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'Loccumer Pelikan' 04/2003 als pdf-Datei - Religionspädagogisches ...

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grundsätzlich<br />

2. Nichts Neues unter der Sonne: Traditionsstränge<br />

Der Akzent auf die leib-räumlichen Aspekte des Religionsunterrichts<br />

ist natürlich nicht neu. Bereits Hubertus Halbfas und<br />

Peter Biehl haben die Reichweite eines reinen Textunterrichts<br />

in ihren symboldidaktischen<br />

Entwürfen<br />

stark in Frage<br />

gestellt. Durch die<br />

unterrichtliche Arbeit<br />

mit „Symbolen“ wurden<br />

die traditionellen<br />

texthermeneutischen<br />

Methoden um andere,<br />

zumeist ästhetisch<br />

ausgelegte Lernwege<br />

erweitert. Im Ganzheitlichkeitsgestus<br />

der 80er Jahre setzte<br />

man auf Expressivität<br />

und Wirkung. Im Vordergrund<br />

stand der<br />

Transzendenzbezug<br />

bzw. dessen vielfältige<br />

Gestaltungsmöglichkeiten.<br />

Und so hielten vor etwa 20 Jahren Meditationen und<br />

Bildbearbeitungen auf breiter Front Einzug in den Religionsunterricht.<br />

Bald schon kamen auch Begehungen und Ausdrucksübungen,<br />

Rituale und Bibliodramen dazu. An der<br />

Grundschule hatte man mit einem solchen Methodenzuschnitt<br />

natürlich schon lange vorher gute Erfahrungen gemacht, aber<br />

mit dem Etikett „Symboldidaktik“ bekamen diese Lehrformen<br />

eine letztlich auch gymnasial akzeptable Theoriegestalt.<br />

Die „kreativen“ Methoden, an denen man zunächst einmal<br />

das Neue dieser Neuerung nach außen hin ablesen konnte,<br />

wurden notwendig, weil mit dem „Symbol“ eine Vermittlungsinstanz<br />

in den Mittelpunkt rückte, deren Bedeutung unmittelbar<br />

in der ihr zugeschriebenen Repräsentationsfunktion gesehen<br />

wurde. „Symbole geben zu lernen“ 5 – so formulierte<br />

es Peter Biehl 1989 programmatisch. Er verband mit dieser<br />

Formulierung die Vorstellung, dass Sinnbilder grundsätzlich<br />

Anteil geben an dem, was sie zeigen und wodurch sie dieses<br />

Was zeigen. Indem man sie unterrichtlich in Gebrauch nimmt,<br />

setzen „Symbole“ frei, was sie in sich gleichsam an religiöser<br />

Energie gespeichert haben.<br />

Ob und wie sie dies bewirken, ist zwar nach wie vor theoretisch<br />

strittig, ganz und gar unstrittig ist jedoch die Einsicht in<br />

die Gestaltungsnotwendigkeit religiöser Lerngegenstände. Wie<br />

Religion „funktioniert“ – so die unhintergehbare Einsicht der<br />

Symboldidaktiken – vermittelt sich unterrichtlich nur über ihre<br />

Gebrauchszusammenhänge. Religion gibt nur dann zu lernen,<br />

wenn ihre Formen ernst genommen und entsprechend wahrgenommen<br />

werden. Und dies geschieht immer dann, wenn sie<br />

angemessen „in Form“ kommt, d.h. wenn man diesen didaktischen<br />

Gestaltungsimperativ anmisst an den vorfindlichen Alltagsgestalten<br />

des Religiösen.<br />

Das war dam<strong>als</strong> für religionspädagogisch engagierte Protestanten<br />

eine durchaus neue Sicht, denn das gemeinsame<br />

preußisch-pietistisches Erbe suggeriert – im Grunde genommen<br />

bis heute –, dass Religion eine Herzenssache oder<br />

bestenfalls eine Einstellungssache sei. So oder so: Evangelisch<br />

ist man, wenn überhaupt, „innen drin“ und keinesfalls<br />

aber „nach außen<br />

hin“. Und wenn sich<br />

schon Evangelisches<br />

äußert, dann<br />

in moralischer Hinsicht,<br />

keines-wegs<br />

jedoch religiös.<br />

Evangelisch sein,<br />

heißt – zugespitzt<br />

formuliert – die<br />

Formlosigkeit zum<br />

religiösen Programm<br />

zu erheben.<br />

Die Symboldidaktiken<br />

machten nun auf<br />

ihre Weise darauf<br />

aufmerksam, dass<br />

Religion in erster Linie<br />

„Formsache“ ist,<br />

Religion <strong>als</strong>o allererst<br />

eine Praxis ist.<br />

Foto: Reinart Grütter<br />

Sie behaupteten Religion <strong>als</strong> einen Handlungsvollzug, <strong>als</strong> ein<br />

ästhetisch herausragendes Formenspiel mit durchaus erkennund<br />

gestaltbaren „Außenseiten“. Man wies darauf hin, dass<br />

Religion darum auch „schön“ sein könne (mitunter allerdings<br />

auch weniger schön) und dass Religiöses nicht nur dem reformatorischen<br />

Haupt-Organ, dem Ohr, sondern auch der Hand,<br />

dem Auge, mitunter sogar der Nase schmeicheln könne.<br />

Auf diesen Grundsatz berufen sich in je unterschiedlicher Weise<br />

auch all diejenigen Didaktik-Konzepte, die in symboldidaktischer<br />

Tradition den Prozesscharakter religiösen Lernens<br />

und Lehrens stark machen. Was sich derzeit <strong>als</strong> Performative<br />

Religionspädagogik formiert, lässt sich nicht nur <strong>als</strong> eine Fortschreibung<br />

der herkömmlichen Symbolkunde mit anderen Mitteln<br />

verstehen. Der Inszenierungsgedanke speist sich auch noch<br />

aus anderen Quellen: 6<br />

Da ist in diesem Zusammenhang zunächst einmal die sog.<br />

Zeichendidaktik 7 zu nennen. Sie nahm Mitte der 90er Jahre<br />

ihren Anfang in der semiotischen Kritik an dem in den Symboldidaktiken<br />

vorausgesetzten Symbol-Begriff. Der Zeichendidaktik<br />

geht es darum, Religion <strong>als</strong> ein Ensemble grundsätzlich<br />

deutungsoffener Zeichen zu verstehen. Religion kommt<br />

hier <strong>als</strong> eine in Kultur eingelagerte Praxis in den Blick, die je<br />

nach Vorwissen und Vorerfahrung unterschiedliche Lesarten<br />

hervorbringen kann. Wie bei allen ästhetischen Zeichensystemen<br />

(z.B. bei Kunstbildern, Musik- oder Theaterstücken<br />

etc.), so ist auch die Deutung religiöser Zeichen (bspw. Gleichnisse,<br />

Gebete, Kirchenräume etc.) tendenziell unabschließbar.<br />

Deutung gibt es nur im Plural individueller Erfahrungen mit<br />

den entsprechenden Zeichen. Die je individuelle Zeichenlektüre<br />

wird dabei stimuliert und begrenzt durch die mit den Zeichen<br />

mitgesetzten Deutungsüblichkeiten. Im Gegensatz zum<br />

Loccumer Pelikan 4/03 173

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