14.07.2014 Aufrufe

Masterarbeit als PDF/A-Datei (6,7 MB) - Socialnet

Masterarbeit als PDF/A-Datei (6,7 MB) - Socialnet

Masterarbeit als PDF/A-Datei (6,7 MB) - Socialnet

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Sozialmanagement und<br />

Professionalisierung sozialer<br />

Einrichtungen<br />

Ein praxisbezogener Ansatz am Beispiel der<br />

Eingliederungshilfe für psychisch behinderte<br />

Erwachsene<br />

Jürgen Wanitzke<br />

veröffentlicht unter den socialnet Materialien<br />

Publikationsdatum: 27.12.2013<br />

URL: http://www.socialnet.de/materialien/173.php


Freie wissenschaftliche Arbeit<br />

zur Erlangung<br />

des Grades eines Masters in Sozialmanagement<br />

an der Alice Salomon Hochschule Berlin<br />

(<strong>Masterarbeit</strong>)<br />

Sozialmanagement und Professionalisierung sozialer Einrichtungen<br />

Ein praxisbezogener Ansatz am Beispiel der Eingliederungshilfe für psychisch<br />

behinderte Erwachsene<br />

Eingereicht bei:<br />

Erstleser:<br />

Zweitleser:<br />

Herr Prof. Dr. Hans-Dieter Bamberg<br />

Herr Dr. sc. Lothar Becker<br />

Verfasser:<br />

Jürgen Wanitzke<br />

Kurt-Schumacher-Ring 52<br />

58135 Hagen<br />

Matrikel.-Nr.: 8122066<br />

Hagen, den 29.01.2013


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................. 3<br />

Abkürzungsverzeichnis...................................................................................................... 5<br />

Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................... 6<br />

Tabellenverzeichnis ........................................................................................................... 6<br />

1. Einleitung ................................................................................................................... 7<br />

1.1 Anlass und Problemstellung ................................................................................ 7<br />

1.2 Erkenntnisinteresse, Fragen, Eingrenzungen und Erkenntnisziele ...................... 8<br />

1.3 Aufbau der Arbeit ................................................................................................ 9<br />

2. Hauptteil ................................................................................................................... 10<br />

2.1 Erste Begriffsbestimmungen und Definitionen ................................................... 10<br />

2.1.1 Management .............................................................................................. 12<br />

2.1.2 Soziale Arbeit, Sozialer Bereich und Soziale Einrichtungen ....................... 14<br />

2.1.3 Sozialmanagement .................................................................................... 14<br />

2.1.4 Professionalität und Professionalisierung ................................................... 15<br />

2.2 Genese der Professionalisierungs- und Sozialmanagementdiskussionen ......... 18<br />

2.2.1 Deutsches Reich und Folgen der industriellen Revolution .......................... 18<br />

2.2.2 Erster Weltkrieg .......................................................................................... 19<br />

2.2.3 Weimarer Republik, Nation<strong>als</strong>ozialismus und Zweiter Weltkrieg ................ 19<br />

2.2.4 Nachkriegszeit und junge Bundesrepublik Deutschland ............................. 21<br />

2.2.5 1970er und 80er Jahre und der Wandel im Sozi<strong>als</strong>taatsverständnis .......... 24<br />

2.2.6 1990er Jahre und der Um- und Abbau des Sozi<strong>als</strong>taates ........................... 26<br />

2.2.7 Ende der 1990er Jahre bis heute: Etablierung des Sozialmanagements .... 29<br />

2.3 Wandel und Veränderungen bei der Kontakt- und Krisenhilfe e. V. ................... 31<br />

2.3.1 Kleine Anfänge ........................................................................................... 31<br />

2.3.2 Wende zur Subjektförderung und beginnendes Wachstum ........................ 34<br />

2.3.3 „Hochzonung“ des Ambulant Betreuten Wohnens und Expansion ............. 35<br />

2.3.4 Konsequenzen des Wachstums und strukturelle Veränderungen ............... 37<br />

2.3.5 Aktuelle Herausforderungen und Anforderungen ........................................ 41<br />

3


2.4 Systemtheoretisches Paradigma der Sozialen Arbeit ........................................ 48<br />

2.4.1 Theoretische Grundlagen des Systemtheoretischen Paradigmas .............. 48<br />

2.4.2 Systemtheoretisches Paradigma in seinen Grundzügen ............................ 52<br />

2.4.3 Systemische Denkfigur nach Kaspar Geiser .............................................. 60<br />

2.4.4 Allgemeine Normative Handlungstheorie und Praxisbezug ........................ 63<br />

2.5 Neues St. Galler Management-Modell ............................................................... 67<br />

2.5.1 Entstehung und theoretische Grundlagen .................................................. 67<br />

2.5.2 Grundkategorien des Modells und Praxisbezug ......................................... 70<br />

2.5.3 Umweltsphären .......................................................................................... 70<br />

2.5.4 Anspruchsgruppen ..................................................................................... 71<br />

2.5.5 Interaktionsthemen ..................................................................................... 72<br />

2.5.6 Ordnungsmomente .................................................................................... 74<br />

2.5.7 Prozesse .................................................................................................... 77<br />

2.5.8 Entwicklungsmodi ...................................................................................... 80<br />

2.6 Professionalisierung <strong>als</strong> Aufgabe des Managements ........................................ 81<br />

2.6.1 Vorüberlegungen ........................................................................................ 81<br />

2.6.2 Organisationales Lernen ............................................................................ 83<br />

2.6.3 Führen durch Zielvereinbarungen............................................................... 87<br />

2.6.4 Verbindung von organisationaler Lernfähigkeit und FdZ ............................. 90<br />

3. Schlussteil ................................................................................................................ 92<br />

3.1 Möglichkeiten .................................................................................................... 92<br />

3.2 Grenzen ............................................................................................................ 95<br />

3.3 Ausblick ............................................................................................................. 96<br />

Literatur- und Quellenverzeichnis .................................................................................... 98<br />

Erklärung ....................................................................................................................... 104<br />

4


Abkürzungsverzeichnis<br />

ABW<br />

ANHT<br />

AVB<br />

BHO<br />

BSHG<br />

FdZ<br />

FLS<br />

KuB<br />

KuK<br />

KVP<br />

LHO<br />

LWL<br />

MA<br />

NRW<br />

PDCA<br />

QM<br />

Q<strong>MB</strong><br />

QMS<br />

SAW<br />

SGB<br />

SpFh<br />

SPSA<br />

TS<br />

VZ<br />

Ambulant Betreutes Wohnen<br />

Allgemeine Normative Handlungstheorie<br />

Arbeitsvertragsbedingungen des Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverbandes<br />

Bundeshaushaltsordnung<br />

Bundessozialhilfegesetz<br />

Führen durch Zielvereinbarungen<br />

Fachleistungsstunde<br />

Kontakt- und Beratungsstelle(n)<br />

Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-<br />

Kreis e. V.<br />

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess<br />

Landeshaushaltsordnung<br />

Landschaftsverband Westfalen-Lippe<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Plan-Do-Check-Act (Deming-Zyklus)<br />

Qualitätsmanagement<br />

Qualitätsmanagementbeauftragter<br />

Qualitätsmanagementsystem<br />

Sozialarbeitswissenschaft<br />

Sozialgesetzbuch<br />

Sozialpädagogische Familienhilfe<br />

Systemtheoretisches Paradigma Sozialer<br />

Arbeit<br />

Tagesstätte<br />

Vollzeit (Arbeitsstelle)<br />

5


Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Der Ennepe-Ruhr-Kreis .............................................................................. 31<br />

Abbildung 2: Die KuK bis Juni 1999, vor der Eröffnung der Tagesstätte .......................... 33<br />

Abbildung 3: Die KuK Ende 2002 .................................................................................... 35<br />

Abbildung 4: Die KuK Ende 2003 .................................................................................... 36<br />

Abbildung 5: Die KuK Ende 2005 .................................................................................... 37<br />

Abbildung 6: Die KuK Ende 2008 .................................................................................... 38<br />

Abbildung 7: Die KuK Ende 2009 .................................................................................... 38<br />

Abbildung 8: Die KuK Ende 2011 .................................................................................... 39<br />

Abbildung 9: Die KuK Ende 2012 .................................................................................... 40<br />

Abbildung 10: Entwicklung der Klient/inn/en-Zahlen im ABW 2005-2012 ........................ 41<br />

Abbildung 11: Die Struktur der Sozialarbeitswissenschaft in der Sicht des SPSA............ 53<br />

Abbildung 12: Problemklassen und ihre Beziehungen untereinander .............................. 58<br />

Abbildung 13: Allgemeine Normative Handlungstheorie .................................................. 59<br />

Abbildung 14: Komponenten des allgemeinen methodischen Professionswissens .......... 60<br />

Abbildung 15: Die SDF im Detail (Individuum)................................................................. 61<br />

Abbildung 16: Modell eines integrierten Systems von Handlungswissenschaften ............ 67<br />

Abbildung 17: Das neue St. Galler Management-Modell im Überblick ............................. 70<br />

Abbildung 18: Phasenschema des MbO .......................................................................... 88<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 1: Entwicklung Klienten – Personal - LWL-Vergütung 1999 - 2012 ..................... 42<br />

Tabelle 2: Verteilung Mitarbeiter/innen – Qualifikation – Stellenumfang im ABW ............. 47<br />

6


1. Einleitung<br />

1.1 Anlass und Problemstellung<br />

Der Verfasser dieser Arbeit ist seit Oktober 2005 bei der Kontakt- und Krisenhilfe im<br />

Ennepe-Ruhr-Kreis e. V., einer Einrichtung der Eingliederungshilfe für psychisch behinderte<br />

Erwachsene, beschäftigt. Drei Jahre lang war er dort zunächst <strong>als</strong> Diplom-Sozialarbeiter<br />

im Arbeitsbereich Ambulant Betreutes Wohnen tätig. Danach wurde er<br />

<strong>als</strong> Teamleiter eingesetzt und ist in dieser Position zuständig für z. Zt. neun Mitarbeiter/innen,<br />

die zum größten Teil im Ambulant Betreuten Wohnen und teilweise in der Kontaktstellenarbeit<br />

tätig sind. Ende 2009 kam – nach einer entsprechenden Fortbildung – <strong>als</strong><br />

weiterer Aufgabenbereich, die Implementierung und der Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems<br />

nach DIN EN ISO 9001:2008, hinzu.<br />

Bereits während seiner Zeit <strong>als</strong> sozialarbeiterische Fachkraft (und schon während früherer<br />

Tätigkeiten im Sozialen Bereich) hatte der Verfasser Schwierigkeiten, sowohl das im Studium<br />

erworbene Wissen praxisrelevant einzusetzen, <strong>als</strong> auch sich über seine Identität <strong>als</strong><br />

Sozialarbeiter klar zu werden und das Spezifische dieser Identität in seinem Arbeitsbereich<br />

und dessen Umfeld sinnvoll von den Tätigkeiten anderer helfender Berufe und Professionen<br />

abzugrenzen. Der Eindruck, dass es auch den anderen Kolleg/inn/en mit dem<br />

gleichen Ausbildungshintergrund so ergeht, hat sich mit den Jahren verfestigt und konkretisiert<br />

(und wurde jüngst anhand einer durchgeführten internen Umfrage bestätigt 1 ). Die<br />

Probleme, die ein solcher Zustand mit sich bringt, zeigen sich vordergründig z. B. in Unsicherheiten<br />

beim Erstellen aussagekräftiger und fachlich fundierter Hilfepläne und Entwicklungsberichte,<br />

sowie anhand heterogener und teilweise schlecht zu vereinbarender und<br />

fachlich unklarer Herangehensweisen an Klient/inn/en und deren Probleme im Teamkontext<br />

und in der Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern etc.<br />

Als Teamleiter und Qualitätsmanagementbeauftragter wurde der Verfasser zunehmend<br />

mit Management- und Leitungsfragen konfrontiert. Die Bemühungen, mit Hilfe des Qualitätsmanagements<br />

die fachliche Arbeit in der Einrichtung zu verbessern, warfen in Verbindung<br />

mit dem dadurch importierten Managementjargon und diversen Managementtools<br />

teilweise mehr Fragen auf <strong>als</strong> sie zu lösen versprachen – all dies wollte nicht so recht zu<br />

dem erlebten Alltagsgeschäft in einer Sozialen Einrichtung passen. Es wurde dem Verfasser<br />

schnell bewusst, dass eine gewinnbringende Implementierung eines QM-Systems<br />

in einer Sozialen Einrichtung weitaus mehr Wissen und Kenntnisse erforderlich macht, <strong>als</strong><br />

sie in einer Qualitätsmanagement-Fortbildung vermittelt werden.<br />

1 Siehe Gliederungspunkt 2.3.5<br />

7


So entschloss der Verfasser sich, Ende 2010 ein Sozialmanagement-Studium aufzunehmen.<br />

Interessensschwerpunkte während des Studiums waren Fragen der Organisationsund<br />

Personalentwicklung, Notwendigkeiten und Möglichkeiten organisationalen Wandels,<br />

die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Organisationsstrukturen, Organisationskultur<br />

und Möglichkeiten und Grenzen gezielter Steuerung von Entwicklungen etc.<br />

Während dieses Studiums, das berufsbegleitend absolviert wurde, hatte der Verfasser die<br />

gewinnbringende Gelegenheit, im Studium erworbenes Wissen und Fähigkeiten immer<br />

wieder theoretisch und praktisch mit dem Arbeitsalltag und der Situation in seiner Einrichtung<br />

abzugleichen. Der Eindruck, dass die mangelnde Professionalität in der Sozialen<br />

Arbeit ein Problem ist, das über die Zukunftsfähigkeit und den Bestand konkreter Sozialer<br />

Einrichtungen entscheiden kann, hat sich während der Studienzeit verfestigt.<br />

1.2 Erkenntnisinteresse, Fragen, Eingrenzungen und Erkenntnisziele<br />

Der Verfasser ist zu der Einschätzung gelangt, dass es eine vordringliche Aufgabe des<br />

Managements in Sozialen Einrichtungen ist, diesem Problem mit den ihm zur Verfügung<br />

stehenden adäquaten Mitteln abzuhelfen. Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit<br />

ist daher, ob und wie es gelingen könnte 2 , Einrichtungen der Sozialen Arbeit zu professionalisieren.<br />

Im Zusammenhang damit stehen u. a. Fragen danach, was Professionalität<br />

in der Sozialen Arbeit ausmachen könnte, wie es zu der verbreiteten Einschätzung<br />

kommen konnte, dass in der Sozialen Arbeit in Deutschland ein eklatanter Mangel an Professionalität<br />

besteht, woran man einen solchen Mangel womöglich konkret erkennen<br />

kann, ob es praktikable Möglichkeiten der Abhilfe dieses Zustandes geben könnte und ob<br />

und wie man in konkreten Zusammenhängen solche Abhilfe leisten kann.<br />

Da ein entsprechender Beitrag sich in dem vorgegebenen Umfang einer <strong>Masterarbeit</strong> naturgemäß<br />

zu begrenzen hat, werden vier grundlegende Eingrenzungen vorgenommen:<br />

1. Das Untersuchungsfeld beschränkt sich im Wesentlichen auf das Arbeitsfeld des Ambulant<br />

Betreuten Wohnens in der Kontakt- und Krisenhilfe e. V., da Managementkonzepte<br />

und -modelle, um in Organisationen wirksam sein zu können, sich auf die dortigen konkreten<br />

Gegebenheiten und Umstände herunterbrechen und anwenden lassen müssen.<br />

Zudem wirkt sich der Wandel der Rahmenbedingungen im Sozialen Bereich bei der Kontakt-<br />

und Krisenhilfe in diesem Arbeitsbereich besonders deutlich und folgenreich für die<br />

gesamte Einrichtung aus.<br />

2. Es wird ein bestimmtes Modell professioneller Sozialer Arbeit – das Systemtheoretische<br />

Paradigma der Sozialen Arbeit – ausgewählt, das den Rahmen für eine sukzessive<br />

2 Daher ist im Titel von einem „Ansatz“ die Rede.<br />

8


Implementierung von Professionalität bilden und auf die Spezifika des ausgewählten Arbeitsbereichs<br />

abgestimmt werden soll.<br />

3. Ebenfalls wird ein bestimmtes Management-Modell – das neue St. Galler Management-<br />

Modell – herangezogen, das ebenfalls auf die Spezifika des Arbeitsfeldes und der Gesamteinrichtung<br />

abgestimmt werden muss. Beide Modelle haben einen integrativen Charakter<br />

und erlauben somit die Berücksichtigung zahlreicher Elemente und Faktoren, die<br />

für das hier unternommene Unterfangen sinnvoll erscheinen. Beide Modelle sind zudem<br />

systemtheoretisch, wenn auch unter verschiedenen philosophischen Prämissen, und erlauben<br />

somit eine adäquate Bewältigung komplexer Zusammenhänge und Umstände.<br />

4. Es wird eine Beschränkung auf zwei ausgewählte Methoden zur Umsetzung der bis<br />

dahin gewonnenen Erkenntnisse in einer konkreten Sozialen Einrichtung vorgenommen.<br />

Die Ziele der hier angestellten Überlegungen bestehen darin, die aufgeworfenen Fragen<br />

mit Hilfe wissenschaftlich begründeten Wissens und in Verbindung sowohl mit eigenen<br />

Managementerfahrungen <strong>als</strong> auch der Kenntnis der konkreten Probleme einer konkreten<br />

Einrichtung möglichst befriedigend und praxisrelevant beantworten zu können und ausbaufähige<br />

Ideen für die weitere praktische Umsetzung entwickelt zu haben.<br />

1.3 Aufbau der Arbeit<br />

Nachdem in der Einleitung Anlass und Problemstellung des hier behandelten Themas<br />

umschrieben worden sind, zum Erkenntnisinteresse und einigen damit verbundenen Fragestellungen<br />

Stellung genommen wurde, grundlegende Eingrenzungen hinsichtlich der<br />

Themenbearbeitung vorgenommen und die Erkenntnisziele dargelegt worden sind, werden<br />

im folgenden Hauptteil der Arbeit unter dem Gliederungspunkt 2.1 definitorische Eingrenzungen<br />

vorgenommen und wichtige verwendete Begriffe und Definitionen geklärt.<br />

Sodann wird unter dem Gliederungspunkt 2.2 anhand eines historischen Abrisses skizziert,<br />

wie es in der Bundesrepublik Deutschland zu der aktuell <strong>als</strong> problematisch eingeschätzten<br />

Situation in der Sozialen Arbeit und zu den Bestrebungen gekommen ist, durch<br />

ein Hochschulstudium Sozialmanagement Abhilfe zu schaffen. Anschließend zeigt der<br />

Verfasser unter dem Gliederungspunkt 2.3 auf, wie sich die zuvor dargestellten Entwicklungen<br />

im Arbeitsfeld der Eingliederungshilfe für psychisch behinderte Erwachsene und<br />

näherhin in der Einrichtung Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis e. V. ausgewirkt<br />

haben. Der Gliederungspunkt schließt mit der Erörterung, welche aktuellen Probleme<br />

dort im Zusammenhang mit dem hier behandelten Thema zu lösen sind.<br />

Unter dem Gliederungspunkt 2.4 wird das Systemtheoretische Paradigma der Sozialen<br />

Arbeit vorgestellt und im Hinblick auf die Besonderheiten der in den Blick genommenen<br />

Einrichtung und des ausgewählten Arbeitsbereiches spezifiziert. Gleichermaßen wird in<br />

9


einem nächsten Schritt unter gliederungspunkt 2.5 das neue St. Galler Management-<br />

Modell eingeführt. Im Rahmen des letztgenannten Modells wird unter dem Gliederungspunkt<br />

2.6 aufgezeigt, auf welche Weise das Management der Kontakt- und Krisenhilfe<br />

e. V. mit Hilfe des SPSA die Einrichtung professionalisieren könnte.<br />

Im Schlussteil dieser Arbeit werden unter dem Gliederungspunkt 3. die Möglichkeiten erörtert,<br />

die sich durch die hier vorgeschlagene Weise der Professionalisierung bieten, es<br />

werden die Grenzen aufgezeigt, auf die ein solcher Versuch möglicherweise stoßen wird<br />

und es wird ein kurzer Ausblick gewagt.<br />

2. Hauptteil<br />

2.1 Erste Begriffsbestimmungen und Definitionen<br />

An dieser Stelle werden hinsichtlich der in dieser Arbeit vom Verfasser verwendeten Begriffe<br />

erste Klärungen vorgenommen. Definierte und für die Gedankenführung in der Arbeit<br />

besonders relevante Begriffe werden durchweg <strong>als</strong> Eigennamen verwendet (z. B.<br />

Sozialer Bereich, Soziale Einrichtung etc.). Im weiteren Verlauf der Arbeit werden weitere<br />

Begriffsdefinitionen folgen, die sich aus dem jeweiligen Zusammenhang heraus <strong>als</strong> sinnvoll<br />

nahelegen (z. B. Soziale Probleme).<br />

„Das Soziale ist das Programm, das Sozialer Arbeit eignet und an dem sich die managende<br />

