Der Aufschwung Böhmisch-Mährischen Kirche, - Licht und Recht
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sagt nicht: „ich bin katholisch“, sondern „ich bin christlich“, – die Staatsgesetzgebung nimmt schon<br />
auf die evangelische Minorität Rücksicht. Und wenn auch die jetzt am Ruder sitzenden Ultramontanen<br />
die Gesetzgebung, besonders die Schulgesetze, nur zu ihren Gunsten auszubeuten suchen, so<br />
melden sich in ganz Österreich Stimmen genug, die für die Gleichberechtigung aller Konfessionen<br />
eintreten; selbst die Stadtverordneten-Versammlung von Prag sprach sich dahin aus, dass bei den<br />
beabsichtigten Schulgesetzen allen Konfessionen gleiches <strong>Recht</strong> widerfahren müsse. – <strong>Der</strong> Karfreitag<br />
wird bei den römisch-Katholischen als ein Werktag betrachtet, – laut ministerieller Verordnung<br />
dürfen aber Gefangene evangelischer Konfession an diesem Tage zu keiner Arbeit angehalten werden.<br />
<strong>Der</strong> in Deutschland übliche Titel Pastor für evangelische Pfarrer wird in Böhmen als ein<br />
Schimpfname angesehen; die römischen Priester titulieren evangelische Prediger aber mit Vorliebe<br />
„Pastor“, sie wollen ihnen den Titel „Pfarrer“ nicht einräumen, weil sie meinen, dass nur die römischen<br />
Priester Pfarrer sind. Dies hat den Statthalter von Böhmen bewogen, in einem eigenen Erlasse<br />
den Behörden bekannt zu geben, dass die evangelischen Pfarrämter <strong>und</strong> Pfarrer in gleicher Würde<br />
<strong>und</strong> Titulatur stehen, wie die katholischen. An den für die Evangelischen wichtigen Gedenktagen<br />
wird von vielen Gymnasialdirektionen den evangelischen Schülern ein Ferialtag gewährt, um dem<br />
Gottesdienste beiwohnen zu können. Nach Erlass der interkonfessionellen <strong>und</strong> neuen Schulgesetze<br />
(nach dem Jahre 1868) drangen viele Bezirkshauptleute aus eigenem Antrieb darauf, dass aus den<br />
konfessionslos erklärten Schulen die den Evangelischen anstößigen Kreuze <strong>und</strong> alle Abzeichen der<br />
römischen <strong>Kirche</strong> entfernt würden.<br />
Aus dem Angeführten ersieht man zur Genüge, dass die Reformierten in Böhmen <strong>und</strong> Mähren allen<br />
Gr<strong>und</strong> haben, die milde <strong>und</strong> gerechte Regierung Kaisers Franz Josef I. dankbaren Herzens zu<br />
preisen; sie dürfen sich nach ihren Gr<strong>und</strong>sätzen frei entwickeln <strong>und</strong> in Übereinstimmung mit dem<br />
Evangelium Gotte <strong>und</strong> ihrem Heilande dienen. Und wenn sich auch noch viele entgegenarbeitende<br />
Elemente in Österreich regen, die ihre Macht auf Kosten anderer Konfessionen vergrößern wollen,<br />
so ist es gewiss nicht in der Absicht des allen Seinen Untertanen gleich gewogenen Kaisers gelegen.<br />
Weiland Kaiser Josef II. hatte noch mehr unter der Ungunst der reaktionären Elemente zu leiden, als<br />
er die Publizierung des Toleranzpatentes beabsichtigte; trotz der widerstrebenden Mächte wurde<br />
aber die Toleranz durchgeführt; so wird auch die Gleichberechtigung der Evangelischen vom Kaiser<br />
Franz Josef I. gehandhabt werden trotz allen Widerspruches, <strong>und</strong> werden die Evangelischen ihre<br />
Dankbarkeit dem geliebten Monarchen durch treue Anhänglichkeit beweisen.<br />
Das Verhältnis der beiden Schwesterkirchen, der reformierten <strong>und</strong> lutherischen, in Böhmen <strong>und</strong><br />
Mähren kann im Ganzen ein friedliches genannt werden. Die Reformierten, wo sie inmitten einer<br />
lutherischen Gemeinde leben <strong>und</strong> keine eigene Gemeinde haben, besuchen ohne Anstand den lutherischen<br />
Gottesdienst, um überhaupt die Verkündigung des Wortes nicht entbehren zu müssen; selbst<br />
wo in einer Stadt deutscher lutherischer Gottesdienst abgehalten wird, sind die der deutschen Sprache<br />
nicht mächtigen böhmischen Reformierten oft fleißigere <strong>Kirche</strong>nbesucher, als die deutschen<br />
Lutheraner, <strong>und</strong> die deutsch lutherischen Gemeinden z. B. in Brünn, Iglau, Znaim, Olmütz, Prag<br />
usw. haben einen großen Teil reformierter Gemeindeglieder in sich. Es ist überhaupt der Charakter<br />
der wahren reformierten <strong>Kirche</strong>, sich nicht zu separieren <strong>und</strong> verträglich zu sein; beide Konfessionen<br />
hatten oft eine gemeinschaftliche Schule; lutherische Pfarrer treten durch Heirat in die Kreise<br />
Reformierter, <strong>und</strong> umgekehrt. Die wenigen Lutheraner böhmischer Zunge sind in ihrer Gesinnung<br />
mehr reformiert, sind dem Kruzifix <strong>und</strong> ähnlichen noch bei den Lutheranern sich vorfindlichen römischen<br />
Zeremonien abhold; erst in neuerer Zeit wollen ihnen die in Mecklenburg erzogenen Pfarrer<br />
den altlutherischen Typus aufprägen <strong>und</strong> dringen mit Ostentation auf altlutherische Zeremonien;<br />
so wollte ein Pfarrer das ihm in Mecklenburg so liebgewordene Kreuz in der <strong>Kirche</strong> <strong>und</strong> bei Lei-<br />
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