Der</strong> edle Kaiser Josef II. starb im Jahre 1790; bei seinem Tode verlangte<br />
man von ihm, dass er um seiner Seelen Seligkeit willen das Toleranzedikt widerrufe; der Kaiser<br />
ließ sich aber nicht dazu bewegen. Kaum hatte sein Nachfolger Leopold II. den Thron beklommen,<br />
so verlangten die böhmischen <strong>und</strong> mährischen Stände von ihm, dass er die von Kaiser Josef II.<br />
erteilte Toleranz aufhebe. Leopold willfahrte ihrem Wunsche nicht, <strong>und</strong> so trachteten die Feinde auf<br />
andere Weise die Toleranz für sich unschädlich zu machen; es wurden verschiedene Erlässe bei der<br />
Regierung erwirkt, die die Protestanten von allen öffentlichen Ämtern ausschlossen <strong>und</strong> jede freiere<br />
Regung hemmten; die Kinder aus Mischehen mussten alle römisch erzogen werden; die Evangelischen<br />
die römischen Feiertage mitfeiern; jede öffentliche evangelische K<strong>und</strong>gebung wurde streng<br />
geahndet; der evangelische Gottesdienst auf die Bethäuser beschränkt, die kein äußeres Kennzeichen<br />
einer <strong>Kirche</strong> haben durften. Die evangelischen Prediger durften keine eigenen <strong>Kirche</strong>nbücher<br />
führen <strong>und</strong> keine kirchlichen Handlungen an ihren Gemeindegliedern vornehmen ohne vorherige<br />
Bewilligung der römischen Priester; der evangelische Glaubensgenosse musste für alle kirchlichen<br />
Funktionen dem römischen Priester vorher die Stolgebühren entrichten. Wollte der evangelische<br />
Prediger bei seinen Gemeindegliedern nur den Jugendunterricht abhalten, so musste er sich erst<br />
beim Ortsvorsteher Genehmigung verschaffen, der zuerst alles untersuchte, ob nichts gegen die<br />
herrschende Religion geschehe. Die Prediger wurden häufig bei Begräbnissen öffentlich beschimpft<br />
<strong>und</strong> oft eingekerkert. Galt es die Erlaubnis zu erhalten zur Errichtung einer evangelischen <strong>Kirche</strong><br />
oder Schule, so wurde die unter den wichtigsten Vorwänden verweigert.<br />
Die Evangelischen waren rechtlos; jeder durfte sie straflos schmähen, sie konnten sich nicht<br />
wehren; die Behörden <strong>und</strong> das Volk sahen mit Geringschätzung auf sie herab; die öffentliche Meinung<br />
<strong>und</strong> die Gesetzgebung beachtete sie gar nicht, es war, als ob dieselben nicht im Lande existierten,<br />
<strong>und</strong> würdigte man sie einer Berücksichtigung, so geschah dies nur, um sie noch mehr zu beengen.<br />
Kurz, man musste die Evangelischen dulden als ein notwendiges Übel, weil die Kaiser das Toleranzpatent<br />
nicht aufheben wollten, <strong>und</strong> so ließ man es die Evangelischen immer bitterer empfinden,<br />
dass sie nur Geduldete seien ohne jedwede <strong>Recht</strong>e; je mehr die Toleranzära ihrem Ende nahte,<br />
um so beengender wurde den Evangelischen die Zwangsjacke der Toleranz.<br />
Aber der Herr gedachte an Sein unterdrücktes Volk <strong>und</strong> ließ die schon lange sehnlichst erwünschten<br />
Erquickungszeiten von Seinem Angesicht über dasselbe kommen.<br />
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