Tätigkeit zu orientieren hat.“ (Bader 1999 in Schwarz 2012, S. 133) Dieses Zitat<br />

von Cornelia Bader fasst einen wichtigen Aspekt der Fragestellung des Verfassers dieser<br />

Arbeit prägnant zusammen: Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Aufgaben<br />

und Anforderungen, mit denen ein Management in Sozialen Einrichtungen zu tun hat und<br />

dem „Kerngeschäft“ solcher Einrichtungen? Was überhaupt ist das Kerngeschäft?<br />

„[D]as ‚Kerngeschäft‘ ist und bleibt die Sozialarbeit, an ihr hat das Sozialmanagement sich zu<br />

orientieren. Mit anderen Worten: über den notwendigen Diskussionen zum Thema Sozialmanagement<br />

dürfen die Lebensadern zur Sozialarbeit und zu ihrem gesellschaftlichen Auftrag<br />

ebenso wenig vergessen werden, wie die Interaktionen zu den unterstützungsbedürftigen Menschen<br />

und deren Einbeziehung und Mitwirkung an der Planung und Durchführung der notwendigen<br />

Hilfemaßnahmen.“ (Schwarz, 2012, S. 136)<br />

Wie steht es um die Soziale Arbeit? Ist sie eine Disziplin und eine Profession oder nur ein<br />

Beruf? Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Antworten auf diese Fragen auf die<br />

Leistungen, die Steuerbarkeit, die Legitimation und den Bestand von Sozialen Einrichtungen?<br />

Der Verfasser schließt sich der Auffassung zahlreicher Lehrender und Praktiker im<br />

deutschsprachigen Raum an, dass die Soziale Arbeit nachgewiesenermaßen in vielen<br />

Ländern der Welt schon seit langem eine Disziplin und eine Profession ist (vgl. z. B.<br />

10


Engelke, Spatscheck und Borrman: Die Wissenschaft Soziale Arbeit. Werdegang und<br />

Grundlagen. 2009) Auch hierzulande sollte die Soziale Arbeit nach Auffassung des Verfassers<br />

zu diesem Status und in den damit verbundenen Zustand gelangen, denn in der<br />

Praxis lassen das Handeln vieler Fachkräfte der Sozialen Arbeit und auch die Abläufe<br />

innerhalb der Einrichtungen einiges an Professionalität vermissen, was vielfältige Ursachen<br />

und oft auch Auswirkungen hat, deren Vermeidung oder Milderung im Interesse von<br />

Verantwortlichen im Management der entsprechenden Einrichtungen liegen sollte. „Aufgabe<br />

des Sozialmanagements […] sollte es sein, die Wirkungen professionellen Handelns<br />

sozialer Arbeit zu optimieren durch ‚Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Organisation<br />

einerseits und die Förderung der Organisationsmitglieder andererseits‘ (Schwarz, 1995,<br />

S. 64, 65).“ (Schwarz, 2012, S. 146) Aus der Perspektive der Fachkräfte werden die im<br />

Arbeitsalltag wahrgenommenen Mängel wiederum zum Anlass, daraus Anforderungen an<br />

das Management zu formulieren:<br />

„Aus der Sicht der Fachlichkeit […] werden nach wie vor Schwierigkeiten in der Passform zwischen<br />

fachlichen Erfordernissen und problemangemessenen Strukturen sowie angemessenen<br />

Formen der Steuerung und Führung vorgetragen. Dabei werden Anforderungen benannt, die<br />

von einem Management zu erfüllen sind, damit die Fachlichkeit nicht nur weiterhin zum Tragen<br />

kommen kann, sondern sich deutlicher entfalten kann.“ (A. Wöhrle 2012c, 181)<br />

Professionalisierung von Fachkräften und mithin von Einrichtungen der Sozialen Arbeit ist<br />

in jeder Hinsicht eine wesentliche Aufgabe und ein Gegenstand des Sozialmanagements.<br />

Es geht um die Feststellung, Sicherung und Weiterentwicklung der Fachlichkeit der Fachkräfte<br />

und die Implementierung und Dokumentation der einrichtungs- und arbeitsfeldspezifischen<br />

Fachlichkeit innerhalb der Einrichtung. Fachlichkeit „bildet den wesentlichen Bezugsrahmen<br />

für Handlungskonzepte und Handlungsverständnis in den unterschiedlichen<br />

Feldern sozialer Arbeit sowie den wesentlichen Bezugspunkt des professionellen Selbstverständnisses<br />

der dort tätigen Fachkräfte.“ (Galuske 2011, S. 277; Hervorh. J.W.) Somit<br />

werden die Begriffe Fachlichkeit und Professionalität <strong>als</strong> Ziele der Organisationsgestaltung<br />

und Personalentwicklung in dieser Arbeit synonym verwendet.<br />

Auch das Sozialmanagement selbst ist noch auf dem Wege der Professionalisierung:<br />

„Die Sozialwirtschaft entwickelt sich zu einer spezifischen Lehre der Integration der Fachwissenschaften<br />

der Sozialen Arbeit und der Betriebswirtschaft sowie weiterer Disziplinen wie z. B.<br />

Sozialpolitik, Volkswirtschaft, Sozialrecht, Soziologie, Psychologie, Erziehungswissenschaften.<br />

[…] Die Professionalisierung der Fachkräfte und der Führungskräfte muss intensiviert werden –<br />

Lebenslanges Lernen ist ein unverzichtbares Qualitäts- und Überlebensmerkmal. Integration<br />

div. Fachwissenschaften und interdisziplinäres Handeln sind die zentralen Leitlinien.“ (Maelicke,<br />

2012, S. 129, 130)<br />

Dabei erfordert die „Vertiefung des Standes der Fachdiskussion“ u. a. „Konzeptionsarbeit<br />

zum Zusammenhang Soziale Arbeit und Sozialwirtschaft.“ (ebd., S. 132) Es entsteht bei<br />

11


der Durchsicht der Fachliteratur der Eindruck, dass die Schwierigkeiten bei und die<br />

Defizite in der Gegenstandsbestimmung, Theoriebildung und Professionalisierung in der<br />

Sozialen Arbeit und dem Sozialmanagement Parallelen aufweisen, die mit den nach wie<br />

vor bestehenden Unsicherheiten darüber, was Soziale Arbeit überhaupt ist und leisten<br />

soll, zusammen hängen.<br />

Es erscheint sinnvoll, zunächst zu umreißen und später differenzierter herauszuarbeiten,<br />

was der Verfasser unter Sozialer Arbeit versteht, was unter Sozialmanagement, wie das<br />

Arbeitsfeld Sozialer Arbeit begrifflich zu fassen ist, was Professionalität ist, warum<br />

Professionalisierung in und von Sozialen Einrichtungen vonnöten ist und wie sie<br />

vonstatten gehen soll. Der letzgenannte Aspekt wird eine Veranschaulichung anhand<br />

einer konkreten Einrichtung erfordern, da „Management nicht etwas isolierbares ist,<br />

sondern immer bezogen auf eine Institution, welche das Objekt der Führung darstellt. […]<br />

Es ist deshalb zwingend notwendig, zunächst das Wesen oder die Charakteristik der zu<br />

führenden Institution zu verstehen.“ (Ulrich und Probst 1991, S. 240)<br />

2.1.1 Management<br />

Der hier verwendete Begriff des Sozialmanagements folgt „der Leitorientierung einer reflektierten<br />

Integration von Managementdenken und fachlichen Anforderungen der Sozialen<br />

Arbeit.“ (Merchel 2009, S. 14) Was Managementdenken ist bzw. was Management<br />

ausmacht lässt sich zusammenfassend umschreiben <strong>als</strong> „Aufgabe, ein <strong>als</strong> soziales System<br />

verstandenes Unternehmen, das sich <strong>als</strong> Bestandteil seiner spezifischen Umwelt verhalten<br />

und bewegen muss, zielgerichtet zu gestalten und weiterzuentwickeln und auf diese<br />

Weise für den Erhalt dieses Systems Sorge zu tragen.“ (ebd., S. 20) Es lassen sich<br />

zunächst zwei Bedeutungsvarianten unterscheiden:<br />

„- Management im funktionalen Sinn, d. h. Beschreibung der Prozesse und Funktionen, die in<br />

arbeitsteiligen Organisationen notwendig werden, wie Planung, Organisation, Führung,<br />

Kontrolle (managerial functions approach);<br />

- Management im institutionalen Sinn, d. h. Beschreibung der Personen(-gruppen), die Managementaufgaben<br />

wahrnehmen, ihrer Tätigkeiten und Rollen (managerial roles approach).“<br />

(Staehle 1999, S. 71)<br />

Üblicherweise unterscheidet man hinsichtlich der Personellen Zuordnung von Managementanforderungen,<br />

die auf unterschiedlichen Hierarchieebenen bewältigt werden müssen<br />

in unteres, mittleres und oberes Management. Je nach Größe und Komplexität der<br />

betreffenden Organisation wird ein entsprechend ausdifferenziertes, gestuftes Leitungssystem<br />

notwendig (vgl. Merchel 2009, S. 19).<br />

Des Weiteren ist es sinnvoll, drei Teilfunktionen zu differenzieren:<br />

12


„- Gestaltung eines institutionellen Rahmens, der es ermöglicht, eine handlungsfähige Ganzheit<br />

über ihre Zweckerfüllung überlebens- und entwicklungsfähig zu erhalten.<br />

- Lenkung durch das Bestimmen von Zielen und das Festlegen, Auslösen und Kontrollieren<br />

von zielgerichteten Aktivitäten des Systems und seiner Elemente.<br />

- Entwicklung ist teils das Ergebnis von Gestaltungs- und Lenkungsprozessen im Zeitablauf,<br />

teils erfolgt sie in sozialen Systemen eigenständig evolutorisch durch intergeneratives Erlernen<br />

von Wissen, Können und Einstellungen.“ (Bleicher 2011, S. 73)<br />

Schließlich ist noch die Unterscheidung von drei Handlungsebenen sinnvoll (vgl. Merchel<br />

2009, S. 21, 22 und Maelicke 2008, S. 662):<br />

- Normatives Management: Auf dieser Ebene der langfristigen Rahmenplanung sind<br />

übergeordnete, wertegebundene unternehmerische Grundsätze angesiedelt, wie<br />

z. B. Vision, Leitbild, Grundsatzziele, mit denen sich ein Unternehmen in seiner<br />

Umwelt platzieren und sich ggf. von anderen absetzen will. Es geht auch um die<br />

Legitimation gegenüber den diversen Anspruchsgruppen und um konsensfähige<br />

Grundlagen für das langfristige Überleben, die Entwicklung und den inneren Zusammenhalt<br />

angesichts notwendiger Veränderungsprozesse.<br />

- Strategisches Management: Hier geht es darum, die Ziele des normativen Managements<br />

zu präzisieren und die für die Zielerreichung notwendigen Aktivitäten darauf<br />

auszurichten mittels einer Unternehmensstrategie, die fortlaufend überprüft<br />

und angepasst werden muss. Trotz eines mehr oder weniger unsicheren Umfeldes<br />

und der weitgehenden Unvorhersehbarkeit künftiger Entwicklungen, muss ein<br />

möglichst hohes Maß an Sicherheit und Orientierung aufrechterhalten werden.<br />

- Operatives Management: Die Ziele und Maßnahmen des normativen und strategischen<br />

Managements werden auf dieser Ebene in konkretes, den Alltagsanforderungen<br />

gemäßes unternehmerisches Handeln umgesetzt, indem die grundsätzlich<br />

knappen betrieblichen Ressourcen möglichst effizient und effektiv eingesetzt werden<br />

müssen.<br />

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Bedeutungsvarianten, Funktionen und Handlungsebenen,<br />

geht es beim Management darum, dass in einer Organisation auf verschiedenen<br />

Ebenen verantwortliche Personen entsprechende i. d. R. hierarchisch angeordnete<br />

und von der normativen zur operativen Ebene hin ausdifferenzierten Organisationsziele<br />

(Zielpyramide) mit den dafür geeigneten Mitteln zu erreichen versuchen. Wesentlich für<br />

die Auswahl der geeigneten Mittel ist eben der Zweck, um dessentwillen die Organisation<br />

geschaffen worden ist, der sich in einem oder mehreren Leitzielen manifestiert.<br />

13


2.1.2 Soziale Arbeit, Sozialer Bereich und Soziale Einrichtungen<br />

In der hier eingenommenen Betrachtungsweise soll es um kleinere bis mittlere (in der<br />

Größenordnung von bis zu 100 Mitarbeiter/innen) Organisationen gehen, die gesellschaftlich<br />

im intermediären Bereich zwischen Staat, Markt und dem informellen Bereich der<br />

Gemeinschaft angesiedelt sind (vgl. Merchel 2009, S. 41 und Finis Siegler 2009, S. 129) 3 .<br />

Die Funktion von Organisationen im intermediären Bereich besteht in einem staatlich und<br />

gesellschaftlich intendierten Ausgleich des Versagens der anderen drei Funktionsbereiche<br />

gegenüber Individuen und Gruppen, die dadurch in einem noch näher zu spezifizierenden<br />

Sinn hilfebedürftig werden. Hier tritt die Soziale Arbeit auf den Plan. „Allgemein<br />

ausgedrückt verhindert, mindert oder löst Soziale Arbeit die sozialen Probleme ihrer<br />

Klientel bzw. schafft Bedingungen für deren Lösung.“ (Obrecht 2001, S. 97) Es wird daher<br />

im Weiteren immer vom Sozialen Bereich <strong>als</strong> professionellem Tätigkeitsfeld im<br />

intermediären Bereich die Rede sein und von den dort organisationsförmig agierenden<br />

Sozialen Einrichtungen, in denen vorzugsweise Fachkräfte der Sozialen Arbeit<br />

(Sozialarbeiter/innen, Sozialpädagog/inn/en) tätig sind. Des Weiteren wird es angesichts<br />

der anhaltenden Veränderungen im Sozialen Bereich und den damit verbundenen sich<br />

wandelnden Anforderungen an Soziale Einrichtungen und den darin tätigen Fachkräften<br />

insbesondere um die Managementaufgaben der Organisationsgestaltung<br />

bzw. -entwicklung und um die Personalführung und -entwicklung gehen. In engem<br />

Zusammenhang damit stehen Fragen nach der Gestaltung des Wandels (Change<br />

Management).<br />

2.1.3 Sozialmanagement<br />

Sozialmanagement ist eine Chiffre für Managementtätigkeiten in Einrichtungen, die im<br />

Sozialen Bereich angesiedelt sind.<br />

„Der Begriff ‚Sozialmanagement‘ ist seit dem Beginn der Diskussionen um eine verstärkte Managementorientierung<br />

in der Sozialen Arbeit relativ diffus geblieben. Es handelt sich bei diesem<br />

Begriff eher um einen Arbeitsbegriff oder um eine Leitformel, mit denen unterschiedliche Maßnahmen<br />

zur Verbesserung von betrieblichen Abläufen und Handlungsergebnissen in Einrichtungen<br />

der Sozialen Arbeit gekennzeichnet werden sollen“ (Merchel 2009, S. 24).<br />

Eine jüngst erschienene Publikation illustriert, dass die Diskussionen um das Sozialmanagement<br />

eine ähnliche Situation widerspiegeln wie die Diskurse über Wesen, Sinn und<br />

Stellenwert der Sozialen Arbeit. Der dreibändige Sammelband „Auf der Suche nach Sozialmanagementkonzepten<br />

und Managementkonzepten für und in der Sozialwirtschaft“ ist<br />

<strong>als</strong> breit angelegte fachliche Bestandsaufnahme im Nachgang zu dem ersten Vier-Länder-<br />

3 Staat: Regulation durch Gesetze, Bürokratie, administrativ-politische Macht; Markt: Regulation durch Vertrag, Äquivalenztausch,<br />

ökonomische Macht; Gemeinschaft: Regulation durch Solidarität, Vertrauen, Reziprozität, emotional-moralische<br />

Bindung und/oder Macht; intermediärer Bereich: Regulation durch Mix aus den vorgenannten Regulationsprinzipien.<br />

14


Kongress „Sozialwirtschaft und Sozialmanagement im deutschsprachigen Raum“ im Jahr<br />

2008 konzipiert. Der Herausgeber charakterisiert die umfangreiche Zusammenstellung<br />

der Beiträge aus der Fachwelt im Vorwort <strong>als</strong> „Suchbewegungen“ und stellt klar, „dass die<br />

drei Bände keine abschließenden Ergebnisse hinsichtlich eines allgemein anerkannten<br />

und in sich schlüssigen Sozialmanagementkonzeptes bzw. Managementkonzeptes für die<br />

Sozialwirtschaft liefern werden.“ (Wöhrle 2012a, S. 12) Insofern obliegt es dem Verfasser<br />

dieser Arbeit, sich den Suchbewegungen anzuschließen und die aus seiner Sicht hilfreichsten<br />

und tauglichsten Fundstücke aus der Management- und Sozialmanagementliteratur<br />

hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit zu bedenken und sie zu einem sinnvollen Ganzen<br />

im Hinblick auf die hier behandelten Fragestellungen zusammenzufügen.<br />

Es scheint jedenfalls Konsens darüber zu bestehen, dass ein Management in Sozialen<br />

Einrichtungen sich der gleichen o. g. Ingredienzien bedienen muss wie das Management<br />

z. B. in marktwirtschaftlich tätigen Organisationen und dass auch dort der Managementbegriff<br />

aufgrund der Heterogenität der dort angesiedelten Organisationen nicht präzise auf<br />

den Punkt gebracht werden kann.<br />

„Sozialunternehmen sind anders <strong>als</strong> andere Unternehmen. Die Unterschiede sind aber vermutlich<br />

auch nicht größer <strong>als</strong> zwischen einem Friseur und einer Ölförderfirma. Viel mehr unterscheiden<br />

sich organisatorische Konstellationen, Marktbedingungen, Besonderheiten der Produkte<br />

oder Leistungen etc. in den verschiedensten Branchen. Einzigartig macht die Sozialunternehmen<br />

die Kombination von besonderen Merkmalen – so wie andere Unternehmen auch<br />

einzigartige Merkmale haben können.“ (Schellberg, 2012, S. 149)<br />

Ein herausragendes Merkmal Sozialer Einrichtungen ist ihre Sachzieldominanz, die sich<br />

darin manifestiert, dass es vorrangig um die Lösung Sozialer Probleme (vgl. Gliederungspunkt<br />

2.4.2) geht. Es ist dies ein weiterer Grund, bei der Entwicklung von Managementansätzen<br />

konkrete Einrichtungen in den Blick zu nehmen, die spezifische praktische und<br />

in erster Linie Soziale Probleme zu lösen haben.<br />

2.1.4 Professionalität und Professionalisierung<br />

Es lassen sich Hinweise darauf finden, dass die Notwendigkeit einer Professionalisierung<br />

im Sozialen Bereich sowohl hinsichtlich des Managements <strong>als</strong> auch in Bezug auf die<br />

Strukturen und Abläufe in den Einrichtungen und die dort tätigen Fachkräften gesehen<br />

wird: „Die Professionalisierung des Managements im Sozialbereich verstehen wir <strong>als</strong> einen<br />

wichtigen Beitrag zur Professionalisierung Sozialer Arbeit.“ (Bürgisser, Buerkli, Stremlow,<br />

Kessler, & Benz, 2012, S. 280) Es sollte aus Sicht des Verfassers allerdings unterschieden<br />

werden zwischen den Gegenstandsbereichen des Managements in Sozialen<br />

Einrichtungen und denen der dort geleisteten Sozialen Arbeit. Mit anderen Worten sollte<br />

eine klare Trennung von Sozialer Arbeit <strong>als</strong> Profession und dem Sozialmanagement <strong>als</strong><br />

15


Profession vorausgesetzt werden, der zufolge eine Sozialmanagement-Theorie u. a. „das<br />

fachliche Handeln der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter befördern“ (Wöhrle 2008 in<br />

Zängl, 2012, S. 38) soll und „eine unterstützende Funktion (Bereitstellung von Rahmenbedingungen<br />

für eine möglichst erfolgreiche Soziale Arbeit)“ (vgl. Wendt/Wöhrle 2007<br />

ebd., S. 39) hat. Der Inhalt dessen, was professionelle, fachlich hochwertige Soziale Arbeit<br />

ist, muss eine entsprechende Theorie aus dem Fachgebiet der Sozialen Arbeit beantworten.<br />

Die übergeordnete Klammer um die Bemühungen zur Professionalisierung beider Bereiche<br />

sind die Kriterien einer Allgemeinen Handlungswissenschaft und die damit verknüpfte<br />

Definition von Professionalität bzw. Professionalisierung. Dem von Silvia Staub-<br />

Bernasconi und Werner Obrecht entwickelten Systemtheoretischen Paradigma der Sozialen<br />

Arbeit (SPSA) folgend, sind es die Fragestellungen einer Allgemeinen (für alle Professionen<br />

geltenden) Normativen Handlungstheorie (ANHT, vgl. Gliederungspunkt 2.4) und<br />

die daraus folgenden Wissensformen 4 <strong>als</strong> Produkte dieser mentalen Prozesse, die den<br />

