Masterarbeit als PDF/A-Datei (6,7 MB) - Socialnet
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Sozialmanagement und<br />
Professionalisierung sozialer<br />
Einrichtungen<br />
Ein praxisbezogener Ansatz am Beispiel der<br />
Eingliederungshilfe für psychisch behinderte<br />
Erwachsene<br />
Jürgen Wanitzke<br />
veröffentlicht unter den socialnet Materialien<br />
Publikationsdatum: 27.12.2013<br />
URL: http://www.socialnet.de/materialien/173.php
Freie wissenschaftliche Arbeit<br />
zur Erlangung<br />
des Grades eines Masters in Sozialmanagement<br />
an der Alice Salomon Hochschule Berlin<br />
(<strong>Masterarbeit</strong>)<br />
Sozialmanagement und Professionalisierung sozialer Einrichtungen<br />
Ein praxisbezogener Ansatz am Beispiel der Eingliederungshilfe für psychisch<br />
behinderte Erwachsene<br />
Eingereicht bei:<br />
Erstleser:<br />
Zweitleser:<br />
Herr Prof. Dr. Hans-Dieter Bamberg<br />
Herr Dr. sc. Lothar Becker<br />
Verfasser:<br />
Jürgen Wanitzke<br />
Kurt-Schumacher-Ring 52<br />
58135 Hagen<br />
Matrikel.-Nr.: 8122066<br />
Hagen, den 29.01.2013
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................. 3<br />
Abkürzungsverzeichnis...................................................................................................... 5<br />
Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................... 6<br />
Tabellenverzeichnis ........................................................................................................... 6<br />
1. Einleitung ................................................................................................................... 7<br />
1.1 Anlass und Problemstellung ................................................................................ 7<br />
1.2 Erkenntnisinteresse, Fragen, Eingrenzungen und Erkenntnisziele ...................... 8<br />
1.3 Aufbau der Arbeit ................................................................................................ 9<br />
2. Hauptteil ................................................................................................................... 10<br />
2.1 Erste Begriffsbestimmungen und Definitionen ................................................... 10<br />
2.1.1 Management .............................................................................................. 12<br />
2.1.2 Soziale Arbeit, Sozialer Bereich und Soziale Einrichtungen ....................... 14<br />
2.1.3 Sozialmanagement .................................................................................... 14<br />
2.1.4 Professionalität und Professionalisierung ................................................... 15<br />
2.2 Genese der Professionalisierungs- und Sozialmanagementdiskussionen ......... 18<br />
2.2.1 Deutsches Reich und Folgen der industriellen Revolution .......................... 18<br />
2.2.2 Erster Weltkrieg .......................................................................................... 19<br />
2.2.3 Weimarer Republik, Nation<strong>als</strong>ozialismus und Zweiter Weltkrieg ................ 19<br />
2.2.4 Nachkriegszeit und junge Bundesrepublik Deutschland ............................. 21<br />
2.2.5 1970er und 80er Jahre und der Wandel im Sozi<strong>als</strong>taatsverständnis .......... 24<br />
2.2.6 1990er Jahre und der Um- und Abbau des Sozi<strong>als</strong>taates ........................... 26<br />
2.2.7 Ende der 1990er Jahre bis heute: Etablierung des Sozialmanagements .... 29<br />
2.3 Wandel und Veränderungen bei der Kontakt- und Krisenhilfe e. V. ................... 31<br />
2.3.1 Kleine Anfänge ........................................................................................... 31<br />
2.3.2 Wende zur Subjektförderung und beginnendes Wachstum ........................ 34<br />
2.3.3 „Hochzonung“ des Ambulant Betreuten Wohnens und Expansion ............. 35<br />
2.3.4 Konsequenzen des Wachstums und strukturelle Veränderungen ............... 37<br />
2.3.5 Aktuelle Herausforderungen und Anforderungen ........................................ 41<br />
3
2.4 Systemtheoretisches Paradigma der Sozialen Arbeit ........................................ 48<br />
2.4.1 Theoretische Grundlagen des Systemtheoretischen Paradigmas .............. 48<br />
2.4.2 Systemtheoretisches Paradigma in seinen Grundzügen ............................ 52<br />
2.4.3 Systemische Denkfigur nach Kaspar Geiser .............................................. 60<br />
2.4.4 Allgemeine Normative Handlungstheorie und Praxisbezug ........................ 63<br />
2.5 Neues St. Galler Management-Modell ............................................................... 67<br />
2.5.1 Entstehung und theoretische Grundlagen .................................................. 67<br />
2.5.2 Grundkategorien des Modells und Praxisbezug ......................................... 70<br />
2.5.3 Umweltsphären .......................................................................................... 70<br />
2.5.4 Anspruchsgruppen ..................................................................................... 71<br />
2.5.5 Interaktionsthemen ..................................................................................... 72<br />
2.5.6 Ordnungsmomente .................................................................................... 74<br />
2.5.7 Prozesse .................................................................................................... 77<br />
2.5.8 Entwicklungsmodi ...................................................................................... 80<br />
2.6 Professionalisierung <strong>als</strong> Aufgabe des Managements ........................................ 81<br />
2.6.1 Vorüberlegungen ........................................................................................ 81<br />
2.6.2 Organisationales Lernen ............................................................................ 83<br />
2.6.3 Führen durch Zielvereinbarungen............................................................... 87<br />
2.6.4 Verbindung von organisationaler Lernfähigkeit und FdZ ............................. 90<br />
3. Schlussteil ................................................................................................................ 92<br />
3.1 Möglichkeiten .................................................................................................... 92<br />
3.2 Grenzen ............................................................................................................ 95<br />
3.3 Ausblick ............................................................................................................. 96<br />
Literatur- und Quellenverzeichnis .................................................................................... 98<br />
Erklärung ....................................................................................................................... 104<br />
4
Abkürzungsverzeichnis<br />
ABW<br />
ANHT<br />
AVB<br />
BHO<br />
BSHG<br />
FdZ<br />
FLS<br />
KuB<br />
KuK<br />
KVP<br />
LHO<br />
LWL<br />
MA<br />
NRW<br />
PDCA<br />
QM<br />
Q<strong>MB</strong><br />
QMS<br />
SAW<br />
SGB<br />
SpFh<br />
SPSA<br />
TS<br />
VZ<br />
Ambulant Betreutes Wohnen<br />
Allgemeine Normative Handlungstheorie<br />
Arbeitsvertragsbedingungen des Paritätischen<br />
Wohlfahrtsverbandes<br />
Bundeshaushaltsordnung<br />
Bundessozialhilfegesetz<br />
Führen durch Zielvereinbarungen<br />
Fachleistungsstunde<br />
Kontakt- und Beratungsstelle(n)<br />
Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-<br />
Kreis e. V.<br />
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess<br />
Landeshaushaltsordnung<br />
Landschaftsverband Westfalen-Lippe<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Plan-Do-Check-Act (Deming-Zyklus)<br />
Qualitätsmanagement<br />
Qualitätsmanagementbeauftragter<br />
Qualitätsmanagementsystem<br />
Sozialarbeitswissenschaft<br />
Sozialgesetzbuch<br />
Sozialpädagogische Familienhilfe<br />
Systemtheoretisches Paradigma Sozialer<br />
Arbeit<br />
Tagesstätte<br />
Vollzeit (Arbeitsstelle)<br />
5
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Der Ennepe-Ruhr-Kreis .............................................................................. 31<br />
Abbildung 2: Die KuK bis Juni 1999, vor der Eröffnung der Tagesstätte .......................... 33<br />
Abbildung 3: Die KuK Ende 2002 .................................................................................... 35<br />
Abbildung 4: Die KuK Ende 2003 .................................................................................... 36<br />
Abbildung 5: Die KuK Ende 2005 .................................................................................... 37<br />
Abbildung 6: Die KuK Ende 2008 .................................................................................... 38<br />
Abbildung 7: Die KuK Ende 2009 .................................................................................... 38<br />
Abbildung 8: Die KuK Ende 2011 .................................................................................... 39<br />
Abbildung 9: Die KuK Ende 2012 .................................................................................... 40<br />
Abbildung 10: Entwicklung der Klient/inn/en-Zahlen im ABW 2005-2012 ........................ 41<br />
Abbildung 11: Die Struktur der Sozialarbeitswissenschaft in der Sicht des SPSA............ 53<br />
Abbildung 12: Problemklassen und ihre Beziehungen untereinander .............................. 58<br />
Abbildung 13: Allgemeine Normative Handlungstheorie .................................................. 59<br />
Abbildung 14: Komponenten des allgemeinen methodischen Professionswissens .......... 60<br />
Abbildung 15: Die SDF im Detail (Individuum)................................................................. 61<br />
Abbildung 16: Modell eines integrierten Systems von Handlungswissenschaften ............ 67<br />
Abbildung 17: Das neue St. Galler Management-Modell im Überblick ............................. 70<br />
Abbildung 18: Phasenschema des MbO .......................................................................... 88<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Entwicklung Klienten – Personal - LWL-Vergütung 1999 - 2012 ..................... 42<br />
Tabelle 2: Verteilung Mitarbeiter/innen – Qualifikation – Stellenumfang im ABW ............. 47<br />
6
1. Einleitung<br />
1.1 Anlass und Problemstellung<br />
Der Verfasser dieser Arbeit ist seit Oktober 2005 bei der Kontakt- und Krisenhilfe im<br />
Ennepe-Ruhr-Kreis e. V., einer Einrichtung der Eingliederungshilfe für psychisch behinderte<br />
Erwachsene, beschäftigt. Drei Jahre lang war er dort zunächst <strong>als</strong> Diplom-Sozialarbeiter<br />
im Arbeitsbereich Ambulant Betreutes Wohnen tätig. Danach wurde er<br />
<strong>als</strong> Teamleiter eingesetzt und ist in dieser Position zuständig für z. Zt. neun Mitarbeiter/innen,<br />
die zum größten Teil im Ambulant Betreuten Wohnen und teilweise in der Kontaktstellenarbeit<br />
tätig sind. Ende 2009 kam – nach einer entsprechenden Fortbildung – <strong>als</strong><br />
weiterer Aufgabenbereich, die Implementierung und der Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems<br />
nach DIN EN ISO 9001:2008, hinzu.<br />
Bereits während seiner Zeit <strong>als</strong> sozialarbeiterische Fachkraft (und schon während früherer<br />
Tätigkeiten im Sozialen Bereich) hatte der Verfasser Schwierigkeiten, sowohl das im Studium<br />
erworbene Wissen praxisrelevant einzusetzen, <strong>als</strong> auch sich über seine Identität <strong>als</strong><br />
Sozialarbeiter klar zu werden und das Spezifische dieser Identität in seinem Arbeitsbereich<br />
und dessen Umfeld sinnvoll von den Tätigkeiten anderer helfender Berufe und Professionen<br />
abzugrenzen. Der Eindruck, dass es auch den anderen Kolleg/inn/en mit dem<br />
gleichen Ausbildungshintergrund so ergeht, hat sich mit den Jahren verfestigt und konkretisiert<br />
(und wurde jüngst anhand einer durchgeführten internen Umfrage bestätigt 1 ). Die<br />
Probleme, die ein solcher Zustand mit sich bringt, zeigen sich vordergründig z. B. in Unsicherheiten<br />
beim Erstellen aussagekräftiger und fachlich fundierter Hilfepläne und Entwicklungsberichte,<br />
sowie anhand heterogener und teilweise schlecht zu vereinbarender und<br />
fachlich unklarer Herangehensweisen an Klient/inn/en und deren Probleme im Teamkontext<br />
und in der Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern etc.<br />
Als Teamleiter und Qualitätsmanagementbeauftragter wurde der Verfasser zunehmend<br />
mit Management- und Leitungsfragen konfrontiert. Die Bemühungen, mit Hilfe des Qualitätsmanagements<br />
die fachliche Arbeit in der Einrichtung zu verbessern, warfen in Verbindung<br />
mit dem dadurch importierten Managementjargon und diversen Managementtools<br />
teilweise mehr Fragen auf <strong>als</strong> sie zu lösen versprachen – all dies wollte nicht so recht zu<br />
dem erlebten Alltagsgeschäft in einer Sozialen Einrichtung passen. Es wurde dem Verfasser<br />
schnell bewusst, dass eine gewinnbringende Implementierung eines QM-Systems<br />
in einer Sozialen Einrichtung weitaus mehr Wissen und Kenntnisse erforderlich macht, <strong>als</strong><br />
sie in einer Qualitätsmanagement-Fortbildung vermittelt werden.<br />
1 Siehe Gliederungspunkt 2.3.5<br />
7
So entschloss der Verfasser sich, Ende 2010 ein Sozialmanagement-Studium aufzunehmen.<br />
Interessensschwerpunkte während des Studiums waren Fragen der Organisationsund<br />
Personalentwicklung, Notwendigkeiten und Möglichkeiten organisationalen Wandels,<br />
die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Organisationsstrukturen, Organisationskultur<br />
und Möglichkeiten und Grenzen gezielter Steuerung von Entwicklungen etc.<br />
Während dieses Studiums, das berufsbegleitend absolviert wurde, hatte der Verfasser die<br />
gewinnbringende Gelegenheit, im Studium erworbenes Wissen und Fähigkeiten immer<br />
wieder theoretisch und praktisch mit dem Arbeitsalltag und der Situation in seiner Einrichtung<br />
abzugleichen. Der Eindruck, dass die mangelnde Professionalität in der Sozialen<br />
Arbeit ein Problem ist, das über die Zukunftsfähigkeit und den Bestand konkreter Sozialer<br />
Einrichtungen entscheiden kann, hat sich während der Studienzeit verfestigt.<br />
1.2 Erkenntnisinteresse, Fragen, Eingrenzungen und Erkenntnisziele<br />
Der Verfasser ist zu der Einschätzung gelangt, dass es eine vordringliche Aufgabe des<br />
Managements in Sozialen Einrichtungen ist, diesem Problem mit den ihm zur Verfügung<br />
stehenden adäquaten Mitteln abzuhelfen. Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit<br />
ist daher, ob und wie es gelingen könnte 2 , Einrichtungen der Sozialen Arbeit zu professionalisieren.<br />
Im Zusammenhang damit stehen u. a. Fragen danach, was Professionalität<br />
in der Sozialen Arbeit ausmachen könnte, wie es zu der verbreiteten Einschätzung<br />
kommen konnte, dass in der Sozialen Arbeit in Deutschland ein eklatanter Mangel an Professionalität<br />
besteht, woran man einen solchen Mangel womöglich konkret erkennen<br />
kann, ob es praktikable Möglichkeiten der Abhilfe dieses Zustandes geben könnte und ob<br />
und wie man in konkreten Zusammenhängen solche Abhilfe leisten kann.<br />
Da ein entsprechender Beitrag sich in dem vorgegebenen Umfang einer <strong>Masterarbeit</strong> naturgemäß<br />
zu begrenzen hat, werden vier grundlegende Eingrenzungen vorgenommen:<br />
1. Das Untersuchungsfeld beschränkt sich im Wesentlichen auf das Arbeitsfeld des Ambulant<br />
Betreuten Wohnens in der Kontakt- und Krisenhilfe e. V., da Managementkonzepte<br />
und -modelle, um in Organisationen wirksam sein zu können, sich auf die dortigen konkreten<br />
Gegebenheiten und Umstände herunterbrechen und anwenden lassen müssen.<br />
Zudem wirkt sich der Wandel der Rahmenbedingungen im Sozialen Bereich bei der Kontakt-<br />
und Krisenhilfe in diesem Arbeitsbereich besonders deutlich und folgenreich für die<br />
gesamte Einrichtung aus.<br />
2. Es wird ein bestimmtes Modell professioneller Sozialer Arbeit – das Systemtheoretische<br />
Paradigma der Sozialen Arbeit – ausgewählt, das den Rahmen für eine sukzessive<br />
2 Daher ist im Titel von einem „Ansatz“ die Rede.<br />
8
Implementierung von Professionalität bilden und auf die Spezifika des ausgewählten Arbeitsbereichs<br />
abgestimmt werden soll.<br />
3. Ebenfalls wird ein bestimmtes Management-Modell – das neue St. Galler Management-<br />
Modell – herangezogen, das ebenfalls auf die Spezifika des Arbeitsfeldes und der Gesamteinrichtung<br />
abgestimmt werden muss. Beide Modelle haben einen integrativen Charakter<br />
und erlauben somit die Berücksichtigung zahlreicher Elemente und Faktoren, die<br />
für das hier unternommene Unterfangen sinnvoll erscheinen. Beide Modelle sind zudem<br />
systemtheoretisch, wenn auch unter verschiedenen philosophischen Prämissen, und erlauben<br />
somit eine adäquate Bewältigung komplexer Zusammenhänge und Umstände.<br />
4. Es wird eine Beschränkung auf zwei ausgewählte Methoden zur Umsetzung der bis<br />
dahin gewonnenen Erkenntnisse in einer konkreten Sozialen Einrichtung vorgenommen.<br />
Die Ziele der hier angestellten Überlegungen bestehen darin, die aufgeworfenen Fragen<br />
mit Hilfe wissenschaftlich begründeten Wissens und in Verbindung sowohl mit eigenen<br />
Managementerfahrungen <strong>als</strong> auch der Kenntnis der konkreten Probleme einer konkreten<br />
Einrichtung möglichst befriedigend und praxisrelevant beantworten zu können und ausbaufähige<br />
Ideen für die weitere praktische Umsetzung entwickelt zu haben.<br />
1.3 Aufbau der Arbeit<br />
Nachdem in der Einleitung Anlass und Problemstellung des hier behandelten Themas<br />
umschrieben worden sind, zum Erkenntnisinteresse und einigen damit verbundenen Fragestellungen<br />
Stellung genommen wurde, grundlegende Eingrenzungen hinsichtlich der<br />
Themenbearbeitung vorgenommen und die Erkenntnisziele dargelegt worden sind, werden<br />
im folgenden Hauptteil der Arbeit unter dem Gliederungspunkt 2.1 definitorische Eingrenzungen<br />
vorgenommen und wichtige verwendete Begriffe und Definitionen geklärt.<br />
Sodann wird unter dem Gliederungspunkt 2.2 anhand eines historischen Abrisses skizziert,<br />
wie es in der Bundesrepublik Deutschland zu der aktuell <strong>als</strong> problematisch eingeschätzten<br />
Situation in der Sozialen Arbeit und zu den Bestrebungen gekommen ist, durch<br />
ein Hochschulstudium Sozialmanagement Abhilfe zu schaffen. Anschließend zeigt der<br />
Verfasser unter dem Gliederungspunkt 2.3 auf, wie sich die zuvor dargestellten Entwicklungen<br />
im Arbeitsfeld der Eingliederungshilfe für psychisch behinderte Erwachsene und<br />
näherhin in der Einrichtung Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis e. V. ausgewirkt<br />
haben. Der Gliederungspunkt schließt mit der Erörterung, welche aktuellen Probleme<br />
dort im Zusammenhang mit dem hier behandelten Thema zu lösen sind.<br />
Unter dem Gliederungspunkt 2.4 wird das Systemtheoretische Paradigma der Sozialen<br />
Arbeit vorgestellt und im Hinblick auf die Besonderheiten der in den Blick genommenen<br />
Einrichtung und des ausgewählten Arbeitsbereiches spezifiziert. Gleichermaßen wird in<br />
9
einem nächsten Schritt unter gliederungspunkt 2.5 das neue St. Galler Management-<br />
Modell eingeführt. Im Rahmen des letztgenannten Modells wird unter dem Gliederungspunkt<br />
2.6 aufgezeigt, auf welche Weise das Management der Kontakt- und Krisenhilfe<br />
e. V. mit Hilfe des SPSA die Einrichtung professionalisieren könnte.<br />
Im Schlussteil dieser Arbeit werden unter dem Gliederungspunkt 3. die Möglichkeiten erörtert,<br />
die sich durch die hier vorgeschlagene Weise der Professionalisierung bieten, es<br />
werden die Grenzen aufgezeigt, auf die ein solcher Versuch möglicherweise stoßen wird<br />
und es wird ein kurzer Ausblick gewagt.<br />
2. Hauptteil<br />
2.1 Erste Begriffsbestimmungen und Definitionen<br />
An dieser Stelle werden hinsichtlich der in dieser Arbeit vom Verfasser verwendeten Begriffe<br />
erste Klärungen vorgenommen. Definierte und für die Gedankenführung in der Arbeit<br />
besonders relevante Begriffe werden durchweg <strong>als</strong> Eigennamen verwendet (z. B.<br />
Sozialer Bereich, Soziale Einrichtung etc.). Im weiteren Verlauf der Arbeit werden weitere<br />
Begriffsdefinitionen folgen, die sich aus dem jeweiligen Zusammenhang heraus <strong>als</strong> sinnvoll<br />
nahelegen (z. B. Soziale Probleme).<br />
„Das Soziale ist das Programm, das Sozialer Arbeit eignet und an dem sich die managende<br />
Tätigkeit zu orientieren hat.“ (Bader 1999 in Schwarz 2012, S. 133) Dieses Zitat<br />
von Cornelia Bader fasst einen wichtigen Aspekt der Fragestellung des Verfassers dieser<br />
Arbeit prägnant zusammen: Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Aufgaben<br />
und Anforderungen, mit denen ein Management in Sozialen Einrichtungen zu tun hat und<br />
dem „Kerngeschäft“ solcher Einrichtungen? Was überhaupt ist das Kerngeschäft?<br />
„[D]as ‚Kerngeschäft‘ ist und bleibt die Sozialarbeit, an ihr hat das Sozialmanagement sich zu<br />
orientieren. Mit anderen Worten: über den notwendigen Diskussionen zum Thema Sozialmanagement<br />
dürfen die Lebensadern zur Sozialarbeit und zu ihrem gesellschaftlichen Auftrag<br />
ebenso wenig vergessen werden, wie die Interaktionen zu den unterstützungsbedürftigen Menschen<br />
und deren Einbeziehung und Mitwirkung an der Planung und Durchführung der notwendigen<br />
Hilfemaßnahmen.“ (Schwarz, 2012, S. 136)<br />
Wie steht es um die Soziale Arbeit? Ist sie eine Disziplin und eine Profession oder nur ein<br />
Beruf? Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Antworten auf diese Fragen auf die<br />
Leistungen, die Steuerbarkeit, die Legitimation und den Bestand von Sozialen Einrichtungen?<br />
Der Verfasser schließt sich der Auffassung zahlreicher Lehrender und Praktiker im<br />
deutschsprachigen Raum an, dass die Soziale Arbeit nachgewiesenermaßen in vielen<br />
Ländern der Welt schon seit langem eine Disziplin und eine Profession ist (vgl. z. B.<br />
10
Engelke, Spatscheck und Borrman: Die Wissenschaft Soziale Arbeit. Werdegang und<br />
Grundlagen. 2009) Auch hierzulande sollte die Soziale Arbeit nach Auffassung des Verfassers<br />
zu diesem Status und in den damit verbundenen Zustand gelangen, denn in der<br />
Praxis lassen das Handeln vieler Fachkräfte der Sozialen Arbeit und auch die Abläufe<br />
innerhalb der Einrichtungen einiges an Professionalität vermissen, was vielfältige Ursachen<br />
und oft auch Auswirkungen hat, deren Vermeidung oder Milderung im Interesse von<br />
Verantwortlichen im Management der entsprechenden Einrichtungen liegen sollte. „Aufgabe<br />
des Sozialmanagements […] sollte es sein, die Wirkungen professionellen Handelns<br />
sozialer Arbeit zu optimieren durch ‚Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Organisation<br />
einerseits und die Förderung der Organisationsmitglieder andererseits‘ (Schwarz, 1995,<br />
S. 64, 65).“ (Schwarz, 2012, S. 146) Aus der Perspektive der Fachkräfte werden die im<br />
Arbeitsalltag wahrgenommenen Mängel wiederum zum Anlass, daraus Anforderungen an<br />
das Management zu formulieren:<br />
„Aus der Sicht der Fachlichkeit […] werden nach wie vor Schwierigkeiten in der Passform zwischen<br />
fachlichen Erfordernissen und problemangemessenen Strukturen sowie angemessenen<br />
Formen der Steuerung und Führung vorgetragen. Dabei werden Anforderungen benannt, die<br />
von einem Management zu erfüllen sind, damit die Fachlichkeit nicht nur weiterhin zum Tragen<br />
kommen kann, sondern sich deutlicher entfalten kann.“ (A. Wöhrle 2012c, 181)<br />
Professionalisierung von Fachkräften und mithin von Einrichtungen der Sozialen Arbeit ist<br />
in jeder Hinsicht eine wesentliche Aufgabe und ein Gegenstand des Sozialmanagements.<br />
Es geht um die Feststellung, Sicherung und Weiterentwicklung der Fachlichkeit der Fachkräfte<br />
und die Implementierung und Dokumentation der einrichtungs- und arbeitsfeldspezifischen<br />
Fachlichkeit innerhalb der Einrichtung. Fachlichkeit „bildet den wesentlichen Bezugsrahmen<br />
für Handlungskonzepte und Handlungsverständnis in den unterschiedlichen<br />
Feldern sozialer Arbeit sowie den wesentlichen Bezugspunkt des professionellen Selbstverständnisses<br />
der dort tätigen Fachkräfte.“ (Galuske 2011, S. 277; Hervorh. J.W.) Somit<br />
werden die Begriffe Fachlichkeit und Professionalität <strong>als</strong> Ziele der Organisationsgestaltung<br />
und Personalentwicklung in dieser Arbeit synonym verwendet.<br />
Auch das Sozialmanagement selbst ist noch auf dem Wege der Professionalisierung:<br />
„Die Sozialwirtschaft entwickelt sich zu einer spezifischen Lehre der Integration der Fachwissenschaften<br />
der Sozialen Arbeit und der Betriebswirtschaft sowie weiterer Disziplinen wie z. B.<br />
Sozialpolitik, Volkswirtschaft, Sozialrecht, Soziologie, Psychologie, Erziehungswissenschaften.<br />
[…] Die Professionalisierung der Fachkräfte und der Führungskräfte muss intensiviert werden –<br />
Lebenslanges Lernen ist ein unverzichtbares Qualitäts- und Überlebensmerkmal. Integration<br />
div. Fachwissenschaften und interdisziplinäres Handeln sind die zentralen Leitlinien.“ (Maelicke,<br />
2012, S. 129, 130)<br />
Dabei erfordert die „Vertiefung des Standes der Fachdiskussion“ u. a. „Konzeptionsarbeit<br />
zum Zusammenhang Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft.“ (ebd., S. 132) Es entsteht bei<br />
11
der Durchsicht der Fachliteratur der Eindruck, dass die Schwierigkeiten bei und die<br />
Defizite in der Gegenstandsbestimmung, Theoriebildung und Professionalisierung in der<br />
Sozialen Arbeit und dem Sozialmanagement Parallelen aufweisen, die mit den nach wie<br />
vor bestehenden Unsicherheiten darüber, was Soziale Arbeit überhaupt ist und leisten<br />
soll, zusammen hängen.<br />
Es erscheint sinnvoll, zunächst zu umreißen und später differenzierter herauszuarbeiten,<br />
was der Verfasser unter Sozialer Arbeit versteht, was unter Sozialmanagement, wie das<br />
Arbeitsfeld Sozialer Arbeit begrifflich zu fassen ist, was Professionalität ist, warum<br />
Professionalisierung in und von Sozialen Einrichtungen vonnöten ist und wie sie<br />
vonstatten gehen soll. Der letzgenannte Aspekt wird eine Veranschaulichung anhand<br />
einer konkreten Einrichtung erfordern, da „Management nicht etwas isolierbares ist,<br />
sondern immer bezogen auf eine Institution, welche das Objekt der Führung darstellt. […]<br />
Es ist deshalb zwingend notwendig, zunächst das Wesen oder die Charakteristik der zu<br />
führenden Institution zu verstehen.“ (Ulrich und Probst 1991, S. 240)<br />
2.1.1 Management<br />
Der hier verwendete Begriff des Sozialmanagements folgt „der Leitorientierung einer reflektierten<br />
Integration von Managementdenken und fachlichen Anforderungen der Sozialen<br />
Arbeit.“ (Merchel 2009, S. 14) Was Managementdenken ist bzw. was Management<br />
ausmacht lässt sich zusammenfassend umschreiben <strong>als</strong> „Aufgabe, ein <strong>als</strong> soziales System<br />
verstandenes Unternehmen, das sich <strong>als</strong> Bestandteil seiner spezifischen Umwelt verhalten<br />
und bewegen muss, zielgerichtet zu gestalten und weiterzuentwickeln und auf diese<br />
Weise für den Erhalt dieses Systems Sorge zu tragen.“ (ebd., S. 20) Es lassen sich<br />
zunächst zwei Bedeutungsvarianten unterscheiden:<br />
„- Management im funktionalen Sinn, d. h. Beschreibung der Prozesse und Funktionen, die in<br />
arbeitsteiligen Organisationen notwendig werden, wie Planung, Organisation, Führung,<br />
Kontrolle (managerial functions approach);<br />
- Management im institutionalen Sinn, d. h. Beschreibung der Personen(-gruppen), die Managementaufgaben<br />
wahrnehmen, ihrer Tätigkeiten und Rollen (managerial roles approach).“<br />
(Staehle 1999, S. 71)<br />
Üblicherweise unterscheidet man hinsichtlich der Personellen Zuordnung von Managementanforderungen,<br />
die auf unterschiedlichen Hierarchieebenen bewältigt werden müssen<br />
in unteres, mittleres und oberes Management. Je nach Größe und Komplexität der<br />
betreffenden Organisation wird ein entsprechend ausdifferenziertes, gestuftes Leitungssystem<br />
notwendig (vgl. Merchel 2009, S. 19).<br />
Des Weiteren ist es sinnvoll, drei Teilfunktionen zu differenzieren:<br />
12
„- Gestaltung eines institutionellen Rahmens, der es ermöglicht, eine handlungsfähige Ganzheit<br />
über ihre Zweckerfüllung überlebens- und entwicklungsfähig zu erhalten.<br />
- Lenkung durch das Bestimmen von Zielen und das Festlegen, Auslösen und Kontrollieren<br />
von zielgerichteten Aktivitäten des Systems und seiner Elemente.<br />
- Entwicklung ist teils das Ergebnis von Gestaltungs- und Lenkungsprozessen im Zeitablauf,<br />
teils erfolgt sie in sozialen Systemen eigenständig evolutorisch durch intergeneratives Erlernen<br />
von Wissen, Können und Einstellungen.“ (Bleicher 2011, S. 73)<br />
Schließlich ist noch die Unterscheidung von drei Handlungsebenen sinnvoll (vgl. Merchel<br />
2009, S. 21, 22 und Maelicke 2008, S. 662):<br />
- Normatives Management: Auf dieser Ebene der langfristigen Rahmenplanung sind<br />
übergeordnete, wertegebundene unternehmerische Grundsätze angesiedelt, wie<br />
z. B. Vision, Leitbild, Grundsatzziele, mit denen sich ein Unternehmen in seiner<br />
Umwelt platzieren und sich ggf. von anderen absetzen will. Es geht auch um die<br />
Legitimation gegenüber den diversen Anspruchsgruppen und um konsensfähige<br />
Grundlagen für das langfristige Überleben, die Entwicklung und den inneren Zusammenhalt<br />
angesichts notwendiger Veränderungsprozesse.<br />
- Strategisches Management: Hier geht es darum, die Ziele des normativen Managements<br />
zu präzisieren und die für die Zielerreichung notwendigen Aktivitäten darauf<br />
auszurichten mittels einer Unternehmensstrategie, die fortlaufend überprüft<br />
und angepasst werden muss. Trotz eines mehr oder weniger unsicheren Umfeldes<br />
und der weitgehenden Unvorhersehbarkeit künftiger Entwicklungen, muss ein<br />
möglichst hohes Maß an Sicherheit und Orientierung aufrechterhalten werden.<br />
- Operatives Management: Die Ziele und Maßnahmen des normativen und strategischen<br />
Managements werden auf dieser Ebene in konkretes, den Alltagsanforderungen<br />
gemäßes unternehmerisches Handeln umgesetzt, indem die grundsätzlich<br />
knappen betrieblichen Ressourcen möglichst effizient und effektiv eingesetzt werden<br />
müssen.<br />
Vor dem Hintergrund der beschriebenen Bedeutungsvarianten, Funktionen und Handlungsebenen,<br />
geht es beim Management darum, dass in einer Organisation auf verschiedenen<br />
Ebenen verantwortliche Personen entsprechende i. d. R. hierarchisch angeordnete<br />
und von der normativen zur operativen Ebene hin ausdifferenzierten Organisationsziele<br />
(Zielpyramide) mit den dafür geeigneten Mitteln zu erreichen versuchen. Wesentlich für<br />
die Auswahl der geeigneten Mittel ist eben der Zweck, um dessentwillen die Organisation<br />
geschaffen worden ist, der sich in einem oder mehreren Leitzielen manifestiert.<br />
13
2.1.2 Soziale Arbeit, Sozialer Bereich und Soziale Einrichtungen<br />
In der hier eingenommenen Betrachtungsweise soll es um kleinere bis mittlere (in der<br />
Größenordnung von bis zu 100 Mitarbeiter/innen) Organisationen gehen, die gesellschaftlich<br />
im intermediären Bereich zwischen Staat, Markt und dem informellen Bereich der<br />
Gemeinschaft angesiedelt sind (vgl. Merchel 2009, S. 41 und Finis Siegler 2009, S. 129) 3 .<br />
Die Funktion von Organisationen im intermediären Bereich besteht in einem staatlich und<br />
gesellschaftlich intendierten Ausgleich des Versagens der anderen drei Funktionsbereiche<br />
gegenüber Individuen und Gruppen, die dadurch in einem noch näher zu spezifizierenden<br />
Sinn hilfebedürftig werden. Hier tritt die Soziale Arbeit auf den Plan. „Allgemein<br />
ausgedrückt verhindert, mindert oder löst Soziale Arbeit die sozialen Probleme ihrer<br />
Klientel bzw. schafft Bedingungen für deren Lösung.“ (Obrecht 2001, S. 97) Es wird daher<br />
im Weiteren immer vom Sozialen Bereich <strong>als</strong> professionellem Tätigkeitsfeld im<br />
intermediären Bereich die Rede sein und von den dort organisationsförmig agierenden<br />
Sozialen Einrichtungen, in denen vorzugsweise Fachkräfte der Sozialen Arbeit<br />
(Sozialarbeiter/innen, Sozialpädagog/inn/en) tätig sind. Des Weiteren wird es angesichts<br />
der anhaltenden Veränderungen im Sozialen Bereich und den damit verbundenen sich<br />
wandelnden Anforderungen an Soziale Einrichtungen und den darin tätigen Fachkräften<br />
insbesondere um die Managementaufgaben der Organisationsgestaltung<br />
bzw. -entwicklung und um die Personalführung und -entwicklung gehen. In engem<br />
Zusammenhang damit stehen Fragen nach der Gestaltung des Wandels (Change<br />
Management).<br />
2.1.3 Sozialmanagement<br />
Sozialmanagement ist eine Chiffre für Managementtätigkeiten in Einrichtungen, die im<br />
Sozialen Bereich angesiedelt sind.<br />
„Der Begriff ‚Sozialmanagement‘ ist seit dem Beginn der Diskussionen um eine verstärkte Managementorientierung<br />
in der Sozialen Arbeit relativ diffus geblieben. Es handelt sich bei diesem<br />
Begriff eher um einen Arbeitsbegriff oder um eine Leitformel, mit denen unterschiedliche Maßnahmen<br />
zur Verbesserung von betrieblichen Abläufen und Handlungsergebnissen in Einrichtungen<br />
der Sozialen Arbeit gekennzeichnet werden sollen“ (Merchel 2009, S. 24).<br />
Eine jüngst erschienene Publikation illustriert, dass die Diskussionen um das Sozialmanagement<br />
eine ähnliche Situation widerspiegeln wie die Diskurse über Wesen, Sinn und<br />
Stellenwert der Sozialen Arbeit. Der dreibändige Sammelband „Auf der Suche nach Sozialmanagementkonzepten<br />
und Managementkonzepten für und in der Sozialwirtschaft“ ist<br />
<strong>als</strong> breit angelegte fachliche Bestandsaufnahme im Nachgang zu dem ersten Vier-Länder-<br />
3 Staat: Regulation durch Gesetze, Bürokratie, administrativ-politische Macht; Markt: Regulation durch Vertrag, Äquivalenztausch,<br />
ökonomische Macht; Gemeinschaft: Regulation durch Solidarität, Vertrauen, Reziprozität, emotional-moralische<br />
Bindung und/oder Macht; intermediärer Bereich: Regulation durch Mix aus den vorgenannten Regulationsprinzipien.<br />
14
Kongress „Sozialwirtschaft und Sozialmanagement im deutschsprachigen Raum“ im Jahr<br />
2008 konzipiert. Der Herausgeber charakterisiert die umfangreiche Zusammenstellung<br />
