I‘ve got a secret.
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Was gefällt Ihnen am besten in Ihrem Beruf?<br />
Das ist eine gute Frage. Als Primarlehrer war man eine Persönlichkeit,<br />
die von der Schulpflege und den Eltern unterstützt wurde wo es nur<br />
ging. Das ist heute leider nicht mehr so. Beim Geigenbauen ist man<br />
sein eigener Herr und Meister. Am Abend sehe ich, was ich geleistet<br />
habe und ob das Ergebnis gut oder weniger gut geworden ist.<br />
Welche Eigenschaften muss ein Geigenbauer mitbringen?<br />
Die Faszination für den Werkstoff Holz muss vorhanden sein und die<br />
Geduld, aus einem Stück Holz etwas Schönes, Klingendes und Wertvolles<br />
herzustellen. Sicher muss jemand auch eine gewisse Ausdauer<br />
haben und genau arbeiten können.<br />
Worin besteht Ihre Haupttätigkeit?<br />
Ich repariere und vermiete Instrumente. Dank dem Vermieten verdiene<br />
ich genug, um finanziell durchzukommen.<br />
Wie viel kostet bei Ihnen ein neues Instrument?<br />
Da gibt es Einheitspreise: Für Geigen 15`500 Franken und für Bratschen<br />
16`500 Franken.<br />
Welches Ereignis hat sich Ihnen am stärksten eingeprägt?<br />
Da fallen mir spontan zwei Ereignisse ein. Ein positives und ein negatives.<br />
Zuerst das positive: Eines Tages kam eine Kundin zu mir, die<br />
mich bat, für sie eine Violine aus Kirschholz zu bauen, das von einem<br />
Baum aus dem Garten ihres Vaters stammte. Eigentlich ist Kirschholz<br />
kein sehr gängiges Material für ein Streichinstrument, doch ihr zuliebe<br />
versuchte ich es trotzdem. Die Kundin war anschliessend mit dem<br />
Resultat sehr zufrieden. Das negative Ereignis hat sich mir aber eindeutig<br />
stärker eingeprägt: Ein Kunde kam in meine Werkstatt, um ein<br />
Instrument von mir beurteilen zu lassen. Sein Auto stand draussen vor<br />
der Werkstatt auf einem verbotenen Parkfeld. Ich bat ihn, sein Fahrzeug<br />
doch umzuparkieren. Er ging hinaus und liess währenddessen<br />
sein Instrument bei mir auf dem Tisch liegen. Nach einer Minute kam<br />
er zurück und beschuldigte mich, das Instrument vertauscht zu haben.<br />
Ich rief die Polizei, welche dann vier Stunden lang mein Atelier auf den<br />
Kopf stellte und dabei meine rund 350 Geigenkästen durchsuchte. Ich<br />
musste sämtliche Kunden wieder weg schicken und konnte den ganzen<br />
Nachmittag lang nicht arbeiten. Am Abend rief mich der Kunde an<br />
und entschuldigte sich bei mir. Er hatte aus Versehen ein anderes Instrument<br />
eingepackt! Doch zum Glück habe ich bisher bei meiner Arbeit<br />
viel häufiger positive Erlebnisse gehabt.<br />
Fotos: Linda Scapin<br />
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Was wünschen Sie sich für die Zukunft?<br />
Ich hoffe, mich zukünftig mehr auf den Neubau von Violinen konzentrieren<br />
zu können. Da ich seit kurzem eine Mitarbeiterin habe, denke ich,<br />
dass sich dieser Wunsch erfüllen wird.<br />
Wie lange möchten Sie noch als Geigenbauer arbeiten?<br />
Am liebsten so lange wie möglich!