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2013-03 | Herbst: TOP Magazin Dortmund

Die Themen dieser Ausgabe: c.t.c. – TORSTEN „TOTO“ HEIM IM DAVIDIS IM PULLMAN HOTEL BMW – 90 JAHRE MOTORRÄDER (TEIL 2) BVB – GLATTE „1“ FÜR MICHAEL ZORC

Die Themen dieser Ausgabe:
c.t.c. – TORSTEN „TOTO“ HEIM IM DAVIDIS IM PULLMAN HOTEL
BMW – 90 JAHRE MOTORRÄDER (TEIL 2)
BVB – GLATTE „1“ FÜR MICHAEL ZORC

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Hagen<br />

in Castrop-Rauxel, zu seinen sechs Enkeln<br />

hat er guten Kontakt: „Aber da ist<br />

wohl keiner dabei, der das mal weiterführen<br />

wird“, der Blick schweift über<br />

seinen Arbeitstisch, an dem er auf einem<br />

hohen Hocker mehr steht als sitzt.<br />

Schon wieder eine Störung: Hannah (8) bringt ihre Viertelgeige zur Kontrolle.<br />

Oleg Domogirov gönnt Hannahs Bogen noch etwas Kolophonium-Puder.<br />

200 Stunden pro Geige<br />

Für eine neue Geige braucht Domogirov<br />

mindestens 200 Stunden – „dazu kommen<br />

noch Wochen, in denen das Instrument<br />

lackiert wird und trocknet.“ So<br />

wie er früher seinen Lack in der Ukraine<br />

selbst angefertigt hat, so hat er sich in<br />

den Karpaten die Bäume für seine Instrumente<br />

selbst ausgesucht. Heute liegen<br />

stapelweise dicke Holzbretter auf dem<br />

Fußboden. Ahorn und Fichte. Der Anfang<br />

eines Instrumentes? „Nein, der steht im<br />

Wald“, grinst Domogirov und zeigt anhand<br />

von Geigenteilen und Schablonen,<br />

wie er es macht. Wie er aus klobigen<br />

Bohlen wundervoll klingende Instrumente<br />

erschafft. Wieviel Leidenschaft und<br />

Hartnäckigkeit, Fingerspitzengfühl, aber<br />

auch Kraft für diesen Prozess nötig ist,<br />

kann man nur erahnen.<br />

Ohne die vielen Reparatur-Aufträge<br />

seiner Stammkundschaft ginge es auch<br />

nicht, denn wer lässt sich schon eine<br />

ganz neue Geige bauen? „Ich habe genug<br />

zu tun“, beschwichtigt Domogirov.<br />

Reklame muss er für seinen Betrieb<br />

nicht machen, Kunden gewinnt er nur<br />

durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Die<br />

Geigenreparatur ist Vertrauens sache.<br />

Immerhin muss ein Musiker sein liebstes<br />

und wertvollstes Stück an Domogirov<br />

ausliefern, „da muss man sich<br />

kennen und schätzen, sonst geht das<br />

nicht“. Beim Instrumenten-Neubau<br />

ist das ähnlich, Domogirov muss den<br />

Wünschen und Bedürfnissen seiner<br />

Kunden entsprechend arbeiten.<br />

Sibirische Wurzeln<br />

Der Instrumentenbauer stammt aus<br />

dem tiefsten Sibirien. In Nowosibirsk<br />

(„eine sehr musikalische Stadt“) studierte<br />

Domogirov fünf Jahre am Konservatorium<br />

Musik und entschied sich<br />

für die Bratsche als Herzens-Instrument:<br />

„Tschaikowski ist ohne Bratsche<br />

nicht möglich“. Vom Geigenbau hat er<br />

damals nur geträumt, irgendwann werde<br />

er das mal versuchen. In Russland<br />

gibt es keine staatlichen Geigenbau-<br />

Schulen, Instrumentenbau ist dort Privatsache.<br />

Domogirov spielte in Orchestern<br />

und Theatern, wurde Klavierstimmer.<br />

Dann traf er Geigenbauer in den<br />

russischen Großstädten und entschied<br />

sich für dieses Handwerk. Die Ausbildung<br />

war seine Privatangelegenheit<br />

und die seines Geigenbau-Meisters.<br />

Preisgekönter Handwerker<br />

17 Jahre lebte er im ukrainischen Dnjepropetrowsk,<br />

1975 begann er dort<br />

Geigen zu bauen. 1961 bekam er den<br />

ersten Job in einer Theaterwerkstatt.<br />

Vor genau 20 Jahren kam Oleg Domogirov<br />

mit Frau, Sohn und Tochter nach<br />

Deutschland – „ich weiß nicht mal genau,<br />

warum eigentlich“. Die Werkstatt<br />

in Altenhagen, dort wo die Volmestadt<br />

Hagen sozusagen am internationalsten<br />

ist, richtete er sich vor 15 Jahren ein.<br />

Um in Deutschland arbeiten zu dürfen,<br />

legte Domogirov – in der Ukranine<br />

mehrfach preisgekönter Handwerker -<br />

mit 58 Jahren 1997 im bayrischen Mittenwald<br />

die Geigenbauer-Prüfung ab.<br />

Sein Sohn hat Papas Gene geerbt, er<br />

lebt und arbeitet als erfolgreicher Geigenbauer<br />

in Kanada. Die Tochter lebt<br />

Ahorn nimmt Domogirov für den Boden<br />

und die Zarge, für die Schnecke und den<br />

Hals, die Geigen-Decke ist aus Fichte. Die<br />

sanften Wölbungen des Deckels und des<br />

Bodens sind sorgfältig aus dem Holz geschnitzt<br />

und gestemmt. Das kann man<br />

eigentlich nicht lernen, das so gleichmäßig<br />

hinzubekommen muss ein Grundtalent<br />

sein, das Geigenbauer in die Wiege<br />

gelegt bekommen.<br />

„Jede Geige auf der Welt hat eine eigene<br />

Stimme“, Domogirov kann sie hören<br />

und auseinander halten. Wo seine erste<br />

selbstgebaute Geige geblieben ist,<br />

weiß er nicht mehr. Inzwischen hat er<br />

140 Geigen und etliche Bratschen neu<br />

gebaut. Auch zwei Bögen hat er mal<br />

gebaut, „aber Bögen-Bauen, das ist ein<br />

ganz anderer Beruf“. Bögen-Bauer bauen<br />

keine Geigen und umgekehrt. Seinen<br />

ersten gelungenen Bogen hat Domogirov<br />

in Odessa verkauft. Damals ...<br />

Manchmal erklingt wundervolle Musik<br />

in den Altenhagener Hinterhöfen; immer<br />

dann, wenn Oleg Domogirov einer neuen<br />

Geige ihre Stimme gegeben hat.<br />

Text und Fotos: Martin Krehl<br />

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