PSC 6-08 - FSP
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Spargefahr bei der Frühförderung<br />
28<br />
<strong>FSP</strong> AKTUELL<br />
PSYCHOSCOPE 6/20<strong>08</strong><br />
Roland Buchli ist Ende April zum neuen Präsidenten der<br />
Schweizerischen Vereinigung für Kinder und Jugendpsychologie<br />
SKJP gewählt worden. Im Psychoscope-Interview<br />
nimmt er Stellung zur Aktualität.<br />
Die Schweizerische Vereinigung für Kinder-<br />
und Jugendpsychologie ist unser<br />
grösster Fachverband. Noch grösser scheinen<br />
derzeit aber die Jugendprobleme ...<br />
Roland Buchli: Dass der Fachverband<br />
wächst und immer grösser<br />
wird, freut uns natürlich. Die Jugendprobleme<br />
in der Pubertät fordern<br />
nicht nur uns als Fachleute heraus,<br />
sondern seit Generationen die<br />
ganze Gesellschaft. Heute kommen<br />
allerdings exzessiver Alkoholmissbrauch,<br />
Gewalt und sexuelle Übergriffe<br />
schon bei Kindern hinzu. Das<br />
beunruhigt uns. Wie soll das weitergehen?<br />
Der Einsatz repressiver Mittel<br />
hilft kaum weiter. Die Eltern und die<br />
Lehrkräfte scheinen oft verunsichert.<br />
Gehen sie Konflikten einfach aus<br />
dem Weg, statt den Mut aufzubringen,<br />
Grenzen zu setzen?<br />
Welches sind ür Sie die wichtigsten Erkenntnisse<br />
aus der SKJP-Tagung zum<br />
Nationalen Finanzausgleich NFA?<br />
Erstens die Bedeutung des Kontakts<br />
zur politischen Ebene, zur EDK (Erziehungsdirektorenkonferenz)<br />
und<br />
die Tatsache, dass die Verantwortung<br />
zur Umsetzung der «Interkantonalen<br />
Vereinbarung über die Zusammenarbeit<br />
im Bereich Sonderpädagogik»<br />
bei den Kantonen liegt. Das Projekt<br />
NFA führt zu einer eindeutigen Stärkung<br />
des Föderalismus, mit allen<br />
Vor- und Nachteilen. Zweitens besteht<br />
die Gefahr einer falsch verstandenen<br />
«schulischen Integration», bei<br />
der die Kinder langfristig die Leidtragenden<br />
sind. Drittens das dringend<br />
notwendige Engagement der<br />
Schulspychologischen Dienste/Erziehungsberatungsstellen,<br />
ihre Kompetenzen<br />
einzubringen und Projekte<br />
wie die Einführung standardisierter<br />
Abklärungsverfahren oder die Prozessgestaltung<br />
mit Hilfe des ICF etc.<br />
nachhaltig mitzugestalten. Wer nicht<br />
dabei ist, geht vergessen. – Ich hoffe<br />
sehr, dass die Psychologen aufgrund<br />
dieser Tagung den Ernst der Lage für<br />
ihr berufliches Umfeld erkannt haben.<br />
Hier möchte ich vor allem die<br />
kantonalen LeiterInnen ermuntern,<br />
an der Zusammenarbeit über die<br />
Kantonsgrenzen hinaus mitzuwirken<br />
bzw. entsprechende fachlich qualifizierte<br />
Personen zeitlich freizustellen.<br />
Ist die rechtzeitige Therapie von Kindern<br />
und Jugendlichen durch die neuen Finanzierungsformen<br />
gefährdet?<br />
Ja und nein. Im Bereich der medizinisch-therapeutischen<br />
Einzelfall-<br />
Massnahmen wohl kaum, sofern entsprechende<br />
medizinische Diagnosen<br />
vorliegen und vorschriftenkonform<br />
sind. Ich denke hier vor allem an Psychotherapie.<br />
Hier wird die IV nach<br />
wie vor Kostengutsprachen erteilen.<br />
Schwieriger ist es bei den pädagogisch-therapeutischen<br />
Massnahmen.<br />
Es handelt sich um die Angebote der<br />
Frühberatungsstellen und der schulintegrierten<br />
Angebote wie Einzelunterricht,<br />
Legasthenie-, Dyskalkulietherapie<br />
etc., für die die Kantone<br />
zuständig sind. Hier dürften unterschiedliche<br />
Handhabungen aus<br />
Spargründen vorkommen.<br />
Gerade im Zusammenhang mit jugendlichen<br />
Tätern, wird «Psychologisieren»<br />
eher negativ ins Feld geführt …<br />
Hier möchte ich exemplarisch auf die<br />
Problematik der Kinder und Jugendlichen<br />
mit normabweichendem Verhalten<br />
(ADD, ADS und POS) hinweisen.<br />
Wer kennt sie nicht, diese<br />
verzweifelten Eltern mit ihren Zappelphilipps<br />
und den entsprechenden<br />
Reaktionen von Unbeteiligten. Betroffene<br />
und Angehörige brauchen<br />
hier dringende Fachhilfe. Als Ursachen<br />
für Fehlverhalten kommen<br />
beispielsweise Verwahrlosung<br />
(Schlüsselkinder), Gewalt (u.a. Sexualübergriffe)<br />
etc. vor. Ganz schwierig<br />
wird es, wenn sowohl hirnorganische<br />
als auch umweltbedingte Ursachen<br />
der Grund für Fehlverhalten sind.<br />
Das negativ besetzte «Psychologisieren»<br />
wird oft in Unkenntnis der Problematik<br />
und des Einsatzes der Fachleute<br />
gebraucht.<br />
Welche Ziele haben Sie sich als SKJP-<br />
Präsident gesetzt?<br />
Schwerpunkte lege ich auf den Ausbau<br />
des Kontakts zur Romandie und<br />
die Realisierung des Titelschutzes im<br />
Psychologieberufegesetz in Zusammenarbeit<br />
mit dem Dachverband<br />
<strong>FSP</strong>; Wichtig ist auch die Wahrnehmung<br />
der Interessen von Mitgliedern,<br />
die nicht in der Schulpsychologie/Erziehungsberatung<br />
arbeiten, wie<br />
freiberuflich Tätige, Psychologen in<br />
stationären und halbstationären Einrichtungen<br />
der Kinder- und Jugendhilfe<br />
bzw. der Heil- und Sonderpädagogik<br />
usw. Am Herzen liegt mir<br />
auch das Projekt «Förderpreis», wo<br />
im Rahmen der Nachwuchsförderung<br />
zweijährlich eine hervorragende<br />
Masterarbeit im Bereich der Kinderund<br />
Jugendpsychologie ausgezeichnet<br />
werden soll. Und schliesslich werden<br />
wir die Entwicklung im Rahmen<br />
der NFA genau beobachten und wo<br />
nötig Stellung beziehen.<br />
Interview: Daniel Habegger