der Beiträge aus der Fachwelt im Vorwort <strong>als</strong> „Suchbewegungen“ und stellt klar, „dass die<br />
drei Bände keine abschließenden Ergebnisse hinsichtlich eines allgemein anerkannten<br />
und in sich schlüssigen Sozialmanagementkonzeptes bzw. Managementkonzeptes für die<br />
Sozialwirtschaft liefern werden.“ (Wöhrle 2012a, S. 12) Insofern obliegt es dem Verfasser<br />
dieser Arbeit, sich den Suchbewegungen anzuschließen und die aus seiner Sicht hilfreichsten<br />
und tauglichsten Fundstücke aus der Management- und Sozialmanagementliteratur<br />
hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit zu bedenken und sie zu einem sinnvollen Ganzen<br />
im Hinblick auf die hier behandelten Fragestellungen zusammenzufügen.<br />
Es scheint jedenfalls Konsens darüber zu bestehen, dass ein Management in Sozialen<br />
Einrichtungen sich der gleichen o. g. Ingredienzien bedienen muss wie das Management<br />
z. B. in marktwirtschaftlich tätigen Organisationen und dass auch dort der Managementbegriff<br />
aufgrund der Heterogenität der dort angesiedelten Organisationen nicht präzise auf<br />
den Punkt gebracht werden kann.<br />
„Sozialunternehmen sind anders <strong>als</strong> andere Unternehmen. Die Unterschiede sind aber vermutlich<br />
auch nicht größer <strong>als</strong> zwischen einem Friseur und einer Ölförderfirma. Viel mehr unterscheiden<br />
sich organisatorische Konstellationen, Marktbedingungen, Besonderheiten der Produkte<br />
oder Leistungen etc. in den verschiedensten Branchen. Einzigartig macht die Sozialunternehmen<br />
die Kombination von besonderen Merkmalen – so wie andere Unternehmen auch<br />
einzigartige Merkmale haben können.“ (Schellberg, 2012, S. 149)<br />
Ein herausragendes Merkmal Sozialer Einrichtungen ist ihre Sachzieldominanz, die sich<br />
darin manifestiert, dass es vorrangig um die Lösung Sozialer Probleme (vgl. Gliederungspunkt<br />
2.4.2) geht. Es ist dies ein weiterer Grund, bei der Entwicklung von Managementansätzen<br />
konkrete Einrichtungen in den Blick zu nehmen, die spezifische praktische und<br />
in erster Linie Soziale Probleme zu lösen haben.<br />
2.1.4 Professionalität und Professionalisierung<br />
Es lassen sich Hinweise darauf finden, dass die Notwendigkeit einer Professionalisierung<br />
im Sozialen Bereich sowohl hinsichtlich des Managements <strong>als</strong> auch in Bezug auf die<br />
Strukturen und Abläufe in den Einrichtungen und die dort tätigen Fachkräften gesehen<br />
wird: „Die Professionalisierung des Managements im Sozialbereich verstehen wir <strong>als</strong> einen<br />
wichtigen Beitrag zur Professionalisierung Sozialer Arbeit.“ (Bürgisser, Buerkli, Stremlow,<br />
Kessler, & Benz, 2012, S. 280) Es sollte aus Sicht des Verfassers allerdings unterschieden<br />
werden zwischen den Gegenstandsbereichen des Managements in Sozialen<br />
Einrichtungen und denen der dort geleisteten Sozialen Arbeit. Mit anderen Worten sollte<br />
eine klare Trennung von Sozialer Arbeit <strong>als</strong> Profession und dem Sozialmanagement <strong>als</strong><br />
15
Profession vorausgesetzt werden, der zufolge eine Sozialmanagement-Theorie u. a. „das<br />
fachliche Handeln der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter befördern“ (Wöhrle 2008 in<br />
Zängl, 2012, S. 38) soll und „eine unterstützende Funktion (Bereitstellung von Rahmenbedingungen<br />
für eine möglichst erfolgreiche Soziale Arbeit)“ (vgl. Wendt/Wöhrle 2007<br />
ebd., S. 39) hat. Der Inhalt dessen, was professionelle, fachlich hochwertige Soziale Arbeit<br />
ist, muss eine entsprechende Theorie aus dem Fachgebiet der Sozialen Arbeit beantworten.<br />
Die übergeordnete Klammer um die Bemühungen zur Professionalisierung beider Bereiche<br />
sind die Kriterien einer Allgemeinen Handlungswissenschaft und die damit verknüpfte<br />
Definition von Professionalität bzw. Professionalisierung. Dem von Silvia Staub-<br />
Bernasconi und Werner Obrecht entwickelten Systemtheoretischen Paradigma der Sozialen<br />
Arbeit (SPSA) folgend, sind es die Fragestellungen einer Allgemeinen (für alle Professionen<br />
geltenden) Normativen Handlungstheorie (ANHT, vgl. Gliederungspunkt 2.4) und<br />
die daraus folgenden Wissensformen 4 <strong>als</strong> Produkte dieser mentalen Prozesse, die den<br />
Bedingungen professionellen Handelns insofern Rechnung tragen <strong>als</strong> dieses<br />
„methodisches, rationales Handeln [ist], und dieses ist eine spezielle Form problemlösenden<br />
Handelns […], das sich von den anderen Formen von Handeln durch die Konjunktion von vier<br />
Eigenschaften unterscheidet: (1) Es ist selbstbewusst, (2) es ist auf ein explizites praktisches<br />
Ziel gerichtet, (3) es erreicht das Handlungsziel dadurch, dass es in seinem Verlauf eine ganz<br />
bestimmte Abfolge von aufeinander bezogenen kognitiven Problemen löst, die alle der Entwicklung,<br />
Steuerung und Bewertung von zielführenden Verhaltensschritten dienen, und es stützt<br />
sich (4) bei der Lösung dieser Probleme systematisch auf wissenschaftliches Wissen, nämlich<br />
auf Beschreibungs- und Erklärungstheorien über die Gesetzmässigkeiten im Interventionsbereich<br />
der geplanten Handlung, sowie auf Regeln, die auf Hypothesen über solche Gesetzmässigkeiten<br />
beruhen. Eine Handlung, die diese Kriterien erfüllt, ist rational und damit im vollen<br />
Sinne Professionell.“ (Obrecht 2001, S. 69)<br />
Demnach ist Professionalisierung<br />
„der Prozess, in dessen Verlauf es a) zur Entwicklung von professionellem, d. h. handlungswissenschaftlichem<br />
Wissen kommt (disziplinärer Aspekt), auf dessen Grundlage b) Ausbildungsinstitutionen<br />
Studierende zu Professionellen ausbilden (personaler Aspekt), die c) in der<br />
Folge zu Mitgliedern einer Profession werden und <strong>als</strong> solche d) im Rahmen für professionelle<br />
Arbeit ausgelegten Stellen von Organisationen in systematischer Weise (allgemeine Handlungstheorie)<br />
praktische, d. h. physikalische, biologische, psychische oder Soziale Probleme in<br />
einer professionellen Weise, d. h. unter Verwendung wissenschaftsbasierter Verfahren bearbeiten.<br />
Ein Professionalisierungsprozess ist erfolgreich, wenn es einer Profession gelingt, ihre Zuständigkeitsansprüche<br />
innerhalb eines großen Teils der mit der Bearbeitung einschlägiger<br />
praktischer Probleme befassten Institutionen (Organisationen) durchzusetzen.“ (Obrecht 2009,<br />
S. 61)<br />
4 Beschreibungswissen, Erklärungswissen, Trendaussagen, Bilder von zukünftigen, erwünschten Sachverhalten (Werturteile),<br />
Zielsetzungen, Bilder über Ressourcen, Pläne/Maßnahmen, Teilpläne, Evaluationswissen (vgl. Staub-Bernasconi 2007,<br />
s. 204-205).<br />
16
Professionalität in Bezug auf das Sozialmanagement wird in dieser Arbeit dargelegt (personaler<br />
Aspekt) durch den Aufweis von im Studium erlernten Metatheorien und damit verbundenem<br />
Orientierungswissen, sowie (darauf aufbauenden bzw. daran anknüpfenden)<br />
speziellen Handlungstheorien (disziplinärer Aspekt) im Rahmen der erwähnten Allgemeinen<br />
Normativen Handlungstheorie (ANHT) mit dem Ziel, für das praktische Problem des<br />
unzureichenden Professionalisierungsstandes in einer konkreten Einrichtung des Sozialen<br />
Bereichs Lösungsansätze und -vorschläge zu entwickeln. In der Praxis, d. h. in konkreten<br />
Einrichtungen des Sozialen Bereichs besteht das Problem, dass die dort tätigen Fachkräfte<br />
i. d. R. bereits in ihrer Ausbildung (Diplom- oder Bachelor-Studium der Sozialen Arbeit)<br />
nur fragmentiertes und unzureichendes professionelles Wissen vermittelt bekommen haben<br />
und in der Praxis häufig auf eine Mischung aus Versatzstücken aus Ausbildungswissen,<br />
Alltagstheorien und in Fortbildungen erworbenem Wissen und angeeigneten Kenntnissen<br />
zurückgreifen müssen. Dies setzt die bereits in der Ausbildung angelegte Fragmentierung<br />
entweder fort oder führt dazu, dass Fachkräfte der Sozialen Arbeit sich in Ermangelung<br />
eines professionellen Selbstverständnisses ein alternatives, meist semiprofessionelles<br />
oder berufliches Selbstverständnis zulegen und etwa zu systemischen<br />
Familientherapeuten „zweiter Klasse“ werden.<br />
Auch die zunehmende Einführung von Managementkonzepten, -modellen<br />
und -instrumenten in den Sozialen Bereich birgt die Gefahr einer verwirrenden Vermengung<br />
mit disziplinärem und professionellen Wissen der Sozialen Arbeit oder gar die Ersetzung<br />
professioneller Sozialer Arbeit durch erfolgversprechende Management-Tools aus<br />
anderen Bereichen. Zu vermeiden ist <strong>als</strong>o auch eine wiederholte Kolonialisierung der Sozialen<br />
Arbeit, diesmal durch Betriebswirtschaft und Management (vgl. Reinbacher 2012,<br />
S. 88).<br />
Professionalisierung Sozialer Einrichtungen meint <strong>als</strong>o die anspruchsvolle Aufgabe und<br />
Anforderung, einerseits das Management in und von Sozialen Einrichtungen zu<br />
professionalisieren um andererseits die Professionalisierung der Sozialen Arbeit in und<br />
von Einrichtungen voranzubringen.<br />
Zum besseren Verständnis der derzeitigen Situation, dem aktuellen Diskussionsstand und<br />
der Gründe, die zu dem verbreiteten Proffesionalitätsdefizit der Sozialen Arbeit in<br />
Deutschland geführt haben, soll ein historischer Abriss verhelfen, der die<br />
Entwicklungsstränge der Professionalisierungsbemühungen, der sozialpolitischen<br />
Entwicklung und der Entwicklung der sozialen Strukturen in Deutschland<br />
zusammengefasst nachzeichnet.<br />
17
2.2 Genese der Professionalisierungs- und Sozialmanagementdiskussionen<br />
2.2.1 Deutsches Reich und Folgen der industriellen Revolution<br />
Die Soziale Arbeit <strong>als</strong> Disziplin und Profession hat in Deutschland eine lange Tradition,<br />
deren Anfänge sich bis auf die industrielle Revolution in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />
zurückverfolgen lassen. Sozialpolitisch ist dies die Zeit der Einführung des bis<br />
heute bestehenden und weiterentwickelten Sozialversicherungssystems durch Bismarck,<br />
das zu jener Zeit die grassierende Verelendung breiter Massen der Gesellschaft jedoch<br />
alleine nicht aufzuhalten vermochte. Neben den im Deutschen Reich schon bestehenden<br />
zahlreichen Formen der privaten, spontanen und eher unorganisierten Hilfstätigkeiten für<br />
Arme und Verelendete besonders in den großen Städten und Ballungsgebieten bildeten<br />
sich zunehmend Vereine und andere organisationsförmige Strukturen. Es war auch die<br />
Zeit der Gründung der ersten Wohlfahrtsverbände (vgl. Rock 2010, S.18-21). Parallel dazu<br />
wurden nach angelsächsischem Vorbild „Formen der Verberuflichung (Ausbildung,<br />
Qualifizierung) und Verwissenschaftlichung (Theoriebildung)“ (Engelke, Borrmann und<br />
Spatscheck 2009, S. 171) in den Bereich der Fürsorge und Wohlfahrtspflege eingeführt.<br />
Die zunehmende Erkenntnis, dass ein „Hilfesystem, das auf einer besonderen Ermittlungs-<br />
und Vermittlungsarbeit beruht, bestimmte fachliche Kenntnisse und dementsprechende<br />
Qualifikationen“ (ebd., S. 170) benötigt, führte im Deutschen Reich dazu, dass<br />
kurz vor der Jahrhundertwende die ersten Ausbildungsstätten für Frauen 5 eingerichtet und<br />
nach und nach eine berufsspezifische Lehre und eine Wissenschaft der Wohlfahrtspflege<br />
aufgebaut wurden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts können im deutschen Sprachraum<br />
zahlreiche Versuche einer Theoriebildung für die Soziale Arbeit nachgewiesen werden bis<br />
hin zur Einrichtung von Lehrstühlen für soziale Fürsorge, allgemeine Wohlfahrtspflege und<br />
Caritaswissenschaft ab 1910 (vgl. ebd., S. 171-172). Bereits in dieser frühen Phase<br />
zeichneten sich allerdings erhebliche Differenzen bezüglich der Gegenstandsbestimmung<br />
Sozialer Arbeit ab. Theoretikerinnen, wie in Deutschland etwa Alice Salomon und Ilse Arlt,<br />
problematisierten fehlende Lern- und Bildungsmöglichkeiten und betonten,<br />
„dass Armut sowie das von der Gesellschaft verurteilte unwirtschaftliche und abweichende Verhalten<br />
in erster Linie auf strukturell verhinderte Bedürfnisbefriedigung, kulturell unangemessene, ausschließlich<br />
individualistische Deutungsmuster der Armut und Erwerbslosigkeit und die dabei erzwungenen<br />
psychischen und sozialen Prozesse der Anpassung an Mangellagen zurückzuführen<br />
seien. […] Auch dann, wenn es um eine Problemdiagnose von Individuen ging, wurde immer ihr<br />
soziales Umfeld, ihre Mitgliedschaft zu sozial diskriminierenden Kategorien mitberücksichtigt. […]<br />
5 Ein wesentlicher Antrieb der Verberuflichung und beginnenden Disziplin- und Professionsentwicklung der Sozialen Arbeit<br />
war die bürgerliche Frauenbewegung, deren Protagonistinnen danach strebten, das Recht auf außerhäusige berufliche<br />
Tätigkeit durchzusetzen und „die fraulichen und mütterlichen Werte aktiv in die Gesellschaft, in die soziale Tätigkeit einbringen<br />
[wollten]“ (Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 172). Diese Anfangsbedingungen haben nachhaltig dazu geführt,<br />
„dass soziale Berufstätigkeiten unverändert ein durch Frauen geprägter Berufssektor ist, der zudem einen hohen Grad<br />
teilzeitbeschäftigter Arbeitsverhältnisse aufweist.“ (Boeßenecker 2009, S. 371)<br />
18
Zudem wurden Probleme auf allen sozialen Ebenen, nämlich Individuum, Familie, Kleingruppe und<br />
Nachbarschaft, Stadtteil und Stadt, Organisation, Nation und Weltgesellschaft […] lokalisiert.“<br />
(Staub-Bernasconi 2007, S. 137)<br />
Im Gegensatz zu dieser nach heutigen Gesichtspunkten ganzheitlichen und systemischen<br />
Sicht sozialer Probleme etablierte sich zur gleichen Zeit auch eine eher funktionalistische<br />
Sichtweise, wie sie etwa Jasper Klumker vertrat, der 1920 auf den neu eingerichteten<br />
„Lehrstuhl für Fürsorgewesen und Sozialpädagogik“ in Frankfurt berufen wurde. Er vertrat<br />
„die Betrachtung des Gegenstandes Sozialer Arbeit aus der alleinigen Perspektive der Gesellschaft,<br />
genauer: der Wirtschaft und die davon abgeleitete Zwecksetzung der sozialen Einrichtung<br />
nahm damit ihren Lauf […]. Nicht die real bestehende Armut, sondern der Unterstützungsbescheid<br />
macht den Armen zum Armen.“ (Staub-Bernasconi 2007, S. 138)<br />
2.2.2 Erster Weltkrieg<br />
Mit dem Eintritt des Deutschen Reiches in den Ersten Weltkrieg und den sich in der Folge<br />
zuspitzenden sozialen Problemen und Nöten kam es zu einer verstärkten Übernahme von<br />
Regulierungs- und Finanzierungsaufgaben durch das Kaiserreich. Es begann einen zunehmenden<br />
Einfluss auf die freie Wohlfahrtspflege auszuüben und das bestehende Fürsorgewesen<br />
wurde um- und ausgebaut.<br />
„Der planmäßige Ausbau der Fürsorgetätigkeiten des Staates im Ersten Weltkrieg führt auch<br />
bei den Akteuren der Privatwohltätigkeit, zum Beispiel bei den bestehenden freien Wohlfahrtsverbänden,<br />
zu Reorganisationsprozessen. Sie sehen sich gezwungen ihre Handlungs- und<br />
Leistungsfähigkeit zu verbessern, um im Konkurrenzkampf der Akteure zu bestehen und um die<br />
‚Schlagkraft nach außen‘, gegenüber dem Staat, zu vergrößern.“ (Engelke, Borrmann und<br />
Spatscheck 2009, S. 178)<br />
Auf kommunaler Ebene waren zahlreiche private Vereine und Initiativen, vor allem der<br />
Bund deutscher Frauenvereine mit dem Nationalen Frauendienst durch administrativorganisatorische<br />
und praktische Hilfstätigkeiten aktiv. Durch die Notwendigkeit einer verbesserten<br />
Abstimmung der öffentlichen Fürsorgeverwaltung mit den Tätigkeiten der privaten<br />
Wohltätigkeit wurde die Grundlage für die nach dem Krieg weiterentwickelten korporativen<br />
Formen der Zusammenarbeit gelegt (vgl. ebd. 2009, S. 176-177 und Rock 2010, S.<br />
20).<br />
2.2.3 Weimarer Republik, Nation<strong>als</strong>ozialismus und Zweiter Weltkrieg<br />
Die erste deutsche Republik stand vor der Herausforderung, den durch Kriegsfolgen und<br />
Wirtschaftskrise bedingten desolaten sozialen Bedingungen wirksam zu begegnen. Auf<br />
legislativer Ebene führten die Schaffung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes, der<br />
Reichsfürsorgepflichtverordnung in Verbindung mit den Reichsgrundsätzen zu einer verbrieften<br />
stärkeren Kooperation zwischen den öffentlichen und privaten Trägern. Auf Bun-<br />
19
desebene förderte das Reichsarbeitsministerium den Ausbau und die Etablierung der<br />
Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, um ein Gegengewicht zu den Kommunalisierungsbestrebungen<br />
der öffentlichen Fürsorge zu schaffen (vgl. Engelke, Borrmann und<br />
Spatscheck 2009, S. 180 und Rock 2010, S. 20-21). Das in Deutschland nachhaltig einflussreiche<br />
Subsidiaritätsprinzip im Verhältnis von staatlicher und privater Fürsorge wurde<br />
sozialpolitisch implementiert:<br />
„Die in Europa einzigartige, besondere Ausprägung der ansonsten europaweit bestehenden<br />
Zusammenarbeit zwischen privater und öffentlicher Wohlfahrtspflege war damit institutionalisiert<br />
worden: das duale System, das durch eine gesetzliche Bestands- und Eigenständigkeitsgarantie<br />
der freien bei gleichzeitiger Förderungsverpflichtung und Gesamtverantwortung der öffentlichen<br />
Träger gekennzeichnet ist.“ (Rock 2010, S. 20-21)<br />
Bis 1924 waren alle bis heute bestehenden fünf Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege,<br />
sowie der Dachverband der Spitzenverbände gegründet worden.<br />
„Insgesamt war die Weimarer Republik eine Phase der Zentralisierung der Wohlfahrtspflege<br />
sowie der Expansion und Ausdifferenzierung der Arbeitsfelder der Freien Wohlfahrtspflege.<br />
Dieser Prozess führte gleichzeitig zu einer wachsenden Interdependenz öffentlicher und freier<br />
Wohlfahrtspflege.“ (ebd., S. 21)<br />
Neben dem sukzessiven Ausbau einzelner Arbeitsfelder wurden Behörden, wie Jugend-,<br />
Gesundheits- und Wohlfahrtsämter aufgebaut, inklusive der Ausweitung der<br />
Sozialbürokratie und der Eingriffsverwaltung. Auch die weitere Verfachlichung und<br />
Professionalisierung der bestehenden Handlungsformen der Sozialen Arbeit wurde<br />
vorangetrieben und die Zahl der Ausblildungsstätten wuchs bis 1927 auf 33; Publikationen<br />
zu Theorien und Praxismethoden der Sozialen Arbeit erschienen in großer Zahl (vgl.<br />
Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 181).<br />
„Im Zeitraum zwischen 1918 und 1933 gab es einen außerordentlich regen internationalen<br />
Austausch von Praktiker(inne)n, Theoretiker(inne)n […] und Student(inn)en Sozialer Arbeit,<br />
ferner von übersetzter Fachliteratur. Es war aber zugleich eine Zeit der immer wirksameren<br />
Verbreitung rassistischer Ideologien.“ (Staub-Bernasconi 2007, S. 139)<br />
Während der nation<strong>als</strong>ozialistischen Diktatur und des Zweiten Weltkrieges wurde der gesamte<br />
Bereich der Wohlfahrtspflege und Fürsorge von den Nation<strong>als</strong>ozialisten vereinnahmt<br />
und instrumentalisiert, sowie ihren ideologischen Zwecken und Zielsetzungen gemäß<br />
umgestaltet. Zahlreiche Vereine, Verbände und andere Organisationen der Sozialen<br />
Arbeit wurden aufgelöst, verboten oder gleichgeschaltet. Unangepasste Protagonist/innen<br />
der Sozialen Arbeit wurden schikaniert, behindert, verfolgt und viele Theoretiker/innen und<br />
Praktiker/innen der Sozialen Arbeit emigrierten in die USA und nach Lateinamerika (vgl.<br />
Rock 2010, S. 22-23; Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 184 und Staub-<br />
Bernasconi 2007, S. 141) Die Folgen dieser Emigration von Menschen und Wissen zeig-<br />
20
ten sich später <strong>als</strong> Mangel in der bundesrepublikanischen Theorieentwicklung der Sozialen<br />
Arbeit.<br />
2.2.4 Nachkriegszeit und junge Bundesrepublik Deutschland<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten im Bereich der Wohlfahrtspflege noch erhalten gebliebene<br />
Strukturen genutzt und zerstörte relativ zügig neu aufgebaut werden, sodass die<br />
Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege einzeln und <strong>als</strong> Bundesarbeitsgemeinschaft<br />
ihre Tätigkeiten bald wieder aufnehmen konnten. Um die gravierenden sozialen Nöte und<br />
Probleme der Nachkriegszeit in den Griff zu bekommen, wurden in der jungen Bundesrepublik<br />
sukzessive die Sozialgesetzgebung und entsprechenden Ämter und Behörden<br />
ausgebaut. Individuellen Bedürfnissen sollte auf sozialrechtlicher Grundlage durch konkrete,<br />
genau beschriebene Angebote und Leistungen begegnet werden. Insbesondere<br />
das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und das Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG), beide<br />
1961 in Kraft getreten, forcierten die formale Vorrangstellung der freien Wohlfahrtspflege,<br />
die im Prinzip 1967 durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gefestigt wurde. Parallel<br />
zu dem enormen Ausbau von Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege seit Beginn<br />
der 1960er Jahre nahm aber auch in der Folge der sich weiter entwickelnden sozialen<br />
Gesetzgebung die Zahl der öffentlichen Einrichtungen und deren relativer Anteil an der<br />
Gesamtzahl der Einrichtungen zu (vgl. Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 334-<br />
335 und Rock 2010, S. 24-25). Damit blieb<br />
„die formelle Rechtsposition der freien Wohlfahrtspflege zwar unangefochten, [machte] Betrieb<br />
und Förderung von Einrichtungen aber faktisch von einer ganzen Reihe von öffentlichen Vorgaben<br />
abhängig und [schränkte] damit den Gestaltungsspielraum der freien Träger zunehmend<br />
ein.“ (Sachße 1996 in Rock 2010, S. 25)<br />
Bis zum Anfang der 1970er Jahre erfolgt die Ausbildung für die Soziale Arbeit an Höheren<br />
Fachschulen für Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik. Dabei muss das durch die Emigration<br />
zahlreicher Protagonist/innen der Sozialen Arbeit entstandene Desiderat durch Importe<br />
gefüllt werden:<br />
„Die Entwicklung der Ausbildung wird teilweise von DozentInnen bestimmt, die – vermittelt<br />
durch Austauschprogramme – in den USA Social Work studiert haben […]. Theorien und Ausbildungskonzepte<br />
des amerikanischen ‚Social Work‘ werden in Westdeutschland bereitwillig<br />
aufgenommen.“ (Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 336)<br />
Während <strong>als</strong>o zunächst Theoriebildung und Praxiskonzepte der Sozialen Arbeit sich an<br />
US-Amerikanischen, aber auch britischen und niederländischen Entwicklungen orientierte<br />
und von dort ein Patchwork an Versatzstücken Eingang in die bundesrepublikanischen<br />
Diskussionen fand, kamen ab dem Ende der 1960er Jahre verstärkt Einflüsse aus der<br />
Studentenbewegung und unterschiedliche Strömungen von den an den deutschen Hoch-<br />
21
schulen und den dort lehrenden Sozialtheoretikern hinzu. Der in dieser Zeit an deutschen<br />
Hochschulen geführte „Positivismusstreit“ zwischen Vertretern des Kritischen Rationalismus<br />
(Popper, Albert) einerseits und Vertretern der dialektisch-kritischen-Theorie (Frankfurter<br />
Schule: Adorno, Horkheimer, Habermas) andererseits wurde auch in der Pädagogik<br />
ausgetragen und hatte erheblichen Einfluss auf die Entwicklungen in der Sozialen Arbeit.<br />
In der Folge dieser Auseinandersetzungen und unter dem Einfluss der Studentenbewegung<br />
wurde Emanzipation zum Schlüsselbegriff einer sich ausbreitenden Gesellschaftskritik.<br />
(vgl. Staub-Bernasconi 2007, S. 142, 145 und Engelke, Borrmann und Spatscheck<br />
2009, S. 340-341) Innerhalb der Sozialen Arbeit richtete sich diese Kritik auch gegen<br />
Strukturen, Einrichtungen und Arbeitsweisen der Sozialen Arbeit selbst. Diese wurden<br />
einerseits versucht, <strong>als</strong> Protagonisten im Klassenkampf zu vereinnahmen, andererseits<br />
gerieten sie zunehmend <strong>als</strong> Werkzeuge im Dienst der Kapitalinteressen und herrschenden<br />
Klassen in die Kritik. „Als Erbschaft aus dieser Theoriephase müssen die erstaunlichen,<br />
negativen Selbstettikettierungen der Sozialarbeitenden <strong>als</strong> Flickschusterin, Mülleimer,<br />
Prostituierte, Waschlappen der Nation und dergleichen mehr betrachtet werden.“<br />
(Staub-Bernasconi 2007, S. 146)<br />
Bald verbreitete sich innerhalb der Sozialen Arbeit eine gewisse Ernüchterung angesichts<br />
enttäuschter Reform- oder sogar Revolutionshoffnungen, die dazu führte, dass sich das<br />
wissenschaftliche Interesse auf das Individuum und seine nicht gelungene, häufig nicht<br />
näher bestimmte „Normalisierung“, bzw. sein abweichendes Verhalten fokussierte. Ohne<br />
sich der Mühe unterzogen zu haben, ein differenziertes Menschen- und Gesellschaftsbild<br />
ausgearbeitet und zugrunde gelegt zu haben, interessierte man sich für die Alltags- und<br />
Lebenswelt der Klientel und prangerte Ausgrenzung, Etikettierung und Stigmatisierung an.<br />
In der Kritik standen auch hier wiederum die Instanzen, Einrichtungen und Tätigen der<br />
Sozialen Arbeit, die <strong>als</strong> entfremdende Systeme einer per se menschenfreundlicheren Alltags-<br />
und Lebenswelt gegenübergestellt wurden. Wissenschaftlichkeit, Spezialisten- und<br />
Expertentum galten nun <strong>als</strong> Enteignung, Herrschaft und Kolonialisierung (vgl. Staub-<br />
Bernasconi 2007, S. 146-147).<br />
„Professionalisierung ist <strong>als</strong>o nicht mehr <strong>als</strong> Antwort auf fehlende, sondern <strong>als</strong> Enteignung sozialer<br />
Problemlösungskompetenzen zu verstehen […] und die entstehenden Bürgerinitiativen und<br />
Selbsthilfebewegungen mit ihrer Kritik an entmündigenden Hilfeformen […] tragen das ihre dazu<br />
bei, die theoretischen Debatten um Entprofessionalisierung einzuleiten.“ (ebd., S. 147)<br />
Seit dem Inkrafttreten des BSHG und des JWG konnte die freie Wohlfahrtspflege eine<br />
beträchtliche Zunahme ihres Umfangs und Wirkungskreises, sowie der Aufgabenfelder<br />
von Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/inn/en verzeichnen:<br />
„Ausweitung der Allgemeinen Sozialen Dienste, Heimerziehung mit neuen Betreuungsformen<br />
wie Wohngemeinschaften und betreutes Einzelwohnen, Sozialpsychiatrische Dienste, Erzie-<br />
22
hungsberatung, Frauenhäuser, Sucht- und Drogenarbeit, sozialpädagogische Familienhilfe,<br />
Schuldnerberatung usw.“ (Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 341)<br />
Ebenso wurde parallel unter der ab 1969 regierenden sozialliberalen Koalition der Ausbau<br />
der Sozialleistungen vorangetrieben (vgl. Rock 2010, S. 24-25) und es wurde im Zuge der<br />
Bildungsreform von 1969 der Versuch einer Akademisierung und Professionalisierung der<br />
Sozialen Arbeit forciert, indem Fachhochschulen für Soziale Arbeit geschaffen wurden<br />
und in einer Übergangsphase bis 1972 die bis dahin an Höheren Fachschulen gelehrte<br />
Sozialarbeit/Sozialpädagogik dorthin übergeleitet wurde. Die Studienordnungen an den<br />
ca. 50 Fachhochschulen mit einschlägigen Studiengängen waren allerdings heterogen<br />
und zudem mit denen für Sozialpädagogik an den Universitäten inkompatibel. Als Lehrende<br />
wurden vorzugsweise Erziehungs- und Sozialwissenschaftler mit Universitätsabschluss<br />
berufen und den lehrenden Sozialarbeiter/innen ohne akademische Ausbildung<br />
bzw. später mit Fachhochschulabschluss verblieben die für Lehrinhalte, Qualifizierung<br />
und Diplomierung unmaßgeblichen Fächer, die sie bis heute häufig <strong>als</strong> Lehrbeauftragte<br />
unterrichten dürfen. Die aus den Höheren Fachschulen für Sozialarbeit übernommenen<br />
Lehrkräfte und die meist jüngeren Professor/innen für die neu eingerichteten Fächer Soziologie,<br />
Politik, Recht und Sozialmedizin waren unsicher im Umgang miteinander und die<br />
daraus erwachsende Konzentration auf die internen Probleme im Aufbau des neuen<br />
Fachbereichs führten bald zu einer Vernachlässigung der Beziehungspflege zu den öffentlichen<br />
und freien Trägern der Sozialen Arbeit und somit zu einer zunehmenden Entfremdung<br />
(vgl. Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 341; Staub-Bernasconi 2007,<br />
S. 144 und Schwarz 2012, S. 134). Im Hinblick auf die beabsichtigte Disziplin- und Professionswerdung<br />
der Sozialen Arbeit kann man einen bis heute folgenreichen Fehlstart<br />
konstatieren:<br />
„die Fremdbestimmung der Ausbildung durch Lehrkräfte, die in einer sozialarbeitsfremden,<br />
wenn auch notwendigen Einzeldisziplin ausgebildet wurden, denen es aber anheimgestellt ist,<br />
ob sie die Auswahl ihrer Themen und Theorien <strong>als</strong> Beitrag zur Profession Sozialer Arbeit verstehen.“<br />
(Staub-Bernasconi 2007, S. 144)<br />
Dadurch ergab sich eine andauernde Fragmentierung und ein unverbundenes Nebeneinander<br />
der Ausbildungsinhalte und ein ungeklärter Status der in der Sozialen Arbeit Tätigen.<br />
Diese sahen und sehen sich dadurch häufig veranlasst, ihren Mangel an Professionalität<br />
durch diverse Weiterbildungen und Zusatzausbildungen, deren Inhalte und Zielsetzungen<br />
nicht selten durch ideologische Strömungen und Moden bestimmt wurden, zu<br />
kompensieren.<br />
23
2.2.5 1970er und 80er Jahre und der Wandel im Sozi<strong>als</strong>taatsverständnis<br />
Nach dem bis in die 1970er Jahre hinein vorangetriebenen Ausbau sozialer Leistungen<br />
und der Expansion der freien Wohlfahrtspflege und ihrer Einrichtungen, zeichnete sich ab<br />
der Mitte der 1970er Jahre ein Wandel in den politischen und gesellschaftlichen Sichtweisen<br />
ab. Im Zusammenhang mit zunehmenden Finanzierungsproblemen des Sozi<strong>als</strong>taates<br />
geriet dieser zunehmend in die Kritik, die sich auch auf die Verbände und Einrichtungen<br />
der freien Wohlfahrtspflege ausdehnte. Schlagworte wie „Versorgungsstaat“, „Herrschaft<br />
der Funktionäre“, „Wohlfahrtsdiktatur“ und „autoritärer Sozi<strong>als</strong>taat“ bestimmten zunehmend<br />
die öffentliche Diskussion und die Forderung nach einer „neuen Subsidiarität“ in<br />
Abgrenzung zum rechtlich normierten institutionellen Subsidiaritätsbegriff wurde laut. Unter<br />
dem Gesichtspunkt der Kosteneinsparung wollte man Selbsthilfeeinrichtungen fördern,<br />
oder „bürgerschaftliches „Engagement“, wie es heute heißt (vgl. Rock 2010, S. 26). Der<br />
sich abzeichnende Paradigmenwechsel des Sozi<strong>als</strong>taatsverständnisses und die damit<br />
verbundenen Folgen für die Einrichtungen der freien Wohlfahrtspfege und der dort<br />
Beschäftigten ließ diese noch weitgehend unberührt. Das ambivalente Selbstbild der Sozialarbeiter/innen<br />
und -pädagog/inn/en, fragmentiertes Handlungswissen, intransparente,<br />
teilweise bürokratische Strukturen der Einrichtungen und Träger, großzügige pauschale<br />
Finanzierungsformen ohne nennenswerte Evaluation etc., trugen wenig zu Reformimpulsen<br />
aus den Reihen der sozial Tätigen selbst bei.<br />
Die mit dem 1. Haushaltsstrukturgesetz 1976 eingeführten Sparprogramme eröffneten die<br />
sich bis heute fortsetzende Haushaltskonsolidierungsstrategie mit regelmäßigen Kürzungen<br />
im Sozialbereich. Den Hintergrund dafür bildet die seitdem chronifizierte Kritik am<br />
Wohlfahrtsstaat/Sozi<strong>als</strong>taat, die je nach politischer Großwetterlage liberal-konservativ<br />
oder liberal-progressiv daherkommt. Entweder richtet sich die Kritik gegen die steigenden<br />
Ausgaben der öffentlichen Haushalte und fordert spürbare Sparmaßnahmen gegen die<br />
ansteigende Staatsverschuldung oder es wird die Geldleistungsstrategie und geringe<br />
Problemlösungskompetenz im Sozialbereich angeprangert und die Entmündigung der<br />
Hilfebedürftigen durch die Experten beklagt (vgl. Schwarz 2012, S. 136-137). Der seit den<br />
1980er Jahren in Angriff genommene Umbau bzw. Rückbau des Sozi<strong>als</strong>taates betraf<br />
nach und nach alle Arbeitsfelder der freien Wohlfahrtspflege. Damit traten zwangsläufig<br />
auch Organisationsfragen und solche nach Effektivität und Effizienz von Einrichtungen in<br />
der Sozialen Arbeit stärker in den Vordergrund und der Managementbegriff wurde seit<br />
Ende der 1980er Jahre zunehmend bezüglich Fragen der Steuerung von Einrichtungen<br />
der Sozialen Arbeit verwendet. Bis dahin waren Fragen der Organisationsgestaltung in<br />
der Sozialen Arbeit eher vernachlässigt worden. In den 1970er Jahren wurden Organisationen<br />
vorwiegend <strong>als</strong> Hindernis für Reformen betrachtet, die 1980er Jahre waren von<br />
24
Bemühungen geprägt, sozialarbeiterische Fachlichkeit und Professionalität unter Vernachlässigung<br />
von Organisationskontexten durch den Import diverser Psychotherapieansätze<br />
zu gewinnen. Fragen der Organisationsgestaltung galten tendenziell <strong>als</strong> etwas,<br />
„was außerhalb des Pädagogischen liegt und das im günstigsten Fall fachliches Handeln unberührt<br />
lässt, meistens aber im Gegensatz zu den Prinzipien fachlichen Handelns steht und somit<br />
irgendwie <strong>als</strong> störendes Element angesehen wurde. Ein solches Klima innerhalb der Fachdiskussion<br />
machte es lange Zeit schwierig, Fragen des Managements und der Organisationsgestaltung<br />
<strong>als</strong> einen wichtigen Aspekt professionellen Handelns einzubringen und in der Fachszene<br />
zu verankern.“ (Merchel 2009, S. 51)<br />
In diese Zeit fällt auch das innerhalb der Theoriediskurse der Sozialen Arbeit intensiv rezipierte<br />
1986 erschienene Buch „Risikogesellschaft“ des Soziologen Ulrich Beck. Das dort<br />
analysierte Phänomen der Individualisierung der Lebenslagen und der Pluralisierung der<br />
Lebensstile mit den damit verbundenen Unsicherheiten und Gefährdungen wurde in Verbindung<br />
gebracht mit einer Strukturkritik, die sich <strong>als</strong> Technologie-, Kultur- und Wissenschaftskritik<br />
generierte. Für die Soziale Arbeit bedeutete das, dass sich die Kritik und<br />
Selbstkritik nicht mehr nur auf die Unwissenschaftlichkeit des Fachs und die <strong>als</strong> dilettantisch<br />
wahrgenommene Praxis richtete.<br />
„Auf dem Hintergrund allgemeiner, an den Großrisiken wissenschaftlich ermöglichter Natur- und<br />
Menschenbeherrschung geübte Wissenschaftskritik steht nicht mehr ihre fehlende Wissenschaftlichkeit,<br />
sondern ihr naiver Glaube an den überlegenen Rationalitätsanspruch von Wissenschaft<br />
und an eine entsprechend wissenschaftlich begründbare Sozialtechnologie zur Debatte<br />
[…]. (Staub-Bernasconi 2007, S. 148-149)<br />
Damit wurde eine Programmatik in die Diskurse um die Soziale Arbeit eingeführt, die bis<br />
heute nachwirkt und mit einem Buchtitel von Thomas Olk überschrieben werden kann:<br />
„Abschied vom Experten“ (Olk 1986). Da einerseits das Ringen um die Anerkennung der<br />