Bedingungen professionellen Handelns insofern Rechnung tragen <strong>als</strong> dieses<br />

„methodisches, rationales Handeln [ist], und dieses ist eine spezielle Form problemlösenden<br />

Handelns […], das sich von den anderen Formen von Handeln durch die Konjunktion von vier<br />

Eigenschaften unterscheidet: (1) Es ist selbstbewusst, (2) es ist auf ein explizites praktisches<br />

Ziel gerichtet, (3) es erreicht das Handlungsziel dadurch, dass es in seinem Verlauf eine ganz<br />

bestimmte Abfolge von aufeinander bezogenen kognitiven Problemen löst, die alle der Entwicklung,<br />

Steuerung und Bewertung von zielführenden Verhaltensschritten dienen, und es stützt<br />

sich (4) bei der Lösung dieser Probleme systematisch auf wissenschaftliches Wissen, nämlich<br />

auf Beschreibungs- und Erklärungstheorien über die Gesetzmässigkeiten im Interventionsbereich<br />

der geplanten Handlung, sowie auf Regeln, die auf Hypothesen über solche Gesetzmässigkeiten<br />

beruhen. Eine Handlung, die diese Kriterien erfüllt, ist rational und damit im vollen<br />

Sinne Professionell.“ (Obrecht 2001, S. 69)<br />

Demnach ist Professionalisierung<br />

„der Prozess, in dessen Verlauf es a) zur Entwicklung von professionellem, d. h. handlungswissenschaftlichem<br />

Wissen kommt (disziplinärer Aspekt), auf dessen Grundlage b) Ausbildungsinstitutionen<br />

Studierende zu Professionellen ausbilden (personaler Aspekt), die c) in der<br />

Folge zu Mitgliedern einer Profession werden und <strong>als</strong> solche d) im Rahmen für professionelle<br />

Arbeit ausgelegten Stellen von Organisationen in systematischer Weise (allgemeine Handlungstheorie)<br />

praktische, d. h. physikalische, biologische, psychische oder Soziale Probleme in<br />

einer professionellen Weise, d. h. unter Verwendung wissenschaftsbasierter Verfahren bearbeiten.<br />

Ein Professionalisierungsprozess ist erfolgreich, wenn es einer Profession gelingt, ihre Zuständigkeitsansprüche<br />

innerhalb eines großen Teils der mit der Bearbeitung einschlägiger<br />

praktischer Probleme befassten Institutionen (Organisationen) durchzusetzen.“ (Obrecht 2009,<br />

S. 61)<br />

4 Beschreibungswissen, Erklärungswissen, Trendaussagen, Bilder von zukünftigen, erwünschten Sachverhalten (Werturteile),<br />

Zielsetzungen, Bilder über Ressourcen, Pläne/Maßnahmen, Teilpläne, Evaluationswissen (vgl. Staub-Bernasconi 2007,<br />

s. 204-205).<br />

16


Professionalität in Bezug auf das Sozialmanagement wird in dieser Arbeit dargelegt (personaler<br />

Aspekt) durch den Aufweis von im Studium erlernten Metatheorien und damit verbundenem<br />

Orientierungswissen, sowie (darauf aufbauenden bzw. daran anknüpfenden)<br />

speziellen Handlungstheorien (disziplinärer Aspekt) im Rahmen der erwähnten Allgemeinen<br />

Normativen Handlungstheorie (ANHT) mit dem Ziel, für das praktische Problem des<br />

unzureichenden Professionalisierungsstandes in einer konkreten Einrichtung des Sozialen<br />

Bereichs Lösungsansätze und -vorschläge zu entwickeln. In der Praxis, d. h. in konkreten<br />

Einrichtungen des Sozialen Bereichs besteht das Problem, dass die dort tätigen Fachkräfte<br />

i. d. R. bereits in ihrer Ausbildung (Diplom- oder Bachelor-Studium der Sozialen Arbeit)<br />

nur fragmentiertes und unzureichendes professionelles Wissen vermittelt bekommen haben<br />

und in der Praxis häufig auf eine Mischung aus Versatzstücken aus Ausbildungswissen,<br />

Alltagstheorien und in Fortbildungen erworbenem Wissen und angeeigneten Kenntnissen<br />

zurückgreifen müssen. Dies setzt die bereits in der Ausbildung angelegte Fragmentierung<br />

entweder fort oder führt dazu, dass Fachkräfte der Sozialen Arbeit sich in Ermangelung<br />

eines professionellen Selbstverständnisses ein alternatives, meist semiprofessionelles<br />

oder berufliches Selbstverständnis zulegen und etwa zu systemischen<br />

Familientherapeuten „zweiter Klasse“ werden.<br />

Auch die zunehmende Einführung von Managementkonzepten, -modellen<br />

und -instrumenten in den Sozialen Bereich birgt die Gefahr einer verwirrenden Vermengung<br />

mit disziplinärem und professionellen Wissen der Sozialen Arbeit oder gar die Ersetzung<br />

professioneller Sozialer Arbeit durch erfolgversprechende Management-Tools aus<br />

anderen Bereichen. Zu vermeiden ist <strong>als</strong>o auch eine wiederholte Kolonialisierung der Sozialen<br />

Arbeit, diesmal durch Betriebswirtschaft und Management (vgl. Reinbacher 2012,<br />

S. 88).<br />

Professionalisierung Sozialer Einrichtungen meint <strong>als</strong>o die anspruchsvolle Aufgabe und<br />

Anforderung, einerseits das Management in und von Sozialen Einrichtungen zu<br />

professionalisieren um andererseits die Professionalisierung der Sozialen Arbeit in und<br />

von Einrichtungen voranzubringen.<br />

Zum besseren Verständnis der derzeitigen Situation, dem aktuellen Diskussionsstand und<br />

der Gründe, die zu dem verbreiteten Proffesionalitätsdefizit der Sozialen Arbeit in<br />

Deutschland geführt haben, soll ein historischer Abriss verhelfen, der die<br />

Entwicklungsstränge der Professionalisierungsbemühungen, der sozialpolitischen<br />

Entwicklung und der Entwicklung der sozialen Strukturen in Deutschland<br />

zusammengefasst nachzeichnet.<br />

17


2.2 Genese der Professionalisierungs- und Sozialmanagementdiskussionen<br />

2.2.1 Deutsches Reich und Folgen der industriellen Revolution<br />

Die Soziale Arbeit <strong>als</strong> Disziplin und Profession hat in Deutschland eine lange Tradition,<br />

deren Anfänge sich bis auf die industrielle Revolution in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

zurückverfolgen lassen. Sozialpolitisch ist dies die Zeit der Einführung des bis<br />

heute bestehenden und weiterentwickelten Sozialversicherungssystems durch Bismarck,<br />

das zu jener Zeit die grassierende Verelendung breiter Massen der Gesellschaft jedoch<br />

alleine nicht aufzuhalten vermochte. Neben den im Deutschen Reich schon bestehenden<br />

zahlreichen Formen der privaten, spontanen und eher unorganisierten Hilfstätigkeiten für<br />

Arme und Verelendete besonders in den großen Städten und Ballungsgebieten bildeten<br />

sich zunehmend Vereine und andere organisationsförmige Strukturen. Es war auch die<br />

Zeit der Gründung der ersten Wohlfahrtsverbände (vgl. Rock 2010, S.18-21). Parallel dazu<br />

wurden nach angelsächsischem Vorbild „Formen der Verberuflichung (Ausbildung,<br />

Qualifizierung) und Verwissenschaftlichung (Theoriebildung)“ (Engelke, Borrmann und<br />

Spatscheck 2009, S. 171) in den Bereich der Fürsorge und Wohlfahrtspflege eingeführt.<br />

Die zunehmende Erkenntnis, dass ein „Hilfesystem, das auf einer besonderen Ermittlungs-<br />

und Vermittlungsarbeit beruht, bestimmte fachliche Kenntnisse und dementsprechende<br />

Qualifikationen“ (ebd., S. 170) benötigt, führte im Deutschen Reich dazu, dass<br />

kurz vor der Jahrhundertwende die ersten Ausbildungsstätten für Frauen 5 eingerichtet und<br />

nach und nach eine berufsspezifische Lehre und eine Wissenschaft der Wohlfahrtspflege<br />

aufgebaut wurden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts können im deutschen Sprachraum<br />

zahlreiche Versuche einer Theoriebildung für die Soziale Arbeit nachgewiesen werden bis<br />

hin zur Einrichtung von Lehrstühlen für soziale Fürsorge, allgemeine Wohlfahrtspflege und<br />

Caritaswissenschaft ab 1910 (vgl. ebd., S. 171-172). Bereits in dieser frühen Phase<br />

zeichneten sich allerdings erhebliche Differenzen bezüglich der Gegenstandsbestimmung<br />

Sozialer Arbeit ab. Theoretikerinnen, wie in Deutschland etwa Alice Salomon und Ilse Arlt,<br />

problematisierten fehlende Lern- und Bildungsmöglichkeiten und betonten,<br />

„dass Armut sowie das von der Gesellschaft verurteilte unwirtschaftliche und abweichende Verhalten<br />

in erster Linie auf strukturell verhinderte Bedürfnisbefriedigung, kulturell unangemessene, ausschließlich<br />

individualistische Deutungsmuster der Armut und Erwerbslosigkeit und die dabei erzwungenen<br />

psychischen und sozialen Prozesse der Anpassung an Mangellagen zurückzuführen<br />

seien. […] Auch dann, wenn es um eine Problemdiagnose von Individuen ging, wurde immer ihr<br />

soziales Umfeld, ihre Mitgliedschaft zu sozial diskriminierenden Kategorien mitberücksichtigt. […]<br />

5 Ein wesentlicher Antrieb der Verberuflichung und beginnenden Disziplin- und Professionsentwicklung der Sozialen Arbeit<br />

war die bürgerliche Frauenbewegung, deren Protagonistinnen danach strebten, das Recht auf außerhäusige berufliche<br />

Tätigkeit durchzusetzen und „die fraulichen und mütterlichen Werte aktiv in die Gesellschaft, in die soziale Tätigkeit einbringen<br />

[wollten]“ (Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 172). Diese Anfangsbedingungen haben nachhaltig dazu geführt,<br />

„dass soziale Berufstätigkeiten unverändert ein durch Frauen geprägter Berufssektor ist, der zudem einen hohen Grad<br />

teilzeitbeschäftigter Arbeitsverhältnisse aufweist.“ (Boeßenecker 2009, S. 371)<br />

18


Zudem wurden Probleme auf allen sozialen Ebenen, nämlich Individuum, Familie, Kleingruppe und<br />

Nachbarschaft, Stadtteil und Stadt, Organisation, Nation und Weltgesellschaft […] lokalisiert.“<br />

(Staub-Bernasconi 2007, S. 137)<br />

Im Gegensatz zu dieser nach heutigen Gesichtspunkten ganzheitlichen und systemischen<br />

Sicht sozialer Probleme etablierte sich zur gleichen Zeit auch eine eher funktionalistische<br />

Sichtweise, wie sie etwa Jasper Klumker vertrat, der 1920 auf den neu eingerichteten<br />

„Lehrstuhl für Fürsorgewesen und Sozialpädagogik“ in Frankfurt berufen wurde. Er vertrat<br />

„die Betrachtung des Gegenstandes Sozialer Arbeit aus der alleinigen Perspektive der Gesellschaft,<br />

genauer: der Wirtschaft und die davon abgeleitete Zwecksetzung der sozialen Einrichtung<br />

nahm damit ihren Lauf […]. Nicht die real bestehende Armut, sondern der Unterstützungsbescheid<br />

macht den Armen zum Armen.“ (Staub-Bernasconi 2007, S. 138)<br />

2.2.2 Erster Weltkrieg<br />

Mit dem Eintritt des Deutschen Reiches in den Ersten Weltkrieg und den sich in der Folge<br />

zuspitzenden sozialen Problemen und Nöten kam es zu einer verstärkten Übernahme von<br />

Regulierungs- und Finanzierungsaufgaben durch das Kaiserreich. Es begann einen zunehmenden<br />

Einfluss auf die freie Wohlfahrtspflege auszuüben und das bestehende Fürsorgewesen<br />

wurde um- und ausgebaut.<br />

„Der planmäßige Ausbau der Fürsorgetätigkeiten des Staates im Ersten Weltkrieg führt auch<br />

bei den Akteuren der Privatwohltätigkeit, zum Beispiel bei den bestehenden freien Wohlfahrtsverbänden,<br />

zu Reorganisationsprozessen. Sie sehen sich gezwungen ihre Handlungs- und<br />

Leistungsfähigkeit zu verbessern, um im Konkurrenzkampf der Akteure zu bestehen und um die<br />

‚Schlagkraft nach außen‘, gegenüber dem Staat, zu vergrößern.“ (Engelke, Borrmann und<br />

Spatscheck 2009, S. 178)<br />

Auf kommunaler Ebene waren zahlreiche private Vereine und Initiativen, vor allem der<br />

Bund deutscher Frauenvereine mit dem Nationalen Frauendienst durch administrativorganisatorische<br />

und praktische Hilfstätigkeiten aktiv. Durch die Notwendigkeit einer verbesserten<br />

Abstimmung der öffentlichen Fürsorgeverwaltung mit den Tätigkeiten der privaten<br />

Wohltätigkeit wurde die Grundlage für die nach dem Krieg weiterentwickelten korporativen<br />

Formen der Zusammenarbeit gelegt (vgl. ebd. 2009, S. 176-177 und Rock 2010, S.<br />

20).<br />

2.2.3 Weimarer Republik, Nation<strong>als</strong>ozialismus und Zweiter Weltkrieg<br />

Die erste deutsche Republik stand vor der Herausforderung, den durch Kriegsfolgen und<br />

Wirtschaftskrise bedingten desolaten sozialen Bedingungen wirksam zu begegnen. Auf<br />

legislativer Ebene führten die Schaffung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes, der<br />

Reichsfürsorgepflichtverordnung in Verbindung mit den Reichsgrundsätzen zu einer verbrieften<br />

stärkeren Kooperation zwischen den öffentlichen und privaten Trägern. Auf Bun-<br />

19


desebene förderte das Reichsarbeitsministerium den Ausbau und die Etablierung der<br />

Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege, um ein Gegengewicht zu den Kommunalisierungsbestrebungen<br />

der öffentlichen Fürsorge zu schaffen (vgl. Engelke, Borrmann und<br />

Spatscheck 2009, S. 180 und Rock 2010, S. 20-21). Das in Deutschland nachhaltig einflussreiche<br />

Subsidiaritätsprinzip im Verhältnis von staatlicher und privater Fürsorge wurde<br />

sozialpolitisch implementiert:<br />

„Die in Europa einzigartige, besondere Ausprägung der ansonsten europaweit bestehenden<br />

Zusammenarbeit zwischen privater und öffentlicher Wohlfahrtspflege war damit institutionalisiert<br />

worden: das duale System, das durch eine gesetzliche Bestands- und Eigenständigkeitsgarantie<br />

der freien bei gleichzeitiger Förderungsverpflichtung und Gesamtverantwortung der öffentlichen<br />

Träger gekennzeichnet ist.“ (Rock 2010, S. 20-21)<br />

Bis 1924 waren alle bis heute bestehenden fünf Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege,<br />

sowie der Dachverband der Spitzenverbände gegründet worden.<br />

„Insgesamt war die Weimarer Republik eine Phase der Zentralisierung der Wohlfahrtspflege<br />

sowie der Expansion und Ausdifferenzierung der Arbeitsfelder der Freien Wohlfahrtspflege.<br />

Dieser Prozess führte gleichzeitig zu einer wachsenden Interdependenz öffentlicher und freier<br />

Wohlfahrtspflege.“ (ebd., S. 21)<br />

Neben dem sukzessiven Ausbau einzelner Arbeitsfelder wurden Behörden, wie Jugend-,<br />

Gesundheits- und Wohlfahrtsämter aufgebaut, inklusive der Ausweitung der<br />

Sozialbürokratie und der Eingriffsverwaltung. Auch die weitere Verfachlichung und<br />

Professionalisierung der bestehenden Handlungsformen der Sozialen Arbeit wurde<br />

vorangetrieben und die Zahl der Ausblildungsstätten wuchs bis 1927 auf 33; Publikationen<br />

zu Theorien und Praxismethoden der Sozialen Arbeit erschienen in großer Zahl (vgl.<br />

Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 181).<br />

„Im Zeitraum zwischen 1918 und 1933 gab es einen außerordentlich regen internationalen<br />

Austausch von Praktiker(inne)n, Theoretiker(inne)n […] und Student(inn)en Sozialer Arbeit,<br />

ferner von übersetzter Fachliteratur. Es war aber zugleich eine Zeit der immer wirksameren<br />

Verbreitung rassistischer Ideologien.“ (Staub-Bernasconi 2007, S. 139)<br />

Während der nation<strong>als</strong>ozialistischen Diktatur und des Zweiten Weltkrieges wurde der gesamte<br />

Bereich der Wohlfahrtspflege und Fürsorge von den Nation<strong>als</strong>ozialisten vereinnahmt<br />

und instrumentalisiert, sowie ihren ideologischen Zwecken und Zielsetzungen gemäß<br />

umgestaltet. Zahlreiche Vereine, Verbände und andere Organisationen der Sozialen<br />

Arbeit wurden aufgelöst, verboten oder gleichgeschaltet. Unangepasste Protagonist/innen<br />

der Sozialen Arbeit wurden schikaniert, behindert, verfolgt und viele Theoretiker/innen und<br />

Praktiker/innen der Sozialen Arbeit emigrierten in die USA und nach Lateinamerika (vgl.<br />

Rock 2010, S. 22-23; Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 184 und Staub-<br />

Bernasconi 2007, S. 141) Die Folgen dieser Emigration von Menschen und Wissen zeig-<br />

20


ten sich später <strong>als</strong> Mangel in der bundesrepublikanischen Theorieentwicklung der Sozialen<br />

Arbeit.<br />

2.2.4 Nachkriegszeit und junge Bundesrepublik Deutschland<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten im Bereich der Wohlfahrtspflege noch erhalten gebliebene<br />

Strukturen genutzt und zerstörte relativ zügig neu aufgebaut werden, sodass die<br />

Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege einzeln und <strong>als</strong> Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

ihre Tätigkeiten bald wieder aufnehmen konnten. Um die gravierenden sozialen Nöte und<br />

Probleme der Nachkriegszeit in den Griff zu bekommen, wurden in der jungen Bundesrepublik<br />

sukzessive die Sozialgesetzgebung und entsprechenden Ämter und Behörden<br />

ausgebaut. Individuellen Bedürfnissen sollte auf sozialrechtlicher Grundlage durch konkrete,<br />

genau beschriebene Angebote und Leistungen begegnet werden. Insbesondere<br />

das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und das Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG), beide<br />

1961 in Kraft getreten, forcierten die formale Vorrangstellung der freien Wohlfahrtspflege,<br />

die im Prinzip 1967 durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gefestigt wurde. Parallel<br />

zu dem enormen Ausbau von Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege seit Beginn<br />

der 1960er Jahre nahm aber auch in der Folge der sich weiter entwickelnden sozialen<br />

Gesetzgebung die Zahl der öffentlichen Einrichtungen und deren relativer Anteil an der<br />

Gesamtzahl der Einrichtungen zu (vgl. Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 334-<br />

335 und Rock 2010, S. 24-25). Damit blieb<br />

„die formelle Rechtsposition der freien Wohlfahrtspflege zwar unangefochten, [machte] Betrieb<br />

und Förderung von Einrichtungen aber faktisch von einer ganzen Reihe von öffentlichen Vorgaben<br />

abhängig und [schränkte] damit den Gestaltungsspielraum der freien Träger zunehmend<br />

ein.“ (Sachße 1996 in Rock 2010, S. 25)<br />

Bis zum Anfang der 1970er Jahre erfolgt die Ausbildung für die Soziale Arbeit an Höheren<br />

Fachschulen für Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik. Dabei muss das durch die Emigration<br />

zahlreicher Protagonist/innen der Sozialen Arbeit entstandene Desiderat durch Importe<br />

gefüllt werden:<br />

„Die Entwicklung der Ausbildung wird teilweise von DozentInnen bestimmt, die – vermittelt<br />

durch Austauschprogramme – in den USA Social Work studiert haben […]. Theorien und Ausbildungskonzepte<br />

des amerikanischen ‚Social Work‘ werden in Westdeutschland bereitwillig<br />

aufgenommen.“ (Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 336)<br />

Während <strong>als</strong>o zunächst Theoriebildung und Praxiskonzepte der Sozialen Arbeit sich an<br />

US-Amerikanischen, aber auch britischen und niederländischen Entwicklungen orientierte<br />

und von dort ein Patchwork an Versatzstücken Eingang in die bundesrepublikanischen<br />

Diskussionen fand, kamen ab dem Ende der 1960er Jahre verstärkt Einflüsse aus der<br />

Studentenbewegung und unterschiedliche Strömungen von den an den deutschen Hoch-<br />

21


schulen und den dort lehrenden Sozialtheoretikern hinzu. Der in dieser Zeit an deutschen<br />

Hochschulen geführte „Positivismusstreit“ zwischen Vertretern des Kritischen Rationalismus<br />

