Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ein architektonisches Beispiel<br />
der Vorkriegsmoderne.<br />
Hausvogteiplatz 1<br />
Das siebengeschossige Geschäftshaus am<br />
Hausvogteiplatz wirkt zunächst so, als wäre<br />
es erst in den letzen Jahren entstanden: Ein<br />
Neubau ohne besondere architektonische Akzente.<br />
Zu seiner Entstehungszeit 1928–30 war<br />
er tatsächlich neuartig, gebaut von den Architekten<br />
Walter Growald und Wilhelm Caspari.<br />
Er ist ein noch erhaltenes Beispiel der Neuen<br />
Sachlichkeit, der Vorkriegsmoderne. Die Fassade<br />
dominieren große Fensterflächen und die<br />
Verkleidung mit Travertinplatten. Die Sohlbankgesimse<br />
zwischen den Stockwerken gliedern<br />
das Gebäude horizontal und schwächen<br />
gleichzeitig die Wirkung der vertikalen Pfeilerkonstruktion.<br />
Das oberste Geschoss ist leicht<br />
Heute wird das Haus vom<br />
Deutschen Städtetag genutzt.<br />
zurückgesetzt. Der Bau entsprach »dem kühlen<br />
Chic der damaligen Mode« (Michael Bienert).<br />
In dem Haus zeige sich nach Meinung<br />
von Denkmalschützern der erreichte Stand in<br />
der Entwicklung der Geschäftshausfassaden,<br />
ehe die Nazis das stilistische Rad zurückdrehten.<br />
Am Hausvogteiplatz bot es einen Gegensatz<br />
zu den Bauten des späten 19. Jahrhunderts.<br />
Historisch bedeutsam ist der Platz vor allem<br />
als Geburtsstätte und Zentrum der modernen<br />
Textilkonfektion in der zweiten Hälfte des 19.<br />
und zu Beginn des 20. Jahrhunderts (»<strong>Berlin</strong>er<br />
Konfektion«). In dieser Zeit gehörte <strong>Berlin</strong> mit<br />
seiner insbesondere von jüdischen Unternehmern<br />
geprägten Mode- und Bekleidungsindustrie<br />
zu den wichtigsten Modezentren der<br />
Im Erdgeschoss hatte die Konditorei Reimann eine Filiale.<br />
Welt. Im Vorgängerbau befand sich das Textilunternehmen<br />
Moritz Levin. Im Nebengebäude<br />
(Foto) sind Unternehmen vertreten wie<br />
Lindemann Mechanische Kammgarnweberei<br />
Gotthard Kessler AG, Theodor Simon (Kleider,<br />
Blusen) und Max Seldis (Knaben Confection).<br />
Am Hausvogteiplatz 1 betrieben die<br />
Gebrüder Berglas, auch Besitzer einer Kammgarnweberei,<br />
in den oberen Etagen bis zu ihrer<br />
Enteignung 1939 durch die Nazis ein Geschäft<br />
für Damenmäntel, Stoffe etc. Im Erdgeschoß<br />
eröffnete die Konditorei Walter Reimann eine<br />
Filiale, ihr Hauptsitz lag am Kurfürstendamm.<br />
Nach der Sanierung dient das Geschäftshaus<br />
seit August 2011 dem Deutschen Städtetag<br />
als Hauptgeschäftsstelle in <strong>Berlin</strong>. Das Haus<br />
ist mit dem ebenfalls vom Städtetag erworbenen<br />
Eckhaus Oberwallstrasse 9 verbunden. Es<br />
wurde um 1890 vom Architekturbüro Kayser<br />
& von Großheim im Neorenaissance- und<br />
Neobarockstil errichtet und anlässlich der Fertigstellung<br />
des Nachbarhauses auf sechs Etagen<br />
aufgestockt.<br />
<strong>Berlin</strong>.<strong>Friedrichstraße</strong> Nr. 2 <strong>2014</strong> 43