Sozialen Arbeit durch Bemühungen um die Etablierung derselben <strong>als</strong> Disziplin und Profession<br />
andauerte und andererseits diese Bemühungen nun <strong>als</strong> verfehlt kritisiert wurden,<br />
verstärkte sich dadurch die ambivalente Selbstwahrnehmung innerhalb der Sozialen Arbeit,<br />
sowie auch deren unglückliche Wirkung nach außen. Das zugleich allmählich und<br />
zögerlich bei den Wohlfahrtsverbänden und Einrichtungen der Sozialen Arbeit einsetzende<br />
Umdenken in Richtung auf mehr Effizienz, Effektivität und ökonomisches Denken und<br />
Handeln führte zusätzlich zu Argwohn und Widerständen bei vielen Sozialarbeiter/innen<br />
und -pädagog/inn/en. Diese Abneigung manifestierte sich auch an den Hochschulen und<br />
richtete sich „gegen die in diesem Zeitraum sich artikulierende Sozialmanagement-<br />
Fraktion […]. Die in Teilen heute noch schwierigen Beziehungen zwischen der Sozialarbeits-<br />
und Sozialmanagementfraktion haben in dieser Ausgangssituation partiell ihren<br />
Ursprung.“ (Schwarz 2012, S. 138)<br />
25
2.2.6 1990er Jahre und der Um- und Abbau des Sozi<strong>als</strong>taates<br />
Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 03. Oktober 1990 wurde per<br />
Einigungsvertrag die Übertragung der sozi<strong>als</strong>taatlichen Infrastruktur unter Einbindung der<br />
Wohlfahrtsverbände vorangetrieben, was die Wohlfahrtsverbände zunächst einerseits<br />
erheblich aufwertete und ihre Stellung in der Bundesrepublik festigte, sie andererseits<br />
aber auch vor erhebliche organisatorische Probleme stellte. Die durch die Wiedervereinigung<br />
entstandenen organisatorischen und finanziellen Belastungen beförderten zugleich<br />
die Debatten um Wettbewerb, Trägervielfalt, Effektivität und Effizienz im Sozialen Bereich,<br />
die unter der Formel „Umbau des Sozi<strong>als</strong>taates“ verstärkt in die öffentliche Diskussionen<br />
und Wahrnehmung eindrangen. Seit dieser Zeit wurde ein „Paradigmenwechsel in der<br />
Sozialpolitik“ angestrebt (vgl. Rock 2010, S. 29-31). Sozialpolitisch werden seither zunehmend<br />
knapper werdende finanzielle Ressourcen bei steigender Anzahl an sozialleistungsbedürftigen<br />
Menschen beklagt und sukzessive sozialpolitische und sozialrechtliche<br />
Steuerungsmaßnahmen initiiert, die tatsächlich das Gefüge des bundesdeutschen Sozi<strong>als</strong>taats,<br />
wie es sich seit den 1960er bis zum Ende der 1980er Jahre – trotz zunehmender<br />
Kritik seit dem Anfang der 1970er Jahre (vgl. Schwarz 2012, S. 136) – weitgehend unverändert<br />
und stabil gezeigt hatte, in vielfältiger Weise drastisch verändert hat. Bis hin zu<br />
dem oben genannten eingeleiteten Paradigmenwechsel galten für die Refinanzierung der<br />
subsidiär tätigen Sozialen Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände durch die öffentlichen<br />
Kostenträger das Selbstkostendeckungsprinzip und der Modus der Objektfinanzierung.<br />
Vereinfacht gesagt, wurden einer Sozialen Einrichtung die jährlich zu beantragenden pauschalen<br />
Kosten jeweils per Zuwendungsbescheid gewährt und am Ende des Bewilligungszeitraums<br />
konnten in der Regel die gegebenenfalls angefallenen Mehrkosten ebenfalls<br />
erstattet werden. Im Rahmen der entsprechenden Vereinbarungen mit den Kostenträgern<br />
mussten Soziale Einrichtungen zwar durchaus auch die Inhalte der zu erbringenden<br />
Leistungen darlegen, zum Nachweis der tatsächlichen Erbringung reichten jedoch<br />
üblicherweise Berichte aus, die nicht dem Anspruch an detaillierte Leistungsnachweise<br />
genügen mussten. Diese Art der Förderung bot einer Sozialen Einrichtung ein vergleichsweise<br />
hohes Maß an Freiheit bei der Verwendung der gewährten finanziellen Mittel, es<br />
herrschten jedoch vielerorts fachlich und organisatorisch – vor allem von außen betrachtet<br />
– intransparente und vergleichsweise beliebige Herangehensweisen an soziale Problemlagen<br />
vor. Das bis dahin praktizierte Selbstkostendeckungsprinzip wurde nun <strong>als</strong>o zunehmend<br />
in Frage gestellt und später abgeschafft und durch Leistungsverträge ersetzt.<br />
Große Teile der Wohlfahrtsverbände begrüßten allerdings diese Entwicklung, da die vertraglichen<br />
Regelungen mit mehrjähriger Geltungsdauer gegenüber den jeweils jährlich<br />
befristeten und mit Vorgaben und Abhängigkeiten befrachteten Zuwendungsleistungen<br />
auch Vorteile boten, indem sie nämlich größere Planungs- und Kalkulationssicherheit er-<br />
26
laubten. Jedoch waren die neuen Regelungen auch mit höherem Einsparungsdruck verbunden<br />
und zwangen Träger und Einrichtungen zu einem Umdenken in Richtung auf<br />
mehr Effizienz, Effektivität und ökonomischem Denken und Handeln (vgl. Rock 2010, S.<br />
27).<br />
Bereits <strong>als</strong> der Begriff „Sozialmanagement“ zu Anfang der 1980er Jahre von Alfred Müller-<br />
Schöll und Manfred Priepke durch deren gleichnamiges Buch in die Diskussion eingeführt<br />
wurde, knüpften die Autoren an die in der Praxis der Sozialen Arbeit verbreiteten Defizite<br />
an: „Verkünden ‚wolkiger‘ Ziele, unklare Aufgaben- und Kompetenzverteilung, undurchsichtige<br />
Entscheidungsprozesse und Hierarchiestruktur, Verzicht auf Planung, fehlende<br />
Erfolgskontrolle.“ (Müller-Schöll und Priepke in Schwarz 2012, S. 138) Unter Verweis auf<br />
die populär gewordene Kritik von Wolfgang Seibel, der 1992 in seiner Habilitationsschrift<br />
„Funktionaler Dilettantismus“ solcherlei Defizite einer vertieften Analyse unterzog, führt<br />
Joachim Merchel aus: „Kritik wurde geübt an der mangelnden Fähigkeit freier Träger, Einrichtungen<br />
und Dienste wirtschaftlich und den Finanzierungsbedingungen entsprechend<br />
zu führen, eine Kritik, die bis zum Vorwurf des Organisationsversagens und des Dilettantismus<br />
zugespitzt wurde […].“ (Merchel 2009, S. 58)<br />
Der Umbau des Sozi<strong>als</strong>taates machte sich bis heute auf mehreren Ebenen für Soziale<br />
Einrichtungen bemerkbar:<br />
„Der Vorrang der Freien Wohlfahrtspflege wurde [schließlich sukzessive, J.W.] ebenso abgeschafft<br />
wie das Kostendeckungsprinzip. Gewerbliche und gemeinnützige Träger wurden im Sozialrecht<br />
gleichgestellt, Versorgungsverträge, Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Prüfungen der<br />
Qualität institutionalisiert.“ (Rock 2010, S. 34)<br />
In den Sozialgesetzen wurde nach und nach eine Abkehr von der institutionellen Förderung<br />
hin zu einer Subjektfinanzierung vollzogen. Mit Sozialen Einrichtungen wurden demnach<br />
zunehmend Leistungs-, Vergütungs- und Qualitätsvereinbarungen abgeschlossen.<br />
Der durch die Modernisierungsstrategien des organisierten Wettbewerbs und des Kontraktmanagements<br />
vorangetriebene Paradigmenwechsel unter dem Vorzeichen der Kostenersparnis<br />
führte zu einer abnehmenden Privilegierung der freien Wohlfahrtspflege und<br />
ihrer Einrichtungen und im Zusammenhang damit auch zu steigenden Ansprüchen an die<br />
Legitimierung Sozialer Arbeit.<br />
27
„Der Legitimationsmodus ‚Vertrauen‘, der über lange Zeit das Verhältnis zwischen öffentlichen<br />
und freien Trägern geprägt hat, wird ersetzt durch den Legitimationsmodus ‚Rechenschaftslegung‘.<br />
‚Rechenschaftslegung‘ bezieht sich dabei gleichermaßen auf den finanziellen Aspekt […]<br />
wie zunehmend stärker auch auf den fachlichen Aspekt […]. Die Einrichtungen sollen verdeutlichen,<br />
welche Wirkungen sie mit ihrem Handeln erreicht haben, und es werden erste Überlegungen<br />
zu Möglichkeiten der Koppelung von Finanzierungsteilen an erreichte Wirkungen angestellt<br />
[…]. (Merchel 2009, S. 58)<br />
Somit werden Soziale Einrichtungen bis heute vor die Herausforderung gestellt, ökonomische<br />
und fachliche Ziele in einen sinnvollen Einklang zu bringen (vgl. ebd., S. 59). In dieser<br />
Situation wurden an den Hochschulen erste Sozialmanagement-Konzepte entwickelt<br />
und im Zusammenhang damit wurden zunehmend auch andere Management-Ansätze<br />
aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich, wie z. B. Qualitätsmanagement (QM), Lean-<br />
Management, Case-Management, Change-Management etc. rezipiert und ihre Tauglichkeit<br />
für die Innovation von Sozialen Einrichtungen diskutiert. Die Rezeption von Konzepten<br />
und Instrumenten aus dem Profit-Bereich stieß innerhalb der Sozialen Arbeit auf ambivalente<br />
Reaktionen: Einerseits ließ der grundsätzliche Widerstand gegen solche Konzepte<br />
nicht nur allmählich nach, es regte sich sogar bei manchen die Hoffnung, auf diesem<br />
Weg endlich zu einer (neuen) professionellen Identität zu gelangen. Andererseits gab<br />
es unterschiedliche Bestrebungen innerhalb der akademischen Sozialarbeit/Sozialpädagogik,<br />
der zunehmenden Kritik von außen durch eigene Konzepte zu begegnen,<br />
die allerdings zu einem großen Teil an frühere Überlegungen, Konzepte und Modelle<br />
anknüpften. Stichworte zu diesen Bestrebungen sind etwa Lebenswelt-, Alltags- und<br />
Sozialraumorientierung, Neuorganisation sozialer Dienste und Ressourcenorientierung<br />
(vgl. Schwarz 2012, S. 139-140 und Staub-Bernasconi 2007, S. 149-151).<br />
Nach wie vor mangelte es der Sozialen Arbeit an einer eigenständigen professionellen<br />
Identität vor dem Hintergrund einer fragmentarischen Ausbildung und unzureichendem<br />
Praxisbezug. Im akademischen Bereich konkurrierten diverse Richtungen und Schulen<br />
der Theoriebildung ohne nennenswerten Einfluss auf die Praxis, in der weitgehend improvisiert<br />
wurde. Hinzu kam eine durch die Kritik am Wohlfahrtsstaat und am Expertentum<br />
initiierte Veränderung der Sichtweise auf den Gegenstandsbereich der Sozialen Arbeit.<br />
„Vergeblich sucht man in neueren theoretischen Zugängen differenzierte Vorstellungen über<br />
Adressatenmerkmale der Sozialen Arbeit. Alle Begriffe, die an Probleme, Armut, Defizite, Nöte,<br />
Leiden, Schwächen, fehlende Güter oder Kompetenzen, gesellschaftliche Ungleichheit, Diskriminierung,<br />
Ohnmachtspositionen oder gar Ungerechtigkeitsvorstellungen etc. erinnern, werden<br />
explizit oder implizit <strong>als</strong> Defizitorientierung kritisiert, um sie einer Ressourcenorientierung gegenüberzustellen.<br />
[…] Die […] neue soziale Problemdefinition ist die illegitime Abhängigkeit<br />
vom Sozi<strong>als</strong>taat und mithin der fehlende oder fehlgeleitete Wille der Klientel zur Eigenleistung,<br />
Selbststeuerung und Selbstverantwortung. […] Es sind nicht mehr die Menschen, die überfordert<br />
sind und strukturell diskriminiert, ausgebeutet werden, sondern es ist der Sozi<strong>als</strong>taat, der<br />
durch überbordende Ansprüche überfordert ist und ausgebeutet wird. […] Und es sind die Sozialexperten/Sozialtätigen,<br />
die <strong>als</strong> unfähige Bastler […] verhindern, dass der Ausbeutung des So-<br />
28
zialwesens durch die Klientel wirksam entgegengetreten werden kann.“ (Staub-Bernasconi<br />
2007, S. 149-150)<br />
Diese Entwicklung innerhalb der Theoriebildungen in der Sozialen Arbeit bereitete in<br />
manchen Kreisen u. a. den Boden für eine geradezu euphorische Aufnahme von Konzepten<br />
der Betriebswirtschaftslehre <strong>als</strong> Professionalisierungsangebot für die Soziale Arbeit.<br />
„Der Tendenz nach geht es darum, das ‚Grundmodell der Sozialen Arbeit‘ neu zu definieren, indem<br />
‚Management‘, seine für Führungskräfte sinnvollen Methoden und Techniken auch für die<br />
direkte Arbeit mit den Adressat(inn)en zum Oberbegriff wird. Die Hilfe an Individuen heißt jetzt<br />
Casemanagement oder Fallsteuerung 6 . Dazu gibt es Theorieentwürfe, die fordern, dass die<br />
theoretischen Vorgaben der Dienstleistungsökonomie zur Teildisziplin einer Wissenschaft und<br />
Metadisziplin der Sozialen Arbeit <strong>als</strong> personenbezogene Dienstleistungen gemacht werden.“<br />
(ebd., S. 151)<br />
2.2.7 Ende der 1990er Jahre bis heute: Etablierung des Sozialmanagements<br />
In dieser durch Ambivalenz, weitgehend unverbundene Heterogenität und Unsicherheit<br />
geprägten Phase formierten sich die ersten Sozialmanagement-Studiengänge. 1997 beschlossen<br />
die fünf neuen Bundesländer auf der Grundlage von Vorarbeiten der Alice-<br />
Salomon Fachhochschule Berlin, der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin<br />
und der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin die Gründung eines<br />
Fernstudienverbundes. Ein Fachausschuss erarbeitete ein fünfsemestriges Fernstudium<br />
„Sozialmanagement“ bzw. „Öffentliches Dienstleistungsmanagement“, das für Führungskräfte<br />
im Sozialen Bereich die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten unter den Vorzeichen<br />
des stattfindenden Wandels bereitstellen sollte. Dem Mangel an adäquaten Aus- und Weiterbildungsangeboten<br />
sowohl in den neuen <strong>als</strong> auch den alten Bundesländern sollte damit<br />
abgeholfen werden. Allerdings stieß dieses Vorgehen bereits zu Beginn auf deutliches<br />
Unbehagen bei Vertretern aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und der Wohlfahrtsverbände:<br />
„Fünf neue Bundesländer setzen eine Kommission ein, diese beauftragt einen ‚Fachausschuss‘<br />
mit der Erarbeitung eines curricularen Fernstudiengangs Sozialmanagement – das Verfahren<br />
war <strong>als</strong>o ‚top-down‘, die Zusammensetzung willkürlich und die Diskussionen fanden in geschlossenen<br />
Zirkeln satt!? Nein danke!!!“ (Schwarz 2012, 141)<br />
In den Jahren 1999 und 2000 begannen nichtsdestotrotz die beiden ersten Masterstudiengänge<br />
„Sozialmanagement“ in Mittweida/Roßwein und Braunschweig-Wolfenbüttel. Es<br />
war die Zeit der flächendeckenden Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge im<br />
Zuge der Bologna-Reformen, was viele Fachbereiche ohnehin an die Grenzen ihrer Belastbarkeit<br />
brachte. Aus diesen und anderen Gründen (wie Konkurrenzdenken und ge-<br />
6 Dazu muss angemerkt werden, dass aus Sicht des Verfassers die unterschiedlichen aber insgesamt recht homogenen<br />
Konzepte des Case-Managements zwar vordergründig gewisse Ähnlichkeiten mit der Vorgehensweise der ANHT aufweisen,<br />
aber im Gegensatz zur ANHT reine Schemata zur geordneten Abwicklung von vorgegebenen Arbeitsaufträgen darstellen<br />
und so eher einem Verständnis von Sozialer Arbeit <strong>als</strong> bloßer Beruf nahe stehen.<br />
29
genseitiger Abschottung) wurde zum einen nichts aus der geplanten weiteren Kooperation<br />
der im erwähnten Fachausschuss noch aktiven Vertreter/innen der beteiligten Hochschulen<br />
und zum anderen wurde von Kritikern aus dem Bereich der Sozialen Arbeit dem Sozialmanagement<br />
eine Mitschuld an der Einführung marktwirtschaftlicher Strukturen an den<br />
Hochschulen gegeben. Ungeachtet dessen, stieg die Anzahl der Sozialmanagement/Sozialwirtschaft-Studiengänge<br />
im deutschsprachigen Raum bis heute auf ca. 118 an<br />
(Boeßenecker und Markert 2011, S. 58-59) und das Fach kann insofern durchaus <strong>als</strong><br />
etabliert gelten. Gleichwohl ringt, wie bereits geschildert, das Fach Sozialmanagement in<br />
ähnlicher Weise um Orientierung und Professionalisierung wie auch die Soziale Arbeit.<br />
Und beide Disziplinen ringen zudem miteinander:<br />
„Im Schatten einer schon früh aufkeimenden Rivalität zwischen den ‚Zwillingsdisziplinen‘ Sozialarbeit<br />
und Sozialmanagement konnten die gemeinsamen Ziele und positiven Schnittmengen<br />
nicht erkannt oder zugegeben werden. Die ‚wahren Hüter‘ der ‚reinen Sozialarbeit‘ fühlten sich<br />
in ihrem Streben nach fachlicher Qualität und Professionalität von der ‚Managementfraktion‘<br />
nicht genügend gewürdigt (‚Reparaturbetrieb‘, Semiprofession). Die ‚Managementprofis‘ ihrerseits<br />
betonen aus fachlicher Sicht und aus berufspolitischem Eigeninteresse sehr stark die vorhandenen<br />
Defizite und Schwachstellen der sozialen Dienstleistungsorganisationen. […] Es besteht<br />
[…] die Gefahr, dass an die Stelle des dringend benötigten Dialogs zwischen den getrennten<br />
Zwillingen (Sozialarbeit – Sozialmanagement) wieder ein getrenntes Monologisieren der<br />
beiden Seiten tritt.“ (Schwarz 2012, S. 145, 147)<br />
Festzuhalten bleibt, dass das Fach Sozialmanagement sich zwar insofern etabliert hat, <strong>als</strong><br />
es inzwischen sowohl eine beachtliche Anzahl von Studiengängen, <strong>als</strong> auch einschlägige<br />
Publikationen in großer Zahl gibt – auch die Notwendigkeit adäquat ausgebildeter Führungskräfte<br />
im Sozialen Bereich steht außer Frage – , Disziplin und Profession sich allerdings<br />
noch „in der Phase der Selbstfindung“ (ebd., S. 162) befinden. Im Falle der Sozialen<br />
Arbeit sieht es nach über 40 Jahren seit der Einführung von Fachhochschulstudiengängen,<br />
Theoriebildung, Versuchen der Verwissenschaftlichung etc. recht ähnlich aus. In der<br />
Praxis sind sicherlich in fallweise mehr oder weniger geglückter Ausprägung Versatzstücke<br />
aus beiden Bereichen angekommen, aber die seit Jahrzehnten trotz diverser Bemühungen<br />
um Professionalisierung bestehenden Probleme im Sozialen Bereich und in der<br />
Sozialen Arbeit drohen sich nun auch auf die Ebene des Managements Sozialer Einrichtungen<br />
auszuweiten und die Etablierung des „neuen“ Fachs Sozialmanagement steht somit<br />
derzeit unter keinem guten Stern.<br />
Im Folgenden wird dargestellt, wie sich die skizzierten sozialpolitischen und fachlichen<br />
Entwicklungen auf eine konkrete Soziale Einrichtung in einem bestimmten Arbeitsfeld<br />
ausgewirkt haben bzw. damit in Beziehung stehen. Für den in dieser Arbeit besonders<br />
interessierenden Bereich der Eingliederungshilfe für psychisch behinderte Erwachsene,<br />
das Ambulant Betreute Wohnen (ABW), war die zum 01.07.1994 in Kraft getretene Sozialhilfereform<br />
mit der Änderung des § 93 Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) folgen-<br />
30
eich. Die dort eingeführte Entgeltfinanzierung aufgrund eines subjektiven Rechtsanspruchs<br />
der individuell Bedürftigen wurde beispielsweise in Nordrhein-Westfalen (NRW)<br />
über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren durch die dort zuständigen beiden Landschaftsverbände<br />
flächendeckend umgesetzt und führte im Ennepe-Ruhr-Kreis ab 2001 zu<br />
spürbaren Veränderungen.<br />
2.3 Wandel und Veränderungen bei der Kontakt- und Krisenhilfe e. V.<br />
Abbildung 1: Der Ennepe-Ruhr-Kreis 7 (Quelle: Wikimedia 2010)<br />
2.3.1 Kleine Anfänge<br />
Die Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis e. V. (KuK) ist ein eingetragener gemeinnütziger<br />
Verein und Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Der Verein wurde<br />
1984 gegründet und firmierte zunächst <strong>als</strong> sogenannter Patientenclub in einer angemieteten<br />
Wohnung in der Kreisstadt Schwelm. Anlass für die Gründung durch engagierte Bürgerinnen<br />
und Bürger und Psychiatrieerfahrene vor dem Hintergrund der sozialpsychiatrischen<br />
Bewegung war die Einschätzung, dass es im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis einen<br />
hohen und ungedeckten Bedarf an gemeindenaher Versorgung für psychisch kranke<br />
Menschen gab. Die KuK verstand sich von Beginn an <strong>als</strong> Einrichtung der Sozialpsychiat-<br />
7 Die Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis e. V. ist heute bis auf die Kreisstädte Witten, Wetter und Herdecke, die<br />
von anderen Anbietern versorgt werden, im gesamten zusammenhängenden südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis aktiv.<br />
31
ie und macht es sich bis heute zur Aufgabe, die Lebenssituation von psychisch behinderten<br />
Menschen zu verbessern, ihre Teilhabe und Integration vor Ort zu fördern und stationäre<br />
Aufenthalte oder Unterbringungen zu vermindern oder zu vermeiden.<br />
Zunächst wurde eine Wohngemeinschaft für die Zielgruppe eröffnet und das dam<strong>als</strong> noch<br />
so genannte Beschützende Wohnen nahm ebenfalls seinen Anfang. Das Beschützende<br />
Wohnen <strong>als</strong> Vorläufer des Ambulant Betreuten Wohnens (ABW) sollte psychisch kranke<br />
Menschen, die eine eigene Wohnung bewohnten befähigen, trotz oder mit ihren diversen<br />
krankheitsbedingten Einschränkungen ein möglichst selbst bestimmtes Leben führen,<br />
ihren Alltag bewältigen zu können und so ein möglichst hohes Maß an „Normalität“ und<br />
Lebensqualität erreichen zu können. Der „Patientenclub“ wandelte sich zur ersten von<br />
später drei Kontakt- und Beratungsstellen (KuB).<br />
1985 konnten weitere Räume günstig in einer städtischen Immobilie in Gevelsberg angemietet<br />
werden. Dort wurde eine weitere KuB eingerichtet und Beschützendes Wohnen<br />
angeboten. Die Bereiche KuB und Beschützendes Wohnen waren von Beginn an räumlich,<br />
personell und organisatorisch so eng verzahnt, dass das Beschützende Wohnen – im<br />
Gegensatz zum heutigen ABW – noch nicht <strong>als</strong> eigenständiger Arbeitsbereich profiliert<br />
war.<br />
1987 wurden auch in Ennepetal städtische Räume mietfrei bezogen und dort wurde eine<br />
weitere KuB eingerichtet. Die Finanzierung der gesamten Arbeit der KuK erfolgte durch<br />
den Ennepe-Ruhr-Kreis: Es wurde ein jährlich befristeter, jeweils neu zu beantragender<br />
freiwilliger Zuschuss (Zuwendung/Zuwendungsbescheid) des Kreises (Kreisgesundheitsamt)<br />
für Kontaktstellenarbeit und Beschützendes Wohnen gewährt. Das bedeutete 100 %<br />
Personalkostenzuschuss, 10 % Sachkostenanteil und einen Festbetrag für Miete und Nebenkosten.<br />
Der Finanzierungsmodus war eine Objektfinanzierung <strong>als</strong> Institutionelle Zuwendung<br />
gemäß §§ 23 u. 44 Bundeshaushaltsordnung/Landeshaushaltsordnung<br />
(BHO/LHO; Vollfinanzierung der zuwendungsfähigen Ausgaben). Das Kreisgesundheitsamt<br />
hatte zu dieser Zeit ermittelt und vorgegeben, dass es 85 psychisch kranke Menschen<br />
im Ennepe-Ruhr--Kreis mit einem Bedarf an Beschützendem Wohnen gab. Diese<br />
wurden unter vier Anbietern, die mit dem Kreis auch den Stundensatz ausgehandelt hatten,<br />
aufgeteilt. Im Beschützenden Wohnen wurden daraufhin bei der KuK zwei Vollzeitstellen<br />
(VZ) mit einem Betreuungsschlüssel von je 1:12 finanziert. Die Anzahl unserer<br />
Klient/inn/en war somit durch den Kreis zunächst auf 24 beschränkt. Die Vergütung pro<br />
Stunde betrug umgerechnet 110,- DM. So konnten bis Ende 1987 hauptamtliche Mitarbeiter/innen<br />
(MA) eingestellt werden, die sich zwei VZ-Planstellen für das Beschützende<br />
Wohnen und eine für die KuB-Arbeit teilten.<br />
32
Im Jahr 1992 wurde eine weitere VZ-Planstelle für die KuB-Arbeit finanziert und eingerichtet,<br />
zusätzlich zu den beiden VZ-Stellen im Beschützenden Wohnen. Seit dieser Zeit<br />
konnten auch Rücklagen aus Eigenmitteln gebildet werden. Am Ende des Zuwendungszeitraums<br />
erwirtschaftete Überschüsse wurden der KuK hälftig <strong>als</strong> freie Mittel zur Verfügung<br />
gestellt aber es gab im Verlustfall keine Nachfinanzierung. Die KuB-Arbeit 8 wird<br />
nach wie vor unverändert <strong>als</strong> Zuwendung mit einer VZ-Stelle durch den Kreis finanziert.<br />
An den bis heute bestehenden drei Standorten Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal arbeiten<br />
je zwei Fachkräfte (Sozialarbeiter/innen bzw. -pädagog/inn/en) mit jeweils 6,42<br />
Wochenarbeitsstunden (1/6 VZ-Stellen, gerundet) 9 . Bei allen sechs Fachkräften wird die<br />
Kontaktstellenarbeitszeit jeweils von der Regelarbeitszeit abgezogen. Die übrige Arbeitszeit<br />
der betreffenden MA steht für das ABW zur Verfügung. Die mit der Finanzierungsform<br />
der Zuwendung gemäß BHO/LHO verbundene Logik lässt im Bereich der KuB wenig personelle<br />
Dynamik und Gestaltungsmöglichkeiten zu.<br />
Vorstand<br />
Geschäftsführung nur<br />
nominell benannt<br />
Verwaltung<br />
10 Std. Stelle<br />
Kontakt- und<br />
Beratungsstellen<br />
1 VZ Stelle,<br />
3 Standorte<br />
Beschützendes<br />
Wohnen<br />
2 VZ Stellen<br />
24 Klienten<br />
Abbildung 2: Die KuK bis Juni 1999, vor der Eröffnung der Tagesstätte (Eigene Darstellung, J.W.)<br />
1994 stellte der Verein einen ersten Antrag auf die Einrichtung einer Tagesstätte (TS)<br />
beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und es wurde in Gevelsberg eine zweite<br />
Wohngemeinschaft eingerichtet, die allerdings im Jahr 2000 wieder aufgelöst wurde.<br />
1997 wurde ein zweiter Antrag auf Einrichtung einer TS auf den Weg gebracht, der<br />
schließlich 1999 bewilligt wurde. Im Juli desselben Jahres konnte eine Immobilie in<br />
Schwelm erworben werden. Dorthin fand der Umzug der Schwelmer Wohngemein-<br />
8 Die Kontakt- und Beratungsstellen waren von Beginn an ein Kernangebot der KuK. Es handelt sich dabei um offene,<br />
niedrigschwellige Anlaufstellen für psychisch behinderte Erwachsene mit einer Komm-Struktur. Während der jeweiligen<br />
Öffnungszeiten werden tages- und freizeitstrukturierende Angebote vorgehalten, so wie die Möglichkeit für Betroffene, sich<br />
in einem geschützten Raum zu begegnen, sich auszutauschen und soziale Isolation zu vermeiden oder zu verringern. Die<br />
Möglichkeit der Beratung und Unterstützung durch das Fachpersonal ist ein weiterer Bestandteil des Angebots. Unterstützt<br />
wird zum Beispiel im Sinne von nachsorgender Betreuung im Übergang von stationären Aufenthalten in den Alltag, bei dem<br />
Umgang mit der jeweiligen Erkrankung oder bei Schwierigkeiten mit Behörden.<br />
9 Eine Ausnahme bildet inzwischen der KuB-Standort Schwelm: Dort sind zwei Fachkräfte mit jeweils vier Wochenarbeitsstunden<br />
verantwortlich, eine Ergänzungskraft sorgt derweil für personale Präsenz und Kontinuität während der erheblich<br />
über das reine KuB-Angebot ausgeweiteten Öffnungszeiten. Die zusätzlichen Öffnungszeiten der Standorte Schwelm und,<br />
in geringerem Umfang, Gevelsberg sind ABW-abrechnungsfähige Zeiten.<br />
33
schaft 10 , die bis heute besteht, statt. Auch die Schwelmer KuB zog in dieses Gebäude um<br />
und die TS wurde dort in Betrieb genommen. Für diese Arbeit wurden zusätzlich drei VZ-<br />
Stellen durch den LWL finanziert. Das Gebäude wurde durch 80 % Förderzuschüsse und<br />
20 % Eigenmittel aus Rücklagen finanziert. Die Finanzierung der TS durch den LWL war<br />
eine institutionelle Förderung für 20 Plätze. Auch das Angebot der TS 11 wurde analog zu<br />
der Finanzierung der KuB institutionell (Festbetragsfinanzierung) – Anfangs für 20, inzwischen<br />
für weitere 10 Plätze – in Form einer jährlichen Zuwendung gem. §§ 23 und 44<br />
BHO/LHO, allerdings durch den überörtlichen Träger LWL finanziert (vgl. Brinkmann<br />
2010, S. 148-158), womit auch in diesem Bereich neben den Plätzen für die TS-<br />
Nutzer/innen die personelle Ausstattung, in diesem Fall für beide Standorte 4,5 VZ-<br />
Stellen, durch den Kostenträger festgelegt ist und die Person<strong>als</strong>ituation keiner nennenswerten<br />
Dynamik unterliegt.<br />
Nach Verhandlungen mit dem Kreis, sagte dieser zu, eine Mietkostenerstattung mindestens<br />
in Höhe der bisherigen Miete für die KuB-Arbeit zu leisten, obwohl der KuB-Betrieb<br />
nun in Schwelm in Wohneigentum der KuK stattfand. Dabei orientierte der Kreis sich an<br />
der Mietkostenbeteiligung des LWL pro m² zur Verfügung stehender Fläche. Seitdem gilt,<br />
dass die Mietkostenerstattungen der KuB durch den Kreis finanziert werden, die der TS<br />
durch den LWL. Diese überstiegen deutlich die Kosten der Eigenmittelfinanzierung und<br />
flossen so in die Rücklagen. Eigene Immobilien wirken sich zudem positiv auf die Außenwahrnehmung<br />
aus.<br />
2.3.2 Wende zur Subjektförderung und beginnendes Wachstum<br />
Ab dem 01.01. 2001 fand eine Wende von der Objekt- zur Subjektförderung im jetzt auch<br />
so bezeichneten ABW statt. Diese Wende erfolgte aufgrund einer Änderung der §§ 93 ff.<br />
BSHG Einzelfallhilfe mit Rechtsanspruch gem. §§ 39 ff. BSHG, deren Umsetzung seit<br />
1994 durch die beiden Landschaftsverbände in NRW vorangetrieben worden war. Die<br />
Finanzierung des ABW erfolgte nun statt über jährliche Zuwendungen über Einzelfallbezogene<br />
Leistungsentgelte, die Fachleistungsstunden (FLS), nach Abschluss von Leistungs-,<br />
Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung (mit dem Kreis, stellvertretend für die örtlichen<br />
Sozialämter). Um eine einheitliche Regelung des ABW im Kreis zu gewährleisten,<br />
behielt dieser die Weisungsbefugnis: Der Kreis hatte sich ausbedungen, die jährlichen<br />
Fallzahlensteigerungen auf sechs Klient/inn/en pro Halbjahr zu begrenzen. Die Einrich-<br />
10 Die WG mit vier Bewohnerplätzen beherbergt sämtlich ABW-Klient/inn/en, die jeweils einen eigenen Mietvertrag mit der<br />
KuK abgeschlossen haben. Durch die Gewährleistung, dass die Bewohner/innen über alternative Betreuungsangebote<br />
vollumfänglich informiert sind, fällt die WG nicht unter die Reglementierungen des Wohn- und Teilhabegesetzes NRW.<br />
11 Die Tagesstätte (TS) mit ihren mittlerweile beiden Standorten in Schwelm (20 Plätze) und Hattingen (10 Plätze) ist ein<br />
Angebot für psychisch kranke Erwachsene, die eine intensive tages-strukturierende Unterstützung benötigen. Die TS ist <strong>als</strong><br />
teilstationäres Betreuungsangebot konzipiert. An fünf Tagen in der Woche werden psychisch kranke Erwachsene, die gar<br />
nicht oder vorübergehend nicht in der Lage sind einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen, in den Bereichen „Alltagsbewältigung<br />
und Selbstsorge“, „Umgang mit der Erkrankung“, „Gestaltung sozialer Beziehungen“, „Tagesgestaltung/Arbeit“<br />
und „Sensomotorische und kognitive Fähigkeiten“ individuell und im Gruppensetting gefördert.<br />
34
tungen haben sich untereinander abgesprochen, wer wie viele Klient/inn/en bekommt. Die<br />
Stundensätze blieben bei 110,- DM/ 56,24 € bei einem Betreuungsschlüssel 1:12 nach<br />
fachpsychiatrischem Gutachten.<br />
Vorstand<br />
Geschäftsführung<br />
½ Stelle<br />
Verwaltung<br />
½ Stelle<br />
Ambulant Betreutes<br />
Wohnen<br />
3 VZ Stellen<br />
30 Klienten<br />
Kontakt- und<br />
Beratungsstellen<br />
1 VZ Stelle,<br />
3 Standorte<br />
Tagesstätte<br />
3 VZ Stellen<br />
1 Standort<br />
20 Klienten<br />
Abbildung 3: Die KuK Ende 2002 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />
2.3.3 „Hochzonung“ des Ambulant Betreuten Wohnens und Expansion<br />
Ab dem 01.07.2003 wurde die Zuständigkeit für das ABW auf den LWL <strong>als</strong> überörtlichem<br />
Kostenträger übergeleitet. Auch mit diesem wurden Leistungs-, Vergütungs- und<br />
Prüfungsvereinbarungen abgeschlossen und die Finanzierung des ABW erfolgte weiterhin<br />
über FLS. Der den einzelnen Leistungserbringern gegenüber monopolartig agierende<br />
LWL beabsichtigte eine massive Kostensenkung im stationären Bereich durch den<br />
Ausbau der ambulanten Hilfen und verzichtete somit auch auf eine Begrenzung der<br />
Fallzahlen im ABW.<br />
„In der Praxis hat die […] stärkere Pauschalierung [der Vergütung der Leistungserbringer, J.W.]<br />
zu einer umfassenden Deckelung der Ausgaben geführt, die die freien Träger auf Dauer vor<br />
große Finanzierungsprobleme stellen musste. […] Die zur Schlichtung eingeführten<br />
Schiedsstellen [konnten] dieses Ungleichgewicht der Verhandlungsposition nur beschränkt<br />
ausgleichen.“ (Rock 2010, S. 33)<br />
So senkte der LWL nach einer Übergangszeit bis zum 31.12.2004 die Stundensätze bis<br />
zum 01.01.2008 degressiv von 56,24 € auf 48,30 €. In den darauffolgenden Jahren<br />
wurden die FLS-Sätze dann jeweils geringfügig inflationsbedingt gesteigert und werden<br />
aktuell ab dem 01.04.2013 inklusive eines Regelzuschlags auf 53,10 € angehoben. Die<br />
Finanzierungsform der FLS erlaubte es der KuK seit dem 01.07.2003, auf die vorhandene<br />
Nachfrage in ihrem Einzugsbereich prinzipiell ohne formale Einschränkungen durch den<br />
Kostenträger zu reagieren.<br />
35
Vorstand<br />
Geschäftsführung<br />
½ Stelle<br />
Verwaltung<br />
½ Stelle<br />
Ambulant Betreutes<br />
Wohnen<br />
5 VZ Stellen<br />
52 Klienten<br />
Kontakt- und<br />
Beratungsstellen<br />
1 VZ Stelle,<br />
3 Standorte<br />
Tagesstätte<br />
3 VZ Stellen<br />
1 Standort<br />
20 Klienten<br />
Abbildung 4: Die KuK Ende 2003 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />
Entsprechend musste sukzessive mehr Personal für diesen Bereich gewonnen werden.<br />
Um trotz der vom LWL forcierten Kostendämpfung auch im Bereich des ABW dem eigenen<br />
sozialpsychiatrischen Versorgungsanspruch weiterhin gerecht werden zu können und<br />
zugleich den Bestand der Einrichtung dauerhaft sichern zu können, setzte die KuK seit<br />
dem 01.07.2003 auf folgende Expansions- und Personalpolitik:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Es galt und gilt der Grundsatz, dass jede Anfrage zügig bedient wird. Eine Deckelung<br />
der Betreutenzahlen oder Wartelisten wurden und werden ausgeschlossen.<br />
Neue MA wurden ab 01.01.2005, zeitgleich mit dem Beginn der degressiven Verringerung<br />
des FLS-Satzes, nach den Arbeitsvertragsbedingungen (AVB) des Paritätischen<br />
Wohlfahrtsverbandes eingestellt (Paritätischer Wohlfahrtsverband<br />
2012) 12 . Das bedeutete eine perspektivisch flachere Gehaltssteigerung <strong>als</strong> beim<br />
Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und dem Tarifvertrag für den öffentlichen<br />
Dienst (TVöD). Mittelfristig führte dies zu merklichen Personalkosteneinsparungen.<br />
Eine Kostengegenüberstellung im ersten Jahr zeigte eine Einsparung von 5 %<br />
(vgl. Palluch 2005).<br />
Neue MA wurden mit einer halben Stelle befristet für ein Jahr eingestellt, danach<br />
unbefristet mit Option auf Stundenerhöhung. 13<br />
Es bestand und besteht ein Gestaltungsspielraum durch Rücklagen: Neue MA<br />
konnten perspektivisch eingestellt werden, auch wenn die Auslastungszahlen im<br />
ABW das noch nicht zuließen. Nach Einarbeitung und voller Auslastung holten<br />
neue MA die Investitionen wieder herein.<br />
12 In der Einleitung heißt es dort (S. 1): „Die neuen AVB sind straff formuliert und auf die nötigsten Regelungen beschränkt.<br />
Das Entgeltsystem ist in seiner Struktur einfach, aufgaben- und leistungs-orientiert sowie flexibel in der Anwendung. Die<br />
AVB sind <strong>als</strong> Vertragsrichtlinie konzipiert. Zu ihrer Wirksamkeit müssen sie im einzelnen Arbeitsverhältnis mit der/dem<br />
Mitarbeiter/in vereinbart werden.“ Dies geschieht bei der KuK per Arbeitsvertrag.<br />
13 Inzwischen werden neue MA auch optional mit einem höheren oder niedrigeren Stundenanteil eingestellt.<br />
36
Auswirkungen der Ausweitung des Bereichs ABW:<br />
- Die Erhöhung des Gesamtumsatzes bewirkte eine Relativierung von Verwaltungs-<br />
und Sachkosten.<br />
- Territoriale Vorteile ergaben sich durch breitere Aufstellung und schnelle<br />
