Der Aufschwung Böhmisch-Mährischen Kirche, - Licht und Recht
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war, wurde die Selbstständigkeit der Gemeinde ausgesprochen. Diese Gemeinde zählt 220 Seelen,<br />
hat eine einfache <strong>Kirche</strong> <strong>und</strong> Pfarrwohnung.<br />
Die Begründung neuer Gemeinden in Böhmen <strong>und</strong> Mähren ist sehr notwendig, weil die meisten<br />
Gemeinden aus Gliedern bestehen, die vielfach in vielen Ortschaften zerstreut wohnen, <strong>und</strong> die vom<br />
Kirchorte Entfernteren entbehren oft der Predigt, die Jugend des Religionsunterrichts; eine geregelte<br />
geistliche Leitung kann nicht statthaben. Die Begründung einer neuen Gemeinde hat aber ihre besonderen<br />
Schwierigkeiten, da in erster Linie die bestehenden Gemeinden durch Lostrennung mehrerer<br />
beitragspflichtigen Glieder in ihrem Bestande nicht gefährdet werden dürfen. Die Gemeinden<br />
bestreiten den Gehalt des Predigers, des Lehrers <strong>und</strong> ferner alle kirchlichen Bedürfnisse aus eigenen<br />
Mitteln; aus dem Staatspauschale werden wohl den gering besoldeten Predigern Unterstützungen<br />
erteilt, – für die Besoldung des Pfarrers aber <strong>und</strong> die übrigen kirchlichen Erfordernisse muss jede<br />
Gemeinde selbst aufkommen, dafür wird aus Staatsmitteln keine Hilfeleistung geboten. Das jährliche<br />
Einkommen eines böhmischen reformierten Pfarrers beläuft sich durchschnittlich gegenwärtig<br />
ungefähr auf 600 Gulden; bis vor kurzer Zeit war es noch geringer, die älteren Prediger hatten oft<br />
nur 300 Gulden. Auch diese geringe Summe bringen die Gemeindeglieder durch Repartition unter<br />
sich auf; <strong>und</strong> da die böhmischen Gemeinden fast durchgehend nur aus ärmeren Landleuten bestehen,<br />
wie man ja die böhmische <strong>Kirche</strong> spottweise oft eine „Bauernkirche“ gescholten hat, so bringen<br />
die Gemeindeglieder jährlich gerade nur so viel auf, als sie für die laufenden Bedürfnisse nötig<br />
haben; daher kommt es, dass auch ältere Gemeinden in ihrem h<strong>und</strong>ertjährigen Bestände noch nichts<br />
erübrigt haben. Tritt nun der Fall ein, dass ein Teil der bestehenden (Mutter-)Gemeinde sich als<br />
selbstständige Gemeinde lostrennen will, so ist die zurückbleibende (Mutter-)Gemeinde vor größeren<br />
Auslagen besorgt; <strong>und</strong> die neu sich bildende Gemeinde, – stets der geringere Teil, – muss alle<br />
Auslagen für die Besoldung des Predigers <strong>und</strong> die kirchlichen Gebäulichkeiten auf sich nehmen.<br />
<strong>Der</strong> Bildung neuer Gemeinden stehen gewöhnlich nur die materiellen Auslagen hindernd im Wege;<br />
wären die materiellen Erfordernisse vorhanden, so würde sich die Zahl der bestehenden Gemeinden<br />
leicht verdoppeln, <strong>und</strong> die böhmische <strong>Kirche</strong> könnte sich eines noch schöneren <strong>Aufschwung</strong>es erfreuen.<br />
Die Regierung legt der Begründung neuer Gemeinden keine Hindernisse in den Weg, wenn<br />
sich nämlich die Petenten mit den nötigen Subsistenzmitteln zur Erhaltung der Gemeinde ausweisen;<br />
eine bestimmte Seelenzahl zur Begründung einer eigenen Gemeinde, wie wir es aus der Toleranzzeit<br />
wissen, ist nicht mehr vorgeschrieben, <strong>und</strong> es hat in neuester Zeit selbst eine sehr kleine<br />
Zahl von sehr armen Glaubensgenossen, wie die in Auspitz <strong>und</strong> Přelouč die Bewilligung zur Konstituierung<br />
einer eigenen Gemeinde erhalten, nachdem es ihr gelungen war, den nötigen Dotationsfonds<br />
für den Prediger auszuweisen.<br />
Ein anderes Hindernis für die Bildung neuer Gemeinden war die Sucht, um nach römischer Weise<br />
großartige monumentale <strong>Kirche</strong>n mit Türmen <strong>und</strong> Glocken zu erbauen, wobei nicht einmal die<br />
akustischen Gesetze beachtet wurden; es ging wohl hauptsächlich darum, den Römischen sagen zu<br />
können: „auch wir haben eine schöne <strong>Kirche</strong>“. In diesem eitlen Streben, wobei im Gr<strong>und</strong>e genommen<br />
die Pfarrer meist selbst vorgingen, wurde vergessen, was die Hauptfrage ist für eine Gemeinde,<br />
vergessen auch dies, dass das Reich Gottes nicht kommt mit äußeren Gebärden. Währenddem die<br />
Glaubensgenossen bei der Aufführung des monumentalen Steinhaufens fast verbluteten, blieben<br />
keine Mittel zur Erhaltung der Predigt. In Nusslau z. B. ist solch eine monumentale <strong>Kirche</strong> gebaut<br />
mit einem Aufwande von 60 000 Gulden; <strong>und</strong> schon jetzt ist das Gebäude voll Risse, <strong>und</strong> der Prediger<br />
muss sich abmühen, um verstanden zu werden. In neuester Zeit sind glücklicherweise die Böhmen<br />
davon abgekommen, aber die Nachwehen wirken noch immer hindernd auf die Konstituierung<br />
neuer Gemeinden. Viele Schuld trägt aber auch der allgemeine Geiz des Bauernstandes; wenn man<br />
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