Ausgabe 51-52 vom 20.12.2013 - Schwendi
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Seite 28 – <strong>20.12.2013</strong><br />
Evangelische Kirchengemeinde Wain<br />
Pfarramt Wain<br />
Kirchstraße 16, 88489 Wain,<br />
Tel. 07353-3485, Fax 07353-982984<br />
E-Mail: Pfarramt.Wain@elkw.de, Pfarrer Ernst Eyrich<br />
Internet: www.evkirche-bc.de dort unter Kirchengemeinde<br />
Wain<br />
Vikariat Wain<br />
Obere Dorfstraße 34/1, Tel. 07353/9803937,<br />
Vikarin Rahel Kießecker, Rahel.Kiessecker@elkw.de<br />
Weihnachtsgrüße<br />
Liebe Gemeinde,<br />
der Lack ist ab. Die Farbe bröckelt. Die Färbung erblasst.<br />
Das Holz ist rissig, teilweise ist es sogar gespalten. Das sind<br />
Beobachtungen, die ansagen, dass uns nichts Vollkommenes<br />
begegnet. Hat sich da etwas oder jemand überlebt? Das<br />
ist eine kurze oberflächliche und doch tiefsinnige Beschreibung<br />
einer spätgotischen Christus-Figur, die die Evangelische<br />
Kirchengemeinde Wain in diesem Sommer für die Michaelskirche<br />
geschenkt bekommen hat.<br />
Wir wissen wenig über die Herkunft dieser Figur, die einen<br />
diese Welt richtenden Christus zeigt. Und doch erzählt uns<br />
ihr mitgenommener Zustand viel über ihre Geschichte.<br />
Irgendwo in dieser Welt hing sie ungeschützt auf einem<br />
Pfahl, war Wind und Wetter ausgesetzt, Frost und Hitze, Tag<br />
und Nacht. All das hat ihr zugesetzt. Das alles ist nicht spurlos<br />
an ihr vorübergegangen. Dies hat sie nachhaltig beschädigt,<br />
verwundet, verletzt und verletzlich gemacht. Begegnet<br />
uns in diesem Kunstwerk ein verletzter, ein verwundeter, vielleicht<br />
sogar ein traumatisierter Christus? Nicht nur der Künstler<br />
hat an dieser Figur gearbeitet, sondern auch der Zahn der<br />
Zeit und die Elemente dieser Welt. All dem hat sie sich ausgesetzt<br />
und nicht widersprochen.<br />
Irgendwann hat sie dann noch zusätzlich irgendwie ihre<br />
Unterarme und Hände verloren. Als ob es in dieser Welt<br />
immer noch schlimmer werden muss! Die Arme sind wohl<br />
abgesägt, eben amputiert worden. In der einen Hand hielt<br />
diese Christus-Plastik einst das Insignium der Macht, das<br />
Zepter, die andere Hand war zum Segen und zum Segnen<br />
ausgestreckt. Segen und Macht des Welten richtenden Christus<br />
scheinen beendet und vernichtet, unwichtig, eben insignifikant<br />
geworden zu sein. Ob das ein Bild für die Ohnmacht<br />
des christlichen Glaubens in unseren Tagen sein kann?<br />
Ein Machtloser, ein Hilfloser, ein Gezeichneter, ein Verwundeter,<br />
ein Schwer-Verletzter scheint dieser Welten richtende<br />
Christus zu sein! Geht das überhaupt? Ist dies die wenig<br />
attraktive und überhaupt nicht erfolgreiche Fortsetzung der<br />
Weihnachtsgeschichte? Gott wird Mensch und begibt sich in<br />
die Abhängigkeit des Menschen. Die damalige Welt wollte<br />
ihn nicht aufnehmen, obwohl er in sein Eigentum kam. Die<br />
unheile Welt heißt ihn nicht willkommen, die verletzte Welt<br />
kann mit ihm nichts anfangen. Gott wird Kind und damit ein<br />
<strong>vom</strong> Menschen abhängiger Mensch? Ob dieser noch elender<br />
dran ist als ein von Alkohol und Drogen abhängiges Menschenkind,<br />
das schließlich und endlich abgehängt wird von<br />
dem, was wir unter Leben meinen zu verstehen?<br />
Diese Figur begleitet mich seit dem Sommer dieses Jahres.<br />
Stundenlang habe ich sie bereits angeschaut und mehr und<br />
mehr bewundert. Dieser Christus ist stumm. Kein Wort ist auf<br />
seiner Zunge. Er kann seit mehr als 500 Jahren schweigen,<br />
weil er das Wort ist. Viele und vieles hat er im Sturm der Weltgeschichte<br />
in Echtzeit gesehen und in sich aufgenommen.<br />
Amtsblatt der Gemeinde <strong>Schwendi</strong><br />
Sein Schweigen spricht mich an. Es macht mich ruhig. Es<br />
segnet mich. Er ist das Wort. Er ist Gott. Er ist Gottes mächtiges<br />
