Stadtanzeiger April 2013 - in der Stadt Oberlungwitz
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STADTANZEIGER OBERLUNGWITZ • 04/<strong>2013</strong> • AMTLICHER TEIL<br />
Wenn <strong>der</strong> Amtsschimmel …<br />
Gern spricht man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik davon,<br />
dass Vorschriften und behördliche Regelungen<br />
abgebaut werden müssen. In <strong>der</strong><br />
Praxis merkt man davon lei<strong>der</strong> oft wenig<br />
bzw. hat man den E<strong>in</strong>druck, dass Vorschriften<br />
und Standards beständig angehoben<br />
werden. Es wäre auch falsch,<br />
Brandschutz- und Sicherheitsvorschriften<br />
zu missachten. Gerade <strong>in</strong> öffentlichen<br />
Versammlungsstätten, wo häufig Veranstaltungen<br />
mit vielen Menschen stattf<strong>in</strong>den,<br />
ist es ganz wichtig, Vorkehrungen zu<br />
treffen, die e<strong>in</strong>e schnelle Evakuierung ermöglichen.<br />
Ausreichende Fluchtwege,<br />
gerade wenn sich solche Versammlungsstätten<br />
nicht im Erdgeschoss bef<strong>in</strong>den,<br />
s<strong>in</strong>d dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich. Auch wenn<br />
viele Jahre nichts passiert ist, dann und<br />
gerade dann, wenn vieles zur Rout<strong>in</strong>e geworden<br />
ist, sollte man auf gefährliche Situationen<br />
gefasst se<strong>in</strong>.<br />
Schlimm s<strong>in</strong>d Nachrichten von abgebrannten<br />
Diskotheken o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Vergnügungsstätten,<br />
wo Menschen umgekommen<br />
s<strong>in</strong>d, weil leichts<strong>in</strong>nig mit den<br />
Sicherheitsvorkehrungen umgegangen<br />
wurde und zudem, wenn überhaupt vorhanden,<br />
Fluchtwege versperrt und verschlossen<br />
waren. So etwas sollte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
zivilisierten und technisierten Welt, so wie<br />
<strong>in</strong> unserem Lande, nicht passieren. Es<br />
gibt sehr eigenartige und unglücklich zusammentreffende<br />
Umstände, die dennoch<br />
bei E<strong>in</strong>treten e<strong>in</strong>er Notsituation problematisch<br />
werden können. Deshalb müssen<br />
wir stets gerüstet se<strong>in</strong>, auch an das<br />
schier Unmögliche denken und als öffentliche<br />
Verwaltung mit gutem Beispiel voran<br />
gehen. Aber wo ist die Grenze? Wo ist die<br />
Grenze zwischen dem Notwendigen,<br />
dem Erfor<strong>der</strong>lichen und dem e<strong>in</strong>fachen<br />
Formalismus, <strong>der</strong> manchmal nur deshalb<br />
da zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t, um ganz an<strong>der</strong>e Interessen<br />
zu bedienen.<br />
In puncto Brandschutz haben wir <strong>in</strong> unseren<br />
Schulen und <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätte<br />
„Tausendfüßler“ alles getan, um die Sicherheit<br />
<strong>der</strong> sich dar<strong>in</strong> aufhaltenden Personen<br />
zu gewährleisten. Unsere K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
und jungen Menschen s<strong>in</strong>d uns ganz beson<strong>der</strong>s<br />
wichtig. Dass dort allerd<strong>in</strong>gs Tag<br />
und Nacht Fluchtwegschil<strong>der</strong> elektrisch<br />
beleuchtet werden müssen, obwohl sich<br />
nachts und an Wochenenden ke<strong>in</strong>e Personen<br />
<strong>in</strong> den Gebäuden aufhalten, ist e<strong>in</strong>e<br />
s<strong>in</strong>nlose Verschwendung. Bekanntermaßen<br />
kostet elektrische Energie o<strong>der</strong> –<br />
wie man landläufig sagt – „<strong>der</strong> Strom“ <strong>in</strong>zwischen<br />
ziemlich viel Geld, abgesehen<br />
davon, dass es <strong>der</strong> Umwelt auch nicht<br />
gerade zuträglich ist.<br />
Dass man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Seniorenpflegeheim<br />
e<strong>in</strong>e Brand- und Rauchmeldeanlage<br />
ständig <strong>in</strong> Betrieb hält und mit <strong>der</strong>en Auslösung<br />
auch sofort die Feuerwehr alarmiert,<br />
ist <strong>in</strong> Anbetracht <strong>der</strong> Tatsache,<br />
