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Arbeitsmarkt: Institutionelle Rahmenbedingungen für mehr Flexibilität

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284 <strong>Arbeitsmarkt</strong>: <strong>Institutionelle</strong> <strong>Rahmenbedingungen</strong> <strong>für</strong> <strong>mehr</strong> <strong>Flexibilität</strong><br />

kommen muss unter dem Gesichtspunkt der gleichzeitig zunehmenden Beschäftigung von<br />

weniger produktiven Arbeitnehmern gesehen werden. Im Hinblick auf den Anteil von Geringverdienern<br />

an der Gesamtbeschäftigung nimmt Deutschland im europäischen Vergleich<br />

zwar einen Spitzenplatz ein (Rhein, 2013). Dabei muss allerdings beachtet werden, dass die<br />

Niedriglohngrenze bei zwei Dritteln des Medianlohns liegt. Der relativ hohe Anteil an Geringverdienern<br />

spiegelt also zuvorderst die relativ große Spreizung der Löhne wider. Der Gedanke<br />

eines „Fördern und Fordern“-Ansatzes zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit verlangt<br />

sogar nach einer solchen Entwicklung, der mit staatlichen Umverteilungsmaßnahmen begegnet<br />

wird.<br />

Gegen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn<br />

515. Der im internationalen Vergleich hohe Anteil von relativ niedrig entlohnten Beschäftigten<br />

ist einer der Gründe, warum vielen Beobachtern die Einführung von Lohnuntergrenzen<br />

offenbar mittlerweile unausweichlich scheint. Gerade dieser hohe Anteil von Geringverdienern<br />

lässt aber negative Beschäftigungseffekte eines Mindestlohns wahrscheinlicher werden,<br />

denn seine Bindungswirkung fällt größer aus. Im internationalen Vergleich würde Deutschland<br />

mit einem Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro einen Spitzenplatz hinsichtlich des Verhältnisses<br />

von Mindest- zu Medianlohn einnehmen, das bis zu 62 % betragen könnte. Im<br />

Jahr 2011 hatte unter den OECD-Ländern Frankreich mit 60,1% den im Vergleich zum Medianlohn<br />

höchsten Mindestlohn (Kluve, 2013b). 2 Bei einer Höhe von 8,50 Euro wären in<br />

Deutschland etwa 17 %, bei 10 Euro über 25 % aller Arbeitnehmer betroffen (Brenke und<br />

Müller, 2013).<br />

Das häufig vorgebrachte Argument, im internationalen Kontext gäbe es viele Beispiele <strong>für</strong><br />

den weitgehend unschädlichen Einsatz von Mindestlöhnen, ist somit aus zwei Gründen unzutreffend:<br />

Zum einen ist der <strong>für</strong> Deutschland in Rede stehende Mindestlohn von 8,50 Euro relativ<br />

zum Lohngefüge bedeutsamer als in anderen Volkswirtschaften, etwa dem Vereinigten<br />

Königreich, wo dennoch negative Beschäftigungswirkungen in Sektoren mit vergleichsweise<br />

hoher Bindungswirkung auftraten (Machin et al., 2003). Zum anderen ist es widersinnig,<br />

derjenigen Volkswirtschaft, deren <strong>Arbeitsmarkt</strong> aufgrund seiner höheren internen <strong>Flexibilität</strong><br />

am erfolgreichsten durch die Krise gekommen ist, ein institutionelles Charakteristikum<br />

anzuempfehlen, das strukturelle Anpassungen in zukünftigen Krisen deutlich erschweren<br />

würde.<br />

516. Ein Mindestlohn von 8,50 Euro würde vor allem Arbeitnehmer in Ostdeutschland, in<br />

kleinen Betrieben, in konsumnahen Wirtschaftszweigen und insbesondere diejenigen mit ge-<br />

2 Der konkrete Rangplatz, den Deutschland im internationalen Vergleich einnehmen würde, schwankt je nach verwendeter<br />

Datenbasis und den zugrundeliegenden Berechnungsschemata. Der bereits seit einigen Jahren diskutierte flächendeckende<br />

Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro führt jedoch durchgehend zu einer Einordnung im internationalen Spitzenfeld (Kluve,<br />

2013b). Man kann die Diskussion im Gegensatz zu den aktuellen Beiträgen der <strong>Arbeitsmarkt</strong>forschung auf einen hypothetischen<br />

Mindestlohn fokussieren, der sich durch Rückrechnung der <strong>für</strong> das Jahr 2014 geplanten Einführung von 8,50 Euro<br />

auf das Jahr 2011, welches die Datenbasis <strong>für</strong> die Ermittlung der Lohnverteilung darstellt, ergibt. Eine derartige Rückrechnung<br />

führt zwar zu einem geringeren Anteil des hypothetischen Mindestlohns (von dann etwa 8,00 Euro) am Medianlohn<br />

des Jahres 2011: An der grundsätzlichen Einordnung ändert sich dadurch jedoch nichts. Nimmt man aus Vorsichtsgründen<br />

sogar einen noch niedrigeren hypothetischen Mindestlohn von 7,00 Euro an und konfrontiert diesen mit dem Medianlohn<br />

des Jahres 2011, dann läge Deutschland im internationalen Vergleich immer noch im Mittelfeld. Es handelt sich demnach<br />

in keiner Weise um einen harmlosen Eingriff.<br />

Sachverständigenrat - Jahresgutachten 2013/14

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