Reaktion auf Anfragen.<br />
- Eine Kompensierung von Personalkosten durch eine zunehmend größere<br />
Anzahl von MA wurde bewirkt.<br />
Vorstand<br />
Geschäftsführung<br />
½ Stelle<br />
Verwaltung<br />
½ Stelle<br />
Ambulant Betreutes<br />
Wohnen<br />
8 VZ Stellen<br />
78 Klienten<br />
Kontakt- und<br />
Beratungsstellen<br />
1 VZ Stelle,<br />
3 Standorte<br />
Tagesstätte<br />
3 VZ Stellen<br />
1 Standort<br />
20 Klienten<br />
Abbildung 5: Die KuK Ende 2005 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />
2.3.4 Konsequenzen des Wachstums und strukturelle Veränderungen<br />
Aufgrund des auf diese Weise entstandenen Zuwachses an Klient/inn/en und MA musste<br />
das Team des ABW im Jahr 2006 auf zwei Teams aufgeteilt werden. Im Jahr 2007 wurde<br />
dann eine weitere Immobilie in Hattingen zu den gleichen Konditionen wie bei dem<br />
Immobilienkauf 1999 erworben (Förderzuschüsse und Eigenmittel). Hier erfolgte ebenfalls<br />
die Mietkostenerstattung durch den LWL, die die Kosten der Eigenmittelfinanzierung<br />
deutlich überstieg und so in die Rücklagen fließen konnte. Zugleich wurden die TS-Plätze<br />
durch den LWL um 10 (in Hattingen) aufgestockt und der Einzugsbereich des ABW wurde<br />
auf den Standort Hattingen mit besserer Erreichbarkeit der Kreisstadt Sprockhövel von<br />
dort aus ausgedehnt 14 . Es erfolgte die Umstellung aller MA auf die AVB, was 10 MA<br />
betraf, die noch zu den Bedingungen des BAT eingestellt worden waren und seither eine<br />
Ausgleichszahlung erhielten. Der Vergütungssatz für die FLS war inzwischen bei 48,30 €<br />
angelangt.<br />
14 Der Ausbau des ABW in Hattingen verlief jedoch zunächst zurückhaltend, so dass es dort erst 2009 zu einer regelrechten<br />
Teambildung kam.<br />
37
Vorstand<br />
Geschäftsführung<br />
1 VZ Stelle<br />
Verwaltung<br />
1,5 VZ Stellen<br />
Team 1<br />
Team 2<br />
Tagesstätte<br />
4,5 VZ Stellen<br />
2 Standorte<br />
30 Klienten<br />
Hausmeister<br />
1 VZ Stelle<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
21 VZ<br />
Stellen,<br />
180<br />
Klienten<br />
2 Kontakt- und<br />
Beratungsstellen<br />
Kontakt- und<br />
Beratungsstelle<br />
1 VZ<br />
Stelle<br />
Abbildung 6: Die KuK Ende 2008 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />
Aufgrund eines unverminderten Klient/inn/en- und Personalwachstums im Bereich ABW,<br />
mussten zu Beginn des Jahres 2009 zwei weitere Teams gebildet werden, d. h. die MA<br />
des ABW verteilten sich nun auf vier Teams. Der Geschäftsführer der KuK fühlte sich<br />
inzwischen zunehmend damit überlastet, das Management der Einrichtung alleine zu<br />
bewältigen und setzte aus den eigenen Reihen drei Teamleiter ein (mit Zusatzaufgaben<br />
und progressiver Freistellung von der ABW-Betreuung). Eine Leiterin für den Bereich der<br />
TS-Arbeit gab es bereits seit der Ausweitung dieses Bereichs im Jahr 2007. Der Leiter<br />
des Teams 3 übernahm auch die Leitung des noch kleinen Hattinger ABW-Teams 4.<br />
Einer der Teamleiter, der <strong>als</strong> Qualitätsmanagementbeauftragter (Q<strong>MB</strong>) weitergebildet<br />
worden war, wurde mit der Einführung und dem Aufbau eines<br />
Qualitätsmanagementsystems (QMS) betraut.<br />
Vorstand<br />
Geschäftsführung<br />
1 VZ Stelle<br />
Qualitäts-<br />
Managementbeauftragter<br />
Verwaltung<br />
1,5 VZ Stellen<br />
Leitung Team 1<br />
Qualitätsmanagement<br />
Leitung Team 2<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Leitung Teams 3+4<br />
Sozialrecht/<br />
-politik<br />
Leitung TS<br />
Fortbildung<br />
Hausmeister<br />
1 VZ Stelle<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
26 VZ<br />
Stellen,<br />
216<br />
Klienten<br />
1 VZ<br />
Stelle<br />
2 Kontakt- und<br />
Beratungsstellen<br />
Kontakt- und<br />
Beratungsstelle<br />
Tagesstätte,<br />
2 Standorte<br />
4,5 VZ<br />
Stellen,<br />
30<br />
Klienten<br />
Abbildung 7: Die KuK Ende 2009 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />
38
Im selben Jahr wurden zusätzliche barrierefreie Räume in einem ehemaligen<br />
Industriekomplex in unmittelbarer Nähe der KuK-Zentrale in Schwelm (die eigene<br />
Immobilie, welche die Geschäftsführung, die Verwaltung, die Wohngemeinschaft und die<br />
TS beherbergt) angemietet. Dorthin zog die schwelmer KuB um und das ABW-Team 2<br />
und die meisten MA des Teams 1 erhielten dort Büroräume 15 .<br />
Seit Anfang des Jahres 2010 bot die KuK in Zusammenarbeit mit den örtlichen Jugendämtern,<br />
mit denen ebenfalls eine dem ABW analoge Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung<br />
besteht, Sozialpädagogische Familienhilfe (SpFh) gem. § 31 Sozialgesetzbuch<br />
Acht (SGB VIII) an 16 . Die KuK hat mit den örtlichen Jugendämtern eine Leistungs-,<br />
Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung abgeschlossen, der zufolge die Finanzierung<br />
analog zum ABW erfolgt. Die Zahl der in diesem Rahmen betreuten Familien blieb<br />
allerdings bisher gering und schwankte zwischen drei und fünf SpFh-Betreuungen. Das ist<br />
dem Umstand geschuldet, dass der mit den Jugendämtern vereinbarte Kostensatz an den<br />
mit dem LWL für das ABW angeglichen ist und die Jugendämter gerne mit ihnen bereits<br />
länger bekannten und vertrauten und vor allem kostengünstigeren Anbietern zusammenarbeiten.<br />
Im Jahr 2011 wurden noch zusätzliche Büroräume in einem angemieteten Ladenlokal<br />
gegenüber der KuK-Zentrale gemietet und bezogen.<br />
Vorstand<br />
Geschäftsführung<br />
1 VZ Stelle<br />
Qualitäts-<br />
Managementbeauftragter<br />
Verwaltung<br />
2 VZ Stellen<br />
Leitung Team 1<br />
Qualitätsmanagement<br />
Leitung Team 2<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Leitung Teams 3 + 4<br />
Sozialrecht/<br />
-politik<br />
Leitung TS<br />
Fortbildung<br />
Hausmeister<br />
1 VZ Stelle<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
Ambulant Betreutes<br />
Wohnen<br />
35 VZ<br />
Stellen,<br />
297<br />
Klienten<br />
1 VZ<br />
Stelle<br />
2 Kontakt- und<br />
Beratungsstellen<br />
Kontakt- und<br />
Beratungsstelle<br />
Tagesstätte,<br />
2 Standorte<br />
4,5 VZ<br />
Stellen,<br />
30<br />
Klienten<br />
SPFH für Kinder<br />
psychisch Kranker<br />
Abbildung 8: Die KuK Ende 2011 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />
15 Die Team 1-MA der KuB-Gevelsberg haben weiterhin dort ihre Büros.<br />
16 Dieses Angebot richtet sich an Familien, Lebensgemeinschaften oder allein erziehende Personen, die sich in einer Krisensituation<br />
befinden und in denen mindestens ein Elternteil längerfristig psychisch erkrankt ist bzw. selbst Hilfe im Rahmen<br />
der Eingliederungshilfe gem. §§ 53 ff. SGB XII erfährt.<br />
39
Als zusätzlicher Mitarbeiter wurde 2012 ein Beauftragter für das Marketing und die<br />
Öffentlichkeitsarbeit gewonnen, der die Leiterin des Team 2, die inzwischen für die<br />
Kooperation mit der öffentlichen Jungendhilfe verantwortlich ist, von ihrer weiteren<br />
Zusatzaufgabe entlasten konnte und der diesen Bereich intensiv ausbauen soll. Die 300-<br />
Klient/inn/en-Marke wurde in diesem Jahr überschritten.<br />
Vorstand<br />
Beauftragter für<br />
Marketing und<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Geschäftsführung<br />
1 VZ Stelle<br />
Qualitäts-<br />
Managementbeauftragter<br />
Verwaltung<br />
2 VZ Stellen<br />
Leitung Team 1<br />
Qualitätsmanagement<br />
Leitung Team 2<br />
Kooperation<br />
Jugenhilfe<br />
Leitung Teams 3 + 4<br />
Sozialrecht/<br />
-politik<br />
Leitung TS<br />
Fortbildung<br />
Hausmeister<br />
1 VZ Stelle<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
Ambulant<br />
Betreutes Wohnen<br />
Ambulant Betreutes<br />
Wohnen<br />
37 VZ<br />
Stellen,<br />
323<br />
Klienten<br />
1 VZ<br />
Stelle<br />
2 Kontakt- und<br />
Beratungsstellen<br />
Kontakt- und<br />
Beratungsstelle<br />
Tagesstätte,<br />
2 Standorte<br />
4,5 VZ<br />
Stellen,<br />
30<br />
Klienten<br />
SPFH für Kinder<br />
psychisch Kranker<br />
Abbildung 9: Die KuK Ende 2012 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />
Die KuK ist inzwischen, nach kleinen Anfängen mit einer handvoll MA im Jahr 1984, zu<br />
einer Organisation mit insgesamt 66 MA angewachsenen. Neben den bereits genannten<br />
Arbeitsbereichen betreibt die KuK eine alle vier bis sechs Wochen stattfindende, von zwei<br />
Fachkräften begleitete Angehörigengruppe und eine wöchentlich stattfindende<br />
Angehörigensprechstunde. Außerdem gibt es einen Klinikbesuchsdienst, der darin<br />
besteht, dass KuK-MA 14-tägig jeweils die beiden für den Ennepe-Ruhr-Kreis zuständigen<br />
psychiatrischen Fachkliniken in Herdecke und Hattingen-Niederwenigern aufsuchen.<br />
Neben den in diesem Rahmen abgehaltenen Sprech- und Informationsstunden für<br />
Interessierte werden ggf. Klient/inn/en dort besucht und Mitfahrgelegenheiten zu den<br />
Kliniken hin oder von den Kliniken nach Hause angeboten. Weitere Angebote sind die vier<br />
Freizeit- und Sportgruppen, die regelmäßige Aktivitäten für die Klient/inn/en bereithalten<br />
und die mit den Klient/inn/en zusammen geplant werden. Alle diese Angebote stehen vor<br />
allem in engem Zusammenhang mit dem ABW und werden auch ausschließlich von MA<br />
aus diesem Bereich durchgeführt.<br />
40
2.3.5 Aktuelle Herausforderungen und Anforderungen<br />
Der umfangreichste Arbeitsbereich der KuK ist das Ambulant Betreute Wohnen, sowohl in<br />
Bezug auf die dort betreuten Klient/inn/en <strong>als</strong> auch was die Anzahl der MA betrifft. Spätestens<br />
seit der „Hochzonung“ in die Zuständigkeit des LWL mit dem damit verbundenen<br />
Wegfall der Begrenzung der Fallzahlen, ist die Zahl der im ABW Betreuten dramatisch<br />
gestiegen. Alleine von Anfang 2005 mit 74 Betreuungen stieg die Zahl bis Ende 2012 auf<br />
323 Klient/inn/en an.<br />
Entwicklung der Klientenzahlen im Ambulant Betreuten Wohnen von 2005 - 2012<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012<br />
blauer Balken = Jahresbeginn<br />
roter Balken = Jahresende<br />
Abbildung 10: Entwicklung der Klient/inn/en-Zahlen im ABW 2005-2012 (Palluch 2012, S. 4, bearbeitet und<br />
modifiziert durch J.W.)<br />
41
Die folgende Übersicht veranschaulicht nochm<strong>als</strong> in kompakter Darstellung den Zuwachs<br />
an Klient/inn/en und Personal seit der Änderung der Finanzierungsform trotz der Absenkung<br />
des FLS-Satzes, dessen ursprüngliches Niveau bei weitem nicht wieder erreicht<br />
worden ist:<br />
Entwicklung ABW Klienten - Personal - Vergütung LWL<br />
Klienten Personal VZ Verg. DM Verg. €<br />
1999 24 2 110,- DM umger. 56,24<br />
2000 24 2 110,- DM umger. 56,24<br />
2001 26 2 110,-DM umger. 56,24<br />
2002 30 3 56,24<br />
2003 52 5 56,24<br />
2004 70 7 56,24<br />
2005 78 8 48,3 zzgl. 7,15 55,45 (90% Ausgleich)<br />
2006 125 14 48,3 zzgl. 4,76 53,06 (60% Ausgleich)<br />
2007 145 18 48,3 zzgl. 1,98 50,28 (25% Ausgleich)<br />
2008 180 21 48,3<br />
2009 216 26 50,7<br />
2010 250 32 51,2<br />
2011 297 35 51,2<br />
2012 323 37 52,3<br />
Tabelle 1: Entwicklung Klienten – Personal - LWL-Vergütung 1999 - 2012 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />
Auf die genannten sozialpolitischen und -rechtlichen Entwicklungen reagierte die KuK seit<br />
2003 in diesem Bereich mit der beschriebenen Wachstums- und Expansionsstrategie, die<br />
dazu geführt hat, dass das ABW von fünf VZ-Stellen und 52 betreuten Klient/inn/en im<br />
Jahr 2003 auf umgerechnet 37 VZ-Stellen und 323 Klient/inn/en bis zum Ende des Jahres<br />
2012 angewachsen ist. Damit deutet sich bereits an: „Die Finanzierungsform der<br />
Fachleistungsstunde ist flexibel <strong>als</strong> Instrument ambulanter Hilfen einzusetzen […], was<br />
allerdings mit höheren Anforderungen an Soziale Arbeit und deren<br />
Organisationsfähigkeiten einhergeht.“ (Brinkmann 2010, S. 170).<br />
Die Kontakt- und Krisenhilfe hat die Überleitung der Zuständigkeit für das Ambulant Betreute<br />
Wohnen auf den LWL und die damit verbundene Umstellung auf die FLS erfolgreich<br />
bewältigen können durch eine prompte strategische und organisatorische Ausrichtung<br />
auf den Ausbau des ABW:<br />
Schnelle Reaktion auf jedwede Anfrage, keine Wartelisten oder Aufnahmestopps<br />
Zügige Aufnahme und Bearbeitung der Anträge (Hilfeplan etc.)<br />
Im Rahmen des QMS wurde ein Verfahren zur Optimierung von Aufnahme/Hilfeplanung/Entwicklungsberichten<br />
eingeführt<br />
Festlegung auf die Klientel und den Einzugsbereich (keine „Verzettelung“), <strong>als</strong>o<br />
ausschließlich psychisch behinderte Erwachsene (keine geistig behinderten oder<br />
42
suchtkranken Menschen 17 ) aus dem südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis (territoriale<br />
Eingrenzung)<br />
Vorausschauende Personalplanung<br />
Hohe Fachkraftquote <strong>als</strong> Qualitätsmerkmal (siehe unten)<br />
Hohe Personalkontinuität<br />
Anpassung der Organisationsstruktur<br />
Einführung eines QMS<br />
Flexible Gestaltung der Beschäftigungsstruktur: Ca. 60 % VZ-Kräfte, 40 % TZ-<br />
Kräfte (19,25; 25 und 30 Std.-Stellen), jederzeitige Möglichkeit der Stundenerhöhung<br />
oder -senkung<br />
Einsatz von Praktikanten, Anerkennungsjahr-Praktikanten und Bundesfreiwilligendienst-Leistenden<br />
Enge Verzahnung mit den anderen Arbeitsbereichen KuB und TS<br />
Durchlässigkeit an den Schnittstellen zwischen den Bereichen<br />
MA in Personalunion in den Bereichen ABW und KuB<br />
Gute Vernetzung im Kreis mit Ärzten Krankenhäusern, Sozialpsychiatrischem<br />
Dienst, anderen Hilfeanbietern, Jugendämtern, JobCentern, Sozialämtern etc. –<br />
dadurch viele Anfragen<br />
Anpassung an die stundebezogene Finanzierungslogik<br />
Bis vor Kurzem 70 %ige FLS-Auslastung der ABW-MA (vgl. aber 3.1)<br />
Gute Kontrolle der erbrachten FLS<br />
Absenkung der durchschnittlichen Höhe der Mitarbeitervergütung<br />
Umstellung auf AVB<br />
Dafür: sicherer Arbeitsplatz, gutes Betriebsklima (Kollegiale Beratung, wöchentliche<br />
Teamsitzungen, Teamsupervision, Fortbildungen etc.)<br />
Der immense Zuwachs an MA und Klient/inn/en im Bereich des ABW hat in kurzer Zeit zu<br />
organisationalen und strukturellen Veränderungen in allen Bereichen der Einrichtung<br />
geführt: Es ist beispielsweise ein Leitungsteam entstanden, das aus den Teamleiterinnen<br />
und -leitern (einer davon ist Q<strong>MB</strong> in Personalunion) der inzwischen vier ABW-Teams und<br />
der TS, dem jüngst eingestellten Beauftragten für die Belange des Marketings und dem<br />
Geschäftsführer besteht, ein QMS auf der Grundlage der DIN EN ISO 9001:2008 wurde<br />
eingeführt und wird derzeit aufgebaut. In diesem Zusammenhang werden Regelungen,<br />
Verfahren, Kommunikationswege, fachliche Standards festgeschrieben, eingeführt und<br />
dokumentiert etc., um einem durch die rasante Entwicklung zunehmend deutlicher<br />
werdenden Nacholbedarf genügen zu können. Ebenso hat sich die gesamte Infrastruktur<br />
verändert (Gebäude, EDV, Diensthandys, Dienstwagen etc.), neue Standorte sind hinzu<br />
17 Bei Doppel- oder Mehrfachdiagnosen müssen die psychischen Einschränkungen überwiegen.<br />
43
gekommen, der Bekanntheitsgrad der Einrichtung im Kreis ist gestiegen, um nur einiges<br />
zu nennen.<br />
Mit diesen Veränderungen sind jedoch einige Gefahren verbunden, die <strong>als</strong> besondere<br />
Herausforderungen erkannt werden müssen. Bis zu einem gewissen Grad der Komplexität<br />
konnte die KuK ihre Aufgaben routiniert und ohne nennenswerte Formalisierungen,<br />
Führungs- oder Gestaltungskonzepte – ohne professionelles Management im hier gemeinten<br />
Sinn – bewältigen, obgleich es in überschaubarem Umfang immer auch mehr<br />
oder weniger formalisierte und dokumentierte Regelungen und Verfahren gab. Aufgrund<br />
der wachstumsbedingten Entwicklungen ist aber sukzessive an vielen Stellen deutlich<br />
geworden, dass mehr Struktur, Regelungen und Verbindlichkeit einerseits und Räume zur<br />
vertieften Reflexion andererseits – besonders auch in fachlicher Hinsicht – benötigt werden.<br />
Überdies muss eine Klarheit über gemeinsame Organisationsziele und eine Integration<br />
der je individuellen MA-Ziele gewährleistet werden. Ohne entsprechende Maßnahmen<br />
liefen die inzwischen bestehenden Teams und Arbeitsbereiche Gefahr, sich zu verselbständigen<br />
und auseinanderzudriften. Vor allem die MA im ABW, die zu einem hohen<br />
Maß individualisierte Einzelkontakte zu Klient/inn/en pflegen, würden Gefahr laufen, zunehmend<br />
aus dem Kontext der Gesamteinrichtung herauszufallen. So könnte aus Sicht<br />
und Wahrnehmung des Verfassers keine Einrichtung auf Dauer bestehen.<br />
Trotz der bisher gut gelungenen Bewältigung der veränderten Rahmenbedingungen und<br />
des beschleunigten Wachstums, wird deutlich geworden sein, dass die bisherigen Maßnahmen<br />
notgedrungen vor allem den Zweck hatten, im Sinne eines Anpassungslernens<br />
(vgl. Gliederungspunkt 2.6.2) in nachholender Weise mit der rasanten Entwicklung Schritt<br />
zu halten und zu bestehen. Künftig wird es aber notwendig werden, nachhaltigere Entwicklungen<br />
voranzutreiben, <strong>als</strong>o <strong>als</strong> Organisation nicht nur „den Kopf über Wasser“, sondern<br />
„das Steuer in der Hand“ zu behalten.<br />
Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die fachliche Kompetenz und die Professionalität der<br />
MA. Kaspar Geiser bringt das grundsätzliche Problem prägnant zum Ausdruck: „Soziale<br />
Arbeit zeichnet sich nicht nur durch eine heterogene strukturelle Einbettung ihrer Ausbildungen<br />
aus – von Fachschulen über Fachhochschulen bis Universitäten. Auch ihre Wissensbestände<br />
sind fragmentiert, sie werden in Curricula überwiegend additiv angeboten.<br />
Fortbildungsangebote orientieren sich am ‚Markt‘ – zu Inhalten der Grundausbildung bestehen<br />
kaum ‚anschlussfähige‘, d. h. begrifflich kohärente Beziehungen. Wissenschaftstheoretische<br />
Ausrichtungen sind kaum explizit zu identifizieren. Und nicht zuletzt: viele<br />
Professionelle Sozialer Arbeit bekunden immer wieder grosse Schwierigkeiten, sagen zu<br />
können, was Soziale Arbeit ist.“ (Geiser 2009, S. 39, Hervorh. J.W.)<br />
44
Dass diese Feststellung auch auf die KuK zutrifft, bestätigte jüngst eine interne schriftliche<br />
Umfrage auf freiwilliger und anonymer Basis unter allen ABW-MA, die der Verfasser in<br />
seiner Eigenschaft <strong>als</strong> Q<strong>MB</strong> Anfang des Jahres 2012 durchführte. Die Umfrage sollte dazu<br />
verhelfen, erste Anhaltspunkte für die Erstellung von Anforderungsprofilen zu gewinnen.<br />
Es handelte sich um vier offene Fragen 1. nach den im ABW ausgeführten diversen<br />
Tätigkeiten, 2. den dazu notwendigen fachlichen und methodischen Kompetenzen, mithin<br />
nach der eigenen Vorstellung von Professionalität („Was kann ich alles, das mich befähigt,<br />
Tätigkeiten professionell ausführen zu können?“), 3. nach den sozialen und persönlichen<br />
Kompetenzen und 4. nach Defiziten in professioneller Hinsicht, die durch Fort- und<br />
Weiterbildung oder sonstiges Lernen (hier sollten auch Bedarfe und Wünsche geäußert<br />
werden) beseitigt werden können. Der Rücklauf der Fragebögen belief sich auf ca. 30 %,<br />
davon antworteten 11 Sozialarbeiter/innen bzw. Sozialpädagog/inn/en und vier sonstige<br />
Fachkräfte (Familienpfleger/innen, Ergotherapeut/innen, Erzieher/innen). Für die hier interessierenden<br />
Fragestellungen sind besonders die Antworten der Sozialarbeiter/innen und<br />
Sozialpädagog/inn/en interessant – wobei es allerdings keine gravierenden Unterschiede<br />
zu denen der übrigen Fachkräfte gab.<br />
Die Beantwortung der ersten Frage ergab ein breites Spektrum diverser Tätigkeiten, die<br />
alle im ABW anfallen. Die Kenntnis, dass MA dies alles tun und können, lässt noch auf<br />
keine professionelle Identität schließen. Größtenteils handelt es sich um Routinehandlungen,<br />
zu denen man die meisten intelligenten und im Sozialen Bereich vorgebildeten Menschen<br />
anleiten könnte. An sozialen und persönlichen Kompetenzen schrieben sich die MA<br />
durchweg Eigenschaften zu, die auf eine Affinität zum Sozialen Bereich schließen lassen<br />
und die man grundsätzlich in helfenden Berufen mitbringen sollte, so wie Fähigkeiten, die<br />
zu einer konstruktiven Mitarbeit in Teamzusammenhängen hilfreich sind. An Qualifizierungswünschen<br />
wurden ganz überwiegend Weiterbildungsbedarfe in den Bereichen Sozialrecht/Recht,<br />
sodann psychiatrisches und sozialpsychiatrische Kenntnisse (Krankheitsbilder,<br />
Medikation etc.), dann auch Wünsche nach Auffrischung von bereits aus früheren<br />
Fortbildungen oder aus dem Studium bekannten Inhalten wie systemisches Arbeiten, klientenzentrierte<br />
Gesprächsführung und dergleichen genannt. An dieser Stelle fasst insbesondere<br />
eine Rückmeldung den bis hier her im Sinne Kaspar Geisers gemeinten Mangel<br />
an Professionalität zusammen: „Manchmal fehlt mir eine detaillierte Anleitung für die einzelnen<br />
ABW-Bereiche. Ich meine damit, dass ich manchmal nicht genau weiß, ob so<br />
manche Tätigkeit wirklich pädagogisch sinnvoll ist. Im Studium hat man dies nicht so genau<br />
gelernt. […] Hier würde ich mit mehr Professionalität wünschen und mehr Handwerkszeug<br />
diesbezüglich. Zu ihren Ärzten sind die Klienten schließlich auch anders <strong>als</strong> zu<br />
uns.“ Der letzte Satz ist ein deutlicher Hinweis auf den Mangel an professioneller Identität<br />
im Unterschied zu anderen Professionen (das betrifft z. B. auch die Kooperation mit die-<br />
45
sen und die Außenwirkung). Ein weiterer bemerkenswerter Wunsch war der nach einer<br />
„Fachberatung wie bisher“ im Rahmen der Supervision 18 .<br />
Die entscheidende Frage nach den professionellen oder fachlichen Kompetenzen ergab<br />
Hinweise auf das irgendwann absolvierte Studium der Sozialarbeit/Sozialpädagogik (oder,<br />
wie es ehrlicherweise einmal hieß: „Überbleibsel aus dem Studium“), Hinweise auf mehr<br />
oder weniger lang andauernde Berufserfahrung in verschiedenen Arbeitsfeldern der Sozialen<br />
Arbeit, Benennung diverser Fort- und Weiterbildungen, Aufzählung einzelner gelernter<br />
Methoden, Arbeitsweisen und Wissensbestände, sowie diverse Eigenschaften, die<br />
eigentlich die dritte Frage betreffen.<br />
Das ABW ist ein originärer Aufgabenbereich der Sozialen Arbeit. Das Ergibt sich zum<br />
einen aus der mit dem Kostenträger abgeschlossenen Leistungs- und Prüfungsvereinbarung<br />
19 , sodann aus dem im Leitbild ausgedrückten Selbstverständnis 20 und dem zu bewältigenden<br />
Aufgabenspektrum 21 , das die klassischen Betätigungsfelder Sozialer Arbeit umfasst.<br />
18 Ein langjährig für alle ABW-MA der KuK tätiger Supervisor (inzwischen betreut er nur noch ein Team) hatte tatsächlich<br />
keine Supervision in der Weise betrieben, dass er den Teams zur Entwicklung eigener Lösungen verholfen hat. Tatsächlich<br />
hat er Fachberatung betrieben. Dies wurde von Vielen <strong>als</strong> sehr hilfreich empfunden und kam vielen MA nach eigenem<br />
Bekunden sehr entgegen. Die Umstellung auf eine Supervision, die dieser Bezeichnung gerecht wird, verursachte große<br />
Unsicherheiten und Unzufriedenheit. Auch dies ist ein deutlicher Hinweis auf Mängel in der Professionalität.<br />
19 „§ 5 Personelle Ausstattung<br />
(1) Fachkräfte<br />
• Zur Erbringung der Leistungen werden geeignete Fachkräfte eingesetzt.<br />
Geeignete Fachkräfte sind insbesondere<br />
Diplom-Sozialarbeiter/innen oder Diplom-Sozialpädagoginnen/ Diplom-Sozialpädagogen<br />
oder andere Angehörige vergleichbarer Berufsgruppen mit Hochschulabschluss,<br />
Erzieher/innen, Heilerziehungspfleger/innen, Pflegefachkräfte und Ergotherapeutinnen/<br />
Ergotherapeuten, Heilpädagoginnen/Heilpädagogen.<br />
• Die Fachkräfte müssen über eine mindestens einjährige Berufserfahrung in der Arbeit<br />
mit der Zielgruppe oder in der Angebotsform des Ambulant Betreuten Wohnens<br />
verfügen und nachweisen.“ (LWL 2012b, S. 6; Hervorh. J.W.)<br />
20 „Unsere Angebote und Leistungen halten wir stets auf dem jeweiligen Stand aktueller Erkenntnisse<br />
und Methoden der Sozialen Arbeit.“ (Kontakt- und Krisenhilfe 2012, S. 4; Hervorh. J.W.)<br />
21 Das ABW ist eine einzelfallbezogene Eingliederungshilfe mit individuellem Rechtsanspruch gem. §§ 53 ff. SGB XII. Das<br />
Angebot richtet sich an psychisch behinderte Erwachsene, die in einer eigenen Wohnung leben. Die Hilfen sollen die durch<br />
ihre Erkrankung eingeschränkten Betroffenen befähigen, ihre Lebens- und Wohnsituation erhalten und möglichst verbessern<br />
zu können. Sie werden von fachspezifisch ausgebildeten MA regelmäßig aufgesucht, unterstützt und begleitet. Je nach<br />
den individuellen Bedarfen und Bedürfnissen wird Unterstützung, Beratung und Anleitung in verschiedenen Bereichen des<br />
täglichen Lebens gewährt mit dem Ziel, den Betroffenen ein weitgehend eigenständiges Leben in der Gemeinde außerhalb<br />
stationärer Einrichtungen zu ermöglichen. Das bedeutet die Sicherstellung der Lebensgrundlagen, die Bewältigung alltäglicher<br />
Anforderungen, die Förderung eines möglichst selbstbestimmten Lebens und der individuellen Entwicklung und persönlichen<br />
Entfaltung.<br />
46
Schließlich spricht auch die faktische Person<strong>als</strong>truktur der KuK dafür:<br />
Verteilung Mitarbeiter – Qualifikation – Stellenumfang im ABW<br />
Ende 2012:<br />
Vollzeit/Std. Teilzeit/Std. MA Gesamt<br />
38,5 30 25 19,25<br />
Sozialarbeiter/innen,<br />
Sozialpädagog/innen<br />
16 8 4 2 30<br />
Heilerziehungspfleger/innen 1 1 2<br />
Krankenpflegerin 1 1<br />
Ergotherapeut/innen 2 2<br />
Familienpfleger/innen 1 1 1 3<br />
Ergänzungskräfte 3 1 4<br />
Gesamt 24 11 5 2 42<br />
42 MA entsprechen ca. 37 Vollzeitkräften<br />
Tabelle 2: Verteilung Mitarbeiter/innen – Qualifikation – Stellenumfang im ABW (Palluch 2012, S. 6; bearbeitet<br />
und modifiziert durch J.W.)<br />
Der Höchstanteil von 30 % der vom LWL gestatteten „Sonstigen Kräfte“ – bei der KuK<br />
„Ergänzungskräfte“ genannt – liegt lediglich bei ca. 10 %, die Quote der „Fachkräfte“ im<br />
Sinne des LWL liegt entsprechend bei ca. 90 %. Der Anteil der Sozialarbeiter/innen bzw.<br />
Sozialpädagog/inn/en an den gesamten ABW-MA liegt bei ca. 71 %, der Anteil der Sozialarbeiter/innen<br />
und Sozialpädagog/inn/en an den Fachkräften beträgt ca. 79 %! (vgl.<br />
auch LWL 2012b, S. 6) Diese Verhältnisse betrachtet die KuK <strong>als</strong> Qualitätsmerkmal.<br />
Die MA des ABW sind, wie alle KuK-MA, sehr engagiert für die Klient/inn/en und um eine<br />
nach bestem Wissen und Gewissen fachlich fundierte Arbeit bemüht. Das Arbeitsklima<br />
und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen werden im Allgemeinen <strong>als</strong> sehr angenehm<br />
und hilfreich erlebt. Umso bedauerlicher ist die aus den skizzierten Umfrageergebnissen<br />
deutlich werdende professionelle Unsicherheit, die in der Praxis häufig zu vielerlei Improvisationen<br />
und semi-professionellen Handlungen führt. Die Umfrageergebnisse kann der<br />
Verfasser insofern <strong>als</strong> repräsentativ bezeichnen, <strong>als</strong> sie für ihn aus eigener langjähriger<br />
Mitarbeit, Erfahrungen und Beobachtungen in der Einrichtung die dortigen Verhältnisse<br />
treffend widerspiegeln. Die verbreitete mangelnde professionelle Identität führt zu Nachteilen<br />
auf vielen Ebenen: Nachteilen bezüglich der internen fachlichen Reflexion, Kommunikation<br />
und Zusammenarbeit, Nachteilen in der Kooperation mit Angehörigen anderer<br />
Professionen und Berufsgruppen und entsprechend der Außenwirkung und der Legitimation<br />
der eigenen Arbeit. Schnelle Reaktionen auf Veränderungen des Umfelds sind gefährdet<br />
durch die Fixierung auf liebgewonnene (weil bisher funktionierende) Routinen etc.<br />
Nicht zuletzt führt mangelnde Professionalität dazu, dass den Klient/inn/en, trotz allem<br />
Bemühen, nicht in bestmöglicher Weise das zukommt, was professionelle Soziale Arbeit<br />
leisten soll und wovon im Folgenden vertiefend gesprochen werden soll.<br />
47
2.4 Systemtheoretisches Paradigma der Sozialen Arbeit<br />
Den geschilderten Problemen in Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, nämlich des curricularen<br />
Additivismus und dem meist „unverbundene[n] Neben- und Nacheinander von<br />
Erklärungs- und Handlungstheorien […] nehmen sich Silvia Staub-Bernasconi und Werner<br />
Obrecht seit Jahrzehnten an.“ (Geiser 2009, S. 39, 40) Beide Autoren verbindet das Anliegen,<br />
das zum Verhindern, Mildern und Lösen Sozialer Probleme verfügbare Wissen aus<br />
allen relevanten Disziplinen in eine Theorie „Soziale[r] Arbeit <strong>als</strong> Handlungswissenschaft“<br />
(Staub-Bernasconi 2007) zu integrieren, und diese „so zu konzipieren, dass sie sich im<br />
Sinne einer eigenständigen Disziplin weiter entwickeln lässt.“ (Geiser 2009, S. 40-41)<br />
Dieser Weiterentwicklung der in zahlreichen Texten dokumentierten Bemühungen Staub-<br />
Bernasconis hat sich Werner Obrecht, gewidmet, indem er die vorhandenen Teiltheorien<br />
„fundiert, ausgearbeitet und zueinander in Beziehung gesetzt“ (ebd., S. 41) hat. Das solchermaßen<br />
entwickelte Systemtheoretische Paradigma Sozialer Arbeit (SPSA) ermöglicht<br />
es, „der Fragmentierung des professionellen Wissens und [der] unvollständige[n] Professionalisierung<br />
der Sozialen Arbeit“ (Obrecht 2001) beizukommen:<br />
„Der Profession wird auf diese Weise ein eigenständiges, wissenschaftlich begründetes [disziplinäres,<br />
J.W.] Wissen zugänglich. Die Professionellen verbessern ihre kognitiven Kompetenzen<br />
und gewinnen an Autonomie, um die praktischen Probleme in der Praxis anzugehen. Diese bisher<br />
erfolgreichen Anstrengungen zur Entwicklung einer eigenständigen ‚Disziplin Soziale Arbeit‘<br />
machen Diskussionen um eine ‚fremde‘ Leitwissenschaft bzw. eine Leitdisziplin Sozialer Arbeit<br />
überflüssig.“ (Geiser 2009, S. 41)<br />
2.4.1 Theoretische Grundlagen des Systemtheoretischen Paradigmas<br />
Einige nicht sozialarbeitsspezifische theoretische Grundlagen des SPSA müssen zum<br />
besseren Verständnis zusammenfassend erläutert werden (vgl. unter diesem Gliederungspunkt,<br />
sofern nicht anders vermerkt, Geiser 2009, S. 43 ff.). Obrecht, Staub-<br />
Bernasconi und auch Geiser greifen bei der Konzeption des SPSA auf die Erkenntnisse<br />
des argentinischen Philosophen und Physikers Mario Bunge (vgl. McGill University 2012<br />
und Wikipedia 2012) zurück. Wesentliche, dem SPSA zugrunde liegende metatheoretische<br />
Grundlagen (vgl. Abbildung 11, Stufe I) sind das wirklichkeitstheoretische (ontologische)<br />
und das erkenntnistheoretische (epistemologische) Metawissen. Es geht <strong>als</strong>o um<br />
Theorien und Begriffe bezüglich 1. des Werdens, der Beschaffenheit und den Wandel der<br />
Wirklichkeit, zu der wir gehören und 2. ob und wie wir diese erkennen und weshalb wir in<br />
und gegenüber ihr in bestimmter Weise handeln. Nach der hier nur in groben Zügen referierten<br />
naturalistischen, emergentistischen Wirklichkeitstheorie sind alle Dinge konkrete<br />
Systeme oder Komponenten von solchen und sind materiell. Der im Gefolge von Bunge<br />
vertretene Systemismus vertritt im Gegensatz zur radikal-konstruktivistischen Auffassung,<br />
nach der wir alle je unsere eigene Wirklichkeit schaffen bzw. erfinden (ontologischer Kon-<br />
48
struktivismus), die Auffassung, dass wir Bilder über die Wirklichkeit konstruieren (erkenntnistheoretischer<br />
Konstruktivismus), die auch dann konkret vorhanden ist, wenn wir sie<br />
nicht wahrnehmen.<br />
Systeme gleicher Art bilden Wirklichkeitsbereiche oder ontologische Niveaus, die von unten<br />
nach oben in Pyramidenform (gemäß ihrer zeitlich-evolutionären Entstehung/Entwicklung;<br />
vgl. Stufe II in Abbildung 11) dargestellt werden können: Physikalische<br />
Systeme → chemische Systeme → biologische Systeme → psychische Systeme (zusammen<br />
biopsychische) → sozial-kulturelle Systeme. Eigenschaften der unteren Niveaus<br />
sind jeweils <strong>als</strong> Subsysteme in denjenigen der höheren Niveaus enthalten, aber nicht umgekehrt<br />
– es handelt sich demnach um emergente Eigenschaften.<br />
„Ein System ist ein (konkretes) Ding, das a) aus (konkreten) Komponenten gebildet wird (=<br />
Komposition oder Zusammensetzung des Systems), zwischen denen b) ein Netz von konkreten<br />
Beziehungen besteht (= Struktur), durch das die Komponenten untereinander mehr verknüpft<br />
sind <strong>als</strong> mit anderen Dingen (durch Bindungen; KG), so dass sie sich c) <strong>als</strong> ein ‚Ganzes‘ (genauer:<br />
ein neues System) von anderen Gebilden abgrenzen, die damit ihre Umwelt bilden.“<br />
(Obrecht 1995 in Geiser 2009, S. 44)<br />
In weitgehender Übereinstimmung mit Obrecht postulieren Bunge und Mahner:<br />
„Eine Grundannahme unserer Ontologie ist, dass es keine völlig isolierten Dinge gibt: Jedes<br />
Ding interagiert mit (einigen) anderen Dingen. Wir formulieren daher folgende Postulate:<br />
a) Jedes konkrete Ding ist entweder ein System oder Bestandteil eines Systems.<br />
b) Jedes System (mit Ausnahme des Universums) ist ein Subsystem eines anderen Systems.<br />
c) Das Universum ist das System, das jedes andere Ding <strong>als</strong> Teil enthält.<br />
[…] Den Mittelweg zwischen Atomismus (‚Jedes Ding geht seinen eigenen Weg‘) und Holismus<br />
(‚Jedes Ding hängt mit allen anderen Dingen zusammen‘) nennen wir Systemismus: ‚Jedes<br />
Ding hängt mit einigen anderen Dingen zusammen.‘ Kein Teil des Universums ist vollkommen<br />
isoliert, aber jedes Ding ist in der einen oder anderen Hinsicht von anderen Dingen isoliert.“<br />
(Bunge und Mahner 2004, S. 71-72)<br />
Die im transdisziplinären SPSA vertretene Systemtheorie nennt Obrecht den sozialwissenschaftlichen,<br />
sozialarbeitswissenschaftlichen und emergentistischen Systemismus<br />
(Obrecht 2001). Emergent sind Eigenschaften von Systemen, die ihren Komponenten<br />
nicht zukommen. Durch Interaktionen der Komponenten entstehen komplexere neue und<br />
von den Komponenten unterscheidbare Strukturbildungen auf jeweils höherem Niveau.<br />
Beim Individuum sind z. B. mentale Prozesse wie Lernen und Wissen emergente Eigenschaften<br />
von biologischen Prozessen. Soziale Systeme weisen emergente Eigenschaften<br />
wie die Strukturmerkmale Güterverteilung, Schichtung und Arbeitsteilung, sowie Beziehungen<br />
und soziale Prozesse wie Kommunikation und Kooperation auf. Darüber hinaus<br />
erwerben Individuen <strong>als</strong> Komponenten sozialer Systeme emergente oder relationale Ei-<br />
49
genschaften wie soziale Rollen oder Prestige. Diese Eigenschaften setzen Beziehungen<br />
