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Der Aufschwung Böhmisch-Mährischen Kirche, - Licht und Recht

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chenbegängnissen eingeführt wissen, aber die Gemeinde duldete es nicht, bis er es endlich bei der<br />

Bestattung des eigenen Kindes zum ersten Mal gebrauchen durfte. Eine andere Mitteilung geschah<br />

uns aus Kuttelberg (Schlesien), woselbst die Lutheraner in ganz gleicher Weise wie die Römischen<br />

ein „Allerseelenfest“ feiern, <strong>und</strong> zwar mit <strong>Licht</strong>chen <strong>und</strong> Kerzen auf den Gräbern; darin geht der<br />

Pfarrer vor.<br />

Im Allgemeinen sind die Lutheraner viel günstiger gestellt, als die Reformierten. Diese stehen<br />

wegen ihrer Sprache ganz isoliert da, ihren eigenen römischen Landsleuten sind sie fremd, <strong>und</strong> die<br />

Deutschen fühlen aus nationalen Rücksichten zu ihnen keine Sympathie. Die Lutheraner haben dagegen<br />

eine mächtige Stütze an Deutschland, es wandern viele Industrielle aus Deutschland nach<br />

Böhmen <strong>und</strong> Mähren ein, <strong>und</strong> wenn sie auch aus reformierten Ländern kommen, halten sie sich aus<br />

Unkenntnis der böhmischen Sprache an die deutsche lutherische <strong>Kirche</strong>. Die lutherischen Pfarrer<br />

haben sich schon gewöhnt, auch die eingewanderten Schweizer, Rheinländer, Holländer, Franzosen<br />

<strong>und</strong> Engländer als ihre Gemeindeglieder zu betrachten. Die aus Deutschland einwandernden Protestanten<br />

bringen aber entweder die Idee von einer groß-lutherischen <strong>Kirche</strong> der Zukunft oder Unionsideale<br />

mit <strong>und</strong> wollen diese Prinzipien auch in der böhmischen <strong>Kirche</strong> zur Herrschaft bringen, wogegen<br />

sich die Böhmen aus Selbsterhaltungstrieb mit <strong>Recht</strong> wehren, sodass die Nachrichten aus<br />

Böhmen in Deutschland bezüglich der konfessionell-reformierten Unduldsamkeit unwahr erachtet<br />

werden müssen.<br />

Daraus erklären sich auch die in Deutschland so sehr verbreiteten Berichte von Hetzereien der<br />

reformierten Tschechen gegen die Deutschen. Es ist wahr: unter den Böhmen ist das reformierte Bewusstsein<br />

erwacht, <strong>und</strong> diese wollen ihrem Volke das Evangelium in der Muttersprache verkündigen;<br />

aber weiter als böhmisch-reformiert zu bleiben, geht ihr Streben nicht; in politischer Beziehung<br />

sind sie bei der tschechisch-ultramontanen Strömung ohne alle Bedeutung, <strong>und</strong> wenden sich, weil<br />

Reformierte, mit Widerwillen von ihr ab. Aber die Deutschen streben in politischer Hinsicht die<br />

Weltherrschaft, <strong>und</strong> in religiöser Hinsicht die lutherische <strong>Kirche</strong>nherrschaft zu erringen. Jeder böhmisch-reformierte<br />

Pfarrer eignet sich die deutsche Sprache schon wegen des akademischen Studiums<br />

an <strong>und</strong> predigt auch ohne Bedenken in deutscher Sprache (wie z. B. Pfarrer Šára in Braunau<br />

<strong>und</strong> Pfarrer Šebesta in L<strong>und</strong>enburg u. a.), wenn nur Bedürfnis nach der Predigt vorhanden ist; dagegen<br />

halten es die eingewanderten deutschen Pfarrer meist nicht der Mühe wert, sich die böhmische<br />

Sprache anzueignen, um im Notfalle auch den Böhmen predigen zu können. Die lutherische Gemeinde<br />

in Brünn wollte nicht einmal einen der böhmischen Sprache k<strong>und</strong>igen Vikar anstellen, um<br />

den vielen in Brünn wohnenden Böhmen predigen zu können. In Kolin, Čáslau, Braunau <strong>und</strong> anderwärts<br />

haben die lutherischen Pfarrer ihre von reformierten Katecheten unterrichteten Pfarrkinder requiriert<br />

<strong>und</strong> lieber ohne Religionsunterricht gelassen; die Reformierten lassen dagegen ihre Kinder<br />

im lutherischen Religionsunterricht, wenn kein reformierter Katechet vorhanden ist. Schon öfters<br />

bereiste ich Böhmen <strong>und</strong> Mähren, bin der böhmischen Sprache nicht mächtig, habe gewöhnlich nur<br />

mit böhmischen Pfarrern verkehrt, aber von ihrem tschechischen Fanatismus weiß ich wohl nichts;<br />

nur redeten sie unter sich <strong>und</strong> mit ihren Gemeindegliedern böhmisch, mit jedem Fremdländer ordentlich<br />

deutsch. Aber wie die Römischen am Rhein <strong>und</strong> in Belgien <strong>und</strong> Brabant römischer sind, als<br />

in Rom selbst, so wollen auch die Deutschen in Böhmen deutscher sein, als in Berlin. Die böhmischen<br />

Reformierten werden mit Unrecht der nationalen Überspanntheit beschuldigt, aber die Klagen<br />

im protestantischen Deutschland haben anderswo ihren Gr<strong>und</strong>, – wie schon anderweitig gesagt:<br />

weil die reformierten Böhmen an der aus Deutschland importierten Union wenig Gefallen finden.<br />

Ein Beweis kann es sein, dass Herr Professor Dr. Böhl, ein Norddeutscher von Geburt, der böhmi-<br />

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