politikorange zur Berlinwahl 2006 - Politikorange.de

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10 frisch gepresst COLDPLAY UND POLITIK 19 Jahre, die meisten sind gerade oder bald mit der Schule fertig. Der eine fängt an zu studieren. Der Andere macht ein Auslandsjahr. Doreen Kobelt kandidiert als Direktkandidatin für den Bezirk Charlottenburg- Wilmersdorf. Shirine Issa hat sie in einem Café am Ernst-Reuter-Platz getroffen. W ie alle Direktkandidaten in Berlin ist auch Doreen Kobelt im Moment im Wahlkampf. Auch sie hetzt von einem Termin zum anderen. Auch sie schläft kaum, auch sie hat wenig Zeit für anderes. Mit 19 Jahren ist sie eine der jüngsten Kandidaten der Berlinwahlen2006. Für die Linkspartei.PDS tritt sie als Direktkandidatin im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf an. In einem Alter, in dem die Meisten gerade ihr Abitur oder eine Ausbildung gemacht haben, verteilt Doreen Wahlkampf-Giveaways, klebt Plakate und spricht mit potentiellen Wählern. Ganz nebenbei studiert sie außerdem Geschichte und absolviert ein Praktikum am Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU-Berlin. Hat sie für so was überhaupt noch Zeit? „Die Zeit nehme ich mir einfach“, sagt sie. „Wenn ich 24 Stunden am Tag Wahlkampf machen würde, würde ich ja verrückt.“ Trotz alledem hat Doreen allerdings auch ganz normale Hobbys – wie man es von einer 19jährigen ja auch erwarten würde. In ihrer Freizeit liest sie gerne historische Romane, trinkt Kaffee oder trifft sich mit privaten Freunden. „Klar habe ich auch Freunde in der Partei“, erklärt Doreen. „Aber ich achte sehr darauf, dass ich auch mit anderen Leuten zusammen bin.“ POLITISCHE SPÄTZÜNDERIN Interessiert man sich für Doreens Motivation, in den Wahlkampf zu ziehen, muss man vielleicht in den Songtexten ihrer Liebligsband stöbern. „And open up your eyes, open up your eyes“, singen Coldplay im Refrain zu „Politiks“ immer wieder. Was Politik angeht, hat Doreen erst spät ihre Augen geöffnet, gibt sie zu. „Meine Eltern sind eher apolitisch. Ich glaube ich bin, was die Politik angeht auch eher ein Spätzünder.“ Ihr eigenes Umfeld bezeichnet sie als links, und auch sie selbst hat irgendwann gemerkt, dass sie sich einmischen will. „Give me peace“, singen Coldplay in ihrem Chart-Hit „Politiks“ weiter. Kein Wunder, dass Doreen die Texte der britischen Rockband so gerne mag. Schließlich war der Frieden auch ein wichtiger Aspekt für ihre politische Ausrichtung. „Für mich ist es wichtig, dass meine Partei eine Friedenspartei ist“, meint sie. „Parteien wie die SPD oder die CDU spielten außerdem nie eine Rolle in meiner Familie.“ FINANZIELL UNABHÄNGIG In der Zukunft würde Doreen gerne im Bildungswesen arbeiten. Eine Berufspolitikerin zu sein, kann sie sich jetzt noch nicht vorstellen. „Um wirklich gute Politik machen zu können, muss man erst mal unabhängig von ihr sein“, ist die Direktkandidatin überzeugt. „Ich wäre jedenfalls nicht in der Lage, den Bürger so unabhängig zu vertreten, wie es sein sollte, wenn ich finanziell von der Politik abhängig wäre.“ Der Weg zur Berufspolitikerin jedoch ist lang, und deshalb fängt Anzeige Doreen schon jetzt an ihn zu beschreiten – möglicherweise bald mit einem Abgeordnetenhaus-Mandat. Ihre Schwerpunkte sind Bürgerrechte, Chancengleichheit und Demokratie. Demokratie - wenn Doreen dieses Wort in den Mund nimmt, hat es einen besonderen Beigeschmack. Etwas Aktives, etwas, was Möglichkeiten zur gemeinsamen Verbesserung gibt. Irgendwie das, was viele Wähler sich wünschen. Uns was bedeutet Demokratie nun für Doreen genau? Einen Moment denkt sie nach. „Demokratie ist die Möglichkeit, sich politisch zu engagieren und artikulieren zu können“, sagt sie dann. So gesehen ist das, was Doreen jetzt grade tut, die Umsetzung von Demokratie. „Everyone must find a place“, singen Coldplay ein paar Zeilen später. Doreen hat ihren Platz schon gefunden. 19 Jahre und schon in der Politik: Doreen Kobelt ist Direktkandidatin bei der Linkspartei. In ihrer Freizeit hört die Nachwuchspolitikerin gerne Coldplay. Einige Songtexte passen perfekt.
