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Bäuerliche <strong>Landwirtschaft</strong><br />

Ein Zukunftsmodell<br />

Die Industrialisierung in der <strong>Landwirtschaft</strong> stößt auf<br />

zunehmende Kritik in der Bevölkerung. Bäuerliche<br />

Werte erleben eine Renaissance. Das hat bereits erste<br />

Auswirkungen auf die Agrarpolitik<br />

Bäuerliche <strong>Landwirtschaft</strong> ist mächtig<br />

im Kommen, zumindest schon in der<br />

Rhetorik. In den aktuellen Papieren der<br />

Parteien vor der Bundestagswahl ist<br />

sie wieder zu finden. Das war längst<br />

nicht immer so. In den 90er Jahren galt<br />

Bäuerlichkeit als etwas Rückständiges,<br />

das es zu überwinden gelte. Der damalige<br />

Bundeslandwirtschaftsminister<br />

Jochen Borchert von der CDU wollte<br />

nicht mehr Bauer sein, sondern ein moderner<br />

Landwirt und Unternehmer, und<br />

tilgte das Wort „bäuerlich“ aus dem<br />

CDU-Programm. Jetzt ist es wieder<br />

drin – wie bei GRÜNEN und auch SPD.<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> soll irgendwie bäuerlich<br />

sein, nicht industriell. Die Agrarindustrie<br />

steht <strong>für</strong> viele negative Entwicklungen,<br />

wohingegen mit Bäuerlichkeit mehr<br />

Rücksicht auf Tier, Natur und <strong>Umwelt</strong>,<br />

mehr Vielfalt und nicht zuletzt überschaubarere<br />

Größenordnungen und eine<br />

größere persönliche Verantwortlichkeit<br />

der Akteure verbunden werden.<br />

Das Gegensatzpaar industrialisiert<br />

versus bäuerlich ist nicht neu in der<br />

deutschen Debatte. Aber die Präsenz<br />

und Konsequenz, mit der über<br />

die Ausrichtung unserer Land- und <strong>Ernährung</strong>swirtschaft<br />

im Hochtechnologie-,<br />

Industrie- und Dienstleistungsland<br />

Deutschland öffentlich gestritten wird,<br />

ist von einer neuen Qualität. Wie Lebensmittel<br />

erzeugt und verarbeitet werden,<br />

wie die Flächen genutzt und vor<br />

allem wie die Tiere gehalten werden,<br />

das ist einem großen Teil der Bürger<br />

überhaupt nicht gleichgültig, sondern<br />

ein Herzensanliegen. Einige Bestandteile<br />

und Auswirkungen der bisherigen<br />

Entwicklungsrichtung in Land- und<br />

auch <strong>Ernährung</strong>swirtschaft werden heftig<br />

kritisiert und in Verbindung gebracht<br />

damit, dass die Erzeugung, Verarbeitung<br />

und der Handel unserer Lebensmittel<br />

sich zunehmend an Denkweisen<br />

und Abläufen industrieller Prozesse orientiert.<br />

Das gilt <strong>für</strong> die Tierhaltung in<br />

besonderer Weise.<br />

Tierhaltung industriell geprägt<br />

Das Nutztier ist dann nicht mehr so<br />

sehr ein individuelles Lebewesen, das<br />

genutzt, schließlich geschlachtet und<br />

gegessen wird. Es ist nun ein möglichst<br />

genormter und nur noch auf einen<br />

Zweck spezialisierter Rohstoff <strong>für</strong><br />

die nächste Stufe der Wirtschaftskette.<br />

Das Huhn legt nicht Eier und gibt dann<br />

Fleisch, sondern die eine Rasse ist auf<br />

Legeleistung gezüchtet, da überleben<br />

nur die weiblichen Küken, um später Eier<br />

zu produzieren. Die andere Rasse ist<br />

darauf gezüchtet, dass die Tiere nur 35<br />

Tage nach dem Schlüpfen geschlachtet<br />

werden – als „Hähnchen“. Und weil es<br />

pro Schlachttier Kosten spart, wenn<br />

möglichst viele Tiere in einem Stall gehalten<br />

werden, misst ein Stalldurchgang<br />

Masthühner gleich 40.000 Tiere,<br />

oder noch mehr. Natürlicher Weise<br />

erhöht das den Krankheitsdruck und<br />

den Gruppenstress <strong>für</strong> die einzelnen<br />