(Popper, Albert) einerseits und Vertretern der dialektisch-kritischen-Theorie (Frankfurter<br />

Schule: Adorno, Horkheimer, Habermas) andererseits wurde auch in der Pädagogik<br />

ausgetragen und hatte erheblichen Einfluss auf die Entwicklungen in der Sozialen Arbeit.<br />

In der Folge dieser Auseinandersetzungen und unter dem Einfluss der Studentenbewegung<br />

wurde Emanzipation zum Schlüsselbegriff einer sich ausbreitenden Gesellschaftskritik.<br />

(vgl. Staub-Bernasconi 2007, S. 142, 145 und Engelke, Borrmann und Spatscheck<br />

2009, S. 340-341) Innerhalb der Sozialen Arbeit richtete sich diese Kritik auch gegen<br />

Strukturen, Einrichtungen und Arbeitsweisen der Sozialen Arbeit selbst. Diese wurden<br />

einerseits versucht, <strong>als</strong> Protagonisten im Klassenkampf zu vereinnahmen, andererseits<br />

gerieten sie zunehmend <strong>als</strong> Werkzeuge im Dienst der Kapitalinteressen und herrschenden<br />

Klassen in die Kritik. „Als Erbschaft aus dieser Theoriephase müssen die erstaunlichen,<br />

negativen Selbstettikettierungen der Sozialarbeitenden <strong>als</strong> Flickschusterin, Mülleimer,<br />

Prostituierte, Waschlappen der Nation und dergleichen mehr betrachtet werden.“<br />

(Staub-Bernasconi 2007, S. 146)<br />

Bald verbreitete sich innerhalb der Sozialen Arbeit eine gewisse Ernüchterung angesichts<br />

enttäuschter Reform- oder sogar Revolutionshoffnungen, die dazu führte, dass sich das<br />

wissenschaftliche Interesse auf das Individuum und seine nicht gelungene, häufig nicht<br />

näher bestimmte „Normalisierung“, bzw. sein abweichendes Verhalten fokussierte. Ohne<br />

sich der Mühe unterzogen zu haben, ein differenziertes Menschen- und Gesellschaftsbild<br />

ausgearbeitet und zugrunde gelegt zu haben, interessierte man sich für die Alltags- und<br />

Lebenswelt der Klientel und prangerte Ausgrenzung, Etikettierung und Stigmatisierung an.<br />

In der Kritik standen auch hier wiederum die Instanzen, Einrichtungen und Tätigen der<br />

Sozialen Arbeit, die <strong>als</strong> entfremdende Systeme einer per se menschenfreundlicheren Alltags-<br />

und Lebenswelt gegenübergestellt wurden. Wissenschaftlichkeit, Spezialisten- und<br />

Expertentum galten nun <strong>als</strong> Enteignung, Herrschaft und Kolonialisierung (vgl. Staub-<br />

Bernasconi 2007, S. 146-147).<br />

„Professionalisierung ist <strong>als</strong>o nicht mehr <strong>als</strong> Antwort auf fehlende, sondern <strong>als</strong> Enteignung sozialer<br />

Problemlösungskompetenzen zu verstehen […] und die entstehenden Bürgerinitiativen und<br />

Selbsthilfebewegungen mit ihrer Kritik an entmündigenden Hilfeformen […] tragen das ihre dazu<br />

bei, die theoretischen Debatten um Entprofessionalisierung einzuleiten.“ (ebd., S. 147)<br />

Seit dem Inkrafttreten des BSHG und des JWG konnte die freie Wohlfahrtspflege eine<br />

beträchtliche Zunahme ihres Umfangs und Wirkungskreises, sowie der Aufgabenfelder<br />

von Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/inn/en verzeichnen:<br />

„Ausweitung der Allgemeinen Sozialen Dienste, Heimerziehung mit neuen Betreuungsformen<br />

wie Wohngemeinschaften und betreutes Einzelwohnen, Sozialpsychiatrische Dienste, Erzie-<br />

22


hungsberatung, Frauenhäuser, Sucht- und Drogenarbeit, sozialpädagogische Familienhilfe,<br />

Schuldnerberatung usw.“ (Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 341)<br />

Ebenso wurde parallel unter der ab 1969 regierenden sozialliberalen Koalition der Ausbau<br />

der Sozialleistungen vorangetrieben (vgl. Rock 2010, S. 24-25) und es wurde im Zuge der<br />

Bildungsreform von 1969 der Versuch einer Akademisierung und Professionalisierung der<br />

Sozialen Arbeit forciert, indem Fachhochschulen für Soziale Arbeit geschaffen wurden<br />

und in einer Übergangsphase bis 1972 die bis dahin an Höheren Fachschulen gelehrte<br />

Sozialarbeit/Sozialpädagogik dorthin übergeleitet wurde. Die Studienordnungen an den<br />

ca. 50 Fachhochschulen mit einschlägigen Studiengängen waren allerdings heterogen<br />

und zudem mit denen für Sozialpädagogik an den Universitäten inkompatibel. Als Lehrende<br />

wurden vorzugsweise Erziehungs- und Sozialwissenschaftler mit Universitätsabschluss<br />

berufen und den lehrenden Sozialarbeiter/innen ohne akademische Ausbildung<br />

bzw. später mit Fachhochschulabschluss verblieben die für Lehrinhalte, Qualifizierung<br />

und Diplomierung unmaßgeblichen Fächer, die sie bis heute häufig <strong>als</strong> Lehrbeauftragte<br />

unterrichten dürfen. Die aus den Höheren Fachschulen für Sozialarbeit übernommenen<br />

Lehrkräfte und die meist jüngeren Professor/innen für die neu eingerichteten Fächer Soziologie,<br />

Politik, Recht und Sozialmedizin waren unsicher im Umgang miteinander und die<br />

daraus erwachsende Konzentration auf die internen Probleme im Aufbau des neuen<br />

Fachbereichs führten bald zu einer Vernachlässigung der Beziehungspflege zu den öffentlichen<br />

und freien Trägern der Sozialen Arbeit und somit zu einer zunehmenden Entfremdung<br />

(vgl. Engelke, Borrmann und Spatscheck 2009, S. 341; Staub-Bernasconi 2007,<br />

S. 144 und Schwarz 2012, S. 134). Im Hinblick auf die beabsichtigte Disziplin- und Professionswerdung<br />

der Sozialen Arbeit kann man einen bis heute folgenreichen Fehlstart<br />

konstatieren:<br />

„die Fremdbestimmung der Ausbildung durch Lehrkräfte, die in einer sozialarbeitsfremden,<br />

wenn auch notwendigen Einzeldisziplin ausgebildet wurden, denen es aber anheimgestellt ist,<br />

ob sie die Auswahl ihrer Themen und Theorien <strong>als</strong> Beitrag zur Profession Sozialer Arbeit verstehen.“<br />

(Staub-Bernasconi 2007, S. 144)<br />

Dadurch ergab sich eine andauernde Fragmentierung und ein unverbundenes Nebeneinander<br />

der Ausbildungsinhalte und ein ungeklärter Status der in der Sozialen Arbeit Tätigen.<br />

Diese sahen und sehen sich dadurch häufig veranlasst, ihren Mangel an Professionalität<br />

durch diverse Weiterbildungen und Zusatzausbildungen, deren Inhalte und Zielsetzungen<br />

nicht selten durch ideologische Strömungen und Moden bestimmt wurden, zu<br />

kompensieren.<br />

23


2.2.5 1970er und 80er Jahre und der Wandel im Sozi<strong>als</strong>taatsverständnis<br />

Nach dem bis in die 1970er Jahre hinein vorangetriebenen Ausbau sozialer Leistungen<br />

und der Expansion der freien Wohlfahrtspflege und ihrer Einrichtungen, zeichnete sich ab<br />

der Mitte der 1970er Jahre ein Wandel in den politischen und gesellschaftlichen Sichtweisen<br />

ab. Im Zusammenhang mit zunehmenden Finanzierungsproblemen des Sozi<strong>als</strong>taates<br />

geriet dieser zunehmend in die Kritik, die sich auch auf die Verbände und Einrichtungen<br />

der freien Wohlfahrtspflege ausdehnte. Schlagworte wie „Versorgungsstaat“, „Herrschaft<br />

der Funktionäre“, „Wohlfahrtsdiktatur“ und „autoritärer Sozi<strong>als</strong>taat“ bestimmten zunehmend<br />

die öffentliche Diskussion und die Forderung nach einer „neuen Subsidiarität“ in<br />

Abgrenzung zum rechtlich normierten institutionellen Subsidiaritätsbegriff wurde laut. Unter<br />

dem Gesichtspunkt der Kosteneinsparung wollte man Selbsthilfeeinrichtungen fördern,<br />

oder „bürgerschaftliches „Engagement“, wie es heute heißt (vgl. Rock 2010, S. 26). Der<br />

sich abzeichnende Paradigmenwechsel des Sozi<strong>als</strong>taatsverständnisses und die damit<br />

verbundenen Folgen für die Einrichtungen der freien Wohlfahrtspfege und der dort<br />

Beschäftigten ließ diese noch weitgehend unberührt. Das ambivalente Selbstbild der Sozialarbeiter/innen<br />

und -pädagog/inn/en, fragmentiertes Handlungswissen, intransparente,<br />

teilweise bürokratische Strukturen der Einrichtungen und Träger, großzügige pauschale<br />

Finanzierungsformen ohne nennenswerte Evaluation etc., trugen wenig zu Reformimpulsen<br />

aus den Reihen der sozial Tätigen selbst bei.<br />

Die mit dem 1. Haushaltsstrukturgesetz 1976 eingeführten Sparprogramme eröffneten die<br />

sich bis heute fortsetzende Haushaltskonsolidierungsstrategie mit regelmäßigen Kürzungen<br />

im Sozialbereich. Den Hintergrund dafür bildet die seitdem chronifizierte Kritik am<br />

Wohlfahrtsstaat/Sozi<strong>als</strong>taat, die je nach politischer Großwetterlage liberal-konservativ<br />

oder liberal-progressiv daherkommt. Entweder richtet sich die Kritik gegen die steigenden<br />

Ausgaben der öffentlichen Haushalte und fordert spürbare Sparmaßnahmen gegen die<br />

ansteigende Staatsverschuldung oder es wird die Geldleistungsstrategie und geringe<br />

Problemlösungskompetenz im Sozialbereich angeprangert und die Entmündigung der<br />

Hilfebedürftigen durch die Experten beklagt (vgl. Schwarz 2012, S. 136-137). Der seit den<br />

1980er Jahren in Angriff genommene Umbau bzw. Rückbau des Sozi<strong>als</strong>taates betraf<br />

nach und nach alle Arbeitsfelder der freien Wohlfahrtspflege. Damit traten zwangsläufig<br />

auch Organisationsfragen und solche nach Effektivität und Effizienz von Einrichtungen in<br />

der Sozialen Arbeit stärker in den Vordergrund und der Managementbegriff wurde seit<br />

Ende der 1980er Jahre zunehmend bezüglich Fragen der Steuerung von Einrichtungen<br />

der Sozialen Arbeit verwendet. Bis dahin waren Fragen der Organisationsgestaltung in<br />

der Sozialen Arbeit eher vernachlässigt worden. In den 1970er Jahren wurden Organisationen<br />

vorwiegend <strong>als</strong> Hindernis für Reformen betrachtet, die 1980er Jahre waren von<br />

24


Bemühungen geprägt, sozialarbeiterische Fachlichkeit und Professionalität unter Vernachlässigung<br />

von Organisationskontexten durch den Import diverser Psychotherapieansätze<br />

zu gewinnen. Fragen der Organisationsgestaltung galten tendenziell <strong>als</strong> etwas,<br />

„was außerhalb des Pädagogischen liegt und das im günstigsten Fall fachliches Handeln unberührt<br />

lässt, meistens aber im Gegensatz zu den Prinzipien fachlichen Handelns steht und somit<br />

irgendwie <strong>als</strong> störendes Element angesehen wurde. Ein solches Klima innerhalb der Fachdiskussion<br />

machte es lange Zeit schwierig, Fragen des Managements und der Organisationsgestaltung<br />

<strong>als</strong> einen wichtigen Aspekt professionellen Handelns einzubringen und in der Fachszene<br />

zu verankern.“ (Merchel 2009, S. 51)<br />

In diese Zeit fällt auch das innerhalb der Theoriediskurse der Sozialen Arbeit intensiv rezipierte<br />

1986 erschienene Buch „Risikogesellschaft“ des Soziologen Ulrich Beck. Das dort<br />

analysierte Phänomen der Individualisierung der Lebenslagen und der Pluralisierung der<br />

Lebensstile mit den damit verbundenen Unsicherheiten und Gefährdungen wurde in Verbindung<br />

gebracht mit einer Strukturkritik, die sich <strong>als</strong> Technologie-, Kultur- und Wissenschaftskritik<br />

generierte. Für die Soziale Arbeit bedeutete das, dass sich die Kritik und<br />

Selbstkritik nicht mehr nur auf die Unwissenschaftlichkeit des Fachs und die <strong>als</strong> dilettantisch<br />

wahrgenommene Praxis richtete.<br />

„Auf dem Hintergrund allgemeiner, an den Großrisiken wissenschaftlich ermöglichter Natur- und<br />

Menschenbeherrschung geübte Wissenschaftskritik steht nicht mehr ihre fehlende Wissenschaftlichkeit,<br />

sondern ihr naiver Glaube an den überlegenen Rationalitätsanspruch von Wissenschaft<br />

und an eine entsprechend wissenschaftlich begründbare Sozialtechnologie zur Debatte<br />

[…]. (Staub-Bernasconi 2007, S. 148-149)<br />

Damit wurde eine Programmatik in die Diskurse um die Soziale Arbeit eingeführt, die bis<br />

heute nachwirkt und mit einem Buchtitel von Thomas Olk überschrieben werden kann:<br />

„Abschied vom Experten“ (Olk 1986). Da einerseits das Ringen um die Anerkennung der<br />

Sozialen Arbeit durch Bemühungen um die Etablierung derselben <strong>als</strong> Disziplin und Profession<br />

andauerte und andererseits diese Bemühungen nun <strong>als</strong> verfehlt kritisiert wurden,<br />

verstärkte sich dadurch die ambivalente Selbstwahrnehmung innerhalb der Sozialen Arbeit,<br />

sowie auch deren unglückliche Wirkung nach außen. Das zugleich allmählich und<br />

zögerlich bei den Wohlfahrtsverbänden und Einrichtungen der Sozialen Arbeit einsetzende<br />

Umdenken in Richtung auf mehr Effizienz, Effektivität und ökonomisches Denken und<br />

Handeln führte zusätzlich zu Argwohn und Widerständen bei vielen Sozialarbeiter/innen<br />

und -pädagog/inn/en. Diese Abneigung manifestierte sich auch an den Hochschulen und<br />

richtete sich „gegen die in diesem Zeitraum sich artikulierende Sozialmanagement-<br />

Fraktion […]. Die in Teilen heute noch schwierigen Beziehungen zwischen der Sozialarbeits-<br />

und Sozialmanagementfraktion haben in dieser Ausgangssituation partiell ihren<br />

Ursprung.“ (Schwarz 2012, S. 138)<br />

25


2.2.6 1990er Jahre und der Um- und Abbau des Sozi<strong>als</strong>taates<br />

Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 03. Oktober 1990 wurde per<br />

Einigungsvertrag die Übertragung der sozi<strong>als</strong>taatlichen Infrastruktur unter Einbindung der<br />

Wohlfahrtsverbände vorangetrieben, was die Wohlfahrtsverbände zunächst einerseits<br />

erheblich aufwertete und ihre Stellung in der Bundesrepublik festigte, sie andererseits<br />

aber auch vor erhebliche organisatorische Probleme stellte. Die durch die Wiedervereinigung<br />

entstandenen organisatorischen und finanziellen Belastungen beförderten zugleich<br />

die Debatten um Wettbewerb, Trägervielfalt, Effektivität und Effizienz im Sozialen Bereich,<br />

die unter der Formel „Umbau des Sozi<strong>als</strong>taates“ verstärkt in die öffentliche Diskussionen<br />

und Wahrnehmung eindrangen. Seit dieser Zeit wurde ein „Paradigmenwechsel in der<br />

Sozialpolitik“ angestrebt (vgl. Rock 2010, S. 29-31). Sozialpolitisch werden seither zunehmend<br />

knapper werdende finanzielle Ressourcen bei steigender Anzahl an sozialleistungsbedürftigen<br />

Menschen beklagt und sukzessive sozialpolitische und sozialrechtliche<br />

Steuerungsmaßnahmen initiiert, die tatsächlich das Gefüge des bundesdeutschen Sozi<strong>als</strong>taats,<br />

wie es sich seit den 1960er bis zum Ende der 1980er Jahre – trotz zunehmender<br />

Kritik seit dem Anfang der 1970er Jahre (vgl. Schwarz 2012, S. 136) – weitgehend unverändert<br />

und stabil gezeigt hatte, in vielfältiger Weise drastisch verändert hat. Bis hin zu<br />

dem oben genannten eingeleiteten Paradigmenwechsel galten für die Refinanzierung der<br />

subsidiär tätigen Sozialen Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände durch die öffentlichen<br />

Kostenträger das Selbstkostendeckungsprinzip und der Modus der Objektfinanzierung.<br />

Vereinfacht gesagt, wurden einer Sozialen Einrichtung die jährlich zu beantragenden pauschalen<br />

Kosten jeweils per Zuwendungsbescheid gewährt und am Ende des Bewilligungszeitraums<br />

konnten in der Regel die gegebenenfalls angefallenen Mehrkosten ebenfalls<br />

erstattet werden. Im Rahmen der entsprechenden Vereinbarungen mit den Kostenträgern<br />

mussten Soziale Einrichtungen zwar durchaus auch die Inhalte der zu erbringenden<br />

Leistungen darlegen, zum Nachweis der tatsächlichen Erbringung reichten jedoch<br />

üblicherweise Berichte aus, die nicht dem Anspruch an detaillierte Leistungsnachweise<br />

genügen mussten. Diese Art der Förderung bot einer Sozialen Einrichtung ein vergleichsweise<br />

hohes Maß an Freiheit bei der Verwendung der gewährten finanziellen Mittel, es<br />

herrschten jedoch vielerorts fachlich und organisatorisch – vor allem von außen betrachtet<br />

– intransparente und vergleichsweise beliebige Herangehensweisen an soziale Problemlagen<br />

vor. Das bis dahin praktizierte Selbstkostendeckungsprinzip wurde nun <strong>als</strong>o zunehmend<br />

in Frage gestellt und später abgeschafft und durch Leistungsverträge ersetzt.<br />

Große Teile der Wohlfahrtsverbände begrüßten allerdings diese Entwicklung, da die vertraglichen<br />

Regelungen mit mehrjähriger Geltungsdauer gegenüber den jeweils jährlich<br />

befristeten und mit Vorgaben und Abhängigkeiten befrachteten Zuwendungsleistungen<br />

auch Vorteile boten, indem sie nämlich größere Planungs- und Kalkulationssicherheit er-<br />

26


laubten. Jedoch waren die neuen Regelungen auch mit höherem Einsparungsdruck verbunden<br />

und zwangen Träger und Einrichtungen zu einem Umdenken in Richtung auf<br />

mehr Effizienz, Effektivität und ökonomischem Denken und Handeln (vgl. Rock 2010, S.<br />

27).<br />

Bereits <strong>als</strong> der Begriff „Sozialmanagement“ zu Anfang der 1980er Jahre von Alfred Müller-<br />

Schöll und Manfred Priepke durch deren gleichnamiges Buch in die Diskussion eingeführt<br />

wurde, knüpften die Autoren an die in der Praxis der Sozialen Arbeit verbreiteten Defizite<br />

an: „Verkünden ‚wolkiger‘ Ziele, unklare Aufgaben- und Kompetenzverteilung, undurchsichtige<br />

Entscheidungsprozesse und Hierarchiestruktur, Verzicht auf Planung, fehlende<br />

Erfolgskontrolle.“ (Müller-Schöll und Priepke in Schwarz 2012, S. 138) Unter Verweis auf<br />

die populär gewordene Kritik von Wolfgang Seibel, der 1992 in seiner Habilitationsschrift<br />

„Funktionaler Dilettantismus“ solcherlei Defizite einer vertieften Analyse unterzog, führt<br />

Joachim Merchel aus: „Kritik wurde geübt an der mangelnden Fähigkeit freier Träger, Einrichtungen<br />

und Dienste wirtschaftlich und den Finanzierungsbedingungen entsprechend<br />

zu führen, eine Kritik, die bis zum Vorwurf des Organisationsversagens und des Dilettantismus<br />

zugespitzt wurde […].“ (Merchel 2009, S. 58)<br />

Der Umbau des Sozi<strong>als</strong>taates machte sich bis heute auf mehreren Ebenen für Soziale<br />

Einrichtungen bemerkbar:<br />

„Der Vorrang der Freien Wohlfahrtspflege wurde [schließlich sukzessive, J.W.] ebenso abgeschafft<br />

wie das Kostendeckungsprinzip. Gewerbliche und gemeinnützige Träger wurden im Sozialrecht<br />

gleichgestellt, Versorgungsverträge, Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Prüfungen der<br />

