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16 / gut beraten Bild unten: Die Offizin der Altstädtischen Apotheke – seit 1991. Bild rechs oben: Eines der zahlreichen historischen Bücher aus dem Archiv von Dr. Schultze. Hier: Das Vollkommene Kräuter Buch von Theodori Zuingeri aus dem Jahr 1744. Bild rechts unten: Der Adler – das Symbol das einst zeigte, dass die Altstädtische Apo theke vom Kurfürsten persönlich privilegiert war. historische Gemälde, Por zellan, wertvolle Laborgeräte – eben alles, was sich im Laufe von Jahrhunderten angesammelt hat. Auch wenn es selbst bis zur Mitte der 80er Jahre nicht danach aussah, hat sich sein Fest halten am Privatbesitz gelohnt. Die Wieder vereinigung 1989 bedeutet für ihn und seine Familie ein neues Leben. Dr. Schultze ist nicht nur der Bewahrer einer langen Familientradition und historischer Schätze. Er ist vor allem Apotheker. Ein Apotheker, der den Vornamen Hermann trägt, wie alle seine männlichen Vorfahren, die die Apotheken der Familie zuvor betrieben haben. „Wenn ich an meine Jugend zurückdenke, gab es für mich nie eine andere Option als Apotheker zu werden“, so Dr. Schultze. „Das wurde einerseits von meinem Vater erwartet, andererseits habe ich nie etwas anderes gewollt. Die Fa milientradition war wie eingebrannt.“ Dabei war Dr. Schultze während seiner eigenen Jugendzeit kein oft gesehener Gast in der väterlichen Apotheke. „Ich hatte Apothekenverbot bei meinem Vater“, sagt der heute 69-Jährige mit einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen. „Ich habe einmal zum Beispiel Eisensulfid mit Salzsäure gemischt. Dann ist mir leider das Unglück passiert, dass die Flasche mit der Lösung nicht vor der Tür des Lehrers zerbrochen ist, der nebenan wohnte, sondern bei uns in der Apotheke. Hier hat es dann drei Wochen nach Schwefelwasserstoff gerochen.“ Eine neue Zukunft nach der Wiedervereinigung Doch als Dr. Schultze 1978 die Nachfolge des Vaters antritt, sind alle Jugendstreiche verziehen. Der Junior hat inzwischen promoviert und beweist sich täglich in der Offizin. Und mit der Wiedervereinigung, die auch der Vater im hohen Alter noch miterlebt, eröffnet sich plötzlich eine ganz neue Zukunft. „Jetzt wussten wir, dass meine beiden Söhne die Alt städ tische Apotheke einmal übernehmen können. In der DDR war das per Gesetz zwar nicht verboten, da laut einem Sondergesetzblatt für private Apotheken eine Übernahme durch Verwandte ersten Grades erlaubt war. Inoffiziell war allerdings festgelegt, dass Kinder von Privatapothekern vom Pharmaziestudium ausgeschlossen werden sollten“, erklärt Dr. Schultze. Fortan heißt es nicht mehr nur bewahren, sondern auch erneuern. Im Jahr 1991 wird das Ärztehaus fertig, das Dr. Schultze direkt neben die kleine Jugendstil-Apotheke bauen lässt. Im Erdgeschoss: die neue Offizin der Apotheke. Hier werden jetzt die Kunden bedient und beraten. Der historische Teil wird aufwendig restauriert. „Ich war schon damals der Ansicht, dass kleine Apotheken kaum Überlebenschancen haben. Außerdem hatten wir so viele Stammkunden, dass die kleine Apotheke fast aus allen Nähten geplatzt ist. Deshalb haben wir das Ärztehaus mit der großen Offizin gebaut“, so Dr. Schultze. Sein Ziel habe er damit erreicht, nämlich den „Patientenkreis zu erhalten“. In einer Stadt wie Rathenow ist das nicht selbstverständlich. Mitten in Brandenburg sind die Arbeitsplätze rar, junge Menschen verlassen die Stadt. Im Jahr 2000 lebten hier noch 30.000 Menschen. 2030 sollen es nur noch 20.000 sein.
GUT BERATEN / 17 Eine Rarität unter allen Apotheken in Deutschland Die Altstädtische Apotheke ist seit 1612 in Rathenow. Damals vom Kurfürsten persönlich privilegiert. Sie liegt relativ zentral, am Rande des heutigen Stadtkerns, ist überregional bekannt und hat dank des angegliederten Ärztehauses eine Kundenfrequenz, die zwischen 280 und 400 Kunden am Tag pendelt. „Vor allem das Ärztehaus sichert uns hier die Zukunft“, ist Dr. Schultze überzeugt. „Sonst hätten wir im heutigen Rathenow, im heutigen Brandenburg, einen ganz schweren Stand.“ Doch nicht nur das. Die Altstädtische Apotheke in Rathenow hat einen wesentlichen Pluspunkt, der sie unter allen bundesdeutschen Apotheken zu einer echten Rarität macht. Sie ist eine der ältesten noch erhaltenen Jugendstilapotheken in Deutschland. Auch wenn der Geschäftsbetrieb inzwischen ausschließlich in der modernen Offizin abläuft, steht Interessierten die Tür zur historischen Apotheke jederzeit offen. Und wer sie besucht, trifft dort vielleicht auf Apotheker Dr. Schultze, der gerne persönlich eine spontane Führung durch die historischen Räume gibt. // Kurze Chronik der Altstädtischen Apotheke in Rathenow 1860 Hermann Schultze, der Urgroßvater von Dr. Hans Hermann Schultze, übernimmt die Altstädtische Apotheke in Rathenow 1900 der Großvater von Dr. Hans Hermann Schultze, ebenfalls ein Hermann Schultze, übernimmt die Apotheke 1903 Neubau des Apothekengebäudes, Neueinrichtung und Komplett renovierung der Apothekenräume 1941 der Vater von Dr. Hans Hermann Schultze übernimmt die Apotheke, wird allerdings kurz darauf zur Marine eingezogen 1945 nach dem Einzug der sowjetischen Armee wird die Apotheke Staatsbesitz 1952 Dr. Hans Hermann Schultzes Vater erreicht nach langen juristischen Auseinandersetzungen mit der Stadt Rathenow und der DDR-Landesregierung, dass er die Altstädtische Apotheke wieder privat übernehmen kann 1978 Dr. Hermann Schultze übernimmt die Altstädtische Apotheke, wieder als Privatmann 1991 Neubau des Ärztehauses und der Offizin, direkt neben der historischen Altstädtischen Apotheke Weitere Informationen zur Altstädtischen Apotheke im Internet: www.altstaedtische-apotheke-rathenow.de beraten & verkaufen | November–Dezember 2012
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