politikorange zur Berlinwahl 2006 - Politikorange.de

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12 gewächshaus fruchtfleisch | Was bedeutet Demokratie für dich? KRITISCH BEI DER EIGENEN ZIELGRUPPE Manchmal stimmen Klischees. Am Eingang der taz-Redaktion werden wir von einem freundlichen Herrn, Ende dreißig begrüßt. In der taz-Redaktion wird sofort geduzt. Gereon Asmuth ist Chef der Berlin-Redaktion. Wie in den meisten Lokalredaktionen lautet das vorherrschende Thema seit Wochen auch hier: BerlinWahlen2006. Von Matin Tirmizi „Einfluss haben“ „Keine Angst haben“ „Das Volk“ Quang, 23 Gastronom aus Wedding Das ist eine Sache, bei der Leute Einfluss darauf haben, wie ihr Leben aussehen soll. Behboud, 46 Technischer Angestellter aus Berlin-Wilmersdorf Wenn ich in einem Land leben kann, in dem ich nicht daran denken muss, wo ich überall hingehen und alles sagen kann, dann ist das für mich Demokratie. Dazu gehört vor allem auch: Keine Angst haben zu müssen. Rock, 23 Gastronom aus Charlottenburg A uf den ersten Blick unterscheidet sich das Geschehen kaum von anderen Redaktionen. Beschäftigt sitzen Autoren und Grafiker an Rechnern, telefonieren oder befinden sich in einem Gespräch. Zwei oder drei Wahlplakate der Grünen weisen darauf hin, dass die taz irgendwo eine besondere Redaktion ist. Daneben der Spruch „taz muss sein!“. Die unabhängige Tageszeitung ist bundesweit das einzige Blatt, das seinen Lesern gehört. Sie wird von einer Genossenschaft getragen, die momentan aus über 6.900 Lesern, Mitarbeitern und Freunden besteht. So sichern sie die wirtschaftliche und publizistische Unabhängigkeit „ihrer“ Zeitung. Die taz erscheint weitgehend unabhängig von Anzeigeneinnahmen, über den Inhalt bestimmt ausschließlich die Redaktion. Und die ist seit der taz-Gründung 1979 weitgehend links und kritisch. DAS LIEST DOCH KEINER Es ist halb elf, für die Berlin-Redaktion beginnt ein internes Redaktionstreffen. Wer schreibt welchen Artikel in welcher Länge? Sofort fällt das niedrige Durchschnittsalter der Redaktion auf: vier Praktikanten sitzen fünf Mittdeißiger-Redakteuren gegenüber. Atmosphäre und Umgangston untereinander sind entspannt - es erinnert mehr an ein freundschaftliches, denn an ein berufliches Treffen. Erst bei der Diskussion über die Inhalte, wird der Ton teilweise schärfer. Ein Satz, der häufiger fällt: „kann man machen, muss man nicht“, gefolgt von: „das liest doch keiner“. Thema ist der Wahlkampf. Auch in der taz gibt es „normale“ Berichterstattung: Was wollen wir von der Wahl? Wo sind die Knackpunkte? Und: Wie wird eigentlich gewählt? „Außerdem“, meint Gereon Asmuth, „versuchen wir die Unterschiede der einzelnen Parteien herauszukitzeln“ Das sei bei diesem Wahlkampf aber schwierig. „Berlin hat derzeit eindeutig zwei Probleme: Wir sind pleite. Und wir haben zu viele Arbeitslose. Aber da keine Partei dafür ein Lösungskonzept hat, bleibt der Wahlkampf flach.“ AUF DIE CDU HAUEN Die taz ist links, vor allem aber auch unabhängig und kritisch – darauf jedenfalls legt Gereon Asmuth großen Wert. „Natürlich gibt es bei uns eine gewisse politische Nähe zum linken Spektrum“, erklärt er, „und daher interessieren uns in diesem Wahlkampf auch explizit die vier linken Parteien.“ Das bedeute aber nicht, dass über SPD, Grüne, Linke und WASG ausschließlich positiv berichtet wird. „Ja, wir hauen oft auf die CDU“, gibt Asmuth zu, „aber die linken Parteien nehmen wir tendenziell noch kritischer ins Visier. Dafür werden wir dann oft vom linken Lager gerügt.