Tiere, was den wirtschaftlichen Vorteil<br />

der Größenordnung zunichte machen<br />

könnte. Also werden – auch vorsorglich<br />

– Gegenmaßnahmen ergriffen wie die<br />

Gabe von Antibiotika oder das Kupieren<br />

– also Einkürzen – der Schnäbel zur<br />

Vermeidung von gegenseitigem Federpicken.<br />

Das Tier wird der Haltungsform,<br />

die sich am besten rechnet, angepasst.<br />

Das ist beim Schwein ähnlich, dem<br />

routinemäßig der Ringelschwanz bis<br />

auf einen Stummel gekürzt wird. Sonst<br />

ist die Gefahr groß, dass dieses hoch<br />

sensible, aktive und spielfreudige Tier<br />

in den reizarmen Ställen mit ihren Beton-Spaltenböden<br />

bei Artgenossen den<br />

Schwanz anknabbert, was zu starken<br />

Entzündungen und Leistungseinbußen<br />

führen kann. Statt den Schweinen<br />

mehr Platz und vor allem ständig und<br />

ausreichend Wühlmaterial wie Stroh<br />

zur Verfügung zu stellen, werden die<br />

Schweine <strong>für</strong> die günstigere Haltungsform<br />

zurechtgestutzt. Mehr Platz und<br />

das Stroh würden schließlich teurere<br />

Ställe je Tier, Strohzukauf und mehr<br />

Arbeit als die reine Güllewirtschaft bedeuten<br />

und das Schlachttier um 20 bis<br />

40 Euro verteuern. Im Jahr 2012 wurden<br />

in Deutschland knapp 54 Millionen<br />

Schweine aus deutschen Ställen geschlachtet.<br />

15 Prozent davon gingen in<br />

den Export, auch nach Russland und<br />

China, wo Mehrkosten aus mehr Tierschutz<br />

noch nicht gerade einen Marktvorteil<br />

darstellen.<br />

Bauern im Zwiespalt<br />

Diese Beispiele zeigen den Zwiespalt,<br />

in dem sich die Branche und letztlich<br />

die Bauern und Bäuerinnen befinden.<br />

Jahrzehnte lang gab es immer nur die<br />

eine Richtung: Die Stückkosten auf den<br />

Betrieben mussten runter, die Erzeugung<br />

galt es so weit wie möglich zu<br />

rationalisieren. Was jeweils technisch<br />

umsetzbar war, wurde in die Praxis<br />

eingeführt, mit viel staatlicher Unterstützung,<br />

auch finanziell. Auf den mitmachenden<br />

Höfen war das fast immer<br />

verbunden mit einem Wachstum in die<br />

Größe, um die Investitions- und andere<br />

fixe Kosten auf eine größere Menge zu<br />

verteilen. Die Wachstumsschritte besonders<br />

in der Tierhaltung – auch beim<br />

Milchvieh – sind in den letzten Jahren<br />

erheblich größer geworden, und damit<br />

auch die Abhängigkeit von Fremdkapital,<br />

also den Banken. Wer in längeren<br />

Phasen niedriger Erzeugerpreise und<br />

hoher Kosten die Kredite nicht mehr<br />

bedienen kann, wird zu einem interessanten<br />

Objekt von Investoren. Über die<br />

Zahl schon nicht mehr wirtschaftlich<br />

eigenständiger landwirtschaftlicher Betriebe<br />

gibt es keine öffentlichen Statistiken,<br />

sondern nur Gerüchte, aber die<br />

halten sich standhaft. So sollen Molkereien,<br />

Schlachthöfe und Mischfutterhersteller<br />

schon an landwirtschaftlichen<br />

Betrieben beteiligt sein. Und manche<br />

Biogasanlage gehört längst Konsortien<br />

außerlandwirtschaftlicher Kapitalgeber.<br />

Das Wachstum der einen Betriebe bedeutet<br />

gleichzeitig das Weichen eines<br />

großen Teils anderer Höfe. Allein in den<br />

letzten zehn Jahren gab in Deutschland<br />

über ein Drittel (37%) aller Betriebe auf.<br />

Nun sind es keine 300.000 wirtschaftende<br />

Höfe mehr in ganz Deutschland.<br />

Die Zahl der in diesen Betrieben tätigen<br />

Arbeitskräfte ist laut Statistischem Bun-<br />

20<br />

umweltjournal 56/2013

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