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gut <strong>beraten</strong> / 15<br />
Apotheke in Rathenow erworben. Um 1900 hat sie<br />
sein Großvater übernommen und zu einem morgendlichen<br />
Treffpunkt für Ärzte und angesehene<br />
Bürger <strong>de</strong>r Stadt gemacht. Die neuesten Zeitungen<br />
aus Berlin lagen aus, es gab Branntwein o<strong>de</strong>r Wein,<br />
bei <strong>de</strong>m man zum Start in <strong>de</strong>n Tag die aktuelle<br />
Politik diskutierte. „Wir wissen zum Beispiel, dass<br />
General Rosenberg, <strong>de</strong>r General <strong>de</strong>s bran<strong>de</strong>nburgischen<br />
Husaren-Regiments, hier je<strong>de</strong>n morgen<br />
Gast war“, so Dr. Schultze. Der General habe sich<br />
nach einem schweren Reitunfall je<strong>de</strong>n Tag eine<br />
Dosis Morphium in Wasser lösen lassen und sich<br />
diese direkt durch seine le<strong>de</strong>rne Reiterhose gespritzt.<br />
1903 wird die Altstädtische Apotheke abgerissen<br />
und auf <strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n Straßenseite<br />
wie<strong>de</strong>r aufgebaut. Die Apotheke wird mo<strong>de</strong>rnisiert:<br />
ein Aufzug von <strong>de</strong>r Materialkammer zur<br />
Stößerkammer in <strong>de</strong>n Keller wird eingebaut sowie<br />
eine Rohrleitung von <strong>de</strong>r Offizin in <strong>de</strong>n Keller und<br />
die Materialkammer gelegt, über die man sich verständigen<br />
konnte.<br />
Im Jahr 1945 wird die Altstädtische Apotheke nach<br />
<strong>de</strong>r Eroberung von Rathenow verstaatlicht – vermutlich<br />
durch die sowjetische Armee. Doch ein siebenjähriger<br />
Kampf von Dr. Schultzes Vater führt dazu,<br />
dass die Apotheke im Jahr 1952 eine <strong>de</strong>r wenigen<br />
Privatapotheken wird, die in <strong>de</strong>r DDR betrieben wer<strong>de</strong>n<br />
dürfen. Allerdings unter aus heutiger Sicht unglaublich<br />
großen Entbehrungen, die später auch<br />
Dr. Schultze erfährt: „Ich habe die Apotheke 1978<br />
von meinem Vater übernommen. In <strong>de</strong>r DDR war<br />
das nur mit viel Hartnäckigkeit und intellektueller<br />
Raf fi nesse zu erreichen, <strong>de</strong>nn nur wer nach seiner<br />
Approbation min<strong>de</strong>stens ein Jahr lang in einer<br />
staatlichen Apotheke gearbeitet hatte, durfte eine<br />
private, im Familienbesitz befindliche Apotheke<br />
übernehmen. Und auch das war zu keiner Zeit<br />
sicher.“ Doch Apotheker Dr. Schultze gelingt es.<br />
Dafür zahlt er entsprechend staatlicher Auflage<br />
fortan 90 Prozent Einkommenssteuer.<br />
„Ich hatte Apothekenverbot bei<br />
meinem Vater“<br />
Dr. Schultzes Ansporn ist jedoch nicht <strong>de</strong>r Kampf<br />
gegen ein autoritäres Regime. Er kämpft für das<br />
Erbe seiner Familie, das er unter allen Umstän<strong>de</strong>n<br />
bewahren will. Die Jugendstil-Apotheke, ><br />
Bild links: Dr. Hans Hermann<br />
Schultze an <strong>de</strong>r Kasse – in<br />
seiner aufwendig restaurierten<br />
Jugendstilapotheke.<br />
Bild Mitte: In diesem Neubau<br />
ist heute die Offizin <strong>de</strong>r Alt -<br />
städ tischen Apotheke untergebracht.<br />
Links am Bildrand<br />
zu erkennen: <strong>de</strong>r historische<br />
Teil – seit 1903 an diesem<br />
Standort.<br />
Bild rechts: In Rathenow steht<br />
das größte barocke Sandstein<strong>de</strong>nkmal<br />
Nord<strong>de</strong>utschlands.<br />
Es erinnert an <strong>de</strong>n Großen<br />
Kurfüsten Friedrich Wilhelm.<br />
<strong>beraten</strong> & <strong>verkaufen</strong> | November–Dezember 2012