dass e<strong>in</strong> solches Haus an sieben Tagen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Woche und 24 Stunden am Tag belegt<br />
und bewohnt ist, unabd<strong>in</strong>gbar. Dazu<br />
handelt es sich dort noch um Menschen,<br />
die häufig auf <strong>in</strong>tensive Hilfe angewiesen<br />
s<strong>in</strong>d, wenn sie die Räumlichkeit im Gefahrenfall<br />
verlassen müssten. Dass man<br />
aber von e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten, <strong>der</strong> nur<br />
tagsüber belegt ist und <strong>in</strong> dem ständig<br />
Aufsichtspersonen anwesend s<strong>in</strong>d, verlangt,<br />
e<strong>in</strong>e solche Brand- und Rauchmeldeanlage<br />
auf die Rettungsleitstelle, die<br />
dann unmittelbar auch bei jedem Fehlalarm<br />
die Feuerwehr alarmiert, aufschaltet,<br />
sche<strong>in</strong>t allerd<strong>in</strong>gs übertrieben zu se<strong>in</strong>.<br />
Nun s<strong>in</strong>d wir gerade dabei, die ehemalige<br />
Gaststätte „Zur Post“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong>shaus<br />
„Zur Post“ umzugestalten. Dabei muss<br />
genau geprüft werden, <strong>in</strong>wieweit die vorhandenen<br />
Fluchtmöglichkeiten gerade<br />
aus dem Saal <strong>in</strong> <strong>der</strong> 1. Etage für zum Teil<br />
über 100 gleichzeitig dort bef<strong>in</strong>dliche Personen<br />
ausreichend s<strong>in</strong>d. Dazu gehört<br />
möglicherweise auch, dass man e<strong>in</strong>e<br />
breitere und besser begehbare Fluchttreppe<br />
anbr<strong>in</strong>gt. – Soweit, so gut und<br />
auch <strong>in</strong> Ordnung! Dass man aber im Erdgeschoss<br />
alt ehrwürdige, sehr gut erhaltene<br />
Türen gegen feuerhemmende Türen,<br />
die <strong>in</strong> ihrer Optik nichts mehr mit dem zu<br />
tun haben, was ehemals dieses Gebäude<br />
ausgemacht hat, austauscht, gleicht eher<br />
e<strong>in</strong>er Posse als des Umsetzens vernünftiger<br />
Vorschriften. Dabei wurden nicht nur<br />
die Türen an sich ausgetauscht, son<strong>der</strong>n<br />
auch die Porphyrste<strong>in</strong>gewände, an denen<br />
Türrahmen und Türblätter angebracht<br />
s<strong>in</strong>d. Diese Ste<strong>in</strong>e, wenngleich sie natürlich<br />
nicht brennen, s<strong>in</strong>d nicht so zertifiziert,<br />
wie es die Vorschrift for<strong>der</strong>t. Also –<br />
raus! Das alles – wie bereits gesagt – im<br />
Erdgeschoss. Dient das <strong>der</strong> Sicherheit<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Lobby, die wirtschaftliche Aktivitäten<br />
mit übertriebener Sicherheit verwechselt<br />
hat?<br />
Ich weiß, dass ich aus e<strong>in</strong>er Situation heraus<br />
argumentiere, die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
Bauaufsicht umzusetzen und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
zu f<strong>in</strong>anzieren hat. Ich b<strong>in</strong> auch ke<strong>in</strong><br />
Fachmann und mag das e<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />
nicht bedacht haben. Ich frage mich<br />
nur, wo das Erfor<strong>der</strong>nis aufhört und die<br />
Unvernunft beg<strong>in</strong>nt. Und ich frage mich,<br />
welche Vorschriften demnächst noch dazu<br />
führen werden, dass alles noch teurer<br />
und noch komplizierter und noch weniger<br />
verständlich wird. Die <strong>Stadt</strong> <strong>Oberlungwitz</strong><br />
ist sich ihrer Verantwortung gegenüber<br />
von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Schülern, von Vere<strong>in</strong>smitglie<strong>der</strong>n<br />
und Besuchern e<strong>in</strong>er Veranstaltung<br />
bewusst und will diese Verantwortung<br />
auch wahrnehmen. Alle<strong>in</strong> deshalb<br />
werden wir dafür sorgen, dass die im<br />
Gesetzblatt, <strong>in</strong> DIN-Vorschriften o<strong>der</strong><br />
sonstigen Normblättern geschriebenen<br />
Regelungen e<strong>in</strong>gehalten werden, ob sie<br />
nun vernünftig s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> nicht. Bezahlen<br />
müssen es aber alle!<br />
Steffen Schubert<br />
Bürgermeister<br />
❐<br />
2<br />
Fotos: <strong>Stadt</strong>verwaltung <strong>Oberlungwitz</strong>