“ Die Leser der taz sind selbst links und haben deshalb ein fundiertes Hintergrundwissen über linke Parteien. Umso stärker werden Artikel hinterfragt, umso mehr müssen sich die Autoren bemühen, kritisch zu berichten. PEINLICH IST DAS Mit ihrer linken Berichterstattung bildet die taz einen Gegenpol zum Axel-Springer-Verlag. Im Springer- Hochhaus gegenüber werden unter anderem die Bild-Zeitung, die Berliner Morgenpost und die BZ produziert. Nach Asmuths Geschmack biedert sich der Springer-Verlag den konservativen Parteien manchmal zu stark an. „Als Herr Pflüger als Spitzenkandidat der CDU fest stand, tauchte er in solchen Zeitungen täglich mit großen Artikeln und eigenen Beiträgen auf“, stellt der taz- Redakteur fest. „Das war schon sehr, sehr auffällig – und dann wurde noch nicht mal objektiv berichtet, sondern richtiggehend für Pflüger geworben. Peinlich ist das. Wir würden linke Kandidaten nie so behandeln.“ Glaubt man Asmuth, ist es nicht Ziel der taz, den Leser zur Wahl einer linken Partei zu bewegen – sondern ihn überhaupt an die Wahlurne zu bringen. „Ein Großteil der Wähler ist unschlüssig, welcher Partei er seine Stimme geben soll.“, weiß Gereon Asmuth. Dem Leser rät er daher: „Schaut genau hin, informiert euch und geht wählen! Noch ist nichts entschieden.“ Eine fast normale Tageszeitung: Auch in der Berliner taz sind die Wahlen vorherrschendes Thema. Die Herangehensweise aber ist anders. Das leitet sich ab von Demos, das Volk, und bedeutet: Mitbestimmung. Also die Regierung des Volkes.
politikorange zu den BerlinWahlen 2006 17. August bis 17. September in Berlin erntezeit 13 WOHL BEKOMM‘S! DIE PARTEIEN TISCHEN AUF Heißt es „Gratis!“, greift der Mensch zu. Das gilt auch für die Giveaways an den Wahlkampfständen der Parteien. Ohne einen Gedanken an Nutzen oder Wirkung seiner Tat zu verschwenden, verwandelt sich der Bürger liebend gerne zum Aushängeschild der großen Parteien. Von Daniela Uhrich und Nemezjusz Kasztelan. J ung, frech und sexy, dass wollen die Parteien des 21. Jahrhunders sein. Und dabei setzen sie alles daran, die „craziness“ ihrer Konkurrenten zu übertreffen. Das politische Merchandising gehört seit Jahren zur Tradition und entwickelt sich immer mehr zur Identitätsgrundlage einer jeden Partei. Zum unfreiwilligen Werbeträger werden häufig die Anzeige Kleinsten: Mit dem Politikkuli in der Hand verwandelt sich ein Schüler zur Reklametafel, mit einem roten SPD-Ballon ein Kind zum tollenden Parteimaskottchen. Ein warmer Sommertag im Park - das ist die spontane Vision beim Blick auf den Wahlkampftisch der Grünen. Locker-flockig kommen sie daher, mit Fahrradklingel, Frisbee und einem Gras-Tütchen. Damit die Jeans beim Fahrradfahren im Grünen nicht in die Speichen gerät, verspricht ein Klettband mit der Aufschrift „Mobil Grün – wo ich bin, ist Verkehrsknotenpunkt“ Abhilfe. Wenn die Grüne Jugend gerade nicht kifft oder schwarzfährt, ist sie auch für ein Späßchen gerne zu haben. So kann man auf einer CD-ROM mit Kandidatengesichtern Memory oder Atomtennis spielen. Die SPD setzt eher auf Bürgertum meets Kinderfreundlichkeit. Die klassische Mischung mit Sicherheitsreflektor, Brotbox und Wowi-Falt- Spiel soll den Familienmenschen ansprechen. Per Internetspiel gibt es sogar einen Wowi-Bären zu gewinnen, SPD-Glück für die ganze Familie. Vor wenigen Jahren wollten CDU- Politiker die Steuerklärung eines jeden Bürgers auf einen Bierdeckel packen, heute reicht es zumindest noch für kreative Wahlkampfslogans: „Helle trinken und schwarz wählen“ steht es weiß auf orange auf dem Pappquadrat. Gelb-blaue Faust am Schlüsselanhänger: Die FDP haut rein. Zielpublikum ist wohl der „bodenständige Freak“. Schlüsselbänder, Erfrischungstücher und Einkaufswagenchips. Nützliches für zuhause und unterwegs soll täglich an die lieben Liberalen erinnern. Ganz unverblümt treibt es hingegen die PDS: Die Sozis setzen auf Sex. Süße Gummitierherzchen animieren dazu, Kondome schützen dabei, das Feuerzeug ist für die Zigarette danach. Jung, frech und sexy, das wollen die Parteien des 21. Jahrhunders sein. Bislang sind es nur die Giveaways.
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