Der Aufschwung Böhmisch-Mährischen Kirche, - Licht und Recht
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ten sind auf den einen Rationalisten angewiesen; <strong>und</strong> doch hatte Prag unter Kaiser Rudolf II. 21<br />
evangelische Pfarren.<br />
Wiewohl es in der böhmischen <strong>Kirche</strong> bei weitem noch nicht ist, wie es sein sollte, <strong>und</strong> für die<br />
<strong>Kirche</strong> Christi hier auf Erden immer viele Wünsche unerfüllt bleiben, so kann man doch in der<br />
neuesten Zeit eine Wendung zum besseren <strong>und</strong> den Anfang eines neuerwachten geistlichen Lebens<br />
wahrnehmen (Šebesta, dějiny S. 443). Den Schaden, der der <strong>Kirche</strong> aus der großen Zerstreuung der<br />
Gemeinden <strong>und</strong> der Vernachlässigung der Gemeindeglieder entspringt, beginnen viele schmerzlich<br />
zu empfinden; die Prediger erstreben Errichtung von Predigtstationen für die entfernten Gemeindeglieder,<br />
<strong>und</strong> die Gemeindeglieder wünschen die Vermehrung der Gemeinden, damit auch die Entfernteren<br />
den Genuss der Predigt erlangen können. Das böhmische Volk greift noch gerne nach religiösen<br />
Schriften, Erbauungsbüchern, <strong>und</strong> hält besonders die alten Brüderschriften in hohen Ehren;<br />
Unglaube, Rationalismus <strong>und</strong> Verachtung der Religion ist eine seltene Ausnahme; wenn auch die<br />
Religiosität bei vielen nur eine tote Orthodoxie ist, so findet man doch in jeder Gemeinde viele Seelen,<br />
die es mit Gottes Wort <strong>und</strong> Gesetz ernst nehmen, <strong>und</strong> auf denen sichtbar der Segen der gottesfürchtigen<br />
Vorfahren ruht.<br />
Das kirchliche Leben, das sich früher nur auf die Predigt in der <strong>Kirche</strong> – oft nur des Sonntags<br />
Vormittags –, auf den Religionsunterricht in der Schule, <strong>und</strong> auf die öffentlichen kirchlichen Handlungen<br />
beschränkte, beginnt sich zu regen; in vielen Gemeinden werden Bibelst<strong>und</strong>en gehalten; im<br />
Nachmittagsgottesdienst wird der Katechismus ausgelegt; auch gewinnt die den gegenwärtigen Zeiten<br />
scheinbar angemessene <strong>und</strong> in diesem Lande mehr kirchlich organisierte Einrichtung einer<br />
Sonntagsschule immer mehr Ausbreitung; die römischen Feiertage werden von den Pfarrern zu Katechisationen<br />
benutzt <strong>und</strong> zur Abhaltung des Gottesdienstes in entlegenen Ortschaften; die <strong>Kirche</strong>nzucht,<br />
wiewohl amtlich noch nicht eingeführt, wird in mehreren Gemeinden gewissenhaft geübt,<br />
<strong>und</strong> die Gemeinden gedeihen unter solcher von Gott eingesetzter Ordnung erfreulich. <strong>Der</strong> Psalmgesang<br />
beginnt wieder aufzuleben; die Formulare der Pfälzer Agende haben Eingang gef<strong>und</strong>en in<br />
den Gemeinden, <strong>und</strong> die heilige Taufe wird nach der schönen reformierten Ordnung an vielen Orten<br />
des Sonntags vor der Gemeinde bedient, damit die sogenannte Nottaufe, die sich eingeschlichen<br />
hatte, zurückgedrängt werde. – Im Jahre 1874 wurde auf Anregung des Pfarrers Kašpar in Hradišt<br />
„die evangelische Gesellschaft für christliche Wohltätigkeit“ begründet, die das Interesse für äußere<br />
<strong>und</strong> innere Mission weckt <strong>und</strong> die Evangelisationsarbeit mit Beiträgen unterstützt; im Jahre 1880<br />
kaufte die Gesellschaft ein Haus in Teleci an, woselbst nun ein Waisenhaus im Entstehen begriffen<br />
ist; an derartigen Wohltätigkeitsanstalten hatte die böhmische <strong>Kirche</strong> bisher einen völligen Mangel.<br />
Viele Gemeinden unterstützen mit jährlichen Liebesgaben die Predigtstation in Brünn; Professor Dr.<br />
Böhl wendet jährlich vielen ärmeren Gemeinden ihm aus Basel herfließende Gaben zu; <strong>und</strong> darf bei<br />
dieser Gelegenheit auch die Mitteilung geschehen, dass, durch die bekannte Mildtätigkeit niederländischer<br />
Glaubensgenossen, durch meine Hand jährlich manche Gemeinde einen Zuschuss erhielt. In<br />
Mähren selbst wird von den Gemeinden ein Diözesanfonds gesammelt, welcher arme Gemeinden<br />
<strong>und</strong> solche Glaubensgenossen, die eine selbstständige Gemeinde anstreben, unterstützen soll. Von<br />
allen diesen Regungen war vor den sechziger Jahren keine Spur, <strong>und</strong> wir hoffen, dass es erst die Anfänge<br />
sind zu einer reicheren Belebung der <strong>Kirche</strong>; denn nach Böhmen kommt leider alles später,<br />
als in die übrigen protestantischen Länder.<br />
Materiellen Mangels <strong>und</strong> geistlicher Schlaffheit wegen lag die literarische Tätigkeit bis unlängst<br />
ganz brach; sie beschränkte sich auf die Herausgabe von Gesangbüchern, Katechismen, Gebetbüchern<br />
<strong>und</strong> etlichen Erbauungsschriften in böhmischer Übersetzung; das Volk entlehnte seine<br />
geistliche Erbauung vielfach aus lutherischen Erbauungsschriften <strong>und</strong> Postillen, die in Ungarn her-<br />
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