Qualität institutionalisiert.“ (Rock 2010, S. 34)<br />

In den Sozialgesetzen wurde nach und nach eine Abkehr von der institutionellen Förderung<br />

hin zu einer Subjektfinanzierung vollzogen. Mit Sozialen Einrichtungen wurden demnach<br />

zunehmend Leistungs-, Vergütungs- und Qualitätsvereinbarungen abgeschlossen.<br />

Der durch die Modernisierungsstrategien des organisierten Wettbewerbs und des Kontraktmanagements<br />

vorangetriebene Paradigmenwechsel unter dem Vorzeichen der Kostenersparnis<br />

führte zu einer abnehmenden Privilegierung der freien Wohlfahrtspflege und<br />

ihrer Einrichtungen und im Zusammenhang damit auch zu steigenden Ansprüchen an die<br />

Legitimierung Sozialer Arbeit.<br />

27


„Der Legitimationsmodus ‚Vertrauen‘, der über lange Zeit das Verhältnis zwischen öffentlichen<br />

und freien Trägern geprägt hat, wird ersetzt durch den Legitimationsmodus ‚Rechenschaftslegung‘.<br />

‚Rechenschaftslegung‘ bezieht sich dabei gleichermaßen auf den finanziellen Aspekt […]<br />

wie zunehmend stärker auch auf den fachlichen Aspekt […]. Die Einrichtungen sollen verdeutlichen,<br />

welche Wirkungen sie mit ihrem Handeln erreicht haben, und es werden erste Überlegungen<br />

zu Möglichkeiten der Koppelung von Finanzierungsteilen an erreichte Wirkungen angestellt<br />

[…]. (Merchel 2009, S. 58)<br />

Somit werden Soziale Einrichtungen bis heute vor die Herausforderung gestellt, ökonomische<br />

und fachliche Ziele in einen sinnvollen Einklang zu bringen (vgl. ebd., S. 59). In dieser<br />

Situation wurden an den Hochschulen erste Sozialmanagement-Konzepte entwickelt<br />

und im Zusammenhang damit wurden zunehmend auch andere Management-Ansätze<br />

aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich, wie z. B. Qualitätsmanagement (QM), Lean-<br />

Management, Case-Management, Change-Management etc. rezipiert und ihre Tauglichkeit<br />

für die Innovation von Sozialen Einrichtungen diskutiert. Die Rezeption von Konzepten<br />

und Instrumenten aus dem Profit-Bereich stieß innerhalb der Sozialen Arbeit auf ambivalente<br />

Reaktionen: Einerseits ließ der grundsätzliche Widerstand gegen solche Konzepte<br />

nicht nur allmählich nach, es regte sich sogar bei manchen die Hoffnung, auf diesem<br />

Weg endlich zu einer (neuen) professionellen Identität zu gelangen. Andererseits gab<br />

es unterschiedliche Bestrebungen innerhalb der akademischen Sozialarbeit/Sozialpädagogik,<br />

der zunehmenden Kritik von außen durch eigene Konzepte zu begegnen,<br />

die allerdings zu einem großen Teil an frühere Überlegungen, Konzepte und Modelle<br />

anknüpften. Stichworte zu diesen Bestrebungen sind etwa Lebenswelt-, Alltags- und<br />

Sozialraumorientierung, Neuorganisation sozialer Dienste und Ressourcenorientierung<br />

(vgl. Schwarz 2012, S. 139-140 und Staub-Bernasconi 2007, S. 149-151).<br />

Nach wie vor mangelte es der Sozialen Arbeit an einer eigenständigen professionellen<br />

Identität vor dem Hintergrund einer fragmentarischen Ausbildung und unzureichendem<br />

Praxisbezug. Im akademischen Bereich konkurrierten diverse Richtungen und Schulen<br />

der Theoriebildung ohne nennenswerten Einfluss auf die Praxis, in der weitgehend improvisiert<br />

wurde. Hinzu kam eine durch die Kritik am Wohlfahrtsstaat und am Expertentum<br />

initiierte Veränderung der Sichtweise auf den Gegenstandsbereich der Sozialen Arbeit.<br />

„Vergeblich sucht man in neueren theoretischen Zugängen differenzierte Vorstellungen über<br />

Adressatenmerkmale der Sozialen Arbeit. Alle Begriffe, die an Probleme, Armut, Defizite, Nöte,<br />

Leiden, Schwächen, fehlende Güter oder Kompetenzen, gesellschaftliche Ungleichheit, Diskriminierung,<br />

Ohnmachtspositionen oder gar Ungerechtigkeitsvorstellungen etc. erinnern, werden<br />

explizit oder implizit <strong>als</strong> Defizitorientierung kritisiert, um sie einer Ressourcenorientierung gegenüberzustellen.<br />

[…] Die […] neue soziale Problemdefinition ist die illegitime Abhängigkeit<br />

vom Sozi<strong>als</strong>taat und mithin der fehlende oder fehlgeleitete Wille der Klientel zur Eigenleistung,<br />

Selbststeuerung und Selbstverantwortung. […] Es sind nicht mehr die Menschen, die überfordert<br />

sind und strukturell diskriminiert, ausgebeutet werden, sondern es ist der Sozi<strong>als</strong>taat, der<br />

durch überbordende Ansprüche überfordert ist und ausgebeutet wird. […] Und es sind die Sozialexperten/Sozialtätigen,<br />

die <strong>als</strong> unfähige Bastler […] verhindern, dass der Ausbeutung des So-<br />

28


zialwesens durch die Klientel wirksam entgegengetreten werden kann.“ (Staub-Bernasconi<br />

2007, S. 149-150)<br />

Diese Entwicklung innerhalb der Theoriebildungen in der Sozialen Arbeit bereitete in<br />

manchen Kreisen u. a. den Boden für eine geradezu euphorische Aufnahme von Konzepten<br />

der Betriebswirtschaftslehre <strong>als</strong> Professionalisierungsangebot für die Soziale Arbeit.<br />

„Der Tendenz nach geht es darum, das ‚Grundmodell der Sozialen Arbeit‘ neu zu definieren, indem<br />

‚Management‘, seine für Führungskräfte sinnvollen Methoden und Techniken auch für die<br />

direkte Arbeit mit den Adressat(inn)en zum Oberbegriff wird. Die Hilfe an Individuen heißt jetzt<br />

Casemanagement oder Fallsteuerung 6 . Dazu gibt es Theorieentwürfe, die fordern, dass die<br />

theoretischen Vorgaben der Dienstleistungsökonomie zur Teildisziplin einer Wissenschaft und<br />

Metadisziplin der Sozialen Arbeit <strong>als</strong> personenbezogene Dienstleistungen gemacht werden.“<br />

(ebd., S. 151)<br />

2.2.7 Ende der 1990er Jahre bis heute: Etablierung des Sozialmanagements<br />

In dieser durch Ambivalenz, weitgehend unverbundene Heterogenität und Unsicherheit<br />

geprägten Phase formierten sich die ersten Sozialmanagement-Studiengänge. 1997 beschlossen<br />

die fünf neuen Bundesländer auf der Grundlage von Vorarbeiten der Alice-<br />

Salomon Fachhochschule Berlin, der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin<br />

und der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin die Gründung eines<br />

Fernstudienverbundes. Ein Fachausschuss erarbeitete ein fünfsemestriges Fernstudium<br />

„Sozialmanagement“ bzw. „Öffentliches Dienstleistungsmanagement“, das für Führungskräfte<br />

im Sozialen Bereich die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten unter den Vorzeichen<br />

des stattfindenden Wandels bereitstellen sollte. Dem Mangel an adäquaten Aus- und Weiterbildungsangeboten<br />

sowohl in den neuen <strong>als</strong> auch den alten Bundesländern sollte damit<br />

abgeholfen werden. Allerdings stieß dieses Vorgehen bereits zu Beginn auf deutliches<br />

Unbehagen bei Vertretern aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und der Wohlfahrtsverbände:<br />

„Fünf neue Bundesländer setzen eine Kommission ein, diese beauftragt einen ‚Fachausschuss‘<br />

mit der Erarbeitung eines curricularen Fernstudiengangs Sozialmanagement – das Verfahren<br />

war <strong>als</strong>o ‚top-down‘, die Zusammensetzung willkürlich und die Diskussionen fanden in geschlossenen<br />

Zirkeln satt!? Nein danke!!!“ (Schwarz 2012, 141)<br />

In den Jahren 1999 und 2000 begannen nichtsdestotrotz die beiden ersten Masterstudiengänge<br />

„Sozialmanagement“ in Mittweida/Roßwein und Braunschweig-Wolfenbüttel. Es<br />

war die Zeit der flächendeckenden Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge im<br />

Zuge der Bologna-Reformen, was viele Fachbereiche ohnehin an die Grenzen ihrer Belastbarkeit<br />

brachte. Aus diesen und anderen Gründen (wie Konkurrenzdenken und ge-<br />

6 Dazu muss angemerkt werden, dass aus Sicht des Verfassers die unterschiedlichen aber insgesamt recht homogenen<br />

Konzepte des Case-Managements zwar vordergründig gewisse Ähnlichkeiten mit der Vorgehensweise der ANHT aufweisen,<br />

aber im Gegensatz zur ANHT reine Schemata zur geordneten Abwicklung von vorgegebenen Arbeitsaufträgen darstellen<br />

und so eher einem Verständnis von Sozialer Arbeit <strong>als</strong> bloßer Beruf nahe stehen.<br />

29


genseitiger Abschottung) wurde zum einen nichts aus der geplanten weiteren Kooperation<br />

der im erwähnten Fachausschuss noch aktiven Vertreter/innen der beteiligten Hochschulen<br />

und zum anderen wurde von Kritikern aus dem Bereich der Sozialen Arbeit dem Sozialmanagement<br />

eine Mitschuld an der Einführung marktwirtschaftlicher Strukturen an den<br />

Hochschulen gegeben. Ungeachtet dessen, stieg die Anzahl der Sozialmanagement/Sozialwirtschaft-Studiengänge<br />

im deutschsprachigen Raum bis heute auf ca. 118 an<br />

(Boeßenecker und Markert 2011, S. 58-59) und das Fach kann insofern durchaus <strong>als</strong><br />

etabliert gelten. Gleichwohl ringt, wie bereits geschildert, das Fach Sozialmanagement in<br />

ähnlicher Weise um Orientierung und Professionalisierung wie auch die Soziale Arbeit.<br />

Und beide Disziplinen ringen zudem miteinander:<br />

„Im Schatten einer schon früh aufkeimenden Rivalität zwischen den ‚Zwillingsdisziplinen‘ Sozialarbeit<br />

und Sozialmanagement konnten die gemeinsamen Ziele und positiven Schnittmengen<br />

nicht erkannt oder zugegeben werden. Die ‚wahren Hüter‘ der ‚reinen Sozialarbeit‘ fühlten sich<br />

in ihrem Streben nach fachlicher Qualität und Professionalität von der ‚Managementfraktion‘<br />

nicht genügend gewürdigt (‚Reparaturbetrieb‘, Semiprofession). Die ‚Managementprofis‘ ihrerseits<br />

betonen aus fachlicher Sicht und aus berufspolitischem Eigeninteresse sehr stark die vorhandenen<br />

Defizite und Schwachstellen der sozialen Dienstleistungsorganisationen. […] Es besteht<br />

[…] die Gefahr, dass an die Stelle des dringend benötigten Dialogs zwischen den getrennten<br />

Zwillingen (Sozialarbeit – Sozialmanagement) wieder ein getrenntes Monologisieren der<br />

beiden Seiten tritt.“ (Schwarz 2012, S. 145, 147)<br />

Festzuhalten bleibt, dass das Fach Sozialmanagement sich zwar insofern etabliert hat, <strong>als</strong><br />

es inzwischen sowohl eine beachtliche Anzahl von Studiengängen, <strong>als</strong> auch einschlägige<br />

Publikationen in großer Zahl gibt – auch die Notwendigkeit adäquat ausgebildeter Führungskräfte<br />

im Sozialen Bereich steht außer Frage – , Disziplin und Profession sich allerdings<br />

noch „in der Phase der Selbstfindung“ (ebd., S. 162) befinden. Im Falle der Sozialen<br />

Arbeit sieht es nach über 40 Jahren seit der Einführung von Fachhochschulstudiengängen,<br />

Theoriebildung, Versuchen der Verwissenschaftlichung etc. recht ähnlich aus. In der<br />

Praxis sind sicherlich in fallweise mehr oder weniger geglückter Ausprägung Versatzstücke<br />

aus beiden Bereichen angekommen, aber die seit Jahrzehnten trotz diverser Bemühungen<br />

um Professionalisierung bestehenden Probleme im Sozialen Bereich und in der<br />

Sozialen Arbeit drohen sich nun auch auf die Ebene des Managements Sozialer Einrichtungen<br />

auszuweiten und die Etablierung des „neuen“ Fachs Sozialmanagement steht somit<br />

derzeit unter keinem guten Stern.<br />

Im Folgenden wird dargestellt, wie sich die skizzierten sozialpolitischen und fachlichen<br />

Entwicklungen auf eine konkrete Soziale Einrichtung in einem bestimmten Arbeitsfeld<br />

ausgewirkt haben bzw. damit in Beziehung stehen. Für den in dieser Arbeit besonders<br />

interessierenden Bereich der Eingliederungshilfe für psychisch behinderte Erwachsene,<br />

das Ambulant Betreute Wohnen (ABW), war die zum 01.07.1994 in Kraft getretene Sozialhilfereform<br />

mit der Änderung des § 93 Abs. 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) folgen-<br />

30


eich. Die dort eingeführte Entgeltfinanzierung aufgrund eines subjektiven Rechtsanspruchs<br />

der individuell Bedürftigen wurde beispielsweise in Nordrhein-Westfalen (NRW)<br />

über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren durch die dort zuständigen beiden Landschaftsverbände<br />

flächendeckend umgesetzt und führte im Ennepe-Ruhr-Kreis ab 2001 zu<br />

spürbaren Veränderungen.<br />

2.3 Wandel und Veränderungen bei der Kontakt- und Krisenhilfe e. V.<br />

Abbildung 1: Der Ennepe-Ruhr-Kreis 7 (Quelle: Wikimedia 2010)<br />

2.3.1 Kleine Anfänge<br />

Die Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis e. V. (KuK) ist ein eingetragener gemeinnütziger<br />

Verein und Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Der Verein wurde<br />

1984 gegründet und firmierte zunächst <strong>als</strong> sogenannter Patientenclub in einer angemieteten<br />

Wohnung in der Kreisstadt Schwelm. Anlass für die Gründung durch engagierte Bürgerinnen<br />

und Bürger und Psychiatrieerfahrene vor dem Hintergrund der sozialpsychiatrischen<br />

Bewegung war die Einschätzung, dass es im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis einen<br />

hohen und ungedeckten Bedarf an gemeindenaher Versorgung für psychisch kranke<br />

Menschen gab. Die KuK verstand sich von Beginn an <strong>als</strong> Einrichtung der Sozialpsychiat-<br />

7 Die Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis e. V. ist heute bis auf die Kreisstädte Witten, Wetter und Herdecke, die<br />

von anderen Anbietern versorgt werden, im gesamten zusammenhängenden südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis aktiv.<br />

31


ie und macht es sich bis heute zur Aufgabe, die Lebenssituation von psychisch behinderten<br />

Menschen zu verbessern, ihre Teilhabe und Integration vor Ort zu fördern und stationäre<br />

Aufenthalte oder Unterbringungen zu vermindern oder zu vermeiden.<br />

Zunächst wurde eine Wohngemeinschaft für die Zielgruppe eröffnet und das dam<strong>als</strong> noch<br />

so genannte Beschützende Wohnen nahm ebenfalls seinen Anfang. Das Beschützende<br />

Wohnen <strong>als</strong> Vorläufer des Ambulant Betreuten Wohnens (ABW) sollte psychisch kranke<br />

Menschen, die eine eigene Wohnung bewohnten befähigen, trotz oder mit ihren diversen<br />

krankheitsbedingten Einschränkungen ein möglichst selbst bestimmtes Leben führen,<br />

ihren Alltag bewältigen zu können und so ein möglichst hohes Maß an „Normalität“ und<br />

Lebensqualität erreichen zu können. Der „Patientenclub“ wandelte sich zur ersten von<br />

später drei Kontakt- und Beratungsstellen (KuB).<br />

1985 konnten weitere Räume günstig in einer städtischen Immobilie in Gevelsberg angemietet<br />

werden. Dort wurde eine weitere KuB eingerichtet und Beschützendes Wohnen<br />

angeboten. Die Bereiche KuB und Beschützendes Wohnen waren von Beginn an räumlich,<br />

personell und organisatorisch so eng verzahnt, dass das Beschützende Wohnen – im<br />

Gegensatz zum heutigen ABW – noch nicht <strong>als</strong> eigenständiger Arbeitsbereich profiliert<br />

war.<br />

1987 wurden auch in Ennepetal städtische Räume mietfrei bezogen und dort wurde eine<br />

weitere KuB eingerichtet. Die Finanzierung der gesamten Arbeit der KuK erfolgte durch<br />

den Ennepe-Ruhr-Kreis: Es wurde ein jährlich befristeter, jeweils neu zu beantragender<br />

freiwilliger Zuschuss (Zuwendung/Zuwendungsbescheid) des Kreises (Kreisgesundheitsamt)<br />

für Kontaktstellenarbeit und Beschützendes Wohnen gewährt. Das bedeutete 100 %<br />

Personalkostenzuschuss, 10 % Sachkostenanteil und einen Festbetrag für Miete und Nebenkosten.<br />

Der Finanzierungsmodus war eine Objektfinanzierung <strong>als</strong> Institutionelle Zuwendung<br />

gemäß §§ 23 u. 44 Bundeshaushaltsordnung/Landeshaushaltsordnung<br />

(BHO/LHO; Vollfinanzierung der zuwendungsfähigen Ausgaben). Das Kreisgesundheitsamt<br />

hatte zu dieser Zeit ermittelt und vorgegeben, dass es 85 psychisch kranke Menschen<br />

im Ennepe-Ruhr--Kreis mit einem Bedarf an Beschützendem Wohnen gab. Diese<br />

wurden unter vier Anbietern, die mit dem Kreis auch den Stundensatz ausgehandelt hatten,<br />

aufgeteilt. Im Beschützenden Wohnen wurden daraufhin bei der KuK zwei Vollzeitstellen<br />

(VZ) mit einem Betreuungsschlüssel von je 1:12 finanziert. Die Anzahl unserer<br />

Klient/inn/en war somit durch den Kreis zunächst auf 24 beschränkt. Die Vergütung pro<br />

Stunde betrug umgerechnet 110,- DM. So konnten bis Ende 1987 hauptamtliche Mitarbeiter/innen<br />

(MA) eingestellt werden, die sich zwei VZ-Planstellen für das Beschützende<br />

Wohnen und eine für die KuB-Arbeit teilten.<br />

32


Im Jahr 1992 wurde eine weitere VZ-Planstelle für die KuB-Arbeit finanziert und eingerichtet,<br />

zusätzlich zu den beiden VZ-Stellen im Beschützenden Wohnen. Seit dieser Zeit<br />

konnten auch Rücklagen aus Eigenmitteln gebildet werden. Am Ende des Zuwendungszeitraums<br />

erwirtschaftete Überschüsse wurden der KuK hälftig <strong>als</strong> freie Mittel zur Verfügung<br />

gestellt aber es gab im Verlustfall keine Nachfinanzierung. Die KuB-Arbeit 8 wird<br />

nach wie vor unverändert <strong>als</strong> Zuwendung mit einer VZ-Stelle durch den Kreis finanziert.<br />

An den bis heute bestehenden drei Standorten Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal arbeiten<br />

je zwei Fachkräfte (Sozialarbeiter/innen bzw. -pädagog/inn/en) mit jeweils 6,42<br />

Wochenarbeitsstunden (1/6 VZ-Stellen, gerundet) 9 . Bei allen sechs Fachkräften wird die<br />

Kontaktstellenarbeitszeit jeweils von der Regelarbeitszeit abgezogen. Die übrige Arbeitszeit<br />

der betreffenden MA steht für das ABW zur Verfügung. Die mit der Finanzierungsform<br />

der Zuwendung gemäß BHO/LHO verbundene Logik lässt im Bereich der KuB wenig personelle<br />

Dynamik und Gestaltungsmöglichkeiten zu.<br />

Vorstand<br />

Geschäftsführung nur<br />

nominell benannt<br />

Verwaltung<br />

10 Std. Stelle<br />

Kontakt- und<br />

Beratungsstellen<br />

1 VZ Stelle,<br />

3 Standorte<br />

Beschützendes<br />

Wohnen<br />

2 VZ Stellen<br />

24 Klienten<br />

Abbildung 2: Die KuK bis Juni 1999, vor der Eröffnung der Tagesstätte (Eigene Darstellung, J.W.)<br />

1994 stellte der Verein einen ersten Antrag auf die Einrichtung einer Tagesstätte (TS)<br />

beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und es wurde in Gevelsberg eine zweite<br />

