Hugo von Hofmannsthal, Der Schwierige
Hugo von Hofmannsthal, Der Schwierige
Hugo von Hofmannsthal, Der Schwierige
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Edine Das weiß ich <strong>von</strong> der Mademoiselle Feydeau, die hat mir haarklein alles erzählt, wie du die ganze<br />
Situation in der Grünleiten schon verfahren hast.<br />
Antoinette Diese mißgünstige Tratschen, was weiß denn die!<br />
Edine Aber sie kann doch nichts dafür, wenn sie dich hat mit die nackten Füß' über die Stiegen 'runterlaufen<br />
gehört und gesehen mit offene Haar im Mondschein mit ihm spazieren gehen. – Du hast eben die ganze<br />
G'schicht' <strong>von</strong> Anfang an viel zu terre à terre angepackt. Die Männer sind ja natürlich sehr terre à terre, aber<br />
deswegen muß eben <strong>von</strong> unserer Seiten etwas Höheres hineingebracht werden. Ein Mann wie der Kari Bühl<br />
aber ist sein Leben lang keiner Person begegnet, die ein bißl einen Idealismus in ihn hineingebracht hätte.<br />
Und darum ist er selbst nicht imstand', in eine Liebschaft was Höheres hineinzubringen, und so geht das vice<br />
versa. Wenn du mich in der ersten Zeit ein bißl um Rat gefragt hättest, wenn du dir hättest ein paar<br />
Direktiven geben lassen, ein paar Bücher empfehlen lassen – so wärst du heut seine Frau!<br />
Antoinette Geh, ich bitt' dich, Edine, agacier' mich nicht.<br />
Siebente Szene<br />
Hubertaerscheint in der Tür Also: der Kari kommt. Er sucht dich.<br />
Antoinette Jesus Maria! Sie sind alle aufgestanden.<br />
Nannidie rechts hinausgeschaut hat Da kommt die Helen aus dem andern Salon.<br />
Antoinette Mein Gott, gerade in dem Moment, auf den alles ankommt, muß sie daherkommen und mir alles<br />
verderben. So tut's doch was dagegen. So geht's ihr doch entgegen. So halt's sie doch weg, vom Zimmer da!<br />
Huberta Bewahr' doch ein bißl deine Contenance.<br />
Nanni Wir gehen einfach unauffällig dort hinüber.<br />
Achte Szene<br />
Helenetritt ein <strong>von</strong> rechts Ihr schaut's ja aus, als ob ihr gerade <strong>von</strong> mir gesprochen hättet's. Stille Unterhalt's<br />
ihr euch? Soll ich euch Herren hereinschicken?<br />
Antoinetteauf sie zu, fast ohne Selbstkontrolle Wir unterhalten uns famos, und du bist ein Engel, mein<br />
Schatz, daß du dich um uns umschaust. Ich hab' dir noch gar nicht guten Abend gesagt. Du schaust schöner<br />
aus als je. Küßt sie Aber lass' uns nur und geh wieder.<br />
Helene Stör' ich euch? So geh' ich halt wieder. Geht.<br />
Neunte Szene<br />
Antoinettestreicht sich über die Wange, als wollte sie den Kuß abstreifen Was mach' ich denn? Was lass' ich<br />
mich denn <strong>von</strong> ihr küssen? Von dieser Viper, dieser falschen!<br />
Huberta So nimm dich ein bißl zusammen,<br />
Zehnte Szene<br />
Hans Karl ist <strong>von</strong> rechts eingetreten.<br />
Antoinettenach einem kurzen Stummsein, Sichducken, rasch auf ihn zu, ganz dicht an ihn Ich hab' die Briefe<br />
genommen und verbrannt. Ich bin keine sentimentale Gans, als die mich meine Agathe hinstellt, daß ich<br />
mich über alte Briefe totweinen könnt'. Ich hab' einmal nur das, was ich im Moment hab', und was ich nicht<br />
hab', will ich vergessen. Ich leb' nicht in der Vergangenheit, dazu bin ich nicht alt genug.<br />
Hans Karl Wollen wir uns nicht setzen? Führt sie zu den Fauteuils.<br />
Antoinette Ich bin halt nicht schlau. Wenn man nicht raffiniert ist, dann hat man nicht die Kraft, einen<br />
Menschen zu halten, wie Sie einer sind. Denn Sie sind ein Genre mit Ihrem Vetter Stani. Das möchte ich<br />
Ihnen sagen, damit Sie es wissen. Ich kenn' euch. Monstros selbstsüchtig und grenzenlos unzart. Nach einer<br />
kleinen Pause So sagen Sie doch was!<br />
Hans Karl Wenn Sie erlauben würden, so möchte ich versuchen, Sie an damals zu erinnern –<br />
Antoinette Ah, ich lass' mich nicht malträtieren. – Auch nicht <strong>von</strong> jemandem, der mir früher einmal nicht<br />
gleichgültig war.<br />
Hans Karl Sie waren damals, ich meine vor zwei Jahren, Ihrem Mann momentan entfremdet. Sie waren in<br />
der großen Gefahr, in die Hände <strong>von</strong> einem Unwürdigen zu fallen. Da ist jemand gekommen – der war –<br />
zufällig ich. Ich wollte Sie – beruhigen – das war mein einziger Gedanke – Sie der Gefahr entziehen – <strong>von</strong><br />
der ich Sie bedroht gewußt – oder gespürt hab'. Das war eine Verkettung <strong>von</strong> Zufällen – eine<br />
Ungeschicklichkeit – ich weiß nicht, wie ich es nennen soll –<br />
Antoinette Diese paar Tage damals in der Grünleiten sind das einzige wirklich Schöne in meinem ganzen<br />
Leben. Die lass' ich nicht – die Erinnerung daran lass' ich mir nicht heruntersetzen. Steht auf.