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PSC 6-08 - FSP

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DOSSIER: Berufseinstieg und Psyche<br />

PSYCHOSCOPE 6/20<strong>08</strong><br />

Anfang an Konzentrationsstörungen und eine limitierte<br />

Aufmerksamkeitsspanne geboten. Der Arbeitsstil sei unsorgfältig,<br />

das Schriftbild teilweise unleserlich und insgesamt<br />

habe sich der beschriebene Zustand über den bisherigen<br />

Verlauf nicht wesentlich verändert.<br />

Es werden die Diagnosen einer posttraumatischen Belastungsstörung<br />

(ICD 10: F 43.1), einer kombinierten<br />

Störung schulischer Fertigkeiten (F81.3) und eines Stotterns<br />

(F 98.5) gestellt. Unter den genannten Voraussetzungen<br />

sei dann die Indikation zu einer Psychotherapie<br />

gestellt worden. Nach bisher einjährigem Verlauf zeige er<br />

nur mehr selten ein Stottern, könne sich in der Schule<br />

besser konzentrieren und habe verbesserte Schulleistungen<br />

entwickelt.<br />

Unter den gegebenen Voraussetzungen war hier Psychotherapie<br />

nach Artikel 12 IVG zuzusprechen. Es<br />

handelt sich nach den oben entwickelten Kriterien um<br />

eine die Eingliederung gefährdende, aber durch Psychotherapie<br />

wirksam zu behandelnde psychische Störung<br />

von Krankheitswert. Die weitere schulische Entwicklung<br />

bleibt abzuwarten. Insbesondere wird zu<br />

gegebener Zeit zu prüfen sein, ob – entgegen der derzeit<br />

günstig gestellten Prognose – psychische Symptome<br />

persistieren. Wären diese von solcher Schwere, dass der<br />

Jugendliche in der Auswahl beruflicher Möglichkeiten<br />

als erheblich beeinträchtigt zu gelten hätte, wäre er unterstützungsberechtigt<br />

für eine erste berufliche Ausbildung<br />

nach Artikel 16 IVG (vgl. Kasuistik 2).<br />

Der traditionelle Bereich der Arbeitsvermittlung, Berufsberatung<br />

und Umschulung bleibt nach 5. Revision<br />

des IVG bestehen; neu treten Massnahmen der Früherfassung<br />

und -intervention sowie niederschwellige Integrationsmassnahmen<br />

hinzu, wie Belastbarkeits- und<br />

Aufbautraining sowie wirtschaftsnahe Integration. Für<br />

den hier besprochenen Altersbereich wird im Wesentlichen<br />

die erste berufliche Ausbildung in Frage kommen.<br />

Voraussetzung ist unter anderem, dass die schulische<br />

Ausbildung abgeschlossen und die Berufswahl<br />

an sich getroffen wurde (Pfiffner Rauber, Brigitte,<br />

2004). Sogenannte Schnupperlehren oder der Berufsfindung<br />

dienende Massnahmen sind nicht gemeint.<br />

Kasuistik 2: Eingliederung<br />

Das im folgenden Beispiel vorliegende Geburtsgebrechen<br />

404 ist hier nicht im Einzelnen zu besprechen; es<br />

gibt relativ häufig Anlass zu therapeutischen und beruflichen<br />

Massnahmen und steht symptomatologisch<br />

dem ADHD nahe, ohne mit diesem identisch zu sein.<br />

Der 16-jährige Jugendliche fiel bereits im Kindergartenalter<br />

durch Ängstlichkeit und wiederholte Konflikte mit<br />

anderen Kindern auf, in der Schulzeit entwickelte sich<br />

eine unbestimmte und durch Organbefunde nicht erklärbare<br />

Schmerzsymptomatik von wechselnder Schwerpunktlokalisation.<br />

Zudem fielen in verschiedenen Situationen<br />

eine ungerichtete Bewegungsunruhe und eine<br />

Frustrationsintoleranz auf, die schon bei geringen alltäglichen<br />

Versagenserfahrungen zu unkontrollierten Wutausbrüchen<br />

Anlass gab. Im Rahmen einer eingehenden<br />

schulpsychologischen Untersuchung wurde bei normaler<br />

Intelligenz (HAWIK-III: Gesamt-IQ 96) eine reduzierte<br />

Konzentrationsspanne gefunden, deutliche Schwächen<br />

der Merkfähigkeit, Störungen im Bereich der<br />

taktil-kinästhetischen und auditiven Wahrnehmung.<br />

In der Untersuchungssituation zeigte sich die anamnestisch<br />

beschriebene Bewegungsunruhe, die eingeschränkte<br />

Steuerbarkeit des Verhaltens und deutlich erhöhte Ablenkbarkeit.<br />

Es wurde ein sogenanntes infantiles psychoorganisches<br />

Syndrom als Geburtsgebrechen zugesprochen<br />

und in diesem Zusammenhang Ergotherapie und<br />

Psychotherapie für die Dauer von jeweils zwei Jahren zugesprochen.<br />

Schulisch wurde das Kind in Kleinklassen<br />

betreut. Die gleichzeitige medikamentöse Behandlung<br />

mit Methylphenidat führte sowohl zu einer Reduktion<br />

der Hypermotilität als auch zu verbesserten Aufmerksamkeitsleistungen.<br />

Nach Abschluss der Sekundarschule wurden im Rahmen<br />

einer aktualisierten Befunderhebung weiterhin deutliche<br />

Schwächen der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung<br />

gefunden, im Rahmen verschiedener «Schnupperlehren»<br />

reagierte der Jugendliche heftig emotional auf<br />

Versagenserfahrungen oder Kritik.<br />

Auf Antrag wurde eine erste berufliche Ausbildung im<br />

Gärtnereibereich zu Lasten der IV übernommen.<br />

Dieser Fall zeigt eine nicht untypische, an die Bedürfnisse<br />

verschiedener Lebensphasen adaptierte soziale<br />

Problematik. Im Kindesalter auffällig, standen zuerst<br />

die Beschulung begleitende therapeutische Massnahmen<br />

im Vordergrund. Bei der anstehenden Berufswahl<br />

zeigte sich eine gravierende Symptomenpersistenz.<br />

Diese liess annehmen, dass nach Massgabe der rechtlichen<br />

Bestimmungen dieser Jugendliche krankheitsbedingt<br />

in seiner beruflichen Ausbildung wesentlich<br />

eingeschränkt sein würde. Gleichzeitig wurde er als<br />

grundsätzlich eingliederungsfähig angesehen, das<br />

heisst, als objektiv wie subjektiv in der Lage, berufsbildende<br />

Massnahmen konkret zu bestehen.<br />

Eine von der IV zu übernehmende Ausbildung muss<br />

der Behinderung angepasst sein sowie den Fähigkeiten<br />

der Jugendlichen entsprechen. Vorliegend war<br />

eine Ausbildung in Betracht zu ziehen, die eine relativ<br />

freie Gestaltung der täglichen Arbeitsabläufe erlaubt,<br />

keine erheblichen Anforderungen an Präzision und<br />

Geschwindigkeit dieser Arbeit stellt und auch wenig<br />

Konfliktbereiche im zwischenmenschlichen Kontakt<br />

erkennen lässt. Bleiben auch unter diesen bestmöglichen<br />

«angepassten» Voraussetzungen krankheitsbe-

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