Wohngemeinschaft eingerichtet, die allerdings im Jahr 2000 wieder aufgelöst wurde.<br />

1997 wurde ein zweiter Antrag auf Einrichtung einer TS auf den Weg gebracht, der<br />

schließlich 1999 bewilligt wurde. Im Juli desselben Jahres konnte eine Immobilie in<br />

Schwelm erworben werden. Dorthin fand der Umzug der Schwelmer Wohngemein-<br />

8 Die Kontakt- und Beratungsstellen waren von Beginn an ein Kernangebot der KuK. Es handelt sich dabei um offene,<br />

niedrigschwellige Anlaufstellen für psychisch behinderte Erwachsene mit einer Komm-Struktur. Während der jeweiligen<br />

Öffnungszeiten werden tages- und freizeitstrukturierende Angebote vorgehalten, so wie die Möglichkeit für Betroffene, sich<br />

in einem geschützten Raum zu begegnen, sich auszutauschen und soziale Isolation zu vermeiden oder zu verringern. Die<br />

Möglichkeit der Beratung und Unterstützung durch das Fachpersonal ist ein weiterer Bestandteil des Angebots. Unterstützt<br />

wird zum Beispiel im Sinne von nachsorgender Betreuung im Übergang von stationären Aufenthalten in den Alltag, bei dem<br />

Umgang mit der jeweiligen Erkrankung oder bei Schwierigkeiten mit Behörden.<br />

9 Eine Ausnahme bildet inzwischen der KuB-Standort Schwelm: Dort sind zwei Fachkräfte mit jeweils vier Wochenarbeitsstunden<br />

verantwortlich, eine Ergänzungskraft sorgt derweil für personale Präsenz und Kontinuität während der erheblich<br />

über das reine KuB-Angebot ausgeweiteten Öffnungszeiten. Die zusätzlichen Öffnungszeiten der Standorte Schwelm und,<br />

in geringerem Umfang, Gevelsberg sind ABW-abrechnungsfähige Zeiten.<br />

33


schaft 10 , die bis heute besteht, statt. Auch die Schwelmer KuB zog in dieses Gebäude um<br />

und die TS wurde dort in Betrieb genommen. Für diese Arbeit wurden zusätzlich drei VZ-<br />

Stellen durch den LWL finanziert. Das Gebäude wurde durch 80 % Förderzuschüsse und<br />

20 % Eigenmittel aus Rücklagen finanziert. Die Finanzierung der TS durch den LWL war<br />

eine institutionelle Förderung für 20 Plätze. Auch das Angebot der TS 11 wurde analog zu<br />

der Finanzierung der KuB institutionell (Festbetragsfinanzierung) – Anfangs für 20, inzwischen<br />

für weitere 10 Plätze – in Form einer jährlichen Zuwendung gem. §§ 23 und 44<br />

BHO/LHO, allerdings durch den überörtlichen Träger LWL finanziert (vgl. Brinkmann<br />

2010, S. 148-158), womit auch in diesem Bereich neben den Plätzen für die TS-<br />

Nutzer/innen die personelle Ausstattung, in diesem Fall für beide Standorte 4,5 VZ-<br />

Stellen, durch den Kostenträger festgelegt ist und die Person<strong>als</strong>ituation keiner nennenswerten<br />

Dynamik unterliegt.<br />

Nach Verhandlungen mit dem Kreis, sagte dieser zu, eine Mietkostenerstattung mindestens<br />

in Höhe der bisherigen Miete für die KuB-Arbeit zu leisten, obwohl der KuB-Betrieb<br />

nun in Schwelm in Wohneigentum der KuK stattfand. Dabei orientierte der Kreis sich an<br />

der Mietkostenbeteiligung des LWL pro m² zur Verfügung stehender Fläche. Seitdem gilt,<br />

dass die Mietkostenerstattungen der KuB durch den Kreis finanziert werden, die der TS<br />

durch den LWL. Diese überstiegen deutlich die Kosten der Eigenmittelfinanzierung und<br />

flossen so in die Rücklagen. Eigene Immobilien wirken sich zudem positiv auf die Außenwahrnehmung<br />

aus.<br />

2.3.2 Wende zur Subjektförderung und beginnendes Wachstum<br />

Ab dem 01.01. 2001 fand eine Wende von der Objekt- zur Subjektförderung im jetzt auch<br />

so bezeichneten ABW statt. Diese Wende erfolgte aufgrund einer Änderung der §§ 93 ff.<br />

BSHG Einzelfallhilfe mit Rechtsanspruch gem. §§ 39 ff. BSHG, deren Umsetzung seit<br />

1994 durch die beiden Landschaftsverbände in NRW vorangetrieben worden war. Die<br />

Finanzierung des ABW erfolgte nun statt über jährliche Zuwendungen über Einzelfallbezogene<br />

Leistungsentgelte, die Fachleistungsstunden (FLS), nach Abschluss von Leistungs-,<br />

Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung (mit dem Kreis, stellvertretend für die örtlichen<br />

Sozialämter). Um eine einheitliche Regelung des ABW im Kreis zu gewährleisten,<br />

behielt dieser die Weisungsbefugnis: Der Kreis hatte sich ausbedungen, die jährlichen<br />

Fallzahlensteigerungen auf sechs Klient/inn/en pro Halbjahr zu begrenzen. Die Einrich-<br />

10 Die WG mit vier Bewohnerplätzen beherbergt sämtlich ABW-Klient/inn/en, die jeweils einen eigenen Mietvertrag mit der<br />

KuK abgeschlossen haben. Durch die Gewährleistung, dass die Bewohner/innen über alternative Betreuungsangebote<br />

vollumfänglich informiert sind, fällt die WG nicht unter die Reglementierungen des Wohn- und Teilhabegesetzes NRW.<br />

11 Die Tagesstätte (TS) mit ihren mittlerweile beiden Standorten in Schwelm (20 Plätze) und Hattingen (10 Plätze) ist ein<br />

Angebot für psychisch kranke Erwachsene, die eine intensive tages-strukturierende Unterstützung benötigen. Die TS ist <strong>als</strong><br />

teilstationäres Betreuungsangebot konzipiert. An fünf Tagen in der Woche werden psychisch kranke Erwachsene, die gar<br />

nicht oder vorübergehend nicht in der Lage sind einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen, in den Bereichen „Alltagsbewältigung<br />

und Selbstsorge“, „Umgang mit der Erkrankung“, „Gestaltung sozialer Beziehungen“, „Tagesgestaltung/Arbeit“<br />

und „Sensomotorische und kognitive Fähigkeiten“ individuell und im Gruppensetting gefördert.<br />

34


tungen haben sich untereinander abgesprochen, wer wie viele Klient/inn/en bekommt. Die<br />

Stundensätze blieben bei 110,- DM/ 56,24 € bei einem Betreuungsschlüssel 1:12 nach<br />

fachpsychiatrischem Gutachten.<br />

Vorstand<br />

Geschäftsführung<br />

½ Stelle<br />

Verwaltung<br />

½ Stelle<br />

Ambulant Betreutes<br />

Wohnen<br />

3 VZ Stellen<br />

30 Klienten<br />

Kontakt- und<br />

Beratungsstellen<br />

1 VZ Stelle,<br />

3 Standorte<br />

Tagesstätte<br />

3 VZ Stellen<br />

1 Standort<br />

20 Klienten<br />

Abbildung 3: Die KuK Ende 2002 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />

2.3.3 „Hochzonung“ des Ambulant Betreuten Wohnens und Expansion<br />

Ab dem 01.07.2003 wurde die Zuständigkeit für das ABW auf den LWL <strong>als</strong> überörtlichem<br />

Kostenträger übergeleitet. Auch mit diesem wurden Leistungs-, Vergütungs- und<br />

Prüfungsvereinbarungen abgeschlossen und die Finanzierung des ABW erfolgte weiterhin<br />

über FLS. Der den einzelnen Leistungserbringern gegenüber monopolartig agierende<br />

LWL beabsichtigte eine massive Kostensenkung im stationären Bereich durch den<br />

Ausbau der ambulanten Hilfen und verzichtete somit auch auf eine Begrenzung der<br />

Fallzahlen im ABW.<br />

„In der Praxis hat die […] stärkere Pauschalierung [der Vergütung der Leistungserbringer, J.W.]<br />

zu einer umfassenden Deckelung der Ausgaben geführt, die die freien Träger auf Dauer vor<br />

große Finanzierungsprobleme stellen musste. […] Die zur Schlichtung eingeführten<br />

Schiedsstellen [konnten] dieses Ungleichgewicht der Verhandlungsposition nur beschränkt<br />

ausgleichen.“ (Rock 2010, S. 33)<br />

So senkte der LWL nach einer Übergangszeit bis zum 31.12.2004 die Stundensätze bis<br />

zum 01.01.2008 degressiv von 56,24 € auf 48,30 €. In den darauffolgenden Jahren<br />

wurden die FLS-Sätze dann jeweils geringfügig inflationsbedingt gesteigert und werden<br />

aktuell ab dem 01.04.2013 inklusive eines Regelzuschlags auf 53,10 € angehoben. Die<br />

Finanzierungsform der FLS erlaubte es der KuK seit dem 01.07.2003, auf die vorhandene<br />

Nachfrage in ihrem Einzugsbereich prinzipiell ohne formale Einschränkungen durch den<br />

Kostenträger zu reagieren.<br />

35


Vorstand<br />

Geschäftsführung<br />

½ Stelle<br />

Verwaltung<br />

½ Stelle<br />

Ambulant Betreutes<br />

Wohnen<br />

5 VZ Stellen<br />

52 Klienten<br />

Kontakt- und<br />

Beratungsstellen<br />

1 VZ Stelle,<br />

3 Standorte<br />

Tagesstätte<br />

3 VZ Stellen<br />

1 Standort<br />

20 Klienten<br />

Abbildung 4: Die KuK Ende 2003 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />

Entsprechend musste sukzessive mehr Personal für diesen Bereich gewonnen werden.<br />

Um trotz der vom LWL forcierten Kostendämpfung auch im Bereich des ABW dem eigenen<br />

sozialpsychiatrischen Versorgungsanspruch weiterhin gerecht werden zu können und<br />

zugleich den Bestand der Einrichtung dauerhaft sichern zu können, setzte die KuK seit<br />

dem 01.07.2003 auf folgende Expansions- und Personalpolitik:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Es galt und gilt der Grundsatz, dass jede Anfrage zügig bedient wird. Eine Deckelung<br />

der Betreutenzahlen oder Wartelisten wurden und werden ausgeschlossen.<br />

Neue MA wurden ab 01.01.2005, zeitgleich mit dem Beginn der degressiven Verringerung<br />

des FLS-Satzes, nach den Arbeitsvertragsbedingungen (AVB) des Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverbandes eingestellt (Paritätischer Wohlfahrtsverband<br />

2012) 12 . Das bedeutete eine perspektivisch flachere Gehaltssteigerung <strong>als</strong> beim<br />

Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und dem Tarifvertrag für den öffentlichen<br />

Dienst (TVöD). Mittelfristig führte dies zu merklichen Personalkosteneinsparungen.<br />

Eine Kostengegenüberstellung im ersten Jahr zeigte eine Einsparung von 5 %<br />

(vgl. Palluch 2005).<br />

Neue MA wurden mit einer halben Stelle befristet für ein Jahr eingestellt, danach<br />

unbefristet mit Option auf Stundenerhöhung. 13<br />

Es bestand und besteht ein Gestaltungsspielraum durch Rücklagen: Neue MA<br />

konnten perspektivisch eingestellt werden, auch wenn die Auslastungszahlen im<br />

ABW das noch nicht zuließen. Nach Einarbeitung und voller Auslastung holten<br />

neue MA die Investitionen wieder herein.<br />

12 In der Einleitung heißt es dort (S. 1): „Die neuen AVB sind straff formuliert und auf die nötigsten Regelungen beschränkt.<br />

Das Entgeltsystem ist in seiner Struktur einfach, aufgaben- und leistungs-orientiert sowie flexibel in der Anwendung. Die<br />

AVB sind <strong>als</strong> Vertragsrichtlinie konzipiert. Zu ihrer Wirksamkeit müssen sie im einzelnen Arbeitsverhältnis mit der/dem<br />

Mitarbeiter/in vereinbart werden.“ Dies geschieht bei der KuK per Arbeitsvertrag.<br />

13 Inzwischen werden neue MA auch optional mit einem höheren oder niedrigeren Stundenanteil eingestellt.<br />

36


Auswirkungen der Ausweitung des Bereichs ABW:<br />

- Die Erhöhung des Gesamtumsatzes bewirkte eine Relativierung von Verwaltungs-<br />

und Sachkosten.<br />

- Territoriale Vorteile ergaben sich durch breitere Aufstellung und schnelle<br />

Reaktion auf Anfragen.<br />

- Eine Kompensierung von Personalkosten durch eine zunehmend größere<br />

Anzahl von MA wurde bewirkt.<br />

Vorstand<br />

Geschäftsführung<br />

½ Stelle<br />

Verwaltung<br />

½ Stelle<br />

Ambulant Betreutes<br />

Wohnen<br />

8 VZ Stellen<br />

78 Klienten<br />

Kontakt- und<br />

Beratungsstellen<br />

1 VZ Stelle,<br />

3 Standorte<br />

Tagesstätte<br />

3 VZ Stellen<br />

1 Standort<br />

20 Klienten<br />

Abbildung 5: Die KuK Ende 2005 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />

2.3.4 Konsequenzen des Wachstums und strukturelle Veränderungen<br />

Aufgrund des auf diese Weise entstandenen Zuwachses an Klient/inn/en und MA musste<br />

das Team des ABW im Jahr 2006 auf zwei Teams aufgeteilt werden. Im Jahr 2007 wurde<br />

dann eine weitere Immobilie in Hattingen zu den gleichen Konditionen wie bei dem<br />

Immobilienkauf 1999 erworben (Förderzuschüsse und Eigenmittel). Hier erfolgte ebenfalls<br />

die Mietkostenerstattung durch den LWL, die die Kosten der Eigenmittelfinanzierung<br />

deutlich überstieg und so in die Rücklagen fließen konnte. Zugleich wurden die TS-Plätze<br />

durch den LWL um 10 (in Hattingen) aufgestockt und der Einzugsbereich des ABW wurde<br />

auf den Standort Hattingen mit besserer Erreichbarkeit der Kreisstadt Sprockhövel von<br />

dort aus ausgedehnt 14 . Es erfolgte die Umstellung aller MA auf die AVB, was 10 MA<br />

betraf, die noch zu den Bedingungen des BAT eingestellt worden waren und seither eine<br />

Ausgleichszahlung erhielten. Der Vergütungssatz für die FLS war inzwischen bei 48,30 €<br />

angelangt.<br />

14 Der Ausbau des ABW in Hattingen verlief jedoch zunächst zurückhaltend, so dass es dort erst 2009 zu einer regelrechten<br />

Teambildung kam.<br />

37


Vorstand<br />

Geschäftsführung<br />

1 VZ Stelle<br />

Verwaltung<br />

1,5 VZ Stellen<br />

Team 1<br />

Team 2<br />

Tagesstätte<br />

4,5 VZ Stellen<br />

2 Standorte<br />

30 Klienten<br />

Hausmeister<br />

1 VZ Stelle<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

21 VZ<br />

Stellen,<br />

180<br />

Klienten<br />

2 Kontakt- und<br />

Beratungsstellen<br />

Kontakt- und<br />

Beratungsstelle<br />

1 VZ<br />

Stelle<br />

Abbildung 6: Die KuK Ende 2008 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />

Aufgrund eines unverminderten Klient/inn/en- und Personalwachstums im Bereich ABW,<br />

mussten zu Beginn des Jahres 2009 zwei weitere Teams gebildet werden, d. h. die MA<br />

des ABW verteilten sich nun auf vier Teams. Der Geschäftsführer der KuK fühlte sich<br />

inzwischen zunehmend damit überlastet, das Management der Einrichtung alleine zu<br />

bewältigen und setzte aus den eigenen Reihen drei Teamleiter ein (mit Zusatzaufgaben<br />

und progressiver Freistellung von der ABW-Betreuung). Eine Leiterin für den Bereich der<br />

TS-Arbeit gab es bereits seit der Ausweitung dieses Bereichs im Jahr 2007. Der Leiter<br />

des Teams 3 übernahm auch die Leitung des noch kleinen Hattinger ABW-Teams 4.<br />

Einer der Teamleiter, der <strong>als</strong> Qualitätsmanagementbeauftragter (Q<strong>MB</strong>) weitergebildet<br />

worden war, wurde mit der Einführung und dem Aufbau eines<br />

Qualitätsmanagementsystems (QMS) betraut.<br />

Vorstand<br />

Geschäftsführung<br />

1 VZ Stelle<br />

Qualitäts-<br />

Managementbeauftragter<br />

Verwaltung<br />

1,5 VZ Stellen<br />

Leitung Team 1<br />

Qualitätsmanagement<br />

Leitung Team 2<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Leitung Teams 3+4<br />

Sozialrecht/<br />

-politik<br />

Leitung TS<br />

Fortbildung<br />

Hausmeister<br />

1 VZ Stelle<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

26 VZ<br />

Stellen,<br />

216<br />

Klienten<br />

1 VZ<br />

Stelle<br />

2 Kontakt- und<br />

Beratungsstellen<br />

Kontakt- und<br />

Beratungsstelle<br />

Tagesstätte,<br />

2 Standorte<br />

4,5 VZ<br />

Stellen,<br />

30<br />

Klienten<br />

Abbildung 7: Die KuK Ende 2009 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />

38


Im selben Jahr wurden zusätzliche barrierefreie Räume in einem ehemaligen<br />

Industriekomplex in unmittelbarer Nähe der KuK-Zentrale in Schwelm (die eigene<br />

Immobilie, welche die Geschäftsführung, die Verwaltung, die Wohngemeinschaft und die<br />

TS beherbergt) angemietet. Dorthin zog die schwelmer KuB um und das ABW-Team 2<br />

und die meisten MA des Teams 1 erhielten dort Büroräume 15 .<br />

Seit Anfang des Jahres 2010 bot die KuK in Zusammenarbeit mit den örtlichen Jugendämtern,<br />

mit denen ebenfalls eine dem ABW analoge Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung<br />

besteht, Sozialpädagogische Familienhilfe (SpFh) gem. § 31 Sozialgesetzbuch<br />

Acht (SGB VIII) an 16 . Die KuK hat mit den örtlichen Jugendämtern eine Leistungs-,<br />

Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung abgeschlossen, der zufolge die Finanzierung<br />

analog zum ABW erfolgt. Die Zahl der in diesem Rahmen betreuten Familien blieb<br />

allerdings bisher gering und schwankte zwischen drei und fünf SpFh-Betreuungen. Das ist<br />

dem Umstand geschuldet, dass der mit den Jugendämtern vereinbarte Kostensatz an den<br />

mit dem LWL für das ABW angeglichen ist und die Jugendämter gerne mit ihnen bereits<br />

länger bekannten und vertrauten und vor allem kostengünstigeren Anbietern zusammenarbeiten.<br />

Im Jahr 2011 wurden noch zusätzliche Büroräume in einem angemieteten Ladenlokal<br />

gegenüber der KuK-Zentrale gemietet und bezogen.<br />

Vorstand<br />

Geschäftsführung<br />

1 VZ Stelle<br />

Qualitäts-<br />

Managementbeauftragter<br />

Verwaltung<br />

2 VZ Stellen<br />

Leitung Team 1<br />

Qualitätsmanagement<br />

Leitung Team 2<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Leitung Teams 3 + 4<br />

Sozialrecht/<br />

-politik<br />

Leitung TS<br />

Fortbildung<br />

Hausmeister<br />

1 VZ Stelle<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

Ambulant Betreutes<br />

Wohnen<br />

35 VZ<br />

Stellen,<br />

297<br />

Klienten<br />

1 VZ<br />

Stelle<br />

2 Kontakt- und<br />

Beratungsstellen<br />

Kontakt- und<br />

Beratungsstelle<br />

Tagesstätte,<br />

2 Standorte<br />

4,5 VZ<br />

Stellen,<br />

30<br />

Klienten<br />

SPFH für Kinder<br />

psychisch Kranker<br />

Abbildung 8: Die KuK Ende 2011 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />

15 Die Team 1-MA der KuB-Gevelsberg haben weiterhin dort ihre Büros.<br />

16 Dieses Angebot richtet sich an Familien, Lebensgemeinschaften oder allein erziehende Personen, die sich in einer Krisensituation<br />

befinden und in denen mindestens ein Elternteil längerfristig psychisch erkrankt ist bzw. selbst Hilfe im Rahmen<br />

der Eingliederungshilfe gem. §§ 53 ff. SGB XII erfährt.<br />

39


Als zusätzlicher Mitarbeiter wurde 2012 ein Beauftragter für das Marketing und die<br />

Öffentlichkeitsarbeit gewonnen, der die Leiterin des Team 2, die inzwischen für die<br />

Kooperation mit der öffentlichen Jungendhilfe verantwortlich ist, von ihrer weiteren<br />

