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die fh-news 0 3/05 - Hochschule Hof

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Einer der auszog,<br />

das Fürchten zu lernen –<br />

oder der goldene<br />

Internetboom<br />

Ich entschuldige mich<br />

für <strong>die</strong> märchenhaften<br />

Titel, aber mit<br />

Private Equity kann<br />

man Sachen erleben,<br />

das glaubt man<br />

nicht. Mein Name ist<br />

Johannes Rupprecht,<br />

ein Wirtschaftsinformatiker<br />

der ersten Stunde in <strong>Hof</strong>. Als ich<br />

stu<strong>die</strong>rte, war <strong>die</strong> Welt noch in Ordnung:<br />

Informatiker waren gesucht, alle Stu<strong>die</strong>nkollegen<br />

hatten lange vor Beendigung des<br />

Studiums einen tollen Vertrag in der Tasche<br />

und jeder, der <strong>die</strong> Worte „Internet“ und<br />

„Application Service Providing“ flüssig in<br />

einem Satz sagen konnte, kam an viel Geld<br />

für seine Unternehmensidee.<br />

Bedingt dadurch, dass mein Vater geschäftsführender<br />

Gesellschafter eines Softwarehauses<br />

war, lag mir das Thema Softwareentwicklung<br />

sehr nahe. Dort stieg ein Venture<br />

Capital Investor namens IMH aus Berlin<br />

ein. Durch <strong>die</strong>sen Kontakt und einer Idee<br />

zu Software für den Einzelhandel übers<br />

Internet kam es zur Firma speed2web,<br />

deren geschäftsführender Gesellschafter ich<br />

wurde. Zusammen mit einem Stu<strong>die</strong>nkollegen<br />

und einem erfahrenen Vertriebsmanager<br />

machten wir Businesspläne. Die wurden<br />

auf Druck der IMH immer mutiger, solange,<br />

bis man <strong>die</strong> Realität größtenteils entfernt<br />

hatte und der Business Plan damit unterschriftsreif<br />

wurde.<br />

Der Business Plan sah zwei Finanzierungsrunden<br />

vor, <strong>die</strong> erste mit 2,55 Mio € Allerdings<br />

kamen davon nur zwei Drittel wirklich<br />

zustande, den Rest versprach <strong>die</strong> IMH rechtzeitig<br />

zu besorgen. Trotzdem sollte der sehr<br />

sportliche Plan eingehalten werden. Um<br />

<strong>die</strong>sen zu erreichen, musste man Personal<br />

einstellen: Nach einem Jahr waren wir 13<br />

Entwickler, sowie drei Vertriebsmitarbeiter<br />

und <strong>die</strong> Geschäftsführung. Umsatz hatten<br />

wir keinen, aber das war in Ordnung.<br />

Technisch hatten wir relativ freie Hand, das<br />

war aber auch kein Wunder, <strong>die</strong> IMH hatte<br />

nämlich keinen einzigen Softwareexperten,<br />

obwohl wir nicht das einzige Softwarehaus<br />

waren, das sie finanzierten. Als Geschäftsführer<br />

hatte man zwar <strong>die</strong> gesamte gesetzliche<br />

Haftung, aber nichts mehr zu melden,<br />

denn laut Gesellschaftsvertrag mit der IMH<br />

musste man sich fast jede Entscheidung, <strong>die</strong><br />

den Namen ver<strong>die</strong>nt, absegnen lassen.<br />

Trotz einiger Startschwierigkeiten in der<br />

Softwareentwicklung hatten wir es mit<br />

einer höchst motivierten Truppe tatsächlich<br />

geschafft, nach nur sechs Monaten Konzeptarbeit<br />

und fünf Monaten Entwicklung auf<br />

der Systems 2001 ein stabiles Warenwirtschaftssystem<br />

mit Kasse vorzustellen, dessen<br />

revolutionäre Oberfläche großen Anklang<br />

fand. Im November liefen <strong>die</strong> ersten Pilotkunden<br />

und auch der Markt sprang an.<br />

Es gab große Interessenten, z.B. Electronic<br />

Partner für mehrere tausend Filialen. Olivetti<br />

hatte Interesse an einer OEM Version für<br />

ihre Kassensysteme, etc. Allerdings wurde<br />

erwartungsgemäß das Geld knapp. Doch<br />

<strong>die</strong> IMH konnte sich auf einmal nicht mehr<br />

an ihr Versprechen erinnern, das fehlende<br />

Drittel zu besorgen. Wir mussten sofort in<br />

<strong>die</strong> zweite Finanzierungsrunde. Das Dumme<br />

daran: Dafür gibt es bei den Finanziers<br />

strenge Voraussetzungen, z.B. signifikante<br />

Umsätze, Kundeninstallationen im größeren<br />

Umfang, etc. Dazu kam, dass Ende 2001<br />

das Klima an den Finanzmärkten zu kippen<br />

begann. Also fand sich kein weiterer Investor<br />

für eine zweite Finanzierungsrunde. Es<br />

kam, wie es kommen musste: Ende 2001<br />

waren wir insolvent. Zum Glück hatten wir<br />

nur wenig eigenes Geld in der Firma und<br />

uns auch nicht auf Bürgschaften eingelassen,<br />

so dass wir ohne große finanzielle<br />

Blessuren aus der Sache herauskamen.<br />

Was mich wirklich freut: Die dilettantische<br />

und ignorante Arbeitsweise der IMH führte<br />

dazu, dass sie seit 2003 abgewickelt wird.<br />

Die positive Seite: Ich hatte mit 25 wertvolle<br />

Berufserfahrung: Projektmanagement,<br />

Geschäftsführung, Softwarearchitektur, ein<br />

echter Crash-Kurs. Durch einen Kontakt<br />

mit einem damaligen Interessenten bin ich<br />

auch an einen lukrativen Job als Projektleiter<br />

eines 2,5 Mio € Software-Projekts<br />

gekommen und konnte <strong>die</strong> Hälfte meiner<br />

Leute mitnehmen. Ich will auf keinen Fall<br />

jemanden davon abhalten, sich selbständig<br />

zu machen. Aber man sollte sich gut<br />

überlegen, ob der Einstieg eines Investors<br />

mit offensichtlich überzogenen Erwartungen<br />

und dafür umso weniger Ahnung vom<br />

eigenen Geschäft wirklich <strong>die</strong> Erfüllung der<br />

eigenen Träume bedeutet.<br />

Ich wünsche Euch viel Glück und Erfolg<br />

beim Studium und später,<br />

Johannes Rupprecht<br />

PS: Wir waren das negative Beispiel, dass Prof.<br />

Meuche immer in seinen Vorlesungen anführt!<br />

bericht eines ehemaligen<br />

<strong>die</strong> <strong>fh</strong>-<strong>news</strong> 03/<strong>05</strong><br />

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