PSC 6-08 - FSP
PSC 6-08 - FSP
PSC 6-08 - FSP
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>08</strong><br />
DOSSIER: Berufseinstieg und Psyche<br />
PSYCHOSCOPE 6/20<strong>08</strong><br />
«Lern doch einfach<br />
mal was!»<br />
Aktuelle Studienergebnisse zur Entwicklung des Berufswunsches<br />
Berufswünsche 15-Jähriger gilt es ernst<br />
zu nehmen. So lautet ein Ergebnis<br />
einer aktuellen Längsschnittstudie zur<br />
Realisierung von Berufswünschen. Karin<br />
Stuhlmann vom Pädagogischen Institut<br />
der Universität Zürich hat dazu in ihrer<br />
Dissertation über 1000 Berufsverläufe<br />
untersucht.<br />
«Was willst du einmal werden?» Diese Frage wird Kindern<br />
und Jugendlichen oft gestellt, vor allem gegen<br />
Ende ihrer Schulzeit. Die Berufswünsche, so häufig sie<br />
thematisiert werden, haben jedoch einen zweifelhaften<br />
Ruf. Sie gelten gemeinhin als unrealistisch. Ihre Verwirklichung<br />
sehen Aussenstehende deshalb oft nicht<br />
als oberstes Ziel. Im Gegenteil, deren gut gemeinter Rat<br />
lautet oft: «Lern doch einfach mal was! Später kannst<br />
du immer noch das machen, was du möchtest.» Doch<br />
entspricht dies dem tatsächlichen Lebensverlauf?<br />
Das Forschungsprojekt LifE<br />
Durch das von den Universitäten Zürich und Konstanz<br />
entwickelte längsschnittliche Forschungsprojekt Lebensläufe<br />
ins frühe Erwachsenenalter LifE wurde eine<br />
Datenbasis geschaffen, die es ermöglichte, Berufswünsche<br />
und deren Entwicklung im Erwachsenenalter zu<br />
untersuchen. Berücksichtigt wurden über 1000 Berufsverläufe,<br />
ausgehend vom Traumberuf im Alter von 12<br />
Jahren bis zur Berufstätigkeit im 35. Lebensjahr.<br />
Zur Beschreibung der Berufe wurde die von John L.<br />
Holland (1997) entwickelte RIASEC-Typologie (s. Abb.<br />
2) eingesetzt. Das Modell ist insbesondere aufgrund<br />
der Testinstrumente AIST (Bergmann & Eder, 1992)<br />
und Explorix (Jörin, Stoll, Bergmann & Eder, 2004) in<br />
der berufsberaterischen Praxis weit verbreitet. Sie erlauben<br />
es, die Interessen und Fähigkeiten einer ratsuchenden<br />
Person mit den RIASEC-Dimensionen zu<br />
beschreiben und danach in Berufsregistern nach passenden<br />
Tätigkeiten zu suchen. Nach Konvention werden<br />
den Interessen und Berufstätigkeiten dabei Dreibuchstabencodes<br />
zugeschrieben, bestehend aus den<br />
drei dominanten RIASEC-Dimensionen. So beinhaltet<br />
der Beruf «Kinderpflegerin» neben der Dimension<br />
S (erziehend-pflegend) zusätzlich noch die Aspekte<br />
A (kreativ) und E (führend). Kinderpflegerin wird mit<br />
dem Dreibuchstabencode SAE beschrieben.<br />
Die Realisierungshäufigkeit<br />
In der LifE-Studie zeigt sich folgendes Bild (Stuhlmann,<br />
2009; in press): Ein Viertel der Befragten arbeitete<br />
mit 35 Jahren exakt in demjenigen Berufsfeld,<br />
das sie sich mit 15 Jahren ausgesucht hatten. Weitere<br />
50 Prozent verwirklichten zumindest zwei der drei Interessendimensionen<br />
ihres Berufwunsches und nur<br />
25 Prozent kamen substanziell von ihrem ursprünglichen<br />
Traumberuf ab. Für dieses Viertel der Befragten<br />
war der Berufswunsch entweder nicht umsetzbar oder<br />
nicht von handlungsleitender Relevanz. Damit offenbart<br />
sich, dass Berufswünsche für einen Grossteil der<br />
Bevölkerung wegweisende Handlungsziele sind, was<br />
auch Befunden anderer Studien entspricht (Baethge<br />
u.a., 1989; Konietzka, 1999; McLaughlin & Tiedeman,<br />
1974). Zudem zeigt sich analog zur Einzelfallstudie<br />
von Miller (2002), dass sich Berufsträume oft nicht<br />
exakt, aber zu einem substanziellen Teil verwirklichen.<br />
Der Ansatz, Laufbahnkontinuität deshalb nicht als<br />
Entweder-oder-Frage anzugehen, sondern graduell verschiedene<br />
Realisierungsstufen zu differenzieren, ist in<br />
dieser Hinsicht vielversprechend. Es geht vor dem Hintergrund<br />
des Passungsgedankens der psychologischen<br />
Trait-Faktor-Theorien nicht darum, ob jemand über<br />
längere Zeit exakt im selben Beruf verbleibt, sondern<br />
darum, dass zentrale Persönlichkeitsanteile verwirklicht<br />
werden können. Der Berufsfindung in der Adoleszenz<br />
kommt demnach eine wichtige Stellung hinsichtlich<br />
des weiteren Fortgangs der Berufslaufbahn zu.<br />
Berufswünsche 15-Jähriger gilt es ernst zu nehmen.<br />
Seine und ihre Berufswelt<br />
Die geschlechtsspezifische Segregation der Berufswelt<br />
ist Realität. In der Regel tritt der Interessentypus R<br />
(handwerklich-technisch) im deutschsprachigen Raum<br />
häufiger bei Männern, die Dimensionen S (erziehendpflegend)<br />
und A (kreativ-künstlerisch) öfter bei Frau-