und segnendes Wort selbst im Schweigen. Sein Blick<br />
lehrt mich, dass er mich, die ganze Welt und alle Zeit barmherzig<br />
und gnädig ansieht und sich eben nicht von dieser<br />
Welt abwendet. Ganz im Gegenteil: er wendet sich dieser<br />
Welt zu.<br />
Lieblich ist sein Antlitz. Es leuchtet über dem Betrachter. Sein<br />
Segenswort ist eine große Macht, mächtiger als ein Zepter,<br />
mächtiger als die Waffen dieser Welt, mächtiger als die vielen<br />
Verletzungen, mächtiger als die vielen Worte der Parlamente,<br />
die mit aller Macht versuchen, sein Wort zu entmachten.<br />
Gerade dadurch verwunden und verletzen sie Leib und<br />
Seele des Menschen. Abtreibung und Euthanasie sind nur<br />
zwei Bereiche, in denen das Reich Gottes mit den Worten<br />
der neuen Paragrafen getreten wird. Christus regiert diese<br />
Welt mit Gnade, auch dieser Welten richtende Christus und<br />
er lässt mich die Wahrheit des Gesangbuchverses „Mit unsrer<br />
Macht ist nichts getan“ einatmen und ausatmen und verstehen.<br />
„Die Kirche ist wie ein Feldlazarett nach einer Schlacht“, sagte<br />
Papst Franziskus jüngst in einem Interview mit der Zeitschrift<br />
Civiltà Cattolica. „Man muss die Wunden heilen!“ –<br />
Das ist eine wichtige Standortbestimmung für die Christenheit.<br />
Wir Menschen der Gegenwart sind tatsächlich weitgehend<br />
Verwundete. Wir leben in einer permanenten unsichtbaren<br />
Schlacht. Nach außen sehen wir gesund und selbstbewusst<br />
aus, sind es aber nicht. Wir sind fast alle verwundet<br />
durch das mörderische Trommelfeuer, dem wir Tag für Tag<br />
ausgesetzt sind in den Medien, im Kino, im Theater, in den<br />
Schulen, in den Betrieben, in gruppendynamischen Prozessen,<br />
sogar in der Kirche und vor allem im Internet. Mit mehr<br />
oder weniger scharfer Munition werden wir auf einen Lebensstil,<br />
eine Ideologie eingeschossen, die, vereinfacht ausgedrückt,<br />
lautet: Gott gibt es nicht!<br />
Gott stört diese Welt. Ein regelrechter Zug gegen sein Wort,<br />
auch ein Zug gegen das Kreuz, ist in vollem Gange: Du<br />
kannst leben wie du willst, tue, was für dich am besten ist,<br />
was dir gefällt und worauf deine Lust gerade Lust hat. Dass<br />
dabei nicht nur der Nächste verletzt wird, sondern auch der<br />
Täter, scheint egal zu sein. Es scheint die Hauptsache zu<br />
sein, dass sich der Mensch selbstbestimmt ausleben kann –<br />
auch auf die Gefahr hin, dass das Leben ausgelebt ist im Sinne<br />
von aus und vorbei, verwundet, verletzt, traumatisiert. Das<br />
Vertrauen in das Leben geht mehr und mehr verloren.<br />
Gott schaut nicht nur stumm zu. Er leidet mit! Er leidet mit<br />
den Menschen in ihrem nicht selten selbstverursachten Leid<br />
auf der Suche nach einem erfüllten Leben. Gott leidet mit! Er<br />
sendet seinen Sohn Jesus Christus mitten in das Elend von<br />
Bethlehem und damit mitten hinein in das Elend dieser Welt.<br />
Gott wird ein Kind. Er liefert sich dem Menschen aus. Gut,<br />
dass er bei Maria und Josef wohl behütet aufwachsen darf.<br />
Die Welt war damals nicht besser als heute. Auch damals<br />
war diese Welt im Krieg mit sich selbst, Verwundungen und<br />
Verletzungen, wohin Leib und Seele auch hin gierten.<br />
Viele fragen: „Kann man denn nicht wenigstens mal zu Weihnachten<br />
aufhören mit dem Sündengerede? Kann man uns<br />
denn nicht wenigstens mal zum Fest der Liebe in der Kirche<br />
mit dem leidigen Thema Sünde in Ruhe lassen? Eben nicht!<br />
Weihnachten findet ja gerade wegen der Sünde statt. Gäbe<br />
es die nicht, gäbe es auch kein Weihnachten!“ (Theo Lehmann)<br />
Jesus spricht immer wieder von der Sünde und befreit den<br />
Sünder. Weil die Sünde sein Feindbild ist, der Sünder aber ist<br />
sein Freundbild, weil er dennoch das Ebenbild Gottes ist.<br />
Neulich habe ich eine sinnhafte Krippe gesehen. Auf Heu<br />
und Stroh liegt in Windeln gewickelt die Dornenkrone! Was