in sozialen Systemen voraus.<br />
Nach diesen gedrängten Hinweisen auf die Ontologie soll es im Folgenden um die damit<br />
konsistente realistische Erkenntnistheorie gehen. Diese kann man in zwei Ausrichtungen<br />
differenzieren von denen die erste eine beschreibende und erklärende ist, welche die<br />
kognitiven Prozesse untersucht. Danach gibt es jenseits unserer Alltagswahrnehmungen<br />
und Gedanken über die Welt eine konkrete Wirklichkeit, über die man mit wissenschaftlichen<br />
Methoden etwas herausfinden kann. Die zweite Ausrichtung ist eine normative, die<br />
nach gutem Wissen und seiner erfolgreichen Gewinnung fragt (normative Erkenntnistheorie<br />
oder Wissenschaftstheorie). In diesem Sinne ist der Wissenschaftsbegriff des SPSA<br />
der ratio-empirische Wissenschaftsbegriff des wissenschaftlichen Realismus. Erkennen<br />
und Lernen, das zu Wissen führt, werden <strong>als</strong> Prozesse in den plastischen neuronalen<br />
Systemen beschrieben.<br />
„Erkenntnistheorie untersucht a) verschiedene Arten von Wissen wie etwa wissenschaftliches<br />
oder Alltagswissen, Glaube, Überzeugung, aber auch selbst- und fremdwissen, Bewusstsein<br />
und Selbstbewusstsein, b) die Mechanismen der Aneignung von Wissen wie Beobachtung,<br />
Analyse, Praxis, Intuition u. a., und c) unterschiedliche Wissensformen wie Beschreibung, Bewertung,<br />
Erklärung, Prognose, Ziel, Verfahren […].“ (Geiser 2009, S. 46-47)<br />
Die letztgenannten Unterscheidungen und ihre logischen Beziehungen untereinander sind<br />
grundlegend für die Allgemeine Normative Handlungstheorie (ANHT), die weiter unten<br />
erörtert wird (vgl. Abbildung 13).<br />
Im Bereich der Objekttheorien (oder Basis- bzw. Bezugswissenschaften) sind insbesondere<br />
drei hervorhebenswert: die Theorie sozialer Systeme, das Psychobiologische Erkenntnis-<br />
und Handlungsmodell des Menschen (PsybiEHM) und die biopsychosoziale Theorie<br />
menschlicher Bedürfnisse. Bunge definiert ein soziales System folgendermaßen:<br />
„Ein soziales System ist ein konkretes System, das zusammengesetzt ist aus geselligen Tieren,<br />
die a) eine gemeinsame Umwelt teilen und die b) auf andere Mitglieder des Systems auf Arten<br />
einwirken, die zumindest in einer Hinsicht kooperativ sind. Ein menschliches Sozi<strong>als</strong>ystem ist<br />
ein System, das gebildet wird ausmenschlichen Individuen und ihren Artefakten.“ (Bunge 1996<br />
in Geiser 2009, S. 48)<br />
An anderer Stelle führt Bunge aus:<br />
„[E]ine Gesellschaft [ist] kein formloses Aggregat voneinander unabhängiger Individuen, sondern<br />
ein System aus sozialen Systemen wie Familien, Schulen, Firmen, religiöse Gemeinschaften,<br />
politische Parteien, akademische Gesellschaften usw. Jedes dieser Systeme wird durch<br />
spezielle soziale Beziehungen zusammengehalten, wie Familienbande, Handel, ideologische<br />
Verbundenheit, Management, Machtbeziehungen oder Kommunikation. […] [S]oziale Systeme<br />
[sind] materieller Natur, weil ihre Grundbestandteile – nämlich Organismen – materielle Systeme<br />
sind: Alles, was aus materiellen Komponenten besteht, ist selbst materiell. Dabei haben so-<br />
50
ziale Systeme emergente (supraphysikalische) Eigenschaften, wie Produktivität, Arbeitsteilung,<br />
Sozi<strong>als</strong>truktur und Rechtsverfassung, die ihren Komponenten nicht zukommen 22 .“ (Bunge und<br />
Mahner 2004, S. 165-166)<br />
Innerhalb sozialer Systeme kann sich etwas ereignen, das man <strong>als</strong> vertikale und horizontale<br />
Mobilität bezeichnen kann. Interaktionen zwischen Akteuren in Systemen können sie<br />
jeweils in neue Positionen oder andere Orte innerhalb der Struktur der bisherigen oder<br />
anderer sozialer System führen. Diese neuen Positionen sind maßgebend für die individuellen<br />
Interaktionschancen und im Zusammenhang damit ist für die meisten Adressatinnen<br />
der Sozialen Arbeit die soziale Integration ein erwünschter Zustand.<br />
„Ein Individuum ist in eine Globalgesellschaft maximal integriert, wenn es I) einen vollen Mitgliedschaftsstatus<br />
hat, II) deren dominante Kultur (Sprache, Bilder, Codes) kennt, III) eine vollständige<br />
und gleichgewichtige Statuskonfiguration auf mindestens mittleren Rängen aufweist,<br />
IV) in allen Bereichen der Statuskonfiguration aktive Mitgliedschaften in sozialen Systemen und<br />
Netzwerken aufweist, die überwiegend selbstgewählt sind, und schliesslich V), wenn es sich<br />
selber <strong>als</strong> Mitglied der Gesellschaft definiert […]. (Obrecht 1999 in Geiser 2009, S. 51)<br />
Die Erfüllung dieser Bedingungen eröffnet insbesondere die Möglichkeit, die Bedürfnisse<br />
nach Autonomie und sozialer Anerkennung zu befriedigen.<br />
Das Psychobiologische Erkenntnis- und Handlungsmodell des Menschen (PsybiEHM)<br />
nach Werner Obrecht beruht auf dem von Psychobiologen erarbeiteten Wissen zur Beschreibung<br />
und Erklärung biologischer Zustände und Prozesse. In emergenter Weise<br />
werden diese <strong>als</strong> identisch mit psychischen Funktionen verstanden und dem Gehirn<br />
kommen dabei folgende entscheidende Funktionen zu: Registrierung von Bedürfnissen,<br />
die Motivation <strong>als</strong> Absicht zum Handeln erzeugen; Fähigkeit zu Kognitionen, die zwischen<br />
Selbst- und Umweltbild Beziehungen herstellen und vermitteln, Orientierung erzeugen<br />
bezüglich Raum und Zeit, Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung ausmachen und so<br />
Motivation erzeugen; Steuerung des zielgerichteten, problemlösenden und bedürfnisbefriedigenden<br />
Handelns.<br />
Das PsybiEHM erfasst die Zusammenhänge zwischen Wissen, Werten, Affekten, Motivation<br />
und Handeln und versucht zu erhellen, wie Denken und Wissen durch den sozi<strong>als</strong>trukturellen<br />
und -kulturellen Kontext, in dem Menschen leben, beeinflusst werden.<br />
„Die Hauptaussagen des PsybiEHM <strong>als</strong> ein Akteurmodell des Individuums sind zusammengefasst<br />
folgende: Menschen sichern ihr Überleben und ihre Reproduktion dadurch, dass sie fortwährend<br />
möglichst zutreffende Bilder über sich selbst und ihre Umwelt erzeugen, diese bewer-<br />
22 Bunge setzt sich deutlich von Niklas Luhmann <strong>als</strong> Vertreter einer sozialwissenschaftlichen Systemtheorie ab: „Dieser<br />
[Luhmann, J.W.] behauptet: ‚Social systems … consist of communications and nothing but communications – not of human<br />
beings, not of conscious mental states, not of roles, not even of actions. They produce and reproduce communications by<br />
meaningful reference to communications.‘ […] Über welche idealistische Fantasie Luhmann hier auch reden mag, mit sozialen<br />
Systemen hat diese Konzeption nur wenig zu tun. Gewiss stellt Kommunikation ein wichtiges Element der Endostruktur<br />
sozialer Systeme dar, aber Kommunikation ist eine Relation, und Relationen existieren nicht ohne Relata – in diesem Fall<br />
menschliche Personen. Eine menschenlose Theorie sozialer Systeme ist völlig verfehlt, wenn nicht sogar verwerflich im<br />
Hinblick auf mögliche soziotechnologische Konsequenzen.“ (Bunge und Mahner 2004, S. 252-253)<br />
51
ten, daraus Folgerungen ziehen, und danach zu handeln versuchen. Das Zentralnervensystem<br />
‚verarbeitet‘ – dem Individuum teils bewusst, teils nicht bewusst – Informationen (Stimuli) verschiedenster<br />
Art. […] Bereiche des Zentralnervensystems […] sind mit dem endokrinen System<br />
verknüpft (Stoffwechsel bzw. Transport von chemischen Signalen via Blutkreislauf); Nerven und<br />
endokrines System interagieren und bilden so ein Psychobiologisches Supersystem. Damit sein<br />
nochm<strong>als</strong> auf das ontologische Faktum der Emergenz hingewiesen: Psychische Prozesse sind<br />
mit biologischen identisch und deshalb sind sie konkret; diese Feststellung ist <strong>als</strong> ‚psychobiologische<br />
Identitätshypothese‘ bekannt.“ (Geiser 2009, S. 54-55)<br />
Daran anknüpfend versteht die biopsychosoziale Theorie menschlicher Bedürfnisse diese<br />
<strong>als</strong> Zustände und Prozesse des biopsychischen Systems Mensch, die <strong>als</strong> Ungleichgewichte<br />
und <strong>als</strong> Spannungen erlebt werden. Bedürfnisse werden <strong>als</strong> Indikatoren für biologische,<br />
psychische und soziale Werte bzw. Sollzustände verstanden. Abweichungen von<br />
diesen Werten werden vom Organismus <strong>als</strong> problematisch gedeutet. Bedürfnisse weisen<br />
hinsichtlich ihrer Aufschiebbarkeit oder Dringlichkeit ihrer Befriedigung (z. B. Nahrungs-<br />
und Flüssigkeitsaufnahme einerseits, körperliche Nähe andererseits) unterschiedliche<br />
Elastizitäten auf. Demnach ist eine Funktion menschlichen Verhaltens und Handelns,<br />
Spannungen und Ungleichgewichte abzubauen und im Sinne eines immer wieder neu<br />
herzustellenden Gelichgewichtes die Kontrolle und den Einfluss über Güter und soziales<br />
Handeln in bestimmten sozialen Kontexten zu bewahren oder wieder zu erlangen. An<br />
dieser Stelle wird auch der Zusammenhang zwischen Sozialen Problemen und sozialen<br />
Bedürfnissen deutlich.<br />
„Individuen, ausgestattet mit einem Zentralnervensystem (biologisches Niveau) müssen, um<br />
sich wohl zu befinden und gesund zu bleiben, ihre Bedürfnisse befriedigen; dazu sind sie auf<br />
Selbstwissen und Wissen über die Welt, insbesondere über andere Menschen angewiesen (biopsychisches<br />
Niveau); dieses Wissen erwerben sie unter anderem <strong>als</strong> Mitglieder von sozialen<br />
Systemen (biopsychosoziales Niveau). Umgekehrt müssen soziale Systeme so beschaffen<br />
sein, dass sie der sozialen, kulturellen, psychischen und biologischen Bedürfnisbefriedigung der<br />
Individuen dienen. Je nach sozialer Position und sozialer Integration bestimmen Individuen über<br />
die Angemessenheit sozialer Normen mit, die erforderlich sind, um diejenigen Werte immer<br />
wieder von neuem zu realisieren, die das soziale System wie seine Mitglieder stabilisieren. Gelingt<br />
ihnen das über längere Zeit nicht, beginnen sie unter sozialen Problemen zu leiden […].“<br />
(ebd., S. 56-57)<br />
Nach dieser zusammengefassten Darstellung der theoretischen Grundlagen des SPSA,<br />
wird dieses selbst nun in seinen Grundzügen vorgestellt.<br />
2.4.2 Systemtheoretisches Paradigma in seinen Grundzügen<br />
Das SPSA 23 stellt sich <strong>als</strong> mehrstufige Struktur professionellen Wissens dar, deren Stufen<br />
und Elemente einen transdisziplinären und integrativen Bezugsrahmen bilden. In der folgenden<br />
Grafik sind die Stufen II und IV auf die Soziale Arbeit ausgelegt:<br />
23 „Das Systemtheoretische Paradigma der Sozialarbeitswissenschaft ist gleichzeitig ein allgemeines Modell einer Handlungswissenschaft<br />
und eine Konkretisierung im Hinblick auf die Sozialarbeitswissenschaft <strong>als</strong> disziplinäre Ergänzung zur<br />
52
Abbildung 11: Die Struktur der Sozialarbeitswissenschaft in der Sicht des SPSA (Obrecht 2001, S. 20)<br />
Die Gegenstände der Sozialarbeitswissenschaft (SAW) 24 <strong>als</strong> Disziplin sind demnach Individuen<br />
<strong>als</strong> Komponenten von sozialen Systemen und soziale Systeme mit Individuen <strong>als</strong><br />
Komponenten. Dabei hat die SAW zur Aufgabe, Soziale Probleme zu beschreiben und zu<br />
erklären, so wie Methoden der Verhinderung, Linderung und Lösung Sozialer Probleme<br />
disziplinär zu integrieren (soweit entwickelte Methoden vorhanden sind) oder zu entwickeln.<br />
Die Gegenstände der Profession sind dieselben, wobei deren Problematik die prak-<br />
Profession der Sozialen Arbeit. [Es ist] mit anderen Worten keine Theorie, sondern eine ganze Konfiguration von Theorien<br />
der eine disziplinäre Matrix einer Handlungswissenschaft kennzeichnenden Art.“ (Obrecht 2001, S. 104-105; Hervorh. J.W.)<br />
24 „Zwar ist der Streit um die Existenz und Rolle einer Wissenschaft der Sozialen Arbeit, der sich im deutschsprachigen<br />
Raum im Anschluss an eine Publikation von Ernst Engelke […] entwickelt hat, noch nicht beendet […]. Gleichwohl kristallisiert<br />
sich unter einer wachsenden Anzahl von Autoren ein Konsens heraus, der mindestens die folgenden Punkte umfasst:<br />
1. Anspruch: Der Anspruch der Sozialen Arbeit auf eine Disziplin Sozialarbeitswissenschaft oder Wissenschaft der Sozialen<br />
Arbeit ist legitim, fraglich ist ihr institutioneller Status. Die Quellen der Legitimität sind erstens der Umstand, dass die universitäre<br />
Sozialpädagogik weder ihrem Anspruch auf eine Leitwissenschaft für die ‚Sozialarbeit/Sozialpädagogik‘ gerecht zu<br />
werden vermochte noch künftig würde gerecht werden können, zweitens das Faktum, dass es in vielen Ländern der Welt<br />
seit Jahrzehnten eine Wissenschaft der Sozialen Arbeit gibt.<br />
2. Gegenstand und Problematik der Disziplin: Gegenstände oder Objekte dieser Disziplin sind Individuen (<strong>als</strong> Komponenten<br />
sozialer Systeme) und soziale Systeme (mit Individuen <strong>als</strong> Komponenten); die Problematik der Disziplin sind soziale Probleme,<br />
verstanden <strong>als</strong> eine besondere Form praktischer Probleme von Individuen und <strong>als</strong> aggregierte Eigenschaften sozialer<br />
Systeme. (Alternative Konzeptualisierungen sind nicht ausgeschlossen.)<br />
3. Formales Spezifikum: Das formale Spezifikum der Disziplin ist Integrativität oder Transdisziplinarität im Rahmen der<br />
Disziplin und – <strong>als</strong> Folge davon – im Rahmen der Ausbildung.<br />
Aus der Sicht des sich abzeichnenden Konsenses ist <strong>als</strong>o die Zukunft der Wissenschaft der Sozialen Arbeit davon abhängig,<br />
ob es ihr gelingt, das Problem der sozialarbeitswissenschaftlichen Integration des multidisziplinären Wissens zu lösen,<br />
das die Profession kennzeichnet.“ (Obrecht 2001, S. 13-14)<br />
53
tische Verhinderung, Linderung und Lösung konkreter Sozialer Probleme von Menschen<br />
auf der Grundlage des handlungswissenschaftlichen Interventionswissens der Disziplin ist<br />
(vgl. Obrecht 2001, S. 107). Die allgemein übliche dichotome Aufteilung in Theorie und<br />
Praxis wird erweitert auf eine vierstufige institutionelle Differenzierung: A. Wissenschaft<br />
der Sozialen Arbeit (Disziplin) → B. Ausbildung (Studium der Sozialen Arbeit) → C. Profession<br />
→ D. Praxis (in konkreten Sozialen Einrichtungen). A. und B. haben es dabei mit<br />
der Lösung kognitiver Probleme zu tun und umfassen die Stufen I – IV: Metawissenschaften,<br />
Objekttheorien, Allgemeine Handlungstheorie und Spezielle Handlungstheorien (Methoden).<br />
C. und D. sind auf die Lösung praktischer Probleme der jeweiligen Klientel im<br />
Arbeitsalltag konkreter Sozialer Einrichtungen bezogen und beinhalten die Stufe V: Praktisches,<br />
problemlösungsorientiertes, rationales Handeln.<br />
„Die […] Stufen I und III haben die Funktion der theoretischen Integration, Stufe I eine allgemeine,<br />
die die Integration des multidisziplinären Wissens über verschiedenartige und verschiedenen<br />
ontologischen Niveaus angehörenden Systeme betrifft, mit denen Soziale Arbeit direkt oder<br />
indirekt beschäftigt ist, während Stufe III die Verknüpfung und Sequenzierung verschiedener<br />
Wissensformen (Beschreibungen, Theorien [Erklärungen], Werte, Problemwissen, Handlungswissen<br />
u. a.) im Rahmen rationaler, d.h. zielgerichteter (oder problemlösungsorientierter) Handlungen<br />
ermöglicht. Entscheidend an dieser Auffassung von Sozialer Arbeit <strong>als</strong> eigenständiger<br />
Disziplin ist, dass sie dank der Stufen I und III Wissensitems bestehender Disziplinen (II, IV) im<br />
Hinblick auf spezifische Fragestellungen der Sozialarbeitswissenschaft (II – IV) und der Praxis<br />
der Sozialen Arbeit (II – V) systematisch miteinander zu verknüpfen erlaubt. Was die innerhalb<br />
der integrativen Stufen verknüpften Elemente (Hypothesen, Theorien) betrifft, so erhalten sie<br />
durch ihre Integration eine Funktion innerhalb einer umfassenden theoretischen Sicht, ohne jedoch<br />
dadurch ihre Eigenständigkeit einzubüssen. Und was die beiden Stufen mit Integrationsfunktion<br />
(I und III) anbelangt, so sind sie transdisziplinär, d.h. sie verknüpfen Wissen aus verschiedenen<br />
Disziplinen logisch; ihrem disziplinären Status nach sind sie aus diesem Grund philosophisch<br />
25 .“ (Obrecht 2001, S. 21)<br />
Im Folgenden werden die Grundzüge des SPSA in der in diesem Zusammenhang gebotenen<br />
Kürze zusammengefasst und anschließend die für die Professionalisierung der KuK<br />
und ihrer MA zunächst am ehesten umsetzbaren Aspekte hervorgehoben (vgl. unter diesem<br />
Gliederungspunkt, sofern nicht anders vermerkt, Obrecht 2001, S. 22 ff.).<br />
Auf der Stufe I des Modells sind Metawissenschaften und Metatheorien angesiedelt. Erstere<br />
umfassen Geschichte, Soziologie, Ökonomie und Politologie der Sozialen Arbeit,<br />
während letztere Ontologie, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, Semantik, Praxiologie<br />
(philosophische Handlungstheorie) und Ethik beinhalten. Zu den Metawissenschaften gibt<br />
es umfangreiche sozialwissenschaftliche und sozialarbeitsrelevante Fachliteratur, deren<br />
Inhalte z. B. durch Fortbildungen vermittelt werden können. Metatheorien werden in der<br />
25 „Eine Folge der Allgemeinheit der beiden Stufen mit Integrationsfunktion ist, dass sie nicht nur das Mittel der Synthese<br />
des für die Profession der Sozialen Arbeit relevanten sozialarbeitswissenschaftlichen Wissens sind […], sondern diese<br />
Funktion im Prinzip auch in anderen Handlungswissenschaften übernehmen können.“ (Obrecht 2001, S. 21)<br />
Das würde z. B. auch auf das Sozialmanagement, da es die von Staub-Bernasconi und Obrecht genannten Kriterien einer<br />
Handlungswissenschaft erfüllt, zutreffen.<br />
54
Ausbildung und der Theorie weitgehend entweder vernachlässigt oder deren Vorhandensein<br />
wird nicht ausreichend reflektiert. Sie beschäftigen sich mit Fragen nach dem, was ist<br />
(Ontologie), wie und was können wir erkennen und wissen (Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie),<br />
was ist ein Begriff und sein Inhalt und Umfang, was versteht man unter<br />
der Bedeutung eines Begriffs oder einer Aussage (Semantik), was ist rationales Handeln<br />
<strong>als</strong> besondere Form zielgerichteten Handelns, welche Formen der Rationalität treten in<br />
ihm auf und in welchem Verhältnis stehen diese zueinander (Praxiologie), was sind gute<br />
und schlechte Handlungen, wie und nach welchen Kriterien kann man sie unterscheiden<br />
(Ethik). Die Ethik steht in engem Zusammenhang mit Fragen nach Werten (Axiologie),<br />
Moralen, der Rolle von Bedürfnissen und Kognitionen und deren Wechselwirkungen.<br />
Die Notwendigkeit der Stufe I ergibt sich daraus, dass die Problemstellungen praktischen<br />
Handelns (in einer Handlungswissenschaft) meist in die Zuständigkeit mehrerer Disziplinen<br />
fallen. Das verlangt nach einem Metawissenschaftlichen und -theoretischem Modus,<br />
der die Beziehungen zwischen den Erklärungen verschiedener Theorien zu klären verhilft.<br />
Die Axiologie hilft bspw. zur Klärung des Wertbegriffs der auf Stufe II bei der Frage danach,<br />
wohin sich eine <strong>als</strong> unbefriedigend erlebte Situation eines Klienten/einer Klientin<br />
verändern soll, zugrunde gelegt wird. Die Ethik bestimmt die Wahl der Ziele und Methoden<br />
mit und mit Hilfe der Semantik kann auf Stufe I z. B. die Sichtweise von Klient/inn/en<br />
beschrieben werden (vgl. Obrecht 2009, S. 66).<br />
Auf der Stufe II des SPSA-Modells finden sich nomologische Objekttheorien oder auch<br />
Basis- bzw. Bezugswissenschaften, die Erklärungswissen bereitstellen. Es handelt sich<br />
u. a. um Humanbiologie, Psycho(bio)logie, Sozialpsychologie, Soziologie, Ethnologie und<br />
Politologie. Die Gegenstände der Objekttheorien sind soziale Systeme mit menschlichen<br />
Individuen <strong>als</strong> Komponenten und ihre Problematik betrifft menschliche Individuen <strong>als</strong><br />
Komponenten sozialer Systeme, die Struktur und Dynamik solcher Systeme unter sich<br />
verändernden äußeren Bedingungen, entweder <strong>als</strong> ganze (Soziologie, Ethnologie) oder<br />
<strong>als</strong> funktionale Subsysteme (Ökonomie, Politik). Es wird auf dieser Ebene danach gefragt,<br />
was soziale Systeme sind, was menschliche Individuen, was Soziale Probleme, was ist<br />
Helfen, welche Formen von Helfen gibt es und an welche psychischen und sozialen Bedingungen<br />
sind sie gebunden.<br />
Die Inhalte der Basiswissenschaften werden <strong>als</strong> Ressourcen herangezogen, um die auf<br />
Stufe III angewandten Methoden (Stufe IV) zu erklären, einzuordnen und auf ihre jeweilige<br />
Angemessenheit zu überprüfen (vgl. Obrecht 2009, S. 66).<br />
Die Stufe III des Modells beinhaltet die ANHT, sowie <strong>als</strong> Analyseinstrument die von<br />
Kaspar Geiser weiterentwickelte Systemische Denkfigur (SDF). „Es ist dies […] jene Stufe<br />
55
des Schemas, welche die gegenüber den Basiswissenschaften besondere Logik der<br />
Handlungswissenschaften zum Ausdruck bringt.“ (Obrecht 2009, S. 67) Das Vorgehen<br />
gemäß der ANHT erlaubt die systematische Nutzung grundlagenwissenschaftlichen Wissens<br />
(Stufe II) im Rahmen methodischen professionellen Handelns (Stufe IV). Durch die<br />
Möglichkeit einer solchen Transformation 26 von nomologischem in Handlungswissen lassen<br />
sich beide Ebenen sinnvoll integrieren. Auf die ANHT wird später noch genauer eingegangen,<br />
da der Verfasser hier den Einstieg in die einrichtungsspezifische Professionalisierung<br />
verortet.<br />
Die auf der Stufe IV verorteten speziellen Handlungstheorien, auch Methoden genannt,<br />
sind Konkretisierungen der allgemeinen Form zielorientierten problemlösenden Handelns,<br />
anhand der ANHT, die auf Stufe III angesiedelt ist, im Hinblick auf die Lösung spezifischer<br />
Probleme. Die Methoden bilden das Handlungswissen der Sozialen Arbeit. Sie greifen<br />
dabei zum einen auf wissenschaftliches Erklärungswissen zurück (Stufe II) und zum anderen,<br />
hinsichtlich der Angemessenheit ihres jeweiligen Einsatzes auf Metatheorien und<br />
Metawissenschaften (Stufe I). In diesem Sinne werden die speziellen Handlungstheorien<br />
<strong>als</strong> eine Form von Wissen von Obrecht <strong>als</strong> Technologien bezeichnet.<br />
Bezüglich Methoden oder speziellen Handlungstheorien führt Staub-Bernasconi aus:<br />
„Sie beziehen sich auf ein je spezielles soziales Problem von Individuen oder der Sozi<strong>als</strong>truktur<br />
und Kultur und lassen sich miteinander kombinieren, entweder gleichzeitig oder nacheinander,<br />
<strong>als</strong> Haupt- und Teilverfahren. Sie erfordern das Erlernen eines Grundstockes an methodischen<br />
Schlüsselqualifikationen, lassen aber auch Schwerpunkte oder gar Spezialisierungen zu – sei<br />
dies nach Problembereich, besonderen Verfahren oder Techniken, sozialem Niveau, sei dies<br />
aufgrund von Ziel- oder Adressat(innen)gruppen. (Staub-Bernasconi 2007, S. 272)<br />
Was die Methoden betrifft, geht der Verfasser davon aus, dass im Pool der ABW-MA der<br />
KuK tatsächlich der genannte Grundstock an methodischen Schlüsselqualifikationen <strong>als</strong><br />
auch einiges an speziellem Methodenwissen und -können vorhanden ist. Diese Schätze<br />
gilt es zu heben und arbeitsfeldspezifisch anhand des SPSA zu systematisieren (dazu<br />
mehr unter den Gliederungspunkten 2.6 und 3.1). Zum Umgang mit speziellen Handlungstheorien<br />
schlägt Staub-Bernasconi vor:<br />
26 Diese Transformation lässt sich nach Staub-Bernasconi anhand eines „Transformativen Dreischritts“ (nach Mario Bunge)<br />
bewerkstelligen: 1. Kenntnisnahme des Forschungsstandes, der erhobenen Erklärungen für ein bestimmtes soziales Problem;<br />
2. Formulierung von handlungstheoretischen, nomopragmatischen Hypothesen; 3. Formulierung von normativen Aussagen,<br />
Handlungsleitlinien oder Regeln auf der Basis der nomopragmatischen Aussagen. (vgl. Staub-Bernasconi 2007, S.<br />
208-209)<br />
56
„Bei einer Problemkonfiguration P und der (ausgehandelten) Absicht, Ziel(e) Z zu erreichen, ist<br />
es aufgrund des verfügbaren Wissens W und allenfalls weiterer Faktoren empfehlenswert, die<br />
Mittel M einzusetzen und die Regeln R zu befolgen. Damit ist mitgesagt, dass die Weiterentwicklung<br />
des Handlungswissens Sozialer Arbeit von der systematischen Evaluation von Arbeitsprozessen<br />
abhängt.“ (ebd., S. 272-273)<br />
Als spezielle Handlungstheorien nennt sie im Hinblick auf die direkte Arbeit mit Adressat/inn/en<br />
und Zielgruppen „Ressourcenerschließung“, „Bewusstseinsbildung“, „Modell-,<br />
Identitäts- und Kulturveränderung“, „Handlungskompetenz-Training und Teilnahmeförderung“,<br />
„Soziale Vernetzung“, „Umgang mit Machtquellen und Machtstrukturen“ und „Kriterien-<br />
oder Öffentlichkeitsarbeit“ (vgl. ebd., S. 273-286 und 297 ff.). Die speziellen Handlungstheorien<br />
werden von Staub-Bernasconi im Einzelnen ausführlich erläutert und mit<br />
Hinweisen auf weiterführende Literatur versehen – sie sind somit lern- und lehrbar. Die<br />
Auswahl der speziellen Handlungstheorien ist darin begründet, dass sie<br />
„an ‚klassische Problemkonstellationen‘ der Sozialen Arbeit anknüpfen, nämlich Armut, Erwerbslosigkeit,<br />
gesellschaftlich beeinträchtigte Erkenntnis- und Handlungskompetenzen, problematische<br />
Identitäts-/Kulturmuster, soziale Isolation und sozialer Ausschluss sowie individuelle<br />
unterschiedliche Ohnmachtserfahrungen und Machtkonstellationen.“ (ebd., S. 297)<br />
Die Stufe V des SPSA-Modells betrifft den Interventionsbereich Sozialer Arbeit und das<br />
Spezifische ihrer Gegenstandsbestimmung, näherhin individuelle physikalische, biologische,<br />
biopsychische, kulturelle und Soziale Probleme im Rahmen von und in Wechselwirkung<br />
mit physikalisch-chemischen, biologischen, psychischen, kulturellen und sozialen<br />
Systemen. Zentral auf dieser Stufe ist der Begriff der „Sozialen Probleme“. Soziale Probleme<br />
können differenziert werden in Probleme in Bezug auf soziale Interaktion und solche<br />
in Bezug auf die soziale Position (vgl. Geiser 2009, S. 59-60). Im Unterschied zu soziologischen<br />
Sichtweisen, in denen Soziale Probleme „zunächst kognitive und nicht praktische<br />
Probleme, d.h. ‚wahrgenommene‘, erklärte und negativ bewertete Umstände oder<br />
Prozesse irgendwelcher Art“ (Obrecht 2001, S. 63) sind,<br />
„ist ein soziales Problem in der Sicht des Systemtheoretischen Paradigmas der Sozialen Arbeit<br />
a) ein praktisches Problem, das b) ein sozialer Akteur c) mit seiner interaktiven Einbindung und<br />
Position (Rollenstatus) in die sozialen Systeme hat, deren Mitglied er faktisch ist. Ein solches<br />
Problem äussert sich <strong>als</strong> Spannungszustand (= Bedürfnis) innerhalb des Nervensystems <strong>als</strong><br />
Folge des Auseinanderfallens zwischen einem im Organismus registrierten Istwert in Form des<br />
Bildes oder internen Modells des Individuums in seiner Situation und einem organismisch<br />
repräsentierten Sollwert (Bedürfnisbefriedigung), der mit den verfügbaren internen (Motivation,<br />
Wissen und Können) und externen Ressourcen (vorderhand oder endgültig) nicht reduziert<br />
werden kann. […] Soziale Probleme sind dabei eine von drei Klassen praktischer Probleme; die<br />
Unfähigkeit eines Individuums, seine sozialen Probleme zu lösen, führt zu schweren<br />
biopsychischen und biologischen Störungen, die sein Problemlösungsvermögen weiter<br />
reduzieren […].“ (ebd., S. 63-64, 61)<br />
Neben den praktischen Problemen spielen auch nicht-humanbiologische Probleme eine<br />
Rolle, wie aus dem untenstehenden Schaubild zu entnehmen ist. Die verschiedenen<br />
57
Problemklassen können sich gegenseitig bedingen (so dass Sozialen Problemen z. B.<br />
nicht zwangsläufig ein sozialer Anlass zugrunde liegen muss); Adressat/inn/en Sozialer<br />
Arbeit können auch von Problemen in mehreren Bereichen ihrer Existenz betroffen sein,<br />
sodass man von kumulierten Problemen oder Mehrfachproblematiken sprechen muss –<br />
dies ist bei den psychisch behinderten erwachsenen Klient/inn/en der KuK in der Regel<br />
der Fall.<br />
Abbildung 12: Problemklassen und ihre Beziehungen untereinander; Interaktions- und Positionsprobleme <strong>als</strong><br />
Unterklassen; Beispiele von Arten von sozialen Problemen (Geiser 2009, S. 63)<br />
Auf der Stufe III des SPSA ist die ANHT verortet, die eine allgemeine Methode oder allgemeine<br />
normative Theorie der Nutzung von Methoden (speziellen Handlungstheorien)<br />
zur Lösung praktischer und damit auch Sozialer Probleme ist. Es geht um absichtsvolle<br />
und geplante Veränderung von <strong>als</strong> unbefriedigend erachteten konkreten Zuständen in<br />
befriedigende(re) Zustände bzw. Abfolgen (Prozesse) von gerichteten Zustandsänderungen.<br />
Dies soll erreicht werden durch eine Reihe von geplanten und gesteuerten Operationen.<br />
(vgl. Obrecht 2009, S. 67). Werner Obrecht erläutert die untenstehende Grafik folgendermaßen:<br />
„Das im Rahmen der einzelnen Operationen zu entwickelnde fallbezogene Wissen (Beschreibung,<br />
Erklärung, Prognose, Bewertung etc. (vgl. c) […]) wird dabei durch eine geordnete Sequenz<br />
von Fragen generiert (W-Fragen, vgl. a) […]), die vier Gruppen von Fragen betreffen,<br />
nämlich Fragen in Bezug (1) auf die Situationsbeschreibung und -erklärung plus Prognose, (2)<br />
die Bewertung und Problemdefinition, (3) die Zielsetzung und Planung und (4) die Entscheidung<br />
und Handlung. Die Themen der Operationen in (1) sind die Eigenschaften des zu bearbeiten-<br />
58
den konkreten Dinges [oder Zustandes, J.W.] in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und<br />
deren Erklärung (integriertes begriffliches Bild); jene in (2) ist die Relation der Bewertung der<br />
Probleme des Objektes der Analyse und Handlung durch den Handelnden; jene von (3) der<br />
gewollte künftige Zustand des Objektes sowie die geplanten künftigen Handlungen des Akteurs<br />
in Bezug auf das Objekt oder seinen Kontext und (4) die Entscheidung des Handelnden zwischen<br />
allfälligen Handlungsalternativen unter ethischen und ökonomischen Gesichtspunkten<br />
sowie die Handlung selbst. Die von ihren Funktionen her zentralen Items im oberen Bereich (b)<br />
[…], Theorien und Methoden, von denen alle weiteren mitbestimmt sind, machen deutlich, dass<br />
die einzelnen Operationen der Sequenz durch diese beiden übergeordneten Wissensformen<br />
ermöglicht werden; professionelle Methoden beruhen mit anderen Worten zwingend auf nomologischen<br />
Theorien […]. Das Schema bezieht sich auf die praktischen Probleme eines Professionellen.“<br />
(vgl., ebd. S. 67-69)<br />
Abbildung 13: Allgemeine Normative Handlungstheorie (Obrecht 2009, S. 68)<br />
Vorläufig abgeschlossen wird die Sequenz mit der Frage nach dem Handlungserfolg<br />
(Wurden die Ziele erreicht?). Das daraus entstehende Evaluationswissen gibt Auskunft<br />
darüber, mit welchem zeitlichen, personellen und ressourcenverbrauchenden Aufwand die<br />
Ziele erreicht worden sind, über die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen, über erwünschte<br />
oder unerwünschte Nebenfolgen der Veränderungen. Die ANHT kann man sich<br />
ggf. auch <strong>als</strong> iterativen Prozess vorstellen, wenn nämlich am Ende einer jeweiligen Sequenz<br />
anhand der Evaluation weiterer Handlungsbedarf ermittelt wird.<br />
Während die ANHT die wissens- und handlungstheoretische Unterscheidung von wissensformen<br />
<strong>als</strong> Voraussetzung für systematisches Handeln bereitstellt, gibt es noch ein<br />
59
weiteres Instrument auf der Ebene III des SPSA-Modells, das die thematische Strukturierung<br />
einer Situation (im Sinne einer Anamnese und Diagnose) unterstützt: Die SDF (vgl.<br />
Geiser 2009, S. 68) in der auf der Grundlage des SPSA ausgearbeiteten Version von<br />
Kaspar Geiser, die hier kurz vorgestellt werden soll.<br />
2.4.3 Systemische Denkfigur nach Kaspar Geiser<br />
Nach Geiser bedürfen Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/inn/en<br />
„kognitiver Instrumente, um die Komplexität von Lebenssituationen ihrer Adressatinnen zu erkennen,<br />
sie zu erfassen, zu erklären und sie in der Praxis effektiv und effizient anzuwenden.<br />
Durch aktuelles Wissen und Einüben von Fertigkeiten können sie ihr eigenes Handeln innerhalb<br />
des jeweiligen praktischen Kontextes analysieren und wenn nötig verbessern.“ (ebd. S. 85)<br />
Dabei macht er, wie die folgende Grafik zeigt, fünf Arten von allgemeinem (Arbeitsbereich<br />
übergreifendem) Professionswissen aus, und weist der SDF ihren Ort innerhalb des professionellen<br />
Wissens zu.<br />
Abbildung 14: Komponenten des allgemeinen methodischen Professionswissens (Geiser 2009, S. 91)<br />
Die SDF dient <strong>als</strong> Analyseinstrument in Bezug auf die Situation von Individuen, Austauschbeziehungen<br />
zwischen Individuen (horizontal strukturierte soziale Systeme bzw.<br />
Beziehungen) und Machtbeziehungen zwischen Individuen (vertikal strukturierte soziale<br />
Systeme bzw. Beziehungen. Die SDF und ihre Dimensionen werden im folgenden Schaubild<br />
in Bezug auf das Individuum dargestellt:<br />
60
Abbildung 15: Die SDF im Detail (Individuum) (Geiser 2009, S. 95)<br />
Die SDF ist ein kognitives und praktisches Instrument zur systemischen und systematischen<br />
Erfassung, Strukturierung, Beschreibung und Bewertung von Informationen in der<br />
Sozialen Arbeit mit Klient/inn/en. Mit Hilfe des durch Anwendung der SDF entstandenen<br />
Bildes können Bewertungen im Sinne von Problembestimmungen vorgenommen werden,<br />
die ihrerseits die Grundlage zur Erfassung von für die Problembearbeitung vorhandenen<br />
Ressourcen bilden. Die Problem- und Ressourcenanalyse (Anamnese, Diagnose) dient<br />
dazu, angemessene Ziele zu formulieren, sowie entsprechende Interventionen (Maßnahmen)<br />
auszuwählen und diese zu begründen (vgl. Geiser 2009, S. 25).<br />
„Unter Beizug der Systemischen Denkfigur kann man … Die Situation von Individuen <strong>als</strong> Komponenten<br />
sozialer Systeme erfassen und beschreiben: Das Ergebnis ist ein Bild über ihre Ausstattung<br />
(hier: das Gesamt an intrinsischen, relationalen und emergenten Eigenschaften). Dieses<br />
Bild kann bewertet werden; das Ergebnis der Bewertung besteht in der Problembestimmung<br />
und wenn möglich in der Bestimmung von Ressourcen der Adressaten, die zur Bearbeitung<br />
dieser Probleme genutzt werden können; Beziehungen bzw. soziale (Mikro- und teilweise<br />
Meso-) Systeme erfassen und beschreiben. Die sozialen Systeme werden vorerst ihrer ‚idealen‘<br />