Zusatzaufgabe entlasten konnte und der diesen Bereich intensiv ausbauen soll. Die 300-<br />

Klient/inn/en-Marke wurde in diesem Jahr überschritten.<br />

Vorstand<br />

Beauftragter für<br />

Marketing und<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Geschäftsführung<br />

1 VZ Stelle<br />

Qualitäts-<br />

Managementbeauftragter<br />

Verwaltung<br />

2 VZ Stellen<br />

Leitung Team 1<br />

Qualitätsmanagement<br />

Leitung Team 2<br />

Kooperation<br />

Jugenhilfe<br />

Leitung Teams 3 + 4<br />

Sozialrecht/<br />

-politik<br />

Leitung TS<br />

Fortbildung<br />

Hausmeister<br />

1 VZ Stelle<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

Ambulant<br />

Betreutes Wohnen<br />

Ambulant Betreutes<br />

Wohnen<br />

37 VZ<br />

Stellen,<br />

323<br />

Klienten<br />

1 VZ<br />

Stelle<br />

2 Kontakt- und<br />

Beratungsstellen<br />

Kontakt- und<br />

Beratungsstelle<br />

Tagesstätte,<br />

2 Standorte<br />

4,5 VZ<br />

Stellen,<br />

30<br />

Klienten<br />

SPFH für Kinder<br />

psychisch Kranker<br />

Abbildung 9: Die KuK Ende 2012 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />

Die KuK ist inzwischen, nach kleinen Anfängen mit einer handvoll MA im Jahr 1984, zu<br />

einer Organisation mit insgesamt 66 MA angewachsenen. Neben den bereits genannten<br />

Arbeitsbereichen betreibt die KuK eine alle vier bis sechs Wochen stattfindende, von zwei<br />

Fachkräften begleitete Angehörigengruppe und eine wöchentlich stattfindende<br />

Angehörigensprechstunde. Außerdem gibt es einen Klinikbesuchsdienst, der darin<br />

besteht, dass KuK-MA 14-tägig jeweils die beiden für den Ennepe-Ruhr-Kreis zuständigen<br />

psychiatrischen Fachkliniken in Herdecke und Hattingen-Niederwenigern aufsuchen.<br />

Neben den in diesem Rahmen abgehaltenen Sprech- und Informationsstunden für<br />

Interessierte werden ggf. Klient/inn/en dort besucht und Mitfahrgelegenheiten zu den<br />

Kliniken hin oder von den Kliniken nach Hause angeboten. Weitere Angebote sind die vier<br />

Freizeit- und Sportgruppen, die regelmäßige Aktivitäten für die Klient/inn/en bereithalten<br />

und die mit den Klient/inn/en zusammen geplant werden. Alle diese Angebote stehen vor<br />

allem in engem Zusammenhang mit dem ABW und werden auch ausschließlich von MA<br />

aus diesem Bereich durchgeführt.<br />

40


2.3.5 Aktuelle Herausforderungen und Anforderungen<br />

Der umfangreichste Arbeitsbereich der KuK ist das Ambulant Betreute Wohnen, sowohl in<br />

Bezug auf die dort betreuten Klient/inn/en <strong>als</strong> auch was die Anzahl der MA betrifft. Spätestens<br />

seit der „Hochzonung“ in die Zuständigkeit des LWL mit dem damit verbundenen<br />

Wegfall der Begrenzung der Fallzahlen, ist die Zahl der im ABW Betreuten dramatisch<br />

gestiegen. Alleine von Anfang 2005 mit 74 Betreuungen stieg die Zahl bis Ende 2012 auf<br />

323 Klient/inn/en an.<br />

Entwicklung der Klientenzahlen im Ambulant Betreuten Wohnen von 2005 - 2012<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012<br />

blauer Balken = Jahresbeginn<br />

roter Balken = Jahresende<br />

Abbildung 10: Entwicklung der Klient/inn/en-Zahlen im ABW 2005-2012 (Palluch 2012, S. 4, bearbeitet und<br />

modifiziert durch J.W.)<br />

41


Die folgende Übersicht veranschaulicht nochm<strong>als</strong> in kompakter Darstellung den Zuwachs<br />

an Klient/inn/en und Personal seit der Änderung der Finanzierungsform trotz der Absenkung<br />

des FLS-Satzes, dessen ursprüngliches Niveau bei weitem nicht wieder erreicht<br />

worden ist:<br />

Entwicklung ABW Klienten - Personal - Vergütung LWL<br />

Klienten Personal VZ Verg. DM Verg. €<br />

1999 24 2 110,- DM umger. 56,24<br />

2000 24 2 110,- DM umger. 56,24<br />

2001 26 2 110,-DM umger. 56,24<br />

2002 30 3 56,24<br />

2003 52 5 56,24<br />

2004 70 7 56,24<br />

2005 78 8 48,3 zzgl. 7,15 55,45 (90% Ausgleich)<br />

2006 125 14 48,3 zzgl. 4,76 53,06 (60% Ausgleich)<br />

2007 145 18 48,3 zzgl. 1,98 50,28 (25% Ausgleich)<br />

2008 180 21 48,3<br />

2009 216 26 50,7<br />

2010 250 32 51,2<br />

2011 297 35 51,2<br />

2012 323 37 52,3<br />

Tabelle 1: Entwicklung Klienten – Personal - LWL-Vergütung 1999 - 2012 (Eigene Darstellung, J.W.)<br />

Auf die genannten sozialpolitischen und -rechtlichen Entwicklungen reagierte die KuK seit<br />

2003 in diesem Bereich mit der beschriebenen Wachstums- und Expansionsstrategie, die<br />

dazu geführt hat, dass das ABW von fünf VZ-Stellen und 52 betreuten Klient/inn/en im<br />

Jahr 2003 auf umgerechnet 37 VZ-Stellen und 323 Klient/inn/en bis zum Ende des Jahres<br />

2012 angewachsen ist. Damit deutet sich bereits an: „Die Finanzierungsform der<br />

Fachleistungsstunde ist flexibel <strong>als</strong> Instrument ambulanter Hilfen einzusetzen […], was<br />

allerdings mit höheren Anforderungen an Soziale Arbeit und deren<br />

Organisationsfähigkeiten einhergeht.“ (Brinkmann 2010, S. 170).<br />

Die Kontakt- und Krisenhilfe hat die Überleitung der Zuständigkeit für das Ambulant Betreute<br />

Wohnen auf den LWL und die damit verbundene Umstellung auf die FLS erfolgreich<br />

bewältigen können durch eine prompte strategische und organisatorische Ausrichtung<br />

auf den Ausbau des ABW:<br />

Schnelle Reaktion auf jedwede Anfrage, keine Wartelisten oder Aufnahmestopps<br />

Zügige Aufnahme und Bearbeitung der Anträge (Hilfeplan etc.)<br />

Im Rahmen des QMS wurde ein Verfahren zur Optimierung von Aufnahme/Hilfeplanung/Entwicklungsberichten<br />

eingeführt<br />

Festlegung auf die Klientel und den Einzugsbereich (keine „Verzettelung“), <strong>als</strong>o<br />

ausschließlich psychisch behinderte Erwachsene (keine geistig behinderten oder<br />

42


suchtkranken Menschen 17 ) aus dem südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis (territoriale<br />

Eingrenzung)<br />

Vorausschauende Personalplanung<br />

Hohe Fachkraftquote <strong>als</strong> Qualitätsmerkmal (siehe unten)<br />

Hohe Personalkontinuität<br />

Anpassung der Organisationsstruktur<br />

Einführung eines QMS<br />

Flexible Gestaltung der Beschäftigungsstruktur: Ca. 60 % VZ-Kräfte, 40 % TZ-<br />

Kräfte (19,25; 25 und 30 Std.-Stellen), jederzeitige Möglichkeit der Stundenerhöhung<br />

oder -senkung<br />

Einsatz von Praktikanten, Anerkennungsjahr-Praktikanten und Bundesfreiwilligendienst-Leistenden<br />

Enge Verzahnung mit den anderen Arbeitsbereichen KuB und TS<br />

Durchlässigkeit an den Schnittstellen zwischen den Bereichen<br />

MA in Personalunion in den Bereichen ABW und KuB<br />

Gute Vernetzung im Kreis mit Ärzten Krankenhäusern, Sozialpsychiatrischem<br />

Dienst, anderen Hilfeanbietern, Jugendämtern, JobCentern, Sozialämtern etc. –<br />

dadurch viele Anfragen<br />

Anpassung an die stundebezogene Finanzierungslogik<br />

Bis vor Kurzem 70 %ige FLS-Auslastung der ABW-MA (vgl. aber 3.1)<br />

Gute Kontrolle der erbrachten FLS<br />

Absenkung der durchschnittlichen Höhe der Mitarbeitervergütung<br />

Umstellung auf AVB<br />

Dafür: sicherer Arbeitsplatz, gutes Betriebsklima (Kollegiale Beratung, wöchentliche<br />

Teamsitzungen, Teamsupervision, Fortbildungen etc.)<br />

Der immense Zuwachs an MA und Klient/inn/en im Bereich des ABW hat in kurzer Zeit zu<br />

organisationalen und strukturellen Veränderungen in allen Bereichen der Einrichtung<br />

geführt: Es ist beispielsweise ein Leitungsteam entstanden, das aus den Teamleiterinnen<br />

und -leitern (einer davon ist Q<strong>MB</strong> in Personalunion) der inzwischen vier ABW-Teams und<br />

der TS, dem jüngst eingestellten Beauftragten für die Belange des Marketings und dem<br />

Geschäftsführer besteht, ein QMS auf der Grundlage der DIN EN ISO 9001:2008 wurde<br />

eingeführt und wird derzeit aufgebaut. In diesem Zusammenhang werden Regelungen,<br />

Verfahren, Kommunikationswege, fachliche Standards festgeschrieben, eingeführt und<br />

dokumentiert etc., um einem durch die rasante Entwicklung zunehmend deutlicher<br />

werdenden Nacholbedarf genügen zu können. Ebenso hat sich die gesamte Infrastruktur<br />

verändert (Gebäude, EDV, Diensthandys, Dienstwagen etc.), neue Standorte sind hinzu<br />

17 Bei Doppel- oder Mehrfachdiagnosen müssen die psychischen Einschränkungen überwiegen.<br />

43


gekommen, der Bekanntheitsgrad der Einrichtung im Kreis ist gestiegen, um nur einiges<br />

zu nennen.<br />

Mit diesen Veränderungen sind jedoch einige Gefahren verbunden, die <strong>als</strong> besondere<br />

Herausforderungen erkannt werden müssen. Bis zu einem gewissen Grad der Komplexität<br />

konnte die KuK ihre Aufgaben routiniert und ohne nennenswerte Formalisierungen,<br />

Führungs- oder Gestaltungskonzepte – ohne professionelles Management im hier gemeinten<br />

Sinn – bewältigen, obgleich es in überschaubarem Umfang immer auch mehr<br />

oder weniger formalisierte und dokumentierte Regelungen und Verfahren gab. Aufgrund<br />

der wachstumsbedingten Entwicklungen ist aber sukzessive an vielen Stellen deutlich<br />

geworden, dass mehr Struktur, Regelungen und Verbindlichkeit einerseits und Räume zur<br />

vertieften Reflexion andererseits – besonders auch in fachlicher Hinsicht – benötigt werden.<br />

Überdies muss eine Klarheit über gemeinsame Organisationsziele und eine Integration<br />

der je individuellen MA-Ziele gewährleistet werden. Ohne entsprechende Maßnahmen<br />

liefen die inzwischen bestehenden Teams und Arbeitsbereiche Gefahr, sich zu verselbständigen<br />

und auseinanderzudriften. Vor allem die MA im ABW, die zu einem hohen<br />

Maß individualisierte Einzelkontakte zu Klient/inn/en pflegen, würden Gefahr laufen, zunehmend<br />

aus dem Kontext der Gesamteinrichtung herauszufallen. So könnte aus Sicht<br />

und Wahrnehmung des Verfassers keine Einrichtung auf Dauer bestehen.<br />

Trotz der bisher gut gelungenen Bewältigung der veränderten Rahmenbedingungen und<br />

des beschleunigten Wachstums, wird deutlich geworden sein, dass die bisherigen Maßnahmen<br />

notgedrungen vor allem den Zweck hatten, im Sinne eines Anpassungslernens<br />

(vgl. Gliederungspunkt 2.6.2) in nachholender Weise mit der rasanten Entwicklung Schritt<br />

zu halten und zu bestehen. Künftig wird es aber notwendig werden, nachhaltigere Entwicklungen<br />

voranzutreiben, <strong>als</strong>o <strong>als</strong> Organisation nicht nur „den Kopf über Wasser“, sondern<br />

„das Steuer in der Hand“ zu behalten.<br />

Ein wesentlicher Aspekt dabei ist die fachliche Kompetenz und die Professionalität der<br />

MA. Kaspar Geiser bringt das grundsätzliche Problem prägnant zum Ausdruck: „Soziale<br />

Arbeit zeichnet sich nicht nur durch eine heterogene strukturelle Einbettung ihrer Ausbildungen<br />

aus – von Fachschulen über Fachhochschulen bis Universitäten. Auch ihre Wissensbestände<br />

sind fragmentiert, sie werden in Curricula überwiegend additiv angeboten.<br />

Fortbildungsangebote orientieren sich am ‚Markt‘ – zu Inhalten der Grundausbildung bestehen<br />

kaum ‚anschlussfähige‘, d. h. begrifflich kohärente Beziehungen. Wissenschaftstheoretische<br />

Ausrichtungen sind kaum explizit zu identifizieren. Und nicht zuletzt: viele<br />

Professionelle Sozialer Arbeit bekunden immer wieder grosse Schwierigkeiten, sagen zu<br />

können, was Soziale Arbeit ist.“ (Geiser 2009, S. 39, Hervorh. J.W.)<br />

44


Dass diese Feststellung auch auf die KuK zutrifft, bestätigte jüngst eine interne schriftliche<br />

Umfrage auf freiwilliger und anonymer Basis unter allen ABW-MA, die der Verfasser in<br />

seiner Eigenschaft <strong>als</strong> Q<strong>MB</strong> Anfang des Jahres 2012 durchführte. Die Umfrage sollte dazu<br />

verhelfen, erste Anhaltspunkte für die Erstellung von Anforderungsprofilen zu gewinnen.<br />

Es handelte sich um vier offene Fragen 1. nach den im ABW ausgeführten diversen<br />

Tätigkeiten, 2. den dazu notwendigen fachlichen und methodischen Kompetenzen, mithin<br />

nach der eigenen Vorstellung von Professionalität („Was kann ich alles, das mich befähigt,<br />

Tätigkeiten professionell ausführen zu können?“), 3. nach den sozialen und persönlichen<br />

Kompetenzen und 4. nach Defiziten in professioneller Hinsicht, die durch Fort- und<br />

Weiterbildung oder sonstiges Lernen (hier sollten auch Bedarfe und Wünsche geäußert<br />

werden) beseitigt werden können. Der Rücklauf der Fragebögen belief sich auf ca. 30 %,<br />

davon antworteten 11 Sozialarbeiter/innen bzw. Sozialpädagog/inn/en und vier sonstige<br />

Fachkräfte (Familienpfleger/innen, Ergotherapeut/innen, Erzieher/innen). Für die hier interessierenden<br />

Fragestellungen sind besonders die Antworten der Sozialarbeiter/innen und<br />

Sozialpädagog/inn/en interessant – wobei es allerdings keine gravierenden Unterschiede<br />

zu denen der übrigen Fachkräfte gab.<br />

Die Beantwortung der ersten Frage ergab ein breites Spektrum diverser Tätigkeiten, die<br />

alle im ABW anfallen. Die Kenntnis, dass MA dies alles tun und können, lässt noch auf<br />

keine professionelle Identität schließen. Größtenteils handelt es sich um Routinehandlungen,<br />

zu denen man die meisten intelligenten und im Sozialen Bereich vorgebildeten Menschen<br />

anleiten könnte. An sozialen und persönlichen Kompetenzen schrieben sich die MA<br />

durchweg Eigenschaften zu, die auf eine Affinität zum Sozialen Bereich schließen lassen<br />

und die man grundsätzlich in helfenden Berufen mitbringen sollte, so wie Fähigkeiten, die<br />

zu einer konstruktiven Mitarbeit in Teamzusammenhängen hilfreich sind. An Qualifizierungswünschen<br />

wurden ganz überwiegend Weiterbildungsbedarfe in den Bereichen Sozialrecht/Recht,<br />

sodann psychiatrisches und sozialpsychiatrische Kenntnisse (Krankheitsbilder,<br />

Medikation etc.), dann auch Wünsche nach Auffrischung von bereits aus früheren<br />

Fortbildungen oder aus dem Studium bekannten Inhalten wie systemisches Arbeiten, klientenzentrierte<br />

Gesprächsführung und dergleichen genannt. An dieser Stelle fasst insbesondere<br />

eine Rückmeldung den bis hier her im Sinne Kaspar Geisers gemeinten Mangel<br />

an Professionalität zusammen: „Manchmal fehlt mir eine detaillierte Anleitung für die einzelnen<br />

ABW-Bereiche. Ich meine damit, dass ich manchmal nicht genau weiß, ob so<br />

manche Tätigkeit wirklich pädagogisch sinnvoll ist. Im Studium hat man dies nicht so genau<br />

gelernt. […] Hier würde ich mit mehr Professionalität wünschen und mehr Handwerkszeug<br />

diesbezüglich. Zu ihren Ärzten sind die Klienten schließlich auch anders <strong>als</strong> zu<br />

uns.“ Der letzte Satz ist ein deutlicher Hinweis auf den Mangel an professioneller Identität<br />

im Unterschied zu anderen Professionen (das betrifft z. B. auch die Kooperation mit die-<br />

45


sen und die Außenwirkung). Ein weiterer bemerkenswerter Wunsch war der nach einer<br />

„Fachberatung wie bisher“ im Rahmen der Supervision 18 .<br />

Die entscheidende Frage nach den professionellen oder fachlichen Kompetenzen ergab<br />

Hinweise auf das irgendwann absolvierte Studium der Sozialarbeit/Sozialpädagogik (oder,<br />

wie es ehrlicherweise einmal hieß: „Überbleibsel aus dem Studium“), Hinweise auf mehr<br />

oder weniger lang andauernde Berufserfahrung in verschiedenen Arbeitsfeldern der Sozialen<br />

Arbeit, Benennung diverser Fort- und Weiterbildungen, Aufzählung einzelner gelernter<br />

Methoden, Arbeitsweisen und Wissensbestände, sowie diverse Eigenschaften, die<br />

eigentlich die dritte Frage betreffen.<br />

Das ABW ist ein originärer Aufgabenbereich der Sozialen Arbeit. Das Ergibt sich zum<br />

einen aus der mit dem Kostenträger abgeschlossenen Leistungs- und Prüfungsvereinbarung<br />

19 , sodann aus dem im Leitbild ausgedrückten Selbstverständnis 20 und dem zu bewältigenden<br />

Aufgabenspektrum 21 , das die klassischen Betätigungsfelder Sozialer Arbeit umfasst.<br />

18 Ein langjährig für alle ABW-MA der KuK tätiger Supervisor (inzwischen betreut er nur noch ein Team) hatte tatsächlich<br />

keine Supervision in der Weise betrieben, dass er den Teams zur Entwicklung eigener Lösungen verholfen hat. Tatsächlich<br />

hat er Fachberatung betrieben. Dies wurde von Vielen <strong>als</strong> sehr hilfreich empfunden und kam vielen MA nach eigenem<br />

Bekunden sehr entgegen. Die Umstellung auf eine Supervision, die dieser Bezeichnung gerecht wird, verursachte große<br />

Unsicherheiten und Unzufriedenheit. Auch dies ist ein deutlicher Hinweis auf Mängel in der Professionalität.<br />

19 㤠5 Personelle Ausstattung<br />

(1) Fachkräfte<br />

• Zur Erbringung der Leistungen werden geeignete Fachkräfte eingesetzt.<br />

Geeignete Fachkräfte sind insbesondere<br />

Diplom-Sozialarbeiter/innen oder Diplom-Sozialpädagoginnen/ Diplom-Sozialpädagogen<br />

oder andere Angehörige vergleichbarer Berufsgruppen mit Hochschulabschluss,<br />

Erzieher/innen, Heilerziehungspfleger/innen, Pflegefachkräfte und Ergotherapeutinnen/<br />

Ergotherapeuten, Heilpädagoginnen/Heilpädagogen.<br />

• Die Fachkräfte müssen über eine mindestens einjährige Berufserfahrung in der Arbeit<br />

mit der Zielgruppe oder in der Angebotsform des Ambulant Betreuten Wohnens<br />

verfügen und nachweisen.“ (LWL 2012b, S. 6; Hervorh. J.W.)<br />

20 „Unsere Angebote und Leistungen halten wir stets auf dem jeweiligen Stand aktueller Erkenntnisse<br />

und Methoden der Sozialen Arbeit.“ (Kontakt- und Krisenhilfe 2012, S. 4; Hervorh. J.W.)<br />

