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Hugo von Hofmannsthal, Der Schwierige

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erbliche Mitgliedschaft nieder und verkriech' mich zeitlebens in eine Uhuhütten. Ich sollte einen Schwall <strong>von</strong><br />

Worten in den Mund nehmen, <strong>von</strong> denen mir jedes einzelne geradezu indezent erscheint!<br />

Hechingen Das ist ein bisserl ein starker Ausdruck.<br />

Hans Karlsehr heftig ohne sehr laut zu sein Aber alles, was man ausspricht, ist indezent. Das simple<br />

Faktum, daß man etwas ausspricht, ist indezent. Und wenn man es genau nimmt, mein guter Ado, aber die<br />

Menschen nehmen eben nichts auf der Welt genau, liegt doch geradezu etwas Unverschämtes darin, daß man<br />

sich heranwagt, gewisse Dinge überhaupt zu erleben! Um gewisse Dinge zu erleben und sich dabei nicht<br />

indezent zu finden, dazu gehört ja eine so rasende Verliebtheit in sich selbst und ein Grad <strong>von</strong> Verblendung,<br />

den man vielleicht als erwachsener Mensch im innersten Winkel in sich tragen, aber niemals sich<br />

eingestehen kann! Sieht nach rechts Er ist weg. Will fort.<br />

Altenwyl ist nicht mehr sichtbar.<br />

Crescencetritt auf Kari zu So echappier Er doch nicht! Jetzt muß Er sich doch mit dem Stani über das Ganze<br />

aussprechen.<br />

Hans Karl sieht sie an.<br />

Crescence Aber Er wird doch den Buben nicht so stehen lassen! <strong>Der</strong> Bub' beweist ja in der ganzen Sache<br />

eine Abnegation, eine Selbstüberwindung, über die ich geradezu starr bin. Er wird ihm doch ein Wort sagen.<br />

Sie winkt Stani, näherzutreten.<br />

Stani tritt einen Schritt näher.<br />

Hans Karl Gut, auch das noch. Aber es ist die letzte Soiree, auf der Sie mich erscheinen sieht. Zu Stani,<br />

indem er auf ihn zutritt Es war verfehlt, mein lieber Stani, meiner Suada etwas anzuvertrauen. Reicht ihm die<br />

Hand.<br />

Crescence So umarm' Er doch den Buben! <strong>Der</strong> Bub' hat ja doch in dieser Geschichte eine Tenue bewiesen,<br />

die ohnegleichen ist.<br />

Hans Karl sieht vor sich hin, etwas abwesend.<br />

Crescence Ja, wenn Er ihn nicht umarmt, so muß doch ich den Buben umarmen für seine Tenue.<br />

Hans Karl Bitte das vielleicht zu tun, wenn ich fort bin. Gewinnt schnell die Ausgangstür und ist<br />

verschwunden.<br />

Vierzehnte Szene<br />

Crescence Also, das ist mir ganz egal, ich muß jemanden umarmen! Es ist doch heute zuviel vorgegangen,<br />

als daß eine Person mit Herz wie ich so mir nix dir nix nach Haus fahren und ins Bett gehen könnt'!<br />

Stanitritt einen Schritt zurück Bitte, Mamu! nach meiner Idee gibt es zwei Kategorien <strong>von</strong> Demonstrationen.<br />

Die eine gehört ins strikteste Privatleben: dazu rechne ich alle Akte <strong>von</strong> Zärtlichkeit zwischen<br />

Blutsverwandten. Die andere hat sozusagen eine praktische und soziale Bedeutung: sie ist der<br />

pantomimische Ausdruck für eine außergewöhnliche, gewissermaßen familiengeschichtliche Situation.<br />

Crescence Ja, in der sind wir doch!<br />

Altenwyl mit einigen Gästen ist oben herausgetreten und ist im Begriffe, die Stiege herunterzukommen.<br />

Stani Und für diese gibt es seit tausend Jahren gewisse richtige und akzeptierte Formen. Was wir heute hier<br />

erlebt haben, war tant bien que mal, wenn man's Kind beim Namen nennt, eine Verlobung. Eine Verlobung<br />

kulminiert in der Umarmung des verlobten Paares. – In unserm Fall ist das verlobte Paar zu bizarr, um sich<br />

an diese Formen zu halten. Mamu, Sie ist die nächste Verwandte vom Onkel Kari, dort steht der Poldo<br />

Altenwyl, der Vater der Braut. Geh Sie sans mot dire auf ihn zu und umarm' Sie ihn, und das Ganze wird<br />

sein richtiges, offizielles Gesicht bekommen.<br />

Altenwyl ist mit einigen Gästen die Stiege heruntergekommen.<br />

Crescence eilt auf Altenwyl zu und umarmt ihn. Die Gäste stehen überrascht.<br />

Vorhang.

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