formalen Positionsstruktur nach unterschieden, nämlich <strong>als</strong> horizontal strukturierte oder Austauschbeziehungen<br />
einerseits oder <strong>als</strong> vertikal strukturierte oder Machtbeziehungen andererseits.<br />
Es folgt das Eintragen der konkreten Interaktionen. Das ‚Beziehungsbild‘ kann anschlies-<br />
61
send bewertet werden im Sinne von Austauschproblemen und/oder Machtproblemen bzw. <strong>als</strong><br />
entsprechende soziale Ressourcen; Die Begründung für die Ausstattungs-, Austausch- und<br />
Machtprobleme erfolgt a) normativ (aufgrund der nicht realisierten gesellschaftlichen Werte) und<br />
b) erklärungstheoretisch (aufgrund der dauerhaft nicht befriedigten Bedürfnisse und entsprechender<br />
Prognosen). Die Beschreibung und Bewertung einer Situation <strong>als</strong> ‚problemlos‘, problematisch<br />
oder ressourcenträchtig ist ein Prozess, der im Idealfall gemeinsam mit den Adressatinnen<br />
und Adressaten der Sozialen Arbeit vorgenommen wird.“ (ebd., S. 25-26)<br />
Die mit der SDF verwendeten Kürzel bedürfen noch einer kurzen Erläuterung:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Ui = Umwelt intern: Menschlicher Organismus, Körper, intrinsische Eigenschaften,<br />
die die biologische Ausstattung eines Individuums ausmachen. Der Organismus<br />
wird <strong>als</strong> „inneres Milieu“ verstanden bei der die Körperhülle die physische Grenze<br />
zu anderen Systemen der Umwelt bildet.<br />
Ue = Umwelt extern: Soziale Ausstattung des Individuums, relationale Eigenschaften<br />
wie sozioökonomische Güter (Bildung, Beruf, einkommen, besitz, Arbeitsplatz,<br />
Wohnung etc.), Teilhabe an oder Exposition gegenüber sozioökologischen Bedingungen<br />
der Umwelt (Luft, Wasser, Infrastruktur etc.), soziokulturelle Eigenschaften<br />
(z. B. ethnische und konfessionelle Zugehörigkeit), sowie Mitgliedschaften und soziale<br />
Rollen.<br />
R = Rezeptoren: Biologische Komponenten des peripheren Nervensystems, die<br />
der Informationsaufnahme dienen (von Außenreizen über die Sinnesorgane, Reizen<br />
aus dem Inneren des Organismus über das autonome Nervensystem). Diese<br />
Dimension der SDF wird dann relevant, wenn z. B. Funktionen von Sinnesorganen<br />
beeinträchtigt sind.<br />
E/M = Erlebnismodi bzw. Modell: Psychische Eigenschaften im Sinne von psychischen<br />
Grundfunktionen und höheren Funktionen des Zentralnervensystems inklusive<br />
kulturell vermittelte Codes, Bilder und Werte, die ein „internes Modell“ darstellen,<br />
<strong>als</strong>o „Informationsverarbeitung“ die zu Ergebnissen führt, die begrifflich <strong>als</strong><br />
Lernen (E=Erlebnismodi, erkennen, erleben) und Wissen (M=Wissen) gefasst<br />
werden können und praxisrelevant unterschieden werden und auf ihre Wechselwirkung<br />
hin betrachtet werden müssen.<br />
A = Aktivitäten: Bewegungen, äußerlich sichtbares Verhalten, Handeln des Individuums,<br />
Ausstattung mit Handlungskompetenzen (vgl. ebd., S. 29-30).<br />
Die SDF <strong>als</strong> Anamnese- und Diagnoseinstrument kann innerhalb der ANHT (vgl. Abbildung<br />
13) in den Bereichen I. Situationsbeschreibung und -erklärung plus Prognose und II.<br />
Bewertung & Problemdefinition angewandt werden. Kaspar Geiser hat zur Einführung in<br />
die SDF und ihre Anwendung ein umfang- und detailreiches, praxisbezogenes Lehrbuch<br />
(Geiser 2009) auf der Grundlage des SPSA nach Obrecht und Staub-Bernasconi verfasst.<br />
62
Anhand dieses Werkes ist die SDF lern- und lehrbar, d.h. sie muss in der Praxis gelehrt<br />
und eingeübt werden.<br />
2.4.4 Allgemeine Normative Handlungstheorie und Praxisbezug<br />
Die ANHT professionellen Handelns soll Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/inn/en<br />
dazu befähigen, Soziale Probleme in ihrem Arbeitsbereich zu verhindern, zu lindern oder<br />
zu lösen. Die dazu notwendigen mentalen Operationen werden anhand von W-Fragen<br />
vollzogen, deren Beantwortung zugehörige Wissensformen <strong>als</strong> Produkte dieser mentalen<br />
Prozesse generiert.<br />
„Die ersten drei Fragen beziehen sich auf das Was und Warum einer Ausgangs- und<br />
Problemsituation, je nachdem ergänzt durch prognostische Beschreibungen. Sie müssen<br />
von den verschiedenen Grundlagen- bzw. Bezugswissenschaften der Sozialen Arbeit<br />
beantwortet werden:<br />
Was ist die Ausgangsproblematik, die Ausgangssituation und was sind die damit zusammenhängenden<br />
Probleme? Die Antwort darauf enthält ein Bild der Situation <strong>als</strong> kontextbezogenes,<br />
fallspezifisches Beschreibungswissen.<br />
Warum oder weshalb ist diese Problematik entstanden; eventuell: mit welchen problematischen<br />
Folgen? Welches disziplinäre Bezugswissen ist zur Beantwortung dieser Frage beizuziehen?<br />
Die Antwort darauf ist transdisziplinäres Erklärungswissen.<br />
Wohin entwickelt sich die Situation, falls nicht interveniert wird? Mildern oder verschärfen sich<br />
die Ausgangsprobleme? Die Antwort sind Trendbeschreibungen.<br />
Die nächsten Fragen beantworten das, was <strong>als</strong> handlungswissenschaftliches Wissen<br />
bezeichnet werden soll: zum empirischen Beschreibungs- und Erklärungswissen kommen<br />
Bewertungen, Entscheidungen und Transformationsregeln hinzu, wobei ich es zusammenfassend<br />
<strong>als</strong> Veränderungswissen bezeichne:<br />
Was ist (nicht) gut? Was sollte sein? – dies unter Bezug auf die ermittelte und erklärte Problematik<br />
und Ausgangssituation; Produkt sind Bilder von zukünftigen, erwünschten Sachverhalten<br />
und damit Werturteile; Woraufhin soll etwas verändert werden? Die Antwort darauf sind selbstund/oder<br />
fremddefinierte, mit Indikatoren versehene Zielsetzungen <strong>als</strong> konkretisierte (operationalisierte)<br />
Werte oder eine Kombination davon;<br />
Wer soll aufgrund welchen Auftrags (Mandat, Vereinbarung, Vertrag) was verändern? Produkt<br />
ist die Beschreibung eines Akteursystems, sowohl <strong>als</strong> Hilfs- <strong>als</strong> auch <strong>als</strong> Ressourcensystem,<br />
das von der Dyade bis zu einem komplexen sozialräumlichen oder organisationellen, sozial horizontalen<br />
oder/und vertikalen Netzwerk von Adressatinnen/Adressaten, Professionellen, Freiwilligen,<br />
Organisationen, sozialen Bewegungen usw. reichen kann;<br />
Womit, das heißt mit welchen Ressourcen soll die Veränderung ermöglicht, herbeigeführt werden?<br />
Produkt ist ein Bild über die vorhandenen oder /und zu beschaffenden individuellen und<br />
gesellschaftlichen Ressourcen;<br />
Wie, mit welchen speziellen Handlungstheorien/Arbeitsweisen – und daran anschließenden Methoden<br />
– soll die vereinbarte Veränderung herbeigeführt werden? Produkt sind Teilpläne, verknüpft<br />
mit Handlungsleitlinien, Verfahren oder Methoden bis hin zu konkreten Handlungsleitlinien/-anweisungen;<br />
Wurden die Ziele erreicht? Mit welchem Aufwand? Produkt sind Evaluationswissen <strong>als</strong> Antwort<br />
auf die Wirksamkeit und (un)erwünschten Nebenfolgen der Veränderung, <strong>als</strong>o die Beurteilung<br />
des vorläufig erreichten Soll-Zustandes; dazu kommt eine Beurteilung des zeitlichen, personel-<br />
63
len, ressourcenbezogenen Aufwandes, den man zur Erreichung des (Teil-)Zieles benötigte.“<br />
(Staub-Bernasconi 2009, S. 29-30)<br />
Zu dem gekonnten Umgang mit den W-Fragen und den dazu gehörigen Wissensformen<br />
gehört allerdings auch noch die Umsetzung in die Praxis, d. h. die Verknüpfung der dargelegten<br />
Wissensformen und deren Umwandlung in praxisbezogene Handlungsleitlinien.<br />
Um diese Umsetzung bewerkstelligen zu können, schlägt Staub-Bernasconi die Anwendung<br />
des Transformativen Dreischritts vor. In einem ersten Schritt wird der Forschungsstand<br />
zu den Merkmalen des Sozialen Problems (Was-Frage) und den hypothetischen<br />
oder erforschten Erklärungen (Warum-Frage) so weit wie möglich zur Kenntnis genommen<br />
und aus der Verknüpfung der Was- mit der Warum-Frage werden nomologische<br />
Aussagen bzw. Gesetzmäßigkeiten gewonnen (Wenn-dann-Aussagen). In einem zweiten<br />
Schritt werden anhand der Verknüpfung der Wer- mit der Was- und der Warum-Frage<br />
handlungstheoretische, nomopragmatische Hypothesen formuliert (Wenn „man“-dann-<br />
Hypothesen). Schließlich werden die Was-/Warum- und Wer-Fragen mit der Wie-Frage<br />
verknüpft, um daraus imperative Aussagen, Handlungsleitlinien oder Regeln auf der Basis<br />
der nomopragmatischen Aussagen zu formulieren (Um zu -mache/schaffe-Aussagen).<br />
Ergänzend ist eine ethische Bewertung der angestrebten Veränderung und der Methodenwahl<br />
(Was-ist-(nicht)-gut-Frage) und daraufhin eine Operationalisierung (Woraufhin-<br />
Frage) vorzunehmen (vgl. Staub-Bernasconi 2009, S. 40-43).<br />
Für die hier behandelte Fragestellung, wie eine Einrichtung der Sozialen Arbeit professionalisiert<br />
werden kann, ergeben sich auf den ersten Blick eine Reihe von Schwierigkeiten:<br />
Der Zustand der mangelnden Professionalität der sozialarbeiterischen/ sozialpädagogischen<br />
Fachkräfte der KuK ist nicht in erster Linie ihnen selbst anzulasten, sondern ist wesentlich<br />
bedingt durch das fragmentierte „im Rahmen des additivistischen Paradigmas der<br />
vordisziplinären Sozialen Arbeit erzeugte und vermittelte Berufswissen“ (Obrecht 2001, S.<br />
12) in Verbindung mit den durch Fort- und Weiterbildungen erworbenen, nicht anschlussfähigen<br />
und ebenfalls fragmentierten Wissensbeständen. Die komplexe und verwickelte<br />
Genese dieser Situation wurde oben bereits nachgezeichnet. Es liegt nun auf der Hand,<br />
dass eine dem SPSA entsprechende disziplinäre Ausbildung der Fachkräfte allein schon<br />
wegen des zeitlichen, inhaltlichen und ggf. monetären Umfangs nicht nachgeholt werden<br />
kann. Außerdem wird eine Ausbildung auf der Grundlage des SPSA nach Kenntnis des<br />
Verfassers lediglich in der Schweiz von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften<br />
angeboten 27 . Trotzdem ist es aber das Bestreben des Verfassers, eine „nachho-<br />
27 „Mit ihrem Paradigma und ihrem SAW-Konzept ist die Zürcher Schule anschlussfähig an die internationale sozialarbeitswissenschaftliche<br />
Diskussion und entspricht dem Konsens, wie er zum Beispiel formuliert ist in der IFSW-Definition (verabschiedet<br />
im August 2000 in Montreal/Quebec von der International Federation of Social Workers), die in deutscher Übersetzung<br />
lautet:<br />
‚Soziale Arbeit ist eine Profession, die sozialen Wandel, Problemlösungen in menschlichen Beziehungen sowie die Ermächtigung<br />
und Befreiung von Menschen fördert, um ihr Wohlbefinden zu verbessern. Indem sie sich auf Theorien menschlichen<br />
64
lende“ Professionalisierung der Fachkräfte und mithin der Einrichtung, exemplifiziert am<br />
Arbeitsbereich ABW, zu erwirken. Dabei muss folgendes bedacht werden:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Ein Modell wie das SPSA kann in seinem vollen Umfang zunächst nur <strong>als</strong> konzeptuell<br />
aufbereitete Zielvorstellung angestrebt werden.<br />
Wesentliche Elemente des Modells, die einen hilfreichen und fruchtbringenden<br />
Praxisbezug versprechen, müssen in einem längeren Prozess organisationalen<br />
Lernens unter intensiver Einbeziehung der MA eingeübt werden.<br />
Die eingeführten Elemente müssen bezüglich ihrer Position und Funktion im Gesamtmodell<br />
fortlaufend reflektiert werden.<br />
Die eingeführten Elemente müssen auf ihre intendierte Wirkung hin regelmäßig<br />
evaluiert werden.<br />
Nach der Einführung und Habitualisierung einzelner Elemente können sukzessive<br />
weitere Elemente auf die beschriebene Weise integriert werden.<br />
Dabei liegt es nahe, den Bereich der Lösung praktischer Probleme (V) in Augenschein zu<br />
nehmen: „Professionen im engen Sinne [bearbeiten] Konstellationen praktischer Probleme<br />
von Individuen, die existentiellen Krisen entsprechen und sie tun dies, wie Professionen<br />
im weiten Sinne, auf der Grundlage wissenschaftsbasierter Verfahren.“ (Obrecht<br />
2009, S. 70) Die Zuspitzung des weiten, allgemeinen Professionsbegriffs auf einen spezifischeren<br />
bzw. engen wird durch die Einführung des inhaltlichen Kriteriums der Krise erreicht:<br />
„Eine Krise ist eine Lebenssituation eines Individuums, in der sein aktueller Mix aus physikalischen,<br />
biologischen, psychischen oder sozialen Problemen eine Stärke erreicht oder in einer<br />
Art kumuliert, so dass diese Situation durch das Individuum <strong>als</strong> Krise erlebt wird und es gegebenenfalls<br />
die Fähigkeit verliert, seine praktischen und im Besonderen seine psychischen und<br />
sozialen Probleme unter Nutzung seiner internen und ihm in seinem Alltag extern zugänglichen<br />
Ressourcen in einer für es zufriedenstellenden Weise zu lösen.“ (ebd.)<br />
Diese Definition beschreibt zutreffend das, womit es die MA des ABW in der Kontakt- und<br />
Krisenhilfe tagtäglich zu tun haben.<br />
Davon ausgehend und daran anknüpfend erscheint es sinnvoll und praktikabel, zunächst<br />
die ANHT (Stufe III) zu vermitteln, da hier der Anknüpfungspunkt zu der konkreten alltäglichen<br />
Praxis liegt und eine Strukturierung der dort nötigen kognitiven und praktischen Vollzüge,<br />
sowie deren Einbettung in und Verknüpfung mit den relevanten wissenschaftsbasierten<br />
Bezugsinhalten, mittel- bis langfristig zu größerer Souveränität bei den MA führen<br />
sollte. Inhalte aus den Bereichen Metawissenschaften, Objekttheorien und spezielle<br />
Verhaltens sowie sozialer Systeme <strong>als</strong> Erklärungsbasis stützt, interveniert Soziale Arbeit im Schnittpunkt zwischen Individuum<br />
und Umwelt/Gesellschaft. Dabei sind die Prinzipien der Menschenrechte und sozialer Gerechtigkeit für die Soziale<br />
Arbeit von fundamentaler Bedeutung.‘“ (ZHAW 2007-2013)<br />
65
Handlungstheorien (I, II und IV) ließen sich bspw. durch die Erhebung von vorhandenen<br />
Kenntnissen und Fertigkeiten der MA (insbesondere spezielle Handlungstheorien betreffend)<br />
und deren Verbreitung in der Einrichtung, sowie über regelmäßige (konzeptuell integrierte<br />
und jeweils vor- und nachbereitete) in- und externe Fortbildungen vermitteln und<br />
anhand des SPSA integrieren. Wie dies konkreter in der KuK vonstattengehen kann, wird<br />
unter dem Gliederungspunkt 2.6 ausgeführt werden.<br />
Zunächst soll aber versucht werden, einen geeigneten Bezugsrahmen zu bilden – ein<br />
Ordnungsgerüst, eine Orientierungshilfe – innerhalb dessen die ANHT und im Zusammenhang<br />
damit und in dessen Folge das SPSA in der KuK eigeführt werden können.<br />
Nach Ansicht des Verfassers eignet sich dafür das neue St. Galler Management-Modell in<br />
besonderer Weise. Es soll daher im Folgenden vorgestellt werden.<br />
66
2.5 Neues St. Galler Management-Modell<br />
2.5.1 Entstehung und theoretische Grundlagen<br />
Wie bereits festgestellt wurde, befindet sich das Sozialmanagement in einer ähnlichen<br />
Situation wie die Soziale Arbeit. Die Einführung des Begriffs Sozialmanagement ab den<br />
1980er Jahren erfolgte in der Bundesrepublik Deutschland ohne eine eindeutige Definition<br />
und trotz der inzwischen zahlreich vorhandenen Studiengänge wird der Begriff nach wie<br />
vor <strong>als</strong> diffus kritisiert und es ist auch in diesem Bereich ein Professionalisierungsdefizit zu<br />
konstatieren. In Anlehnung an das SPSA und das damit verbundene Wissenschaftsverständnis,<br />
kann man auch das Sozialmanagement <strong>als</strong> eine Handlungswissenschaft auffassen<br />
und in die untenstehende Grafik (an Stelle der gepunkteten Linie) einfügen.<br />
Abbildung 16: Modell eines integrierten Systems von Handlungswissenschaften (Obrecht 2001, S. 103)<br />
Ein Vorgehen nach der Vorstellung dieses transdisziplinären Bezugsrahmens ermöglicht<br />
dann auch einen interdisziplinären Austausch und Lernprozesse zwischen den Disziplinen<br />
Soziale Arbeit und Sozialmanagement. Für den Bereich des Sozialmanagements bedeutet<br />
dies, dass an dieser Stelle nun die dem Veränderungswissen (vgl. Staub-Bernasconi<br />
2009, S. 29) zuzuordnenden W-Fragen beantwortet werden müssen. Daraus folgt für die<br />
Professionalisierung des ABW und der MA der KuK, dass das Management sich darüber<br />
klar werden muss, wie der gewünschte Professionalisierungszustand aussehen soll, wel-<br />
67
che konkreten operationalisierten Zielsetzungen daraus folgen, wer an der Umsetzung in<br />
welcher Weise und welchem Umfang beteiligt sein soll, mit welchen Ressourcen die erwünschte<br />
Veränderung bewerkstelligt werden soll und mit welchen speziellen Handlungstheorien<br />
zu Werke gegangen werden soll. Schließlich müssen die daraufhin ins Werk gesetzten<br />
Pläne, Teilpläne, Verfahren und Methoden auch noch regelmäßig auf ihre Wirksamkeit<br />
hin überprüft werden.<br />
In Anlehnung an das Vier-Ebenen-Modell muss im Vollzug der ANHT geklärt werden,<br />
welche spezifischen Methoden für die erwünschte Veränderung in Frage kommen und<br />
welche Bezugswissenschaften dafür herangezogen werden müssten. Als Bezugswissenschaften,<br />
deren Erkenntnisse in der vom Verfasser dieser Arbeit benutzten Fachliteratur –<br />
besonders auch bezüglich der hier ausgewählten speziellen Handlungstheorien (vgl. Gliederungspunkt<br />
2.6) – herangezogen werden, seien beispielhaft genannt: (Organisations-)Soziologie,<br />
(Organisations-)Psychologie, (Betriebs-)Wirtschaftswissenschaft und<br />
weitere Disziplinen der Sozial- und Verhaltenswissenschaften. Nicht zuletzt muss die Frage<br />
geklärt werden, welche Metatheorie(n), die wiederum in einem Metamodell kumulieren<br />
können, in Frage kommen.<br />
Der Verfasser hat sich nach der Sichtung der einschlägigen Literatur für das neue St. Galler<br />
Management-Modell <strong>als</strong> Metamodell und Orientierungsrahmen für die vorzunehmenden<br />
Veränderungen entschieden. Es soll dazu verhelfen den Überblick darüber zu behalten,<br />
welche Gruppen und Personen in der Einrichtung involviert werden müssen und/oder<br />
betroffen oder tangiert sein werden bei der Einführung des SPSA und an welchen Stellen<br />
Veränderungen zu erwarten sind etc.<br />
Das neue St. Galler Management-Modell hat seinen Ursprung bereits 1954 mit der Gründung<br />
des Instituts für Betriebswirtschaft an der damaligen Handelshochschule St. Gallen<br />
durch Hans Ulrich. Dieser war daran interessiert die damalige herkömmliche Betriebswirtschaftslehre<br />
zu einer ganzheitlichen Managementlehre weiterzuentwickeln, da er von der<br />
Notwendigkeit einer theoretischen Grundlegung für Unternehmen angesichts ihrer komplexen<br />
Einbettung in eine vielschichtige Umwelt überzeugt war (vgl. Bürgisser, et al. 2012,<br />
S. 259). Das von Ulrich entwickelte St. Galler Management-Modell wurde von seinen Mitstreitern<br />
und Schülern über die Jahre kontinuierlich weiterentwickelt und theoretisch vertieft.<br />
In dieser Tradition stehend, versteht sich auch das neue St. Galler Management-<br />
Modell <strong>als</strong> ganzheitlichen und systemtheoretischen Ansatz. Besonders hervorgehoben<br />
und behandelt werden in der neuen Version die ethisch-normative Dimension und die<br />
Ausrichtung auf bzw. die Einbeziehung von Gesellschaft und Anspruchsgruppen, die prozessorientierte<br />
Sichtweise und die Notwendigkeit einer kontextbezogenen Analyse komplexer<br />
Beziehungs- und Kommunikationsprozesse. Metatheoretisch rekurriert der Ansatz<br />
68
neben den systemisch ausgerichteten Vertretern aus dem Umfeld der Hochschule St.<br />
Gallen (Hans Ulrich, Gilbert Probst, Knut Bleicher, Peter Gomez, Fredmund Malik) auf die<br />
soziologische Systemtheorie von Niklas Luhmann, die Strukturationstheorie von Anthony<br />
Giddens und diverse sozialkonstruktivistische Ansätze aus der angewandten Sozialwissenschaft<br />
(vgl. Rüegg-Stürm 2003, S. 15-16); des Weiteren wird in diesem Umfeld gerne<br />
auf Biokybernetiker wie Frederic Vester zurückgegriffen (vgl. Ulrich und Probst 1991, S.<br />
20) und eine Nähe zu radikal-konstruktivistischen Ansätzen klingt immer mal wieder an. 28<br />
Die Anschlussfähigkeit des neuen St. Galler Management-Modells nach Rüegg-Stürm an<br />
das Bungesche Systemdenken, das sich <strong>als</strong> materialistisch-realistisch (vgl. Bunge und<br />
Mahner 2004, S. 233) versteht und somit in der Tradition eines kritischen Realismus (vgl.<br />
Kruse/Stadler 1990 in Gairing 2008, S. 150) steht, hält der Verfasser trotzdem für gegeben<br />
und für den Praxisbezug unproblematisch. Trotz der postulierten Nähe und der semantischen<br />
Rückgriffe auf seine metatheoretischen Gewährsleute wird Rüegg-Stürm in<br />
der Ausdifferenzierung seines Modells an entscheidenden Stellen immer wieder kritischrealistisch,<br />
indem er z. B. durchaus, wie Bunge, Kommunikation <strong>als</strong> Relation zwischen<br />
Relata (vgl. Fußnote 22), nämlich Menschen und Menschengruppen, versteht etc. Diese<br />
Tendenz mag daher rühren, dass man in der Management-Praxis regelmäßig gezwungen<br />
wird, konkrete Gegebenheiten <strong>als</strong> solche zur Kenntnis zu nehmen und sich damit in<br />
pragmatischer Weise auseinanderzusetzen. Dass man auch <strong>als</strong> kritischer und materialistischer<br />
Realist eine systemische und ganzheitliche Sichtweise vertreten kann, dafür ist<br />
Mario Bunge ein Beispiel 29 .<br />
28 Z. B. in Passagen wie: „[…] wird die Sozialität meschlicher Welt, und damit auch der Management-Praxis, in sozialen<br />
Konstruktions- und Interpretationleistungen begründet gesehen […]“, oder: „[…] sind <strong>als</strong>o Modelle <strong>als</strong> kontingente<br />
Erfindungen zu verstehen, […].“ (Rüegg-Stürm 2003, S. 7, 15; Hervorh. im Original)<br />
29 In Deutschland zählen vor allem Bernulf Kanitscheider (Gießen) und Gerhard Vollmer (Braunschweig) zu dieser Denkrichtung.<br />
69
2.5.2 Grundkategorien des Modells und Praxisbezug<br />
Das Modell ist in seinem Gesamtaufbau aus sechs Grundkategorien zusammengesetzt,<br />
die sich jeweils auf zentrale Managementdimensionen beziehen:<br />
Abbildung 17: Das neue St. Galler Management-Modell im Überblick (Universität St. Gallen 2012)<br />
2.5.3 Umweltsphären<br />
Die Umweltsphären bezeichnen zentrale Kontexte der unternehmerischen Tätigkeit und<br />
sind auf relevante Veränderungstrends hin zu analysieren (vgl. unter diesem<br />
Gliederungspunkt, sofern nicht anders vermerkt, Rüegg-Stürm 2003, S. 22 ff.). In Bezug<br />
auf Soziale Einrichtungen besteht insbesondere ein Anknüpfungspunkt an die umfassendste<br />
Sphäre Gesellschaft, die den Diskurs darüber beinhaltet, was Soziale Probleme<br />
und welches die Aufgaben Sozialer Einrichtungen innerhalb der Gesellschaft sind. Auch<br />
Fragen nach der Legitimation Sozialer Einrichtungen und ihrer Tätigkeiten, nach der Artikulation<br />
der besonderen Probleme der Klientel und nach der Interessensvermittlung zwischen<br />
unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen sind hier verortet (vgl. Bürgisser, et<br />
al. 2012, S. 240, 261). Ebenfalls gibt es hier Bezüge zu dem Themenbereich der sozialpolitischen<br />
Steuerung mit den Fragen nach den Zielen und Inhalten von Programmen und<br />
Angeboten, der Klärung der politischen und rechtlichen Zuständigkeit, der Umsetzung von<br />
Zielen im Rahmen von Leistungsvereinbarungen und der Gestaltung von Versorgungssystemen<br />
(vgl. ebd., S. 243).<br />
70
Eine durch die Einführung des SPSA und die ANHT eingeleitete und vorangetrieben Professionalisierung<br />
der KuK würde es ermöglichen, anhand der mit den W-Fragen verbundenen<br />
Wissensformen den gesellschaftlichen Dialog, der auch mit Fragen und Themen<br />
der Umweltsphäre Wirtschaft korreliert, auf eine fundiertere Art und Weise zu führen, <strong>als</strong><br />
dies bisher der Fall ist. Anhand der mit der ANHT verknüpften Vorgehensweise können<br />
wissenschaftlich seriöse und pointierte Aussagen getroffen werden über die gesellschaftliche<br />
und wirtschaftliche Situation der Klientel und deren Soziale Probleme, sowie die gesellschaftliche<br />
und wirtschaftliche Relevanz des ABW und der Einrichtung KuK in der Region.<br />
Eine professionellere Vorgehensweise und ein entsprechendes Auftreten würden<br />
der Qualität des Dialogs mit den diversen gesellschaftlichen Gruppen auf ein Niveau heben,<br />
das letztlich den Klient/inn/en der KuK zugutekäme.<br />
2.5.4 Anspruchsgruppen<br />
Die Anspruchsgruppen 30 (Stakeholder) umfassen alle organisierten oder nicht organisierten<br />
Vereinigungen von Menschen, Organisationen und Institutionen, die von den Aktivitäten<br />
einer Organisation betroffen sind oder die Einfluss auf die Aktivitäten der Organisation<br />
nehmen können. Im Sozialen Bereich fallen hierunter auch diejenigen Gruppen und Institutionen,<br />
mit denen eine Einrichtung z. B. ein gemeinsames Interesse an der Arbeit mit<br />
einer bestimmten Klientel verbindet. Diese Gruppen kann man auch sinnvoller Weise <strong>als</strong><br />
Kooperationspartner bezeichnen. Themen wie die fall- und prozessbezogene Koordination<br />
und die Koordination zwischen den Kooperationspartnern, die Abstimmung der verschiedenen<br />
Angebote für die Klientel, die Strukturierung der Versorgung im Sozialraum<br />
werden mit diesen ausgetauscht (vgl. Bürgisser, et al. 2012, S. 252, 262).<br />
Die Anspruchsgruppen und Kooperationspartner im ABW der KuK sind im Wesentlichen<br />
die Klient/inn/en, die Kostenträger LWL und JA, Angehörige und persönliches Umfeld der<br />
Klient/inn/en, rechtliche Betreuer, Haus- und Fachärzte, Krankenkassen, Allgemeine<br />
Krankenhäuser und Fachkliniken, andere soziale Dienste und Einrichtungen; Behördliche<br />
und behördennahe Einrichtungen wie der Sozialpsychiatrische Dienst, die Berufliche Eingliederung,<br />
Frauenberatungsstellen, Bewährungshilfe, JobCenter, Agentur für Arbeit, Sozialämter,<br />
Erziehungsberatungsstellen, Eheberatungsstellen etc. Interne Kooperationspartner<br />
sind die TS und die KuB.<br />
Der Umgang mit den relevanten Anspruchsgruppen kann entweder aus der Sichtweise<br />
eines strategischen oder eines normativ-kritischen (ethischen) Anspruchsgruppenkonzepts<br />
erfolgen. Ersteres wird sich an der Auswahl und der Priorisierung oder Gewichtung<br />
30 In der einschlägigen Literatur zum Themenkomplex Management finden sich diverse synonyme Begriffe, die diejenigen<br />
bezeichnen, die ein Interesse an der Arbeit von Organisationen haben, daher auch Ansprüche stellen und somit berücksichtigt<br />
werden müssen: Stakeholder, interessierte Parteien, Anspruchsgruppen, B- und C-Kunden etc., aber auch gemeinsame<br />
Interessen und Ziele herausstellende Begriffe wie Kooperationspartner.<br />
71
der relevanten Akteure vorrangig an deren Einflussmöglichkeiten und der Wirkmächtigkeit<br />
ihrer Ansprüche orientieren im Hinblick auf die Zukunftssicherung der Einrichtung. In dieser<br />
Hinsicht würde man sich in der KuK vorrangig auf die Aufrechterhaltung der Kooperationsbereitschaft<br />
und der Akzeptanzsicherung hinsichtlich der Kostenträger und besonders<br />
auf den LWL konzentrieren.<br />
Aus der Sicht des normativ-kritischen (ethischen) Anspruchsgruppenkonzepts werden alle<br />
Gruppen, die von den Tätigkeiten einer Einrichtung tangiert sind und/oder umgekehrt in<br />
irgendeiner Weise die Geschicke der Einrichtung beeinflussen können <strong>als</strong> relevante Anspruchsgruppen<br />
anerkannt. Das ausschlaggebende Kriterium ist nicht die Wirkmächtigkeit<br />
der Akteure, sondern die ethisch begründbare Legitimität ihrer Ansprüche.<br />
Letztlich wird eine Soziale Einrichtung wie die KuK eine Mischform der beiden Anspruchsgruppenkonzepte<br />
bevorzugen. Ausschlaggebend ist die normative Festlegung im<br />
Leitbild 31 , in dem an zahlreichen Stellen hervorgehoben wird, dass in sämtlichen Bezügen<br />
der Arbeit der KuK die Klient/inn/en im Zentrum aller Bemühungen stehen, so z. B. bezüglich<br />
der Kooperationspartner: „In der Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern<br />
pflegen wir eine enge gemeindepsychiatrische Vernetzung im Interesse unserer Klienten.<br />
[…] Der Bedarf der Menschen, die sich an uns wenden, steht im Vordergrund, so dass wir<br />
gegebenenfalls gerne auch an andere Hilfeanbieter vermitteln.“ (Kontakt- und Krisenhilfe<br />
2012, S. 3; Hervorh. J.W.) Das bedeutet, dass die KuK im Sinne ihrer Klient/inn/en sowohl<br />
auf die eigene Zukunfstssicherung <strong>als</strong> auch auf die Berücksichtigung der ja ebenfalls mit<br />
denen der Klient/inn/en verbundenen Ansprüche der anderen genannten Gruppen<br />
bedacht sein muss.<br />
Auch der im Leitbild postulierte Vorrang der Klient/inn/en würde durch die Anwendung der<br />
ANHT mit professionellem Wissen und Handlungsleitlinien konkretisiert werden. Dies<br />
kann dazu führen, dass aus fachlichen Einzel- und Gesamterwägungen heraus die<br />
intensivere Zusammenarbeit mit und die stärkere Berücksichtigung von bestimmten<br />
Kooperatiospartnern jeweils nachvollziehbar dargelegt und begründet werden kann.<br />
2.5.5 Interaktionsthemen<br />
Die bisher genannten Themen und Fragen bezüglich Sozialer Einrichtungen sind alle<br />
auch in der Grundkategorie Interaktionsthemen verortet. Damit werden die Inhalte und<br />
Gegenstände („issues“) der Kommunikation in den Austauschbeziehungen zwischen einer<br />
Organisation und ihren Anspruchsgruppen bezeichnet. Ein sehr wichtiges Interaktions-<br />
31 Die Ansprüche der aus Organisationsperspektive maßgeblichen Anspruchsgruppen (einschließlich der MA und der Klient/inn/en)<br />
fließen in der Regel in ein Leitbild ein und so verhält es sich auch mit dem Leitbild der KuK, das im Zusammenhang<br />
mit der QMS-Implementierung unter Einbeziehung aller MA entstanden ist. Das Leitbild enthält neben der Mission und<br />
den Werten der Einrichtung auch normative Ziele, von denen wiederum über den Weg der Qualitätspolitik die Qualitätsziele<br />
abgeleitet werden müssen, die sich auf der Ebene von strategischen Zielen befinden.<br />
72
thema für Soziale Einrichtungen, das alle drei Elemente dieser Kategorie (Ressourcen,<br />
Normen und Werte, Anliegen und Interessen) umfasst ist das der Professionalität einer<br />
Einrichtung und ihrer MA. Die vorhandene oder nicht vorhandene Professionalität wiederum<br />
ist einrichtungsbezogen verknüpft mit Fragen des normativen, strategischen und operativen<br />
Managements, Fragen der Organisationsgestaltung und -entwicklung, sowie des<br />
Personalmanagements und der Personalentwicklung (Human Ressources Management)<br />
und mit Fragen des Controllings, der Wirkung und der Qualität der Angebote. Nicht zuletzt<br />
geht es eben um die Kommunikation der in der Einrichtung vorhandenen Professionalität<br />
<strong>als</strong> Qualitätsmerkmal u.a. über den Weg des Marketings (vgl. Bürgisser, et al. 2012, S.<br />
245).<br />
Einerseits haben die in unterschiedlicher Weise von den Aktivitäten der KuK betroffenen<br />
Kooperationspartner und Anspruchsgruppen jeweils bestimmte Anliegen an die Einrichtung,<br />
umgekehrt können aber auch die bei den entsprechenden Gruppen geltenden Werte,<br />
Normen und Prioritäten von Legitimierungs- und Entscheidungsprozessen der KuK<br />
beeinflusst werden. Bei konfligierenden Ansprüchen und Interessen der unterschiedlichen<br />
Gruppen müssen diese jedenfalls im Sinne eines ethischen Anspruchsgruppenkonzeptes<br />
sorgfältig argumentativ und nachvollziehbar miteinander abgewogen werden. Inwieweit<br />
einerseits die stärkere oder weniger starke Berücksichtigung der Interessen der Anspruchsgruppen<br />
für diese nachvollziehbar und akzeptabel sein wird und inwieweit sich<br />
diese andererseits auf die Anliegen der KuK einlassen werden, hängt ganz entscheidend<br />
von dem professionellen Niveau der Legitimierungs- und Entscheidungsprozesse ab. Die<br />
entscheidende Bezugsgröße dafür ist in engem Zusammenhang mit dem normativ verankerten<br />
Vorrang der Klient/inn/en im Leitbild und dem Erkenntnisgewinn aus der Anwendung<br />
des SPSA das von Staub-Bernasconi so genannte Tripelmandat der Sozialen Arbeit<br />
(vgl. Staub-Bernasconi 2007, S. 198 ff.).<br />
Während im Allgemeinen von einem Doppelmandat Sozialer Arbeit ausgegangen wird,<br />
das sich einerseits aus der Hilfe für die jeweilige Klientel und andererseits aus einem sozialrechtlich<br />
legitimierten Auftrag durch entsprechende staatliche Instanzen ergibt, erweitert<br />
Staub-Bernasconi dies zu einem Tripelmandat. Das dritte Mandat wird differenziert in<br />
a) eine wissenschaftliche Beschreibungs- und Erklärungsbasis im Hinblick auf Soziale<br />
Probleme und damit wissenschaftsbegründete Arbeitsweisen und Methoden, b) eine ethische<br />
Basis, z. B. in Form eines Berufskodex 32 , auf deren Grundlage sich die Professionellen<br />
in ihren Entscheidungen relativ unabhängig von z. B. ideologisch oder ökonomistisch<br />
motivierten Interessen von Anspruchsgruppen positionieren können und c) die dort opera-<br />
32 Die im Leitbild der KuK verankerten ethischen Aussagen und Normen müssten mit einschlägigen nationalen und internationalen<br />
Berufskodizes der Sozialen Arbeit abgeglichen werden. Das würde allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen.<br />
73
tionalisierten Menschenrechte 33 „<strong>als</strong> eine Legitimationsbasis, die über legale Gesetze und<br />
bindende Verträge, Aufträge und Arbeitsbündnisse hinausweisen und, wenn nötig, eigenbestimmte<br />
Aufträge ermöglichen [kann].“ (Staub-Bernasconi 2007, S. 200) Dies böte die<br />
Möglichkeit, Soziale Probleme sowie Aufträge und Anliegen nicht nur aus der Perspektive<br />
der jeweiligen Auftraggeber oder Anspruchsgruppen, sondern aus professionsethischer<br />
Perspektive zu bedenken und sich somit von möglichen Machtinteressen oder anderen<br />
Zumutungen wohlbegründet und kritisch distanzieren zu können. In der Logik des SPSA<br />
besteht das professionsethische Problem der Professionellen dann darin,<br />
„die berechtigten Anliegen der Klient(inn)en und die Erfordernisse von Professionalität an [die<br />
Auftraggeber und Anspruchsgruppen, J.W.] heranzutragen, und die dadurch entstehenden Konflikte<br />
einerseits <strong>als</strong> zu ihrer Rolle gehörend zu behandeln, andererseits auch mit professionellen<br />
Mitteln zu bearbeiten.“ (Obrecht 2005 in Staub-Bernasconi 2007, S. 202).<br />
Aus diesen Überlegungen hinaus ergibt sich für eine Soziale Einrichtung eine strategische<br />
Positionierung, die einer möglichst ausgewogenen Mischung aus der sowohl nach ethischen<br />
<strong>als</strong> auch nach ökonomischen Gesichtspunkten folgenden Priorisierung von Anliegen<br />
der relevanten Anspruchsgruppen folgt. Die strategische Ausrichtung inklusive Zielen<br />