politikorange zu den BerlinWahlen 2006 17. August bis 17. September in Berlin frisch gepresst 11 DAS LEBEN: SCHÖÖÖÖN! Anzeige Hauke Stiewe ist Spitzenkandidat der Bergpartei. Alles nur Spaß? Nicht ganz. Von Isabelle Abbasi W ie muss das Leben sein? Bitte kreuzen Sie an: Aufregend. Hart. Wirtschaftlich. Oder einfach nur „schöööön“. Auf den Plakaten von Hauke Stiewe hat der Wähler noch eine große Auswahl. Hauke ist Spitzenkandidat der Bergpartei in Friedrichshain. Bei seinem Wahlkampf geht es um fundamentale Dinge. Das Leben. Die Bildung. Oder der Arzt. Zusätzlich lächelt von den Plakaten ein süßes Häschengesicht. Der ganze Wahlkampf sieht nach Spaßpartei aus. Einen Mangel an Spaßparteien braucht Berlin bekanntlich nicht zu beklagen. Da wäre zum Beispiel noch DIE PARTEI, welche die Dresdner Frauenkirche einreißen will um aus den Trümmern die Berliner Mauer wieder aufzubauen. Oder die APPD, die Anarchistische Pogo- Partei Deutschland, die sich für Ein- Euro-Shoppen statt Ein-Euro-Jobben einsetzt. Doch die Bergpartei ist anders – sagt zumindest Hauke. „Uns geht es nicht ausschließlich um Spaß. Wir wollen Berlins Probleme mit Kreativität lösen.“ Außerdem möchten Hauke und seine Mitstreiter den Wähler zum Umdenken auffordern. Mit dem bisherigen politischen System ist die Bergpartei alles andere als zufrieden. „Viele Politiker beschränken ihre Arbeit darauf, ihre Parteien zu unterstützen“, kritisiert Hauke. Dabei vergessen sie, dass es im Wesentlichen um die Möglichkeiten der Menschen geht.“ Die Bergpartei hingegen sieht in Berlin ganze „Berge von Möglichkeiten“. Diese wollen sie auch nutzen um ihre Ziele nach einer lebendigen Stadt zu verwirklichen. Die Einführung der bezahlten Reisepflicht ist nur einer ihrer Vorschläge. „Reisen bildet“, so das Argument für die ungewöhnliche Idee, und Bildung kann ein Mensch nie genug haben. „Für jeden gefällten Baum ein eingeschmolzenes Auto“ ist der Beitrag der Bergpartei zum Umweltschutz. Mit Parteien hatte Hauke ursprünglich wenig am Hut. Der 35 Jahre alte gebürtige Bremer ist gelernter Decksmann. In Berlin hat er einige Häuser besetzt, ist in der linken Szene bekannt. Momentan hat er keinen festen Job. Seine gesamte Freizeit verbringt er mit dem Wahlkampf für die Bergpartei, in die er vor einigen Jahren eingetreten ist. „Wir haben keine Agenturen die für uns arbeiten. Wir machen alles selber“, berichtet er stolz. Etwa 150 Leute zählt seine Partei, größtenteils Bekannte und Freunde. „Die Plakate haben wir im Siebdruckverfahren selbst produziert, der Wahlkampf wird durch Einnahmen von Partys und Flomarkt-Verkäufen finanziert.“ Wahlkampf selfmade – auch das gehört zum Konzept der Bergpartei. Denn: Kunst und Politik gehören zusammen, ganz klar, und ohne Spaß geht gar nichts. Mehr als nur Fun: Mit dem Häschen und den lustigen Werbeslogans wirkt Haukes Bergpartei wie eine Spaßpartei. Doch der Spitzenkandidaten meint es durchaus ernst.
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