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civitas 5-2012 - Schw. StV

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Als die <strong>Schw</strong>eiz<br />

zum weltweiten<br />

Rechtsvorbild wurde<br />

von Dr. phil. et lic. iur. Johann Ulrich Schlegel<br />

Foto: zVg<br />

Vor 100 Jahren, am 1. Januar 1912,<br />

trat nach einem genialen Entwurf<br />

des <strong>Schw</strong>eizer Juristen, Gelehrten<br />

und Rechtsprofessors Eugen Huber das erste,<br />

für die ganze <strong>Schw</strong>eiz verbindliche Zivilgesetzbuch,<br />

kurz, das ZGB, in Kraft. Nie war<br />

die Abwicklung eines Gesetzgebungsverfahrens<br />

mit einer so grossen Anteilnahme<br />

des Volkes verfolgt worden, und nie hatte<br />

schweizerisches Recht einen derartigen<br />

weltweiten Einfluss auf das Recht zahlreicher<br />

anderer Völker.<br />

Im 19. Jahrhundert herrschte in der<br />

<strong>Schw</strong>eiz auch nach der Gründung des modernen<br />

Bundesstaates von 1848 noch von<br />

Kanton zu Kanton ein anderes Recht. Eine<br />

Vereinheitlichung wurde immer dringlicher.<br />

Endlich hatte die Totalrevision der<br />

Bundesverfassung von 1874 Signalwirkung.<br />

Der Bund erhielt umfassende Gesetzgebungskompetenzen.<br />

Als erstes benötigten<br />

der aufstrebende Handel, die Industrie und<br />

der Verkehr ein einheitliches Recht. So trat<br />

1883 das Obligationenrecht, das OR, für die<br />

ganze <strong>Schw</strong>eiz in Kraft. Es wurde Bestandteil<br />

des Zivilgesetzbuches. Genau dieses<br />

harrte aber noch der Erarbeitung. Und vor<br />

allem: Näher am Herzen als Handel, Verkehr<br />

und Industrie liegen dem Menschen<br />

seine ganz persönlichen Anliegen wie Mündigkeit,<br />

Rechtsfähigkeit, Verwandtschaft,<br />

Erbrecht und Besitz oder Eigentum. Diese<br />

Tatsache erklärt die nie zuvor derart erlebte,<br />

aufwühlende, kämpferische und erregte Gesetzesdebatte,<br />

welche das Volk von den Zeitungsartikeln<br />

bis hin zu den Stammtischen<br />

ergriff.<br />

Nun hatte Deutschland wenige Jahre zuvor<br />

eine analoge Aufgabe in Angriff genommen.<br />

Im Gegensatz zur demokratischen<br />

<strong>Schw</strong>eiz hatte das wenig demokratische<br />

Deutschland gerade nicht einen Einzelnen<br />

wie in der <strong>Schw</strong>eiz, sondern eine ganze<br />

Kommission gelehrter Fachleute bestellt.<br />

Dieses somit scheinbar demokratienähere<br />

Gremium verfasste in einer Parallele zum<br />

ZGB das sogenannte BGB, das Bürgerliche<br />

Gesetzbuch, welches zum Debakel, ja Gespött<br />

des Volkes wurde. Hoch spezialisiert,<br />

hoch wissenschaftlich, sah es sich dem jahrhundertelangen<br />

Beamtentum und seiner Juristentradition<br />

verpflichtet und fiel entsprechend<br />

abgehoben und schwer verständlich<br />

aus. Die <strong>Schw</strong>eiz hat von diesem Missgriff<br />

gelernt. Sodann sind Rechtsanliegen im guten<br />

Staat dadurch gekennzeichnet, dass sie<br />

lebensnah, praktisch und gemeinverständlich<br />

sind. Diese Voraussetzung ist ein hohes<br />

Gut jeder sauberen Rechtsentwicklung, und<br />

<strong>civitas</strong> 5-<strong>2012</strong> 9

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