und Projekten müssen in effektive und effiziente Wertschöpfungsprozesse umgesetzt<br />
werden.<br />
2.5.6 Ordnungsmomente<br />
Die Grundkategorie der Ordnungsmomente meint die in einer Organisation bereichsübergreifenden<br />
strukturierenden „Kräfte“, die mit den Strukturen einer Sprache (Grammatik,<br />
Semantik) vergleichbar sind und dem Alltagsgeschehen in Einrichtungen eine kohärente<br />
Form geben, die Alltagstätigkeiten auf bestimmte Wirkungen und Ergebnisse ausrichten<br />
und dem Tun der Einrichtung einen übergreifenden Sinn verleihen. Eine umfassende<br />
Strukturierungshilfe in einer Sozialen Einrichtung kann u. a. das QM bieten, so es denn<br />
unter der Prämisse, Professionalität zu entwickeln und zu sichern eingeführt wird. 34<br />
Das Ordnungsmoment Strategie soll in inhaltlicher Hinsicht Klarheit ermöglichen über fünf<br />
Themenkomplexe: Es soll Auskunft geben über die aus den oben genannten Überlegungen<br />
ermittelten relevanten Anspruchsgruppen und Kooperationspartner, deren Anliegen<br />
33 Aus diesen ist auch der Artikel 3 der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen<br />
vom 13. Dezember 2006 abgeleitet, der im Leitbild der KuK <strong>als</strong> verbindlicher Orientierungsrahmen zitiert wird (vgl.<br />
Kontakt- und Krisenhilfe 2012, S. 1).<br />
34 Den Erkenntnissen des SPSA folgen gibt es bezüglich des QM in der Sozialen Arbeit<br />
„(1) Ein übergeordnetes professionelles Qualitätsziel, bestehend aus drei Teilzielen:<br />
(a) die Festlegung und laufende Anpassung von Qualitätsnormen (Standards) aufgrund des zur Verfügung stehenden<br />
human- und sozialwissenschaftlichen Wissens,<br />
(b) die Ermittlung der erschliessbaren Ressourcen der Klientel, Organisation wie der Gesellschaft und<br />
(c) die Überprüfung der Zielerreichung und damit der Wirksamkeit der Hilfeleistung sowie die Ermittlung derjenigen Faktoren,<br />
die zur Zielerreichung beigetragen haben.<br />
(2) Ein untergeordnetes betriebswirtschaftliches Ziel, das heißt Kostentransparenz – mit dem Zweck, die Kosten der Erbringung<br />
der Dienstleistungen zu berechnen und an Effizienzkriterien des wirksamen, sparsamen, nachhaltigen sowie sozialverträglichen<br />
Mitteleinsatzes zu messen.“ (Staub-Bernasconi 1998, S. 99-100)<br />
74
und Bedürfnisse und über geeignete Kommunikationsformen für eine optimale und nachhaltige<br />
Gestaltung dieser Beziehungen. Daraufhin muss das Leistungsangebot definiert<br />
werden und der Nutzen, der bei den entsprechenden Anspruchsgruppen gestiftet werden<br />
soll, dargelegt werden. In Bezug auf die Gesamtwertschöpfung, hier im Sinne der sozialpsychiatrischen<br />
Versorgung im Sozialraum Ennepe-Ruhr-Kreis, muss eine Soziale Einrichtung<br />
wie die KuK sich darauf festlegen, welchen Teil der gesamten Wertschöpfungskette<br />
sie abdecken will und welche Aufgaben andere Einrichtungen und Institutionen<br />
übernehmen sollen. Das hat wiederum Rückwirkungen auf die Auswahl von Kooperationspartnern<br />
und die Gestaltung der Zusammenarbeit mit diesen. Schließlich muss herausgestellt<br />
werden, welche Fähigkeiten oder Kernkompetenzen bereits vorhanden sind<br />
oder erst noch aufgebaut werden müssen, damit sich eine Einrichtung wie die KuK durch<br />
eine längerfristig überlegene, möglichst einzigartige Nutzenstiftung bei den Klient/inn/en,<br />
Kooperationspartnern und Anspruchsgruppen profilieren kann.<br />
Auch für die Beantwortung dieser fünf parallel zu bearbeitenden Themenkomplexe, die<br />
der KuK zu strategischem Orientierungswissen verhelfen sollen, ist eine zunehmende<br />
Professionalisierung für eine inhaltlich gut begründete und nachvollziehbar legitimierte<br />
Strategie unabdingbar. Strategisches, nach professionellen Gesichtspunkten erarbeitetes<br />
Orientierungswissen, dient nicht zuletzt auch <strong>als</strong> Bezugsrahmen bei der Allokation knapper<br />
Ressourcen, d. h. bei Verhandlungen mit den Kostenträgern, bei der Gewinnung neuen<br />
Person<strong>als</strong> etc. Die Denkrichtung der Inside-out-Perspektive oder des sogenannten<br />
Ressource-based-View betont entsprechend, dass eine Einrichtung nachhaltige Wettbewerbsvorteile<br />
erreicht, wenn sie Ressourcen mobilisiert und Kompetenzen entwickelt, die<br />
zugleich wertvoll, selten, schwer imitierbar, nicht substituierbar sind und es ermöglichen,<br />
die Umwelt nach eigenen Vorstellungen mitzugestalten. Immaterielle Ressourcen, wie das<br />
nicht handelbare Wissen der MA, zu entwickeln, beruht auf spezifischen Kompetenzen<br />
einer Einrichtung und führen wiederum zu einem Zuwachs an Kompetenzen bei den MA.<br />
„Solche Kompetenzen setzen sich einerseits zusammen aus einem eher kognitiven Aspekt,<br />
nämlich aus Wissen, und andererseits aus praktischen Fähigkeiten, d. h. aus intelligenten Abläufen<br />
und organisationalen Routinen, in deren Struktur (Prozessmuster) sich das organisationale<br />
Wissen spiegelt und die dazu beitragen, dass die verfügbaren Ressourcen optimal genutzt<br />
werden können […] Die Inside-out-Perspektive betont demzufolge vor allem die Notwendigkeit<br />
einer systematischen Kompetenzentwicklung <strong>als</strong> Kernaufgabe des strategischen Managements.“<br />
(Rüegg-Stürm 2003, S. 45)<br />
Dieser Kernaufgabe würde die KuK durch die Professionalisierung ihrer MA anhand des<br />
SPSA gerecht werden und so eine Kernkompetenz gewinnen, die neben dem ABW auch<br />
in den anderen Arbeitsbereichen zum Tragen kommen könnte und die es ermöglichen<br />
würde, auch auf veränderte Rahmenbedingungen flexibel reagieren zu können.<br />
75
Das Ordnungsmoment Struktur soll eine ausgewogene Balance zwischen einer Effizienz<br />
ermöglichenden Aufgabendifferenzierung (Arbeitsteilung) einerseits und einer Effektivität<br />
ermöglichenden Koordination und Reintegration von Teilleistungen andererseits bewirken.<br />
Strukturen sichern in einer Einrichtung das, was eine zeitliche Konstanz aufweisen soll<br />
und sind Ausdruck von Ordnung und Organisation. Als wesentliche Kategorien kann man<br />
die Aufbaustruktur von der Ablaufstruktur unterscheiden. Erstere lässt sich gut in der<br />
Form von Organigrammen darstellen, wie es in dieser Arbeit zur Illustration der Entwicklung<br />
der KuK geschehen ist. Die Ablauf- oder Prozessstrukturen legen fest, welche Tätigkeiten<br />
in welcher zeitlichen und logischen Abfolge zu verrichten sind. Prozessstrukturen<br />
dienen der zeitlichen und räumlichen Koordination von Aufgaben, der Minimierung und<br />
Optimierung von Schnittstellen und Doppelarbeiten etc. und sind ein klassisches Betätigungsfeld<br />
des QM. Strukturen bedürfen einer zielgerichteten Gestaltung und Bestrebungen<br />
der Optimierung und Erneuerung, wie die der Professionalisierung einer Einrichtung,<br />
machen eine kontinuierliche Überprüfung und Weiterentwicklung organisationaler Strukturen<br />
erforderlich. Die Einführung des SPSA in der KuK unter größtmöglicher Beteiligung<br />
der MA löst einen organisationalen Lernprozess aus, der auch die bisher gewachsenen<br />
Strukturen mit einbezieht und dort auch Veränderungsprozesse in Gang bringen wird.<br />
Dabei wird man zunächst an die vorhandenen Strukturen (und alle übrigen Gegebenheiten)<br />
anknüpfen müssen, Sinnvolles beibehalten und anderes verändern müssen.<br />
„Jede Form von Führungs- und Organisationsarbeit findet […] immer schon in einem gewachsenen<br />
strukturellen (und kulturellen) Kontext statt, der vieles ermöglicht, <strong>als</strong> geboten und sinnvoll<br />
erscheinen lässt, anderes dagegen <strong>als</strong> unangemessen und sinnlos. Es sind deshalb nicht<br />
nur Menschen, die organisieren; sondern an diesem ordnungsbildenden Geschehen ‚mitbeteiligt‘<br />
sind immer auch die gewachsenen Strukturen und die laufenden Kommunikations- und Beziehungsprozesse.“<br />
(Rüegg-Stürm 2003, S. 53)<br />
Dieses Phänomen der Pfadabhängigkeit berührt, wie in dem Zitat bereits anklingt, auch<br />
die gewachsene Kultur einer Einrichtung.<br />
Über Ordnung und Organisation hinaus bedarf eine Einrichtung auch eines Ordnungsmoments,<br />
das einen gemeinsamen Sinnhorizont und ein gemeinsames explizites oder<br />
implizites Hintergrundwissen verbürgt – die Kultur einer Einrichtung. Diese ist abzulesen<br />
an symbolischen Bezugspunkten und Gewissheiten, die Orientierung im Alltag bieten,<br />
Ordnung stiften und zur Routinisierung beitragen, wie Normen und Werte, Einstellungen<br />
und Haltungen, Geschichten und Mythen, Denk-, Argumentations- und Interpretationsmuster,<br />
Sprachregelungen, kollektive Erwartungen und Hintergrundüberzeugungen. Auf<br />
diese Kulturmomente wird im Arbeitsalltag meist unbewusst Bezug genommen und sie<br />
werden durch diese Bezugnahme stets neu reproduziert.<br />
76
Die kulturbildenden Elemente in einer Einrichtung führen zu den dort wirksamen handlungsleitenden<br />
oder praktizierten Theorien, während z. B. im Leitbild eher die vertretenen<br />
oder verlautbarten Theorien dokumentiert sind. (vgl. Argyris und Schön 2008, S. 87 ff.,<br />
Ridder 2009, S. 186 ff. und Senge 2011) So steht im Leitbild der KuK zu lesen, dass sie<br />
sich <strong>als</strong> lernende Organisation versteht und weiter:<br />
„Wir vertreten eine systemisch-ganzheitliche Sichtweise […]. Wir fördern die Professionalität<br />
[…] unserer Mitarbeiter […]. Unsere Angebote und Leistungen halten wir stets auf<br />
dem jeweiligen Stand aktueller Erkenntnisse und Methoden Sozialer Arbeit […].“ (Kontaktund<br />
Krisenhilfe 2012, S. 2-4) Diese vertretenen Grundsätze sind bisher nicht oder nur<br />
sehr eingeschränkt eingelöst worden und würden durch die Implementierung des SPSA<br />
eingelöst werden. Die Diskrepanz zwischen den verlautbarten und oft auch erwünschten<br />
Zuständen und der tatsächlich gelebten Alltagsrealität kann durch Prozesse und Techniken<br />
des organisationalen Lernens aufgedeckt werden, worauf später noch zurückzukommen<br />
sein wird.<br />
2.5.7 Prozesse<br />
Das unter die Prämisse der Unterstützung von Professionalisierung gestellte QM kann<br />
auch maßgeblich an der sinnvollen Ausgestaltung und Dokumentation der Prozesse, die<br />
im neuen St. Galler Management-Modell <strong>als</strong> weitere Grundkategorie genannt werden,<br />
beteiligt sein. Alle Klient/inn/en- und Anspruchsgruppenbezogenen (Wertschöpfungs-)<br />
Aktivitäten einer Sozialen Einrichtung, genauso wie die dazu nötigen Unterstützungs- und<br />
Führungstätigkeiten, werden <strong>als</strong> Prozesse erbracht, d. h. sie unterliegen einer bestimmten<br />
sachlichen und zeitlichen Logik auf deren möglichst sinnvolle, effiziente und effektive Gestaltung<br />
es ankommt.<br />
Die Gestaltung der organisationalen Ablaufstrukturen und somit der Prozesse kommt,<br />
wenn man sich ihre Elemente anschaut, der Struktur der zu implementierenden ANHT<br />
sehr nahe: Die Aufgabenkette bildet die wichtigsten Tätigkeiten/Aufgaben eines Prozesses<br />
in der Reihenfolge ihres Ablaufs ab. Die Makroebene gewährt dabei einen Gesamtüberblick<br />
über den Prozess, während auf der Mikroebene die Tätigkeiten/Aufgaben so<br />
detailliert beschrieben werden, dass sie Arbeitsanweisungen an die MA gleichkommen.<br />
Eine Tätigkeit oder Aufgabe ist eine Funktion der Einrichtung, die von Menschen ausgeführt<br />
wird und von bestimmten Eingaben (Daten, Informationen) von Prozesslieferanten<br />
(z. B. MA, Klient/inn/en, Kooperationspartner) anhängig ist. Dies wiederum muss zu bestimmten<br />
Leistungen oder Ergebnissen führen, die an interne oder externe Prozesskunden<br />
(z. B. MA, Klient/inn/en, Kooperationspartner) geliefert werden. In der KuK <strong>als</strong> Soziale<br />
Einrichtung sind die Leistungen oder Ergebnisse vorwiegend immaterieller Natur. EDV-<br />
77
Dokumentations- und Informationssysteme können die Aufgabenerfüllung unterstützen.<br />
Die Prozessführung dient der zeitlichen und fachlichen Priorisierung der Tätigkeiten, der<br />
Feinabstimmung im Einrichtungs-Alltag und der Koordinierung und effizienten und effektiven<br />
Nutzung der nötigen Ressourcen. Zur systematischen Optimierung werden die wichtigsten<br />
Prozesse mit Kennzahlen versehen. Die Prozessentwicklung schließlich soll für die<br />
Gestaltung und kontinuierliche Weiterentwicklung einzelner Prozesse sorgen. Eine konsequente<br />
Anwendung der Prozessperspektive führt zu dem Verständnis einer Einrichtung<br />
<strong>als</strong> System von Prozessen, zwischen denen wechselseitige Abhängigkeiten und „Kunden-<br />
und Lieferantenbeziehungen“ bestehen und das auch <strong>als</strong> Prozessarchitektur bezeichnet<br />
wird. Diese Prozessarchitektur kann man in drei Prozesskategorien, die ihrerseits wieder<br />
Teilprozesse beinhalten, differenzieren: Managementprozesse, Ausführungsprozesse und<br />
Unterstützungsprozesse.<br />
Die Implementierung der ANHT <strong>als</strong> Kernelement des SPSA im Arbeitsbereich ABW der<br />
KuK erfordert auf der Ebene der Managementprozesse normative, strategische und operative<br />
Prozesse. Auf der normativen Ebene muss die Leitung die Implementierung der<br />
ANHT fachlich begründen und legitimieren und die Kongruenz zu den im Leitbild postulierten<br />
Normen und Werten diskutieren und verdeutlichen. Dabei ist es wichtig, die betroffenen<br />
MA möglichst umfänglich mit einzubeziehen und dem Verständigungsprozess große<br />
Sorgfalt zu widmen. Das strategische Management muss die Wichtigkeit einer vertieften<br />
Professionalisierung und mithin eines nachhaltigen und tiefgreifenden Wandels z. B. vor<br />
dem Hintergrund der Spar- und damit Änderungsbestrebungen des Hauptkostenträgers<br />
LWL plausibel machen. Professionelle Kompetenzen machen unabhängiger z. B. von<br />
vorgegeben Hilfeplanformularen und ähnlichen Vorgaben, die sich jederzeit ändern können<br />
und versetzen die KuK darüber hinaus in die Lage, eigene Konzepte nicht nur zügig<br />
entwickeln, sondern auch fachlich legitimieren zu können. Auf der Ebene des operativen<br />
Managements muss dafür gesorgt werden, dass das Erlernen und die Beherrschung der<br />
ANHT, so wie die Integration weiterer Ebenen des SPSA während und parallel zum laufenden<br />
Alltagsgeschäft gewährleistet wird. Die Managementprozesse folgen idealtypisch<br />
einem iterativen Zyklus, wie dem Deming- oder PDCA-Zyklus 35 , der auf Reflexion und<br />
Generierung von Ideen und Orientierungswissen, auf die Identifikation konkreter Ziele und<br />
verbindlicher Zielvereinbarungen, auf die Operationalisierung der Ziele in Richtung von<br />
Aktivitäten und Routinen des Arbeitsalltags und auf regelmäßiges Feedback und Evaluierung<br />
der Wirksamkeit der veranlassten Maßnahmen ausgerichtet ist.<br />
Die Prozesskategorie der Ausführungsprozesse haben es mit dem praktischen Vollzug<br />
der Kernaktivitäten einer Sozialen Einrichtung zu tun, die unmittelbar auf die Stiftung ei-<br />
35 Der DIN EN ISO 9001:2008-Norm liegt auf allen Ebenen der auf William Edwards Deming zurückgehende iterative<br />
PDCA-Zyklus <strong>als</strong> Systematik zur kontinuierlichen Verbesserung (KVP) zugrunde.<br />
78
nes Nutzens oder Mehrwertes in erster Linie für die Klientel aber auch für die übrigen relevanten<br />
Anspruchsgruppen und Kooperationspartner ausgerichtet sind. Hier kann man<br />
drei Kategorien unterscheiden: Die Klient/inn/en-Prozesse, Die Leistungserstellungsprozesse<br />
und die Leistungsinnovationsprozesse. Zu den Klient/inn/en-Prozessen zählen all<br />
die Aktivitäten, die mit Akquise und Kontaktaufnahme, Erstgesprächen, Anamnese und<br />
Diagnose, Kontaktpflege zu Kooperationspartnern (hier im Zusammenhang mit Akquise),<br />
Nachbereitung einer Betreuungsbeziehung und Vermittlung zu anderen Hilfeanbietern etc.<br />
zu tun haben. Die versierte Handhabung der ANHT würde zu einem fachlich höheren Niveau<br />
all dieser Tätigkeiten und damit auch zu einer entsprechend verbesserten, kompetenteren<br />
Außenwirkung führen. Die Leistungserstellungsprozesse sollen gewährleisten,<br />
dass den Klient/inn/en professionell und wirkungsvoll geholfen wird und die Leistungsinnovationsprozesse<br />
sollen zu einer systematischen Verbesserung der Leistungserstellungsprozesse<br />
zum Nutzen der Klient/inn/en führen. Die Implementierung der ANHT und<br />
die kontinuierliche Integration aller für das ABW relevanten Elemente de SPSA wären<br />
solche Innovationsprozesse.<br />
Die Kategorie der Unterstützungsprozesse umfasst die Bereitstellung der notwendigen<br />
Infrastruktur, die Beschaffung der nötigen Ressourcen und die Erbringung interner Dienstleistungen<br />
zur effektiven und effizienten Gewährleistung der Ausführungsprozesse. Hierzu<br />
gehören neben Prozessen zur internen und externen Kommunikation (auch Corporate<br />
Identity und Öffentlichkeitsarbeit), der Informationsbewältigung und der Infrastrukturbewirtschaftung<br />
– vor allem im Zusammenhang mit dem hier behandelten Thema – Prozesse<br />
der Personalarbeit und Bildungsarbeit. Zur Personalarbeit zählen die Entwicklung und<br />
die Beurteilung der MA und zur Bildungsarbeit die systematische Weiterqualifizierung der<br />
MA und der Ausbau einer förderlichen Lehr- und Lernkultur der Einrichtung. Personalarbeit<br />
und Bildungsarbeit im Zusammenhang mit der Einführung der ANHT in der KuK berühren<br />
unmittelbar Fragen der Organisationsgestaltung und -entwicklung.<br />
Wenn man in einer Einrichtung Veränderungen vornehmen will, indem man Änderungen<br />
an den Prozessen vornimmt, muss man zwangsläufig an die Gewachsenen Ordnungsmomente<br />
(Strategie, Struktur, Kultur) anknüpfen und kann nicht Top-Down in technizistischer<br />
Manier die Einrichtung „umkrempeln“. Im Grunde wird man an beiden Stellen parallel<br />
anknüpfen müssen. Zwischen den Ordnungsmomenten und den Prozessen besteht ein<br />
zirkulärer Wirkungszusammenhang und eine Wechselwirkung „weil Ordnungsmomente<br />
[…] immer sowohl Mittel (im Sinne von ‚Strukturierungshilfen‘) für geordnetes Alltagsgeschehen<br />
<strong>als</strong> auch Ergebnisse dieses organisationalen Alltagsgeschehens sind.“ (Rüegg-<br />
Stürm 2003, S. 79)<br />
79
2.5.8 Entwicklungsmodi<br />
Die Grundkategorie Entwicklungsmodi mit ihren beiden Aspekten Erneuerung und Optimierung<br />
betrifft die Notwendigkeit von Organisationen, auf sich verändernde Umweltbedingungen<br />
angemessen und rechtzeitig zu reagieren. Für den Sozialen Bereich sind in<br />
dieser Arbeit bereits wesentliche Bereiche des sozialen und gesellschaftlichen Wandels<br />
genannt worden, mit denen Soziale Einrichtungen umgehen müssen. Angesprochen sind<br />
hier wiederum Fragen der Organisationsgestaltung und -entwicklung, der Personalentwicklung<br />
und der grundsätzlichen Lernbereitschaft und -fähigkeit in und von Sozialen Einrichtungen<br />
(organisationales Lernen).<br />
Was den organisationalen Wandel betrifft unterscheidet das neue St. Galler Management-<br />
Modell zwischen Optimierung und Erneuerung. Diese Unterscheidung entspricht der zwischen<br />
einem Wandel erster Ordnung gegenüber dem Wandel zweiter Ordnung<br />
(Watzlawick, Weakland und Fisch 1992) oder dem Single-loop-Learning gegenüber dem<br />
Double-loop-Learning (Argyris und Schön 2008). In der Entwicklung von Einrichtungen<br />
wechseln sich in der Regel Phasen von evolutionären, inkrementalen Änderungen im Sinne<br />
eines „Finetunigs“ mit revolutionären und radikalen Phasen der grundlegenden Erneuerung<br />
ab. Analog zu der erwähnten zirkulären Wechselwirkung von Prozessen und Ordnungsmomenten<br />
wäre hier auch das Change Modell von Kurt Lewin zu nennen, das den<br />
Phasenwechsel zwischen Optimierung und Erneuerung mit den Termini Unfreezing, Moving<br />
und Refreezing erklärt: Beim Unfreezing wird das bestehende Gleichgewicht erschüttert<br />
(Erneuerung) und dadurch die Bereitschaft der MA zur Veränderung „provoziert“. Auslöser<br />
können extern induzierte Krisen oder interne Einsichten in einen Änderungsbedarf<br />
sein. In der Phase des Moving werden Strukturen verändert und neue Verhaltensweisen<br />
eingeübt und man bewegt sich allmählich wieder in die Richtung eines neuen Gleichgewichtszustandes.<br />
Refreezing meint dann die Stabilisierung eines neuen Gleichgewichtes:<br />
Neue Strukturen und Verhaltensweisen werden <strong>als</strong> regelhaft akzeptiert und es werden nur<br />
noch Optimierungen vorgenommen (vgl. Ridder 2009, S. 166).<br />
Von einer Erneuerung kann gesprochen werden, wenn anhand von normativen und strategischen<br />
Entwicklungsprozessen das kollektive Selbstverständnis, die gemeinsame Identität<br />
und der gemeinsame Sinnhorizont der MA spürbar tangiert wird und aus diesen Prozessen<br />
neue Diskurse, sowie Denk- und Deutungsmuster entstehen. Der Versuch, den<br />
MA des ABW in der KuK zu einer professionellen Herangehensweise im Sinne des SPSA<br />
durch die Einführung der ANHT zu verhelfen stellt in diesem Bereich eine grundlegende<br />
Änderung dar, die für nicht wenige MA mit der Aneignung grundlegend neuer Fähigkeiten<br />
verbunden ist. Die Entwicklung neuer kollektiver und damit auch individueller Fähigkeiten<br />
der MA steht in Verbindung mit der Herausbildung neuer organisationaler Routinen. Das<br />
80
edeutet, dass eine Erneuerung einen strategischen Wandel voraussetzt, der zum Aufbau<br />
neuer Kernkompetenzen führt. Erneuerung hat somit mehr oder weniger starke Auswirkungen<br />
auf und steht in Wechselbeziehung zu allen anderen Grundkategorien des neuen<br />
St. Galler Management-Modells.<br />
2.6 Professionalisierung <strong>als</strong> Aufgabe des Managements<br />
2.6.1 Vorüberlegungen<br />
Nach der Darstellung des neuen St. Galler Managementmodells <strong>als</strong> Metamodell und Orientierungsrahmen<br />
für die angestrebten Veränderungen in der KuK werden nun beispielhaft<br />
zwei spezielle Handlungstheorien vorgestellt, die dem Verfasser für die methodische<br />
Umsetzung der Implementierung der ANHT im Arbeitsbereich ABW der KuK besonders<br />
geeignet erscheinen. Es handelt sich um das Organisationale Lernen 36 und das Führen<br />
durch Zielvereinbarungen (FdZ).<br />
Ein naheliegender Anlass für die folgenden Überlegungen zur Verbesserung der Lernfähigkeit<br />
innerhalb der KuK unter Einbeziehung der Methode FdZ ist die Implementierung<br />
der ANHT. Dabei soll an die bisherigen Bemühungen um strukturelle Anpassungen und<br />
Verbesserungen, deren Notwendigkeit sich aus der geschilderten Entwicklung der KuK<br />
ergeben hatte, angeknüpft werden. Diese Bemühungen waren bisher eng verknüpft mit<br />
dem Aufbau eines QMS. Dabei muss künftig, im Zusammenhang mit den notwendigen<br />
Reflexionen zum SPSA, darauf geachtet werden, dass fachlich-professionelle Aspekte<br />
Vorrang haben:<br />
„Bei allen Fragen der Qualität in der Sozialen Arbeit ist darauf zu achten, […] die Mitarbeitenden<br />
in Einrichtungen und Unternehmen in die Entwicklung fachlicher Verfahren einzubeziehen, sie<br />
dafür zu qualifizieren sowie die Definition von Qualität nicht an den verknappten Ressourcen alleine<br />
auszurichten. Bei der Wahl von Methoden zur Realisierung von Qualitätsmanagement<br />
muss immer betrachtet werden, inwiefern diese die fachliche Reflexion der geleisteten Arbeit<br />
unterstützen, die Zuverlässigkeit und Klientenorientierung gewährleisten und den Blick auf die<br />
sozialrechtlichen, sozialräumlichen und sozialpolitischen Rahmensetzungen nicht vernebeln.“<br />
(Vomberg 2010, S. 24; Hervorh. J.W.)<br />
Ein QMS nach DIN EN ISO 9001:2008 beinhaltet Elemente und Grundsätze, die sowohl<br />
mit den Voraussetzungen für eine lernfähige Organisation <strong>als</strong> auch mit denen eines FdZ<br />
korrelieren. Der DIN-Norm liegt beispielsweise auf allen Ebenen der auf William Edwards<br />
Deming zurückgehende iterative PDCA-Zyklus <strong>als</strong> Systematik zur kontinuierlichen Verbesserung<br />
(KVP) zugrunde.<br />
36 Genau genommen gibt es mehrere Theorien des organisationalen Lernens, aus denen aber für den hier interessierenden<br />
Zweck sozusagen das Prinzip, das den unterschiedlichen Ansätzen zugrunde liegt, herausdestilliert werden soll, und<br />
gleichsam <strong>als</strong> einzelner Ansatz behandelt werden soll.<br />
81
„Unter dem Aspekt der stetigen Weiterentwicklung muss das Qualitätsmanagementsystem so<br />
angelegt sein, dass es selbstreflexive Prozesse für die gesamten organisationsentwicklerischen<br />
Bezüge auf sozialarbeiterisch-fachlicher Basis beinhaltet. […] Qualitätsmanagement hilft einem<br />
solchen […] Verständnis von Qualität und Professionalität dabei, Routinen zu entwickeln, die<br />
die Wirksamkeit des personalen Handelns reflektieren und praktisches Handeln habitualisieren.<br />
Einen Einfluss auf die Qualität des pädagogischen Wissens und Könnens von Fachkräften hat<br />
es insofern, <strong>als</strong> es Mechanismen vorsehen kann, die Defizite diagnostizieren helfen und Abhilfe<br />
einleiten können.“ (Vomberg 2010, S. 34-35; Hervorh. J.W.)<br />
So ist es naheliegend bei der Aufnahme und Beschreibung der Ausführungsprozesse im<br />
ABW die Struktur der ANHT in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen. Die Entwicklung<br />
der Ausführungsprozesse geschieht bei der KuK in Projektgruppenarbeit; dieses<br />
Vorgehen eröffnet gute Möglichkeiten für die beteiligten MA, sich mit den fachlichprofessionellen<br />
Implikationen der ANHT auseinanderzusetzen. Des Weiteren fordert die<br />
ISO-Norm, u. a. anhand der Implementierung von Qualitätszielen, eine entsprechend zielgerichtete<br />
Ausrichtung aller relevanten Prozesse und Abläufe. Insbesondere in der DIN<br />
EN ISO 9004:2009, die <strong>als</strong> Leitfaden zur Verbesserung der Wirksamkeit und Effizienz des<br />
QMS dienen soll, wird die Relevanz der Zufriedenstellung aller relevanten Anspruchsgruppen<br />
und Kooperationspartner hervorgehoben. Hier wiederum liegt eine Schnittstelle<br />
zu einer weiteren speziellen Handlungstheorie des Managements, des Marketings, das<br />
sich primär an den Bedürfnissen und Anforderungen des Marktes und damit der Anspruchsgruppen<br />
und Kooperationspartner ausrichtet. Unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit<br />
einer kontinuierlichen Verbesserung auch bei der Marktausrichtung führt Harald<br />
Christa aus:<br />
„Diese Leitidee korrespondiert stark mit den Maßgaben des Qualitätsmanagements wie Fehlerfreiheit,<br />
optimale Prozessgestaltung, Integration von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität.<br />
Die Perspektive des Marketings verweist jedoch in besonderem Maße auf das Gebot der optimalen<br />
Kundenausrichtung von organisationalen Prozessen und Hervorbringungen.“ (Christa<br />
2010, S. 23)<br />
Als illustratives Beispiel und Anlass sowohl für die lernende Überwindung von Diskrepanzen<br />
zwischen proklamierten Leitideen (Leitbild) einerseits und von den MA gelebtem Verhalten<br />
andererseits soll im Folgenden das aus dem Bereich der Marketinglehre stammende<br />
Konzept des Corporate Behaviour dienen. Im Zusammenhang damit wird zudem<br />
nochm<strong>als</strong> auf das Leitbild der KuK hingewiesen, das im Zuge der QMS-Implementierung<br />
entstanden ist und eine wesentliche Rolle für die Einführung des FdZ spielt. Im Fokus<br />
stehen somit der Umgang mit und die Überwindung von Diskrepanzen im Spannungsfeld<br />
von individueller MA- und Organisationsebene, hier besonders in Bezug auf vorhandene<br />
oder nicht vorhandene Professionalität.<br />
82
2.6.2 Organisationales Lernen<br />
„Lernen wird oft <strong>als</strong> Verhaltensänderung begriffen, die <strong>als</strong> Reaktion des Organismus auf<br />
Umweltveränderungen entsteht.“ (Ridder 2009, S. 179) Ob Organisationsmitglieder – von<br />
der Führungsspitze bis zur Hilfskraft – in unterscheidlichen Ausmaß ein Interesse an der<br />
Veränderung ihrer Organisation haben oder dafür gewonnen werden können, hängt von<br />
der jeweils wahrgenommenen, von ihnen erwarteten Auftragserfüllung ab und ob sie<br />
dieser (noch) gerecht werden können.<br />
„Die Organisationsmitglieder sind […] mit Stakeholdern verbunden […], die von außerhalb (<strong>als</strong><br />
Finanz- und Auftraggeber, <strong>als</strong> Klientel und Öffentlichkeit) mit der Organisation eng verbunden<br />
sind und nicht vernachlässigt werden können. Somit gehen in die Interessen der<br />
Organisationsmitglieder eine Vielfalt von Interessen ein, die nicht nur persönlichen Wünschen<br />
entspringen, sondern eine Verarbeitung von erkannten Anforderungen und berechtigten<br />
Ansprüchen sind.“ (Wöhrle 2005, S. 75)<br />
Die Ansprüche der aus Organisationsperspektive maßgeblichen Anspruchsgruppen und<br />
Kooperationspartner fließen in der Regel in ein Leitbild ein und so verhält es sich auch mit<br />
dem Leitbild der KuK, das im Zusammenhang mit der QMS-Implementierung unter Einbeziehung<br />
aller MA entstanden ist. Das Leitbild enthält neben der Mission und den Werten<br />
der Einrichtung auch normative Ziele, von denen wiederum über den Weg der Qualitätspolitik<br />
die Qualitätsziele abgeleitet werden müssen, die sich auf der Ebene von strategischen<br />
Zielen befinden. Eine Qualitätspolitische Aussage, die sich aus der Leitbildformulierungen:<br />
„Wir achten auf hohe Fachkompetenz und Qualität unserer Hilfen. […] Wir fördern<br />
die Professionalität […] unserer Mitarbeiter.“ (Kontakt- und Krisenhilfe 2012, S. 3) ableiten<br />
ließe, könnte etwa lauten: „Unsere Aufmerksamkeit und unser Bestreben <strong>als</strong> lernfähige<br />
Organisation sind auf eine Weiterentwicklung unserer Gesamtleistung und -wirkung ausgerichtet.<br />
Wir sorgen für eine systematische Professionalisierung unserer Mitarbeiter und<br />
unserer Gesamteinrichtung.“ Ein daraus abgeleitetes Qualitätsziel wäre: „Wir führen zunächst<br />
im Arbeitsbereich des Ambulant Betreuten Wohnens bis zum … die Allgemeine<br />
Normative Handlungstheorie inklusive der Systemischen Denkfigur ein.“ Dann müssten<br />
noch entsprechende Aussagen darüber getroffen werden, wie dieses Ziel erreicht werden<br />
soll und woran man die Zielerreichung feststellen will (Kennzahlen bzw. -größen).<br />
Die Lernfähigkeit einer Einrichtung ist u. a. dann gefragt, wenn Reden und Handeln einer<br />
Vielzahl von MA einerseits und proklamierte Ziele andererseits auseinanderfallen, sich<br />
widersprechen oder eine solche Entwicklung droht.<br />
„[W]ährend auf der Ebene des ‚talk‛ eine symbolische Integration der Erwartungen der Umwelt<br />
vollzogen wird, kann auf der Ebene des ‚action‛ in einer abgestuften Widersprüchlichkeit des<br />
Handelns eine praktische Distanzierung von den institutionalisierten Erwartungen erfolgen […].<br />
[…] ‚Diskrepanzerfahrungen‛ entstehen bei den Organisationsmitgliedern dann, wenn sie eine<br />
Spannung zwischen dem vorhandenen Zustand (den vermeintlichen Gegebenheiten) einer Or-<br />
83
ganisation und einem von ihnen <strong>als</strong> Soll definierten Zustand in der Organisation wahrnehmen<br />
und wenn diese Wahrnehmung <strong>als</strong> so störend empfunden wird, dass die Spannung zu Veränderungswünschen<br />
führt.“ (Merchel 2005, S. 18-19)<br />
Lernen kann in diesem Zusammenhang bedeuten, dass wenn nur einige<br />
Organisationsmitlglieder die Diskrepanzen wahrnehmen und den Wunsch nach<br />
Veränderung verspüren, Möglichkeiten gefunden werden müssen, den anderen zu der<br />
entsprechenden Wahrnehmungsfähigkeit zu verhelfen. Aus der systemischen<br />
Organisationsberatung stammt der Begriff der Irritationen von operationell geschlossenen<br />
Systemen (vgl. Gairing 2008, S. 184-185). Durch Routine verfestigte Handlungsmuster,<br />
Denkweisen und andere Aspekte der Organisationsstrukturen und -kultur sind häufig<br />
schwer durch rein sachlogische Argumente zu erschüttern. Eine mögliche<br />
Vorgehensweise in der KuK wäre es, an die bestehenden Unsicherheiten und<br />
Unzufriedenheiten im Arbeitsalltag mit den Klient/inn/en anzuknüpfen und einen<br />
Zusammenhang mit dem bisherigen professionellen Selbstverständnis der betreffenden<br />
MA herzustellen bzw. Reflexionen zu einem solchen Zusammenhang anzuregen – oder<br />
zu provozieren.<br />
Die hier angesprochenen Diskrepanzerfahrungen werden in den Untersuchungen von<br />
Chris Argyris und Donald A. Schön zur lernenden Organisation auf die Begriffe der<br />
„Espoused Theories“ („vertretene“ Theorien) und „Theories-in-Use“ („handlungsleitende“<br />
Theorien) gebracht (vgl. Argyris und Schön 2008, S. 87 ff. und Ridder 2009, S. 186 ff.).<br />
Auch zahlreiche andere Autoren haben dieses Denkmodell übernommen. So spricht Peter<br />
M. Senge im Zusammenhang mit der von ihm so genannten „Disziplin der mentalen<br />
Modelle“ von „verlautbarter versus praktizierter Theorie“: „Lernen führt letzten Endes zu<br />
einem veränderten Verhalten, und eine grundlegende reflexive Fähigkeit besteht darin,<br />
Lücken zwischen dem, was wir sagen und dem, was wir tun <strong>als</strong> Vehikel zu nutzen, um<br />
bewusster zu werden.“ (Senge 2011, S. 209) Senge empfiehlt Organisationen die<br />
Förderung von „Reflexionsfertigkeiten“ und „Erkundungsfertigkeiten“ der MA 37 :<br />
„[…] das Erkennen der Unterschiede zwischen den verlautbarten Theorien (das, was man sagt)<br />
und den praktizierten Theorien (die dem Handeln zugrunde liegende Theorie), das Erkennen<br />
von ‚Abstraktionssprüngen‛ (zu bemerken, wenn man seine Beobachtungen verallgemeinert),<br />
das Offenlegen der sogenannten ‚linken Spalte‛ (dass man ausspricht, was man normalerweise<br />
verschweigt […]), das Gleichgewicht von Erkunden und den eigenen Standpunkt vertreten<br />
(Fertigkeiten für eine ehrliche Untersuchung).“ (Senge 2011, S. 207)<br />
Im Wesentlichen geht es dabei darum – um die Begrifflichkeiten von Argyris und Schön<br />
bzw. Bateson wieder aufzugreifen – von einem meistenteils im Organisationsalltag am<br />
ehesten praktizierten „Single-loop-Learning“ zu einem „Double-loop-Learning“ oder gar<br />
37 Vgl. dazu auch die Ausführungen von Staub-Bernasconi zu „dem Reflektierenden Praktiker/der reflektierenden Praktikerin“<br />
(Staub-Bernasconi 2009, S. 37-38)<br />
84
„Deutero-Learning“ (vgl. Ridder 2009, S.187 ff.) zu gelangen. Das auf operative<br />
Anpassungen abzielende<br />
„Single-loop-Learning (‚Einkreislernen‛) basiert auf der Vorstellung eines (sozialen)<br />
Regelkreises. Innerhalb eines festgelegten Bezugsrahmens, der vor allem die Definition des<br />
‚richtigen‛ Systemzustandes (Sollzustand) enthält, werden allfällige Abweichungen registiriert<br />
und korrigiert. Die Definition des ‚richtigen‛ Systemzustandes wird mit der – schon erwähnten –<br />
kollektiven Handlungstheorie (‚theory-in-use‛) geleistet; den Sollzustand aufrechtzuerhalten in<br />
einer sich ständig verändenden Umwelt, ist das eigentliche Ziel des ‚Einkreislernens‛.“<br />
(Schreyögg 2008, S. 445)<br />
Einkreis- oder auch Anpassungslernen findet in der KuK z. B. im Zusammenhang mit<br />
Team-Besprechungen, kollegialer Beratung und teilweise auch in Supervisionssitzungen<br />
statt. Die handlungsleitenden Theorien setzen sich dabei aus einer Kombination von<br />
Elementen gewachsener Einrichtungskultur, Alltagstheorien und fragmentarischen<br />
Wissensbeständen aus Ausbildungen und Fortbildungen zusammen.<br />
Auf einer formal höheren Ebene des Lernens ist das Double-loop-Learning angesiedelt.<br />
Hier geht es darum, über die Gültigkeit und Zweckmäßigkeit der der kollektiven<br />
Handlungstheorie zugrundeliegenden Ziele, Werte und Normen zu reflektieren und diese<br />
gegebenenfalls zu verändern: „Die (formale) Höherrangigkeit des Zweikreislernens wird<br />
dadurch deutlich, dass im Rahmen dieser Lernprozesse der Kontext für Prozesse des<br />
Single-loop-Learnings geändert wird.“ (Schreyögg 2008, S. 446; Hervorh. J.W.) Ein neuer<br />
Kontext in der KuK wäre die Einführung der ANHT in das ABW und darauf aufbauend die<br />
weiteren Elemente des SPSA.<br />
Beim Deutero-Lerarnig geht es schließlich darum, auf die Erfahrungen mit Single- und<br />
Double-loop-Lernprozessen zurückzugreifen, diese auf einer Metaebene zu reflektieren<br />
und im Sinne eines „Lernen lernens“ <strong>als</strong> Organisation auf Dauer entwicklungs- und<br />
lernfähig zu bleiben: „Deutero-Lernen soll […] verhindern helfen, dass organisationales<br />
Lernen lediglich <strong>als</strong> Abfolge einzelner Episoden ohne Zusammenhang im alltäglichen<br />
Handeln begriffen wird. Es soll aber auch sicherstellen, dass sich Organisationen<br />
kontinuierlich lernbereit halten.“ (Schreyögg 2008, S. 447; Hervorh. J.W.)<br />
Joachim Merchel versteht unter lernfähigen Organisationen solche, die sich zum Lernen<br />
qualifizieren und von dieser Qalifikation relativ kontinuierlich Gebrauch machen. Dies sei<br />
„angemessener mit dem Begriff der ‚Lernfähigkeit‛ gekennzeichnet <strong>als</strong> mit der<br />
Beschreibung, dass Organisationen sich in einem Lernprozess befinden (‚lernende<br />
Organisation‛).“ (Merchel 2005, S. 143-144) Um lernfähig zu werden und zu bleiben ist es<br />
für Einrichtungen erforderlich<br />
85
„[…] dass sie die Wirkungen der individuellen Lernprozesse nicht allein dem Zufall überlassen,<br />
sondern bestrebt sind, die individuellen Lernprozesse und Lernergebnisse aufeinandner zu<br />
beziehen und in prozessual verankerten, <strong>als</strong>o institutionalisierten Verfahren Lernprozesse zu<br />
initiieren, die die gesamte Organisation erfassen und die mehr sind <strong>als</strong> die Summe der jeweils<br />
individuellen Lernvorgänge.“ (ebd., S. 147)<br />
Als Voraussetzungen für die Lernfähigkeit von Organisationen müssen individuelle<br />
Lernvorgänge und organisationale Ebene verknüpft werden, regelmäßige individuelle und<br />
kollektive Reflexionsanlässe und -räume geschaffen werden und für eine kontinuierliche<br />
oder periodisch geregelte Wissensaufnahme, -weitergabe und -reflexion gesorgt werden<br />
(vgl. ebd, S.147 ff.).<br />
„Leitung muss <strong>als</strong>o beides gleichermaßen in den Blick nehmen: das Schaffen von Orten<br />
innerhalb der Organisationen, an denen Reflexion stattfinden kann und an denen Reflexion<br />
herausgefordert wird, und das Erzeugen eines reflexionsfördernden Organisationsklimas, das<br />
die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die zur Verfügung gestellten Orte auch für produktives<br />
Lernen genutzt werden.“ (ebd., S. 166)<br />
Diese Aussagen betreffen die erwähnte Wechselwirkung zwischen den Kategorien der<br />
Prozesse und denen der Ordnungsmomente. Hier sind einerseits besonders die durch<br />
strategische Entscheidungen initiierten Managmentprozesse (operative<br />
Führungsprozesse) und Unterstützungsprozesse (der Personal- und Bildungsarbeit)<br />
angesprochen, deren Modifikation sich auf die Einrichtungskultur und die Strukturen<br />
auswirkt und andererseits muss auch auf letztere eingewirkt werden, damit diese auf die<br />
Prozessebene zurückwirken können.<br />
Hier rückt nochm<strong>als</strong> der Zusammenhang zwischen der Etablierung einer organisationalen<br />
Lernfähigkeit und der Implementierung eines QMS in den Blick: Lernorte, Lernanlässe<br />
und Reflexionsräume sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Projektgruppen zum<br />
Aufnehmen und Beschreiben von Kernprozessen, Qualitätszirkel, Anregungen aus dem<br />
Beschwerdemanangement, Anregungen aus MA-Umfragen etc.<br />
Für die ABW-Teams der KuK sind <strong>als</strong> fester Team-Top „Leitbildimpulse“ in der<br />
Vorbereitung, die Anlass zur Reflexion über Diskrepanzen zwischen der Espoused<br />
Theorie des Leitbildes und den Theories-in-Use der MA geben sollen. Dieser Versuch<br />
knüpft an das kommunikationspolitische Marketinginstrument des Corporate Behaviour an<br />
(vgl. Christa 2010, S. 272 ff.), bei dem es in erster Linie darum geht, ob es gelingt, die<br />
proklamierten Werte, Normen und Ziele der Einrichtung glaubhaft durch die individuellen<br />
MA repräsentiert zu finden. Auch dies stellt eine Möglichkeit dar, für die erwähnten<br />
Irritationen bestehender Denk- und Handlungsmuster zu sorgen.<br />
Bezug nehmend auf die von Senge beschriebene Kerndisziplin einer lernfähigen<br />
Organisation, der „Personal Mastery“, führt Merchel aus:<br />
86
„Da Organisationen von der Lernfähigkeit der in ihr wirkenden Individuen abhängig sind,<br />
müssen sie sich um das persönlichkeitsbezogene ‚Wachstum ihrer Mitglieder‛ kümmern.<br />
Lernfähige Organisationen veranlassen ihre Mitarbeiter, ihre persönlichen Kompetenzen zu<br />
verbessern, eigene Ziele zu entwickeln und sie in den Zusammenhang der Organisation<br />
einzubringen, für den Gesamtzusammenhang der Organisation eigenes Lernen zu<br />
intensivieren.“ (Merchel 2005, S. 158; Hervorh. J.W.)<br />
Der Zusammenhang zwischen Lernfähigkeit und Orientierung klingt hier bereits an und<br />
führt zu den Überlegungen, inwiefern die Methode FdZ ergänzend zu den genannten<br />
Lernanlässen und Reflexionsräumen zu einer Lernfähigkeit der Organisation über den<br />
Weg der individuellen MA beitragen kann. Die Aussage „Lernen benötigt eine Richtung.“<br />
(Wöhrle 2005, S. 60) markiert die entscheidende Schnittstelle zum FdZ, denn<br />
„Organisationales Lernen ist […] eine ökonomische Metapher, mit deren Hilfe geprüft<br />
wird, ob Verhalten geändert wird und Wissen gespeichert werden kann, um<br />
Unternehmensziele zu verfolgen.“ (Ridder 2009, S. 182; Hervorh. J.W.)<br />
2.6.3 Führen durch Zielvereinbarungen<br />
FdZ ist ein partizipativer Leitungsmodus, der sich besonders anbietet<br />
„[…] wenn Organisationen weniger Routineaufgaben, sondern zu einem erheblichen Anteil<br />
komplexe Aufgaben zu bewältigen haben und wenn in der Organisation ein hoher Anteil von<br />
qualifizierten Mitarbeitern mit einem professionellen Selbstbewusstsein 38 tätig ist.“ (Merchel<br />
2005, S. 94)<br />
Beides trifft im Arbeitsbereich ABW der KuK zu. Die Umstände der komplexen und individuellen<br />
Aufgabenbewältigung wurden unter dem Gliederungspunkt 2.3.1 bereits genannt.<br />
Die wesentlichen Prinzipien des FdZ sind:<br />
<br />
<br />
<br />
Die Ableitung von individuellen MA-Zielen aus übergeordneten Zielen,<br />
eine Zielkaskadierung von Normativen Zielen an der Spitze (z. B. Leitbild) über<br />
Grundsatzziele (z. B. Qualitätspolitik), Strategische Ziele (z. B. Qualitätsziele), Bereichsziele,<br />
Teamziele bis hinunter zu individuellen MA-Zielen und<br />
eine vertikale (Zweck-Mittel-Beziehung) und horizontale (Widerspruchsfreiheit)<br />
Abstimmung der Ziele miteinander (vgl. Watzka 2011, S. 26 ff.).<br />
38 Das freilich – um es nochm<strong>als</strong> zu betonen – irritiert werden muss.<br />
87
Diesen Prinzipien folgend, lassen sich die Phasen von Zielvereinbarungsprozessen grafisch<br />
wie folgt darstellen:<br />
Abbildung 18: Phasenschema des MbO. (Watzka 2011, S. 34)<br />
Es fällt auf, dass auch FdZ-Prozesse sich <strong>als</strong> Zyklen erweisen, ähnlich dem PDCA-<br />
Zyklus, somit ebenfalls iterative Prozesse darstellen und daher an die mit dem QMS verbundenen<br />
Bestrebungen, einen Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) zu etablieren,<br />
anschlussfähig sind.<br />
Der erstm<strong>als</strong> 1954 von Peter Drucker eingeführte und ab 1965 von George S. Odiorne<br />
popularisierte Leitungsmodus (vgl. Staehle 1999, S. 852) erfordert, „[…] Aufgaben- und<br />
Beziehungsorientierung integrativ zu sehen und sowohl betriebliche <strong>als</strong> auch individuelle<br />
Ziele gemeinsam zu optimieren.“ (Staehle 1999, S. 853) Dabei kann man in Sozialen<br />
Einrichtungen von einer Dominanz der Sachziele ausgehen, da primär keine<br />
Gewinnerzielung intendiert wird, sondern vielmehr die möglichst optimale und<br />
ausgewogene Bedarfsdeckung der Klientel und der Anspruchsgruppen und<br />
Kooperationspartner (vgl. Stoll 2008, S. 25). Hinsichtlich der Zielarten bietet sich<br />
beispielsweise folgende Differenzierung an:<br />
<br />
<br />
Oberziele in Gestalt des Leitbildes, der Qualitätspolitik und der Qualitätsziele., wie<br />
bereits beschrieben.<br />
Leistungswirkungsziele, die die intendierten Wirkungen der angebotenen Dienstleistungen<br />
auf die Klient/inn/en und Anspruchsgruppen/Kooperationspartner for-<br />
88
mulieren und sich auf Zustands- und Verhaltensänderungen beziehen. Während<br />
es bei den Klient/inn/en z. B. um „Verhinderung, Linderung oder Lösung ihrer konkreten<br />
Sozialen Probleme“ oder „Normalisierung der Lebensverhältnisse“ gehen<br />
kann, könnte eine erhöhte Spendenbereitschaft bei potentiellen Geldgebern im<br />
Fokus stehen.<br />
Leistungserbringungsziele beziehen sich auf die fachliche Ausgestaltung der<br />
Dienstleistungen, <strong>als</strong>o z. B. auf die sichere Beherrschung der ANHT inklusive der<br />
SDF.<br />
Potentialziele sind Ziele im Hinblick auf die zur Dienstleistungserstellung benötigten<br />
Ressourcen. Dabei kann es sich auch um Fortbildungsbedarf einzelner MA<br />
oder MA-Gruppen handeln, z. B. hinsichtlich bezugswissenschaftlicher und/oder<br />
methodischer Inhalte im Rahmen des SPSA.<br />
Verfahrensziele sind eng verknüpft mit den Anforderungen eines QMS und nehmen<br />
in den Blick, wie prozessual unter Berücksichtigung der Ressourcen Anforderungen<br />
in Ergebnisse transferiert werden können.<br />
Formalziele schließlich sind in der Regel qualitativer Art und fokussieren z. B. die<br />
Forderungen nach Effizienz, Effektivität und Anpassungsfähigkeit (vgl. Stoll 2008,<br />
S. 25 ff.).<br />
Letztere Ausführungen weisen auch beim Leitungsmodus FdZ auf eine Verbindung zum<br />
QMS einerseits und zum Marketinginstrument des Corporate Behaviour andererseits hin.<br />
Um zugleich eine Orientierungs- und eine Motivationsfunktion für MA erfüllen zu können,<br />
die Transparenz innerhalb der Einrichtung zu erhöhen und die Leistungs- und Lernbereitschaft<br />
der MA zu erhöhen (vgl. Merchel 2010, S. 96) müssen die zwischen Leitungspersonen<br />
und MA ausgehandelten Ziele aufgrund eigener Bemühungen von den MA erreichbar<br />
sein (es muss <strong>als</strong>o immer der mögliche Einfluss Dritter mitbedacht werden), müssen<br />
Anforderungscharakter haben und eine Herausforderung darstellen (nicht über- oder unterfordern),<br />
müssen eindeutig und für die MA nachvollziehbar formuliert sein, müssen eine<br />
Auswertung zum Grad der Zielerreichung ermöglichen und die Vereinbarung von Zielen<br />
muss mit überschaubaren Zeiträumen verbunden sein. Bei der Zielformulierung kann man<br />
das aus QMS-Zusammenhängen bekannte Akronym S.M.A.R.T.H zu Hilfe nehmen, das<br />
besagt, dass Ziele spezifisch, messbar, akzeptabel/attraktiv, realistisch, terminiert und<br />
herausfordernd formuliert werden sollten (vgl. Merchel 2010, S. 101 ff.).<br />
Zielvereinbarungsgespräche bedürfen der schriftlichen Dokumentation mindestens jeweils<br />
am Anfang und am Ende eines Zielvereinbarungszyklus.<br />
89
„In idealtypischer Weise sind Zielvereinbarungen das schriftlich dokumentierte Ergebnis eines<br />
dialogischen Prozesses, in dem Ziele für einen Zeitraum definiert, Indikatoren für das Beurteilen<br />
des Grades der Zielerreichung benannt, Voraussetzungen für die Zielerreichung angegeben,<br />
genaue Anforderungen an die Unterstützung durch Leitung formuliert, Formen der Ergebniskontrolle<br />
vereinbart, sowie Zeitpunkt und Formen der Ergebniskontrolle (ggf. auch für ‚Zwischenbilanzen‛)<br />
bezeichnet werden.“ (Merchel 2010, S. 100-101)<br />
Insbesondere die Aspekte des dialogischen Charakters von Zielvereinbarungen und der<br />
Unterstützungsmöglichkeit durch Leitung legen eine Einbettung von Zielvereinbarungsgesprächen<br />
in MA-Entwicklungsgespräche nahe. Solche Gespräche bieten zudem die Möglichkeit,<br />
bereits vorhandenes Wissen und vorhandenen Kenntnisse relevanter Bezugswissenschaften<br />
und spezieller Handlungstheorien (Methoden) bei den einzelnen MA zu erheben<br />
und in der Folge für die übrigen MA fruchtbar zu machen.<br />
2.6.4 Verbindung von organisationaler Lernfähigkeit und FdZ<br />
FdZ im Rahmen von jährlichen MA-Entwicklungsgesprächen kann einer der für die Lernfähigkeit<br />
von Einrichtungen notwendigen Reflexionsräume darstellen: „Während die Alltagskommunikation<br />
auf operative Fragen ausgerichtet ist, bedarf es eines Ortes, an dem<br />
dabei vernachlässigte elementare Fragen des Verhältnisses von Individuum und Organisation<br />
zum Gegenstand von Kommunikation und Reflexion gemacht werden können.“<br />
(Merchel 2010, S. 85)<br />
FdZ, so die Überzeugung des Verfassers, birgt einerseits das Potenzial, ganz entscheidende<br />
Voraussetzungen für die Lernfähigkeit einer Einrichtung zu schaffen und andererseits<br />
den Leitungsverantwortlichen wichtige Informationen über Lern- und Entwicklungsbedarfe<br />
der MA zu liefern, aber auch Informationen über strukturelle Mängel in der Einrichtung<br />
bis hin zu Defiziten bei den formulierten Zielen der Organisation. Die genannte<br />
Voraussetzung eines reflexionsförderlichen Organisationsklimas beispielsweise hängt<br />
zusammen damit, ob es gelingt ein Grundklima von Vertrauen und Fehlerfreundlichkeit<br />
herzustellen und aufrecht zu erhalten. Fehlerfreundlichkeit bedeutet für die einzelnen MA<br />
das Vertrauen darin, dass individuelle Fehler in erster Linie zu gemeinsamen Überlegungen<br />
darüber führen, was insgesamt in der Einrichtung verbessert werden muss. In periodisch<br />
stattfindenden Zielvereinbarungsgesprächen können MA solche Erfahrungen machen,<br />
die sich dann positiv auf das Gesamtklima in der Einrichtung auswirken können. Bei<br />
der Vereinbarung persönlicher MA-Ziele werden wiederum die jeweils übergeordneten<br />
Ziele in der Einrichtung in den Blick genommen, was dazu führen kann, dass einerseits<br />
die MA sich mit dem Sinn und Zweck ihrer Organisation und näherhin auch mit der Bedeutung<br />
von Professionalität beschäftigen und andererseits die daraus abgeleiteten übergeordneten<br />
Ziele kritisch überprüft werden können.<br />
90
Im Arbeitsbereich des ABW der KuK lassen sich gegenwärtig bei MA Tendenzen feststellen,<br />
die zu den unter Gliederungspunkt 2.3.1 bereits genannten Gefahren führen können.<br />
Ein Grund dafür mag die recht sichere und komfortable Situation sein, in der sich MA und<br />
Gesamteinrichtung trotz der genannten Veränderungen derzeit befinden. Festgestellt<br />
werden können Tendenzen in Richtung auf ein mangelndes Qualitätsbewusstsein, eine<br />
eher diffuse Fachlichkeit und ein mangelndes Verständnis der Repräsentationsfunktion<br />
der einzelnen MA (Corporate Behaviour). In der operativen Arbeit lässt gelegentlich sowohl<br />
mangelnde Weitsicht <strong>als</strong> auch mangelnde Effizienz beobachten. Um die Lern- und<br />
Entwicklungsfähigkeit der KuK ausgehend von der individuellen MA-Ebene zu erhöhen<br />
„[…] sollte es üblich und für die Mitarbeiter selbst verständlich sein, dass regelmäßig über den<br />
Prozess der Zielerreichung reflektiert 39 wird. Gerade in der Sozialen Arbeit neigen Organisationen<br />
insbesondere dann, wenn ihr Bestand einigermaßen gesichert erscheint, dazu, angesichts<br />
der drängenden und vielfältigen Alltagsaktivitäten die Reflexion über ihren Auftrag und ihre Ziele<br />
und über mögliche Veränderungen in der durch die Umwelt vermittelten Auftragslage zu vernachlässigen.<br />
[…] Angesprochen ist hier der Bezug zwischen einem Leiten durch Zielvereinbarungen<br />
und dem Stand der Lernbereitschaft und Lernfähigkeit von Organisationen. “ (Merchel<br />
2010, S. 98-99)<br />
Reaktive Single-loop-Lernschleifen, die sich in Haltungen (bzw. Theories-in-Use) wie „Wir<br />
helfen psychisch Kranken spontan bei den dringenden Anliegen, die sie jeweils an uns<br />
herantragen.“ oder „Wir müssen Hilfepläne und Entwicklungsberichte für den Kostenträger<br />
schreiben.“ Ausdrücken, sollten sich mit Hilfe von Lern- und entwicklungsorientierten Zielvereinbarungsgesprächen<br />
in proaktive Double-loop-Lernschleifen transferieren lassen:<br />
„Wir entwickeln mit unseren Klienten in professioneller und systematischer Weise gemeinsam<br />
Ziele und unterstützen sie bei der Umsetzung.“, „Wir gehen partnerschaftlich mit<br />
unseren Anspruchsgruppen und Kooperationspartnern um und suchen gemeinsam nach<br />
Lösungen für unsere Klienten.“ und „Wir gehen dabei nach klar definierten und wissenschaftlich<br />
begründeten professionellen Gesichtspunkten vor.“ Darüber hinaus kann FdZ<br />
<strong>als</strong> Lernbedarfsanalyse fungieren und Aufschluss, etwa über Fortbildungsbedarfe liefern.<br />
Um FdZ zur Förderung der organisationalen Lernfähigkeit zu etablieren empfiehlt es sich<br />
darauf zu achten, dass die verschiedenen genannten Lern- und Reflexionsräume auf den<br />
diversen Organisationsebenen kommunikativ anschlussfähig gestaltet werden, um so eine<br />
fruchtbare Ergänzung und ein Wechselspiel zwischen eher individueller und eher organisationaler<br />
Lernfähigkeit gewährleisten zu können.<br />
39 Und im Zusammenhang damit muss auch über den Grad der Professionalisierung reflektiert werden.<br />
91
3. Schlussteil<br />
3.1 Möglichkeiten<br />
Die mit der Einführung des SPSA verbundenen Möglichkeiten im Sinne von Vorteilen und<br />
Chancen für die ABW-MA, die Klient/inn/en und die Zusammenarbeit mit den Anspruchsgruppen<br />
und Kooperationspartnern etc. sind bereits an vielen Stellen unter den vorangegangenen<br />
Gliederungspunkten herausgestellt worden.<br />
Was die Möglichkeiten im Sinne von Anlässen (externen Irritationen) betrifft, tatsächlich<br />
die MA und den Arbeitsbereich des ABW nachhaltig zu professionalisieren durch die Einführung<br />
der ANHT und sukzessive des SPSA, so gibt es zwei Vorhaben des Hauptkostenträgers<br />
LWL, deren Umsetzung in absehbarer Zeit zu erwarten ist.<br />
Unter dem Titel „Projekt: Teilhabe 2012 – Mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderungen<br />
– den wegen der demographischen Entwicklung unvermeidbaren Kostenanstieg<br />
dämpfen“ hat der Sozialausschuss des LWL<br />
„am 22.6.2009 das Projekt [mit besagtem Titel, J.W.] beschlossen. Ziel war es, spätestens im<br />
Jahre 2012 messbare Verbesserungen der Teilhabechancen für behinderte Menschen in Westfalen-Lippe<br />
im Bereich Wohnen erreicht zu haben. Da demographisch bedingt ein Fallzahlanstieg<br />
unvermeidbar ist, sollten Instrumente entwickelt werden, den zwingend zu erwartenden<br />
Kostenanstieg zu dämpfen. Als ein Instrument sollte die Hilfeplanung entwickelt werden. Am<br />
17.6.2010 hat der Sozialausschuss sodann Maßstäbe und Kriterien für das LWL-<br />
Bedarfsermittlungsverfahren beschlossen und die Verwaltung beauftragt, die praktische Anwendbarkeit<br />
dieser Maßstäbe und Kriterien in zwei Gebietskörperschaften, Paderborn und Hagen,<br />
zu entwickeln. Ziel war es, das Verfahren sodann schrittweise in ganz Westfalen-Lippe anzuwenden.<br />
Entwicklung und Einführung des veränderten Verfahrens sind extern […] evaluiert<br />
worden.“ (LWL 2012a; Hervorh. J.W.)<br />
Zusammengefasst hat der LWL ein neues Hilfeplanverfahren 40 entwickeln lassen und in<br />
den Testregionen jeweils zentrale Hilfeplaner/innen des LWL installiert. Das neue Verfahren<br />
ist so gedacht, dass Hilfebedürftige, die einen Antrag auf ABW stellen wollen, die Hilfepläne<br />
nicht mehr bei und mit den Hilfeanbietern erstellen, sondern direkt mit den Hilfeplaner/inne/n<br />
des LWL in Verbindung treten und mit diesen zusammen den gesamten<br />
Prozess vom Erstgespräch bis zur Genehmigung (oder Ablehnung) der Hilfe durchlaufen<br />
sollen. Die Hilfeplaner/innen sollen in diesem Rahmen auch maßgeblich über geeignete<br />
Hilfeanbieter mitentscheiden.<br />
Die Befürchtungen der KuK, anderer Hilfeanbieter und der mit dieser Problematik befassten<br />
Gremien der Wohlfahrtsverbände sind, dass die vom LWL ausdrücklich angestrebte<br />
40 Es ist an dieser Stelle erwähnenswert, dass auch die Instrumente der Bedarfsermittlung und der Hilfeplanung, die der<br />
KuK (und anderen Anbietern) bisher vom LWL vorgegeben werden, unter fachlich-professionellen Gesichtspunkten ein<br />
dürftiges Handwerkszeug darstellen und die Arbeit damit oft auch entsprechende Ergebnisse zeitigt.<br />
92
Kostendämpfung im Bereich des ABW entgegen anderslautender Beteuerungen die fachlich-professionellen<br />
Aspekte der Hilfebedarfsermittlung nachrangig (wenn überhaupt) behandeln<br />
werden.<br />
Da die Ergebnisse der begleitenden Forschung offenbar unbefriedigend ausgefallen sind,<br />
wird das Projekt in größerem Umfang zunächst bis 30.06.2015 weitergeführt werden (vgl.<br />
ebd.). Diese Zeit gilt es zu nutzen. Aufgrund der über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen<br />
und Kooperationen im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis wird es auch unter den beabsichtigten<br />
veränderten Bedingungen künftig so bleiben, dass Hilfebedürftige, die für das ABW<br />
in Frage kommen zunächst direkt oder durch Vermittlung bei der KuK um Beratung ersuchen<br />
werden. Ein Verfahren gemäß der ANHT inklusive der SDF würde es ermöglichen,<br />
mit den Hilfesuchenden ihren Hilfebedarf unter fachlich-professionellen Gesichtspunkten<br />
zu ermitteln und sie entsprechend auf die Gespräche mit dem/der LWL Hilfeplaner/in vorzubereiten.<br />
Es ist zudem vorgesehen, dass die Hilfebedürftigen jeweils Vertrauenspersonen<br />
ihrer Wahl zu den Gesprächen mitbringen dürfen, sodass eine professionelle Fachkraft<br />
die Gespräche begleiten könnte.<br />
Ein weiteres Vorhaben des LWL betrifft die Erprobung neuer Leistungselemente für den<br />
Bereich ABW bis zum 31.12.2013. Ziel ist es u. a., die bisherige Komplexleistung in der<br />
Form der Fachleistungsstunde aufzusplittern in originäre Leistungen des ABW einerseits<br />
und ein sogenanntes Leistungsmodul S (für serviceorientiert). Das Leistungsmodul S soll<br />
Hilfebedarfe abdecken, die nicht zur Verselbständigung der Hilfebedürftigen dienen, sondern<br />
„kompensatorisch“ sind. Diese Hilfebedarfe sollen mit einem wesentlich niedrigeren<br />
Stundensatz <strong>als</strong> dem der FLS vergütet werden und von Hilfskräften ohne spezifische<br />
Qualifikationen ausgeführt werden können (vgl. LWL 2012c).<br />
Obwohl der LWL beteuert, dass mit diesem Vorhaben die Zielgruppe der geistig<br />
behinderten Menschen anvisiert wird, kann man vor dem Hintergrund der forcierten<br />
Kosendämpfung im Bereich des ABW für psychisch behinderte Menschen skeptisch sein.<br />
In Verbindung mit dem geplanten neuen Bedarfsermittlungs- und Hilfeplanverfahren steht<br />
jedefalls zu befürchten, dass fachlich-professionelle Aspekte bei den Kostenträgern eine<br />
zunehmend untergeordnetere Rolle spielen werden. Ein weiterer Grund für die KuK <strong>als</strong><br />
Hilfeanbierer <strong>als</strong>o, eine professionelle Systematik der Hilfebedarfsermittlung und<br />
Hilfeplanung auf der Grundlage der ANHT zu entwickeln, um für die und mit den<br />
Klient/inn/en die benötigten Hilfen gut begründet, nachvollziehbar und möglichst<br />
unanfechtbar herauszuarbeiten und einfordern zu können.<br />
Möglichkeiten im Sinne von Ressourcen in der KuK wären aus der Sicht des Verfassers<br />
ebenfalls vorhanden und zu nutzen.<br />
93
Eine kürzlich vom Geschäftsführer der KuK duchgeführte Neuberechnung der von den<br />
MA im ABW anteilig der Regelarbeitszeit zu leistenden FLS hat ergeben, dass es in<br />
dieser Hinsicht Entlastungsmöglickeiten gibt. Durch die Einstellung zahlreicher neuer<br />
jüngerer MA in den letzten beiden Jahren, ist der Personalkostenanteil bei der KuK<br />
insgesamt gesunken, sodass eine Refinanzierung der Kosten im ABW derzeit mit einem<br />
FLS-Anteil von ca. noch 62 % gesichert wäre. Die durch die entsprechend geringeren<br />
Klient/inn/en-Kontakte der MA erreichten zeitlichen, psychischen und physischen<br />
Entlastungen könnten für die professionelle „Zurüstung“ gut genutzt werden. Verbindliche<br />
und professionelle Standards würden den MA mittel- bis langfristig zudem mehr<br />
Handlungssicherheit und damit weitere Entlastungen bieten und den Leitungskräften inund<br />
außerhalb von MA-Gesprächen ermöglichen, den MA begründetes Lob aussprechen<br />
zu können.<br />
Die bereits seit zwei Jahren umgesetzte Entscheidung, pro Jahr mindestens zwei interne<br />
(bis zu zweitägige) Inhouse-Fortbildungen anzubieten, könnte ebenfalls gut für die Einführung<br />
der ANHT genutzt werden. Voraussetzung in dem Zusammenhang wäre die Entwicklung<br />
einer entsprechenden Weiterbildungsplanung inklusive eines einrichtungsinternen<br />
Curriculums. Es müssten zunächst Einführungsveranstaltungen und Workshops für<br />
die MA angeboten werden, um die Abläufe und Implikationen der ANHT und der SDF<br />
kennenzulernen und einüben zu können. Für die Entwicklung der Planung und der Entsprechenden<br />
Inhalte würde sich der Verfasser dieser Arbeit anbieten, der auch schon im<br />
Zusammenhang mit der QM-Einführung einschlägige Erfahrungen gemacht hat und zudem<br />
mit dem SPSA vertraut ist. Mittel- bis langfristig können Inhouse-Veranstaltungen<br />
genutzt werden, um relevante Inhalte aus den Bereichen Methoden, Bezugswissenschaften<br />
und Metatheorien zu vermitteln. Zu diesem Zweck bietet es sich an, externe fachkundige<br />
Referent/inn/en einzuladen.<br />
Insgesamt bietet das SPSA Möglickeiten, die Inhalte von Fort- und Weiterbildungen,<br />
(sowohl von solchen, die einzelne MA absolviert haben <strong>als</strong> auch von einrichtungsinternen)<br />
in den professionellen Kontext sinnvoll einzubinden. Die durch Weiterbildung und<br />
Maßnahmen wie Leitbildimpuse in den Teamsitzungen hinzugewonnenen Erkenntnisse<br />
können zu abgestimmten professionellen Herangehensweisen führen, so dass bisher<br />
disparate Tätigkeiten und Herangehensweisen fachlich konsistent und kongruent in ein<br />
Modell professioneller Arbeit integriert werden und mannigfaltige relevante Informationen<br />
jedweder Art ebenfalls in den professionellen Kontext einbezogen werden können.<br />
Anstehende Aufgaben, wie die Entwicklung von Anforderungsprofilen im Rahmen eines<br />
FdZ, können anhand der Kriterien des SPSA zur Entwicklung professioneller Standards<br />
94
führen, die im Fall von Anforderungsprofilen abgestuft nach formaler Qualifikation<br />
und/oder Kompetenz der einzelnen MA gestaltet werden müssen.<br />
3.2 Grenzen<br />
Die Einführung von Professionalität an sich und zusätzlich noch anhand eines anspruchsvollen<br />
Modells wie des SPSA ist mit einem hohen zeitlichen und ressourcenzehrenden<br />
Aufwand verbunden. Es muss sich noch zeigen, ob es dem Verfasser gelingen kann, zunächst<br />
die Geschäftsführung, das Leitungsteam und den Vorstand von den in dieser Arbeit<br />
dargelegten Notwendigkeiten und Chancen eines solchen Unterfangens zu überzeugen.<br />
Neben den aufwändigen Maßnahmen und hohen Anforderungen, die die Einführung<br />
des SPSA und im Zusammenhang damit die Etablierung und Nutzung von Lern- und Reflexionsräumen<br />
in zeitlicher, ressourcenbezogener, methodisch-fachlicher und sozialer<br />
(hohe Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit der Führungspersonen) Hinsicht bedeutet,<br />
sei an dieser Stelle im Hinblick auf die MA besonders auf die Problematik der „Defensiven<br />
Routinen“ hingewiesen. Mit diesen hat der Verfasser trotz gegenläufiger Bemühungen<br />
bereits öfter im Vorfeld der Einführung neuer Ansätze in der KuK Bekanntschaft gemacht<br />
und folgendes erfahren:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Fehler und mangelnde Fachlichkeit werden übergangen, nicht angesprochen,<br />
nicht wahrgenommen und bleiben wegen nicht erfolgter Beschwerden oder Hinweise<br />
unentdeckt.<br />
Beschwerden oder andere Hinweise werden <strong>als</strong> „Nörgelei“ abgetan.<br />
Wünschenswerte Verhaltens- und Zustandsänderungen werden <strong>als</strong> störend („Das<br />
haben wir noch nie so gemacht!“), oder unnötig („Wir sind bisher auch so gut zurechtgekommen!“,<br />
„Wir sind alle Profis und haben viel Erfahrung!“) etc. etikettiert.<br />
Diskussion und Reflexion werden <strong>als</strong> „Zeitfresser“ betrachtet und <strong>als</strong> zusätzliche<br />
Arbeit.<br />
Zielgerichtete gemeinsame Bemühungen um erhöhte Lernfähigkeit und professionelle<br />
Standards werden <strong>als</strong> „Gleichmacherei“ und „Korsett“ empfunden, im Gegensatz<br />
zu „professioneller Autonomie“. Die MA fühlen sich gegängelt.<br />
Ausrichtung an den Bedürfnissen und Anforderungen der Anspruchsgruppen und<br />
Kooperationspartner wird <strong>als</strong> unangemessen empfunden bzw. die Bedeutung der<br />
eigenen Einrichtung und Arbeit wird <strong>als</strong> profilierter empfunden <strong>als</strong> die der anderen<br />
Beteiligten im Hilfesystem.<br />
Wenn man dazu noch eine systemtheoretisch-steuerungsskeptische Haltung einnimmt,<br />
mag man sich besinnen, dass nicht der Sender (Leitung) sondern der Empfänger (MA)<br />
den Inhalt der Botschaft (zielorientierte Förderung der Lernbereitschaft und Professionali-<br />
95
sierung) bestimmt. Man hat es <strong>als</strong>o bei aller Mühe aus Leitungssicht nur bis zu einem<br />
bestimmten Grad in der Hand, ob die beabsichtigten Botschaften bei den Empfängern auf<br />
Verständnis stoßen, Sympathie erwecken oder sogar die erwünschten Handlungsfolgen<br />
nach sich ziehen.<br />
Die Beschränkung eines <strong>als</strong> universell für die Soziale Arbeit konzipierten Modells wie des<br />
SPSA auf eine konkrete, spezialisierte Einrichtung kann natürlich auch mit guten Gründen<br />
bemängelt werden. Der Verfasser hofft allerdings deutlich gemacht zu haben, dass gerade<br />
für die von ihm beschriebene Soziale Einrichtung ein Professionalisierungsprozess, für<br />
den das SPSA die geeigneten Mittel bereithält, auf Dauer ggf. überlebensnotwendig sein<br />
kann. Es ist daher zweifelhaft, ob es sinnvoll ist darauf zu warten, bis sich die Fachvertreter<br />
der Sozialen Arbeit in Deutschland darauf verständigt haben, Vertreter einer Disziplin<br />
und einer Profession sein zu wollen und sich dies in entsprechenden Aus- und Weiterbildungen<br />
fruchtbar niederschlägt.<br />
3.3 Ausblick<br />
Trotz der genannten Schwierigkeiten und Grenzen erscheint dem Verfasser die Einführung<br />
des SPSA <strong>als</strong> Mittel zur Förderung der Lern- und Entwicklungsfähigkeit und der Professionalisierung<br />
in der KuK ein Unterfangen, das der Mühen wert ist. Die sich damit bietenden<br />
Chancen scheinen im Hinblick auf die langfristige Bestandsfähigkeit auf fachlichprofessionell<br />
hohem Niveau allein deswegen bestechend, weil:<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
die professionell gehaltvolle Reflexion von MA über Ziele, Normen und Werte der<br />
KuK und der je eigenen Arbeit gefördert wird,<br />
die jeweils eigenen Theories-in-Use und deren langfristige Auswirkungen bewusst<br />
gemacht werden können und bei Diskrepanzen zur Espoused-Theorie gemeinsam<br />
nach Lösungen gesucht werden kann.<br />
Dies kann zu höherer Zufriedenheit der MA (durch Erschließen der Sinnhaftigkeit<br />
ihres Tuns und zunehmender professioneller Handlungssicherheit) und zu einem<br />
größeren Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Einrichtung führen.<br />
Alleine die gemeinsame Reflexion (erwachsen aus den individuellen Reflexionsprozessen)<br />
kann im Zusammenhang mit konkreten Kriterien für Professionalität<br />
auch in fachlich-qualitativer Hinsicht zu erweiterten Kompetenzen führen.<br />
Die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Einrichtung<br />
nach innen und außen kann erhöht werden.<br />
Die Erkennbarkeit (der spezifische „Charakter“) der KuK und die Abgrenzung von<br />
konkurrierenden Anbietern durch gelungene und inhaltlich „gedeckte“ Kommunikation<br />
wertgebundener Haltungen kann erhöht werden.<br />
96
Da die erwähnten Schwierigkeiten und Grenzen ohnehin bereits bei der Implementierung<br />
des QMS und überhaupt allen Veränderungsversuchen in Erscheinung treten und aus<br />
Sicht des Verfassers zumindest partiell durch Beharrlichkeit, Ausdauer und Lernfähigkeit<br />
– auch gerade der Leitungspersonen selbst – gelöst werden können, erscheint es durchaus<br />
<strong>als</strong> sinnvoll, zunächst mindestens die ANHT inklusive der SDF (im Sinne von „Kleine<br />
Brötchen backen.“) <strong>als</strong> Ansatz zur fachlich-professionellen Weiterentwicklung in die laufenden<br />
Bemühungen mit einzubeziehen.<br />
In diesem Sinne schließt der Verfasser mit Erich Kästner:<br />
"Es gibt nichts Gutes / außer: Man tut es."<br />
97
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(Zugriff am 13. 01 2013).<br />
103
Erklärung:<br />
Hiermit versichere ich, Jürgen Wanitzke, gemäß § 17 Absatz 7 der „Prüfungsordnung für<br />
den postgradualen und weiterbildenden Fernstudiengang Sozialmanagement der Alice<br />
Salomon Hochschule Berlin“, dass ich diese <strong>Masterarbeit</strong> selbständig verfasst und keine<br />
anderen <strong>als</strong> die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und alle wörtlich oder sinngemäß<br />
übernommenen Textstellen <strong>als</strong> solche kenntlich gemacht habe.<br />
Die <strong>Masterarbeit</strong> hat keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen.<br />
Hagen, den _______________, ___________________________________<br />
104