21 Das ABW ist eine einzelfallbezogene Eingliederungshilfe mit individuellem Rechtsanspruch gem. §§ 53 ff. SGB XII. Das<br />

Angebot richtet sich an psychisch behinderte Erwachsene, die in einer eigenen Wohnung leben. Die Hilfen sollen die durch<br />

ihre Erkrankung eingeschränkten Betroffenen befähigen, ihre Lebens- und Wohnsituation erhalten und möglichst verbessern<br />

zu können. Sie werden von fachspezifisch ausgebildeten MA regelmäßig aufgesucht, unterstützt und begleitet. Je nach<br />

den individuellen Bedarfen und Bedürfnissen wird Unterstützung, Beratung und Anleitung in verschiedenen Bereichen des<br />

täglichen Lebens gewährt mit dem Ziel, den Betroffenen ein weitgehend eigenständiges Leben in der Gemeinde außerhalb<br />

stationärer Einrichtungen zu ermöglichen. Das bedeutet die Sicherstellung der Lebensgrundlagen, die Bewältigung alltäglicher<br />

Anforderungen, die Förderung eines möglichst selbstbestimmten Lebens und der individuellen Entwicklung und persönlichen<br />

Entfaltung.<br />

46


Schließlich spricht auch die faktische Person<strong>als</strong>truktur der KuK dafür:<br />

Verteilung Mitarbeiter – Qualifikation – Stellenumfang im ABW<br />

Ende 2012:<br />

Vollzeit/Std. Teilzeit/Std. MA Gesamt<br />

38,5 30 25 19,25<br />

Sozialarbeiter/innen,<br />

Sozialpädagog/innen<br />

16 8 4 2 30<br />

Heilerziehungspfleger/innen 1 1 2<br />

Krankenpflegerin 1 1<br />

Ergotherapeut/innen 2 2<br />

Familienpfleger/innen 1 1 1 3<br />

Ergänzungskräfte 3 1 4<br />

Gesamt 24 11 5 2 42<br />

42 MA entsprechen ca. 37 Vollzeitkräften<br />

Tabelle 2: Verteilung Mitarbeiter/innen – Qualifikation – Stellenumfang im ABW (Palluch 2012, S. 6; bearbeitet<br />

und modifiziert durch J.W.)<br />

Der Höchstanteil von 30 % der vom LWL gestatteten „Sonstigen Kräfte“ – bei der KuK<br />

„Ergänzungskräfte“ genannt – liegt lediglich bei ca. 10 %, die Quote der „Fachkräfte“ im<br />

Sinne des LWL liegt entsprechend bei ca. 90 %. Der Anteil der Sozialarbeiter/innen bzw.<br />

Sozialpädagog/inn/en an den gesamten ABW-MA liegt bei ca. 71 %, der Anteil der Sozialarbeiter/innen<br />

und Sozialpädagog/inn/en an den Fachkräften beträgt ca. 79 %! (vgl.<br />

auch LWL 2012b, S. 6) Diese Verhältnisse betrachtet die KuK <strong>als</strong> Qualitätsmerkmal.<br />

Die MA des ABW sind, wie alle KuK-MA, sehr engagiert für die Klient/inn/en und um eine<br />

nach bestem Wissen und Gewissen fachlich fundierte Arbeit bemüht. Das Arbeitsklima<br />

und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen werden im Allgemeinen <strong>als</strong> sehr angenehm<br />

und hilfreich erlebt. Umso bedauerlicher ist die aus den skizzierten Umfrageergebnissen<br />

deutlich werdende professionelle Unsicherheit, die in der Praxis häufig zu vielerlei Improvisationen<br />

und semi-professionellen Handlungen führt. Die Umfrageergebnisse kann der<br />

Verfasser insofern <strong>als</strong> repräsentativ bezeichnen, <strong>als</strong> sie für ihn aus eigener langjähriger<br />

Mitarbeit, Erfahrungen und Beobachtungen in der Einrichtung die dortigen Verhältnisse<br />

treffend widerspiegeln. Die verbreitete mangelnde professionelle Identität führt zu Nachteilen<br />

auf vielen Ebenen: Nachteilen bezüglich der internen fachlichen Reflexion, Kommunikation<br />

und Zusammenarbeit, Nachteilen in der Kooperation mit Angehörigen anderer<br />

Professionen und Berufsgruppen und entsprechend der Außenwirkung und der Legitimation<br />

der eigenen Arbeit. Schnelle Reaktionen auf Veränderungen des Umfelds sind gefährdet<br />

durch die Fixierung auf liebgewonnene (weil bisher funktionierende) Routinen etc.<br />

Nicht zuletzt führt mangelnde Professionalität dazu, dass den Klient/inn/en, trotz allem<br />

Bemühen, nicht in bestmöglicher Weise das zukommt, was professionelle Soziale Arbeit<br />

leisten soll und wovon im Folgenden vertiefend gesprochen werden soll.<br />

47


2.4 Systemtheoretisches Paradigma der Sozialen Arbeit<br />

Den geschilderten Problemen in Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit, nämlich des curricularen<br />

Additivismus und dem meist „unverbundene[n] Neben- und Nacheinander von<br />

Erklärungs- und Handlungstheorien […] nehmen sich Silvia Staub-Bernasconi und Werner<br />

Obrecht seit Jahrzehnten an.“ (Geiser 2009, S. 39, 40) Beide Autoren verbindet das Anliegen,<br />

das zum Verhindern, Mildern und Lösen Sozialer Probleme verfügbare Wissen aus<br />

allen relevanten Disziplinen in eine Theorie „Soziale[r] Arbeit <strong>als</strong> Handlungswissenschaft“<br />

(Staub-Bernasconi 2007) zu integrieren, und diese „so zu konzipieren, dass sie sich im<br />

Sinne einer eigenständigen Disziplin weiter entwickeln lässt.“ (Geiser 2009, S. 40-41)<br />

Dieser Weiterentwicklung der in zahlreichen Texten dokumentierten Bemühungen Staub-<br />

Bernasconis hat sich Werner Obrecht, gewidmet, indem er die vorhandenen Teiltheorien<br />

„fundiert, ausgearbeitet und zueinander in Beziehung gesetzt“ (ebd., S. 41) hat. Das solchermaßen<br />

entwickelte Systemtheoretische Paradigma Sozialer Arbeit (SPSA) ermöglicht<br />

es, „der Fragmentierung des professionellen Wissens und [der] unvollständige[n] Professionalisierung<br />

der Sozialen Arbeit“ (Obrecht 2001) beizukommen:<br />

„Der Profession wird auf diese Weise ein eigenständiges, wissenschaftlich begründetes [disziplinäres,<br />

J.W.] Wissen zugänglich. Die Professionellen verbessern ihre kognitiven Kompetenzen<br />

und gewinnen an Autonomie, um die praktischen Probleme in der Praxis anzugehen. Diese bisher<br />

erfolgreichen Anstrengungen zur Entwicklung einer eigenständigen ‚Disziplin Soziale Arbeit‘<br />

machen Diskussionen um eine ‚fremde‘ Leitwissenschaft bzw. eine Leitdisziplin Sozialer Arbeit<br />

überflüssig.“ (Geiser 2009, S. 41)<br />

2.4.1 Theoretische Grundlagen des Systemtheoretischen Paradigmas<br />

Einige nicht sozialarbeitsspezifische theoretische Grundlagen des SPSA müssen zum<br />

besseren Verständnis zusammenfassend erläutert werden (vgl. unter diesem Gliederungspunkt,<br />

sofern nicht anders vermerkt, Geiser 2009, S. 43 ff.). Obrecht, Staub-<br />

Bernasconi und auch Geiser greifen bei der Konzeption des SPSA auf die Erkenntnisse<br />

des argentinischen Philosophen und Physikers Mario Bunge (vgl. McGill University 2012<br />

und Wikipedia 2012) zurück. Wesentliche, dem SPSA zugrunde liegende metatheoretische<br />

Grundlagen (vgl. Abbildung 11, Stufe I) sind das wirklichkeitstheoretische (ontologische)<br />

und das erkenntnistheoretische (epistemologische) Metawissen. Es geht <strong>als</strong>o um<br />

Theorien und Begriffe bezüglich 1. des Werdens, der Beschaffenheit und den Wandel der<br />

Wirklichkeit, zu der wir gehören und 2. ob und wie wir diese erkennen und weshalb wir in<br />

und gegenüber ihr in bestimmter Weise handeln. Nach der hier nur in groben Zügen referierten<br />

naturalistischen, emergentistischen Wirklichkeitstheorie sind alle Dinge konkrete<br />

Systeme oder Komponenten von solchen und sind materiell. Der im Gefolge von Bunge<br />

vertretene Systemismus vertritt im Gegensatz zur radikal-konstruktivistischen Auffassung,<br />

nach der wir alle je unsere eigene Wirklichkeit schaffen bzw. erfinden (ontologischer Kon-<br />

48


struktivismus), die Auffassung, dass wir Bilder über die Wirklichkeit konstruieren (erkenntnistheoretischer<br />

Konstruktivismus), die auch dann konkret vorhanden ist, wenn wir sie<br />

nicht wahrnehmen.<br />

Systeme gleicher Art bilden Wirklichkeitsbereiche oder ontologische Niveaus, die von unten<br />

nach oben in Pyramidenform (gemäß ihrer zeitlich-evolutionären Entstehung/Entwicklung;<br />

vgl. Stufe II in Abbildung 11) dargestellt werden können: Physikalische<br />

Systeme → chemische Systeme → biologische Systeme → psychische Systeme (zusammen<br />

biopsychische) → sozial-kulturelle Systeme. Eigenschaften der unteren Niveaus<br />

sind jeweils <strong>als</strong> Subsysteme in denjenigen der höheren Niveaus enthalten, aber nicht umgekehrt<br />

– es handelt sich demnach um emergente Eigenschaften.<br />

„Ein System ist ein (konkretes) Ding, das a) aus (konkreten) Komponenten gebildet wird (=<br />

Komposition oder Zusammensetzung des Systems), zwischen denen b) ein Netz von konkreten<br />

Beziehungen besteht (= Struktur), durch das die Komponenten untereinander mehr verknüpft<br />

sind <strong>als</strong> mit anderen Dingen (durch Bindungen; KG), so dass sie sich c) <strong>als</strong> ein ‚Ganzes‘ (genauer:<br />

ein neues System) von anderen Gebilden abgrenzen, die damit ihre Umwelt bilden.“<br />

(Obrecht 1995 in Geiser 2009, S. 44)<br />

In weitgehender Übereinstimmung mit Obrecht postulieren Bunge und Mahner:<br />

„Eine Grundannahme unserer Ontologie ist, dass es keine völlig isolierten Dinge gibt: Jedes<br />

Ding interagiert mit (einigen) anderen Dingen. Wir formulieren daher folgende Postulate:<br />

a) Jedes konkrete Ding ist entweder ein System oder Bestandteil eines Systems.<br />

b) Jedes System (mit Ausnahme des Universums) ist ein Subsystem eines anderen Systems.<br />

c) Das Universum ist das System, das jedes andere Ding <strong>als</strong> Teil enthält.<br />

[…] Den Mittelweg zwischen Atomismus (‚Jedes Ding geht seinen eigenen Weg‘) und Holismus<br />

(‚Jedes Ding hängt mit allen anderen Dingen zusammen‘) nennen wir Systemismus: ‚Jedes<br />

Ding hängt mit einigen anderen Dingen zusammen.‘ Kein Teil des Universums ist vollkommen<br />

isoliert, aber jedes Ding ist in der einen oder anderen Hinsicht von anderen Dingen isoliert.“<br />

(Bunge und Mahner 2004, S. 71-72)<br />

Die im transdisziplinären SPSA vertretene Systemtheorie nennt Obrecht den sozialwissenschaftlichen,<br />

sozialarbeitswissenschaftlichen und emergentistischen Systemismus<br />

(Obrecht 2001). Emergent sind Eigenschaften von Systemen, die ihren Komponenten<br />

nicht zukommen. Durch Interaktionen der Komponenten entstehen komplexere neue und<br />

von den Komponenten unterscheidbare Strukturbildungen auf jeweils höherem Niveau.<br />

Beim Individuum sind z. B. mentale Prozesse wie Lernen und Wissen emergente Eigenschaften<br />

von biologischen Prozessen. Soziale Systeme weisen emergente Eigenschaften<br />

wie die Strukturmerkmale Güterverteilung, Schichtung und Arbeitsteilung, sowie Beziehungen<br />

und soziale Prozesse wie Kommunikation und Kooperation auf. Darüber hinaus<br />

erwerben Individuen <strong>als</strong> Komponenten sozialer Systeme emergente oder relationale Ei-<br />

49


genschaften wie soziale Rollen oder Prestige. Diese Eigenschaften setzen Beziehungen<br />

in sozialen Systemen voraus.<br />

Nach diesen gedrängten Hinweisen auf die Ontologie soll es im Folgenden um die damit<br />

konsistente realistische Erkenntnistheorie gehen. Diese kann man in zwei Ausrichtungen<br />

differenzieren von denen die erste eine beschreibende und erklärende ist, welche die<br />

kognitiven Prozesse untersucht. Danach gibt es jenseits unserer Alltagswahrnehmungen<br />

und Gedanken über die Welt eine konkrete Wirklichkeit, über die man mit wissenschaftlichen<br />

Methoden etwas herausfinden kann. Die zweite Ausrichtung ist eine normative, die<br />

nach gutem Wissen und seiner erfolgreichen Gewinnung fragt (normative Erkenntnistheorie<br />

oder Wissenschaftstheorie). In diesem Sinne ist der Wissenschaftsbegriff des SPSA<br />

der ratio-empirische Wissenschaftsbegriff des wissenschaftlichen Realismus. Erkennen<br />

und Lernen, das zu Wissen führt, werden <strong>als</strong> Prozesse in den plastischen neuronalen<br />

Systemen beschrieben.<br />

„Erkenntnistheorie untersucht a) verschiedene Arten von Wissen wie etwa wissenschaftliches<br />

oder Alltagswissen, Glaube, Überzeugung, aber auch selbst- und fremdwissen, Bewusstsein<br />

und Selbstbewusstsein, b) die Mechanismen der Aneignung von Wissen wie Beobachtung,<br />

Analyse, Praxis, Intuition u. a., und c) unterschiedliche Wissensformen wie Beschreibung, Bewertung,<br />

Erklärung, Prognose, Ziel, Verfahren […].“ (Geiser 2009, S. 46-47)<br />

Die letztgenannten Unterscheidungen und ihre logischen Beziehungen untereinander sind<br />

grundlegend für die Allgemeine Normative Handlungstheorie (ANHT), die weiter unten<br />

erörtert wird (vgl. Abbildung 13).<br />

Im Bereich der Objekttheorien (oder Basis- bzw. Bezugswissenschaften) sind insbesondere<br />

drei hervorhebenswert: die Theorie sozialer Systeme, das Psychobiologische Erkenntnis-<br />

und Handlungsmodell des Menschen (PsybiEHM) und die biopsychosoziale Theorie<br />

menschlicher Bedürfnisse. Bunge definiert ein soziales System folgendermaßen:<br />

„Ein soziales System ist ein konkretes System, das zusammengesetzt ist aus geselligen Tieren,<br />

die a) eine gemeinsame Umwelt teilen und die b) auf andere Mitglieder des Systems auf Arten<br />

einwirken, die zumindest in einer Hinsicht kooperativ sind. Ein menschliches Sozi<strong>als</strong>ystem ist<br />

ein System, das gebildet wird ausmenschlichen Individuen und ihren Artefakten.“ (Bunge 1996<br />

in Geiser 2009, S. 48)<br />

An anderer Stelle führt Bunge aus:<br />

„[E]ine Gesellschaft [ist] kein formloses Aggregat voneinander unabhängiger Individuen, sondern<br />

ein System aus sozialen Systemen wie Familien, Schulen, Firmen, religiöse Gemeinschaften,<br />

politische Parteien, akademische Gesellschaften usw. Jedes dieser Systeme wird durch<br />

spezielle soziale Beziehungen zusammengehalten, wie Familienbande, Handel, ideologische<br />

Verbundenheit, Management, Machtbeziehungen oder Kommunikation. […] [S]oziale Systeme<br />

[sind] materieller Natur, weil ihre Grundbestandteile – nämlich Organismen – materielle Systeme<br />

sind: Alles, was aus materiellen Komponenten besteht, ist selbst materiell. Dabei haben so-<br />

50


ziale Systeme emergente (supraphysikalische) Eigenschaften, wie Produktivität, Arbeitsteilung,<br />

Sozi<strong>als</strong>truktur und Rechtsverfassung, die ihren Komponenten nicht zukommen 22 .“ (Bunge und<br />

Mahner 2004, S. 165-166)<br />

Innerhalb sozialer Systeme kann sich etwas ereignen, das man <strong>als</strong> vertikale und horizontale<br />

Mobilität bezeichnen kann. Interaktionen zwischen Akteuren in Systemen können sie<br />

jeweils in neue Positionen oder andere Orte innerhalb der Struktur der bisherigen oder<br />

anderer sozialer System führen. Diese neuen Positionen sind maßgebend für die individuellen<br />

Interaktionschancen und im Zusammenhang damit ist für die meisten Adressatinnen<br />

der Sozialen Arbeit die soziale Integration ein erwünschter Zustand.<br />

„Ein Individuum ist in eine Globalgesellschaft maximal integriert, wenn es I) einen vollen Mitgliedschaftsstatus<br />

hat, II) deren dominante Kultur (Sprache, Bilder, Codes) kennt, III) eine vollständige<br />

und gleichgewichtige Statuskonfiguration auf mindestens mittleren Rängen aufweist,<br />

IV) in allen Bereichen der Statuskonfiguration aktive Mitgliedschaften in sozialen Systemen und<br />

Netzwerken aufweist, die überwiegend selbstgewählt sind, und schliesslich V), wenn es sich<br />

selber <strong>als</strong> Mitglied der Gesellschaft definiert […]. (Obrecht 1999 in Geiser 2009, S. 51)<br />

Die Erfüllung dieser Bedingungen eröffnet insbesondere die Möglichkeit, die Bedürfnisse<br />

nach Autonomie und sozialer Anerkennung zu befriedigen.<br />

Das Psychobiologische Erkenntnis- und Handlungsmodell des Menschen (PsybiEHM)<br />

nach Werner Obrecht beruht auf dem von Psychobiologen erarbeiteten Wissen zur Beschreibung<br />

und Erklärung biologischer Zustände und Prozesse. In emergenter Weise<br />

werden diese <strong>als</strong> identisch mit psychischen Funktionen verstanden und dem Gehirn<br />

kommen dabei folgende entscheidende Funktionen zu: Registrierung von Bedürfnissen,<br />

die Motivation <strong>als</strong> Absicht zum Handeln erzeugen; Fähigkeit zu Kognitionen, die zwischen<br />

Selbst- und Umweltbild Beziehungen herstellen und vermitteln, Orientierung erzeugen<br />

bezüglich Raum und Zeit, Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung ausmachen und so<br />

Motivation erzeugen; Steuerung des zielgerichteten, problemlösenden und bedürfnisbefriedigenden<br />

Handelns.<br />

Das PsybiEHM erfasst die Zusammenhänge zwischen Wissen, Werten, Affekten, Motivation<br />

und Handeln und versucht zu erhellen, wie Denken und Wissen durch den sozi<strong>als</strong>trukturellen<br />

und -kulturellen Kontext, in dem Menschen leben, beeinflusst werden.<br />

„Die Hauptaussagen des PsybiEHM <strong>als</strong> ein Akteurmodell des Individuums sind zusammengefasst<br />

folgende: Menschen sichern ihr Überleben und ihre Reproduktion dadurch, dass sie fortwährend<br />

möglichst zutreffende Bilder über sich selbst und ihre Umwelt erzeugen, diese bewer-<br />

22 Bunge setzt sich deutlich von Niklas Luhmann <strong>als</strong> Vertreter einer sozialwissenschaftlichen Systemtheorie ab: „Dieser<br />

[Luhmann, J.W.] behauptet: ‚Social systems … consist of communications and nothing but communications – not of human<br />

beings, not of conscious mental states, not of roles, not even of actions. They produce and reproduce communications by<br />

meaningful reference to communications.‘ […] Über welche idealistische Fantasie Luhmann hier auch reden mag, mit sozialen<br />

Systemen hat diese Konzeption nur wenig zu tun. Gewiss stellt Kommunikation ein wichtiges Element der Endostruktur<br />

sozialer Systeme dar, aber Kommunikation ist eine Relation, und Relationen existieren nicht ohne Relata – in diesem Fall<br />

menschliche Personen. Eine menschenlose Theorie sozialer Systeme ist völlig verfehlt, wenn nicht sogar verwerflich im<br />

Hinblick auf mögliche soziotechnologische Konsequenzen.“ (Bunge und Mahner 2004, S. 252-253)<br />

51


ten, daraus Folgerungen ziehen, und danach zu handeln versuchen. Das Zentralnervensystem<br />

‚verarbeitet‘ – dem Individuum teils bewusst, teils nicht bewusst – Informationen (Stimuli) verschiedenster<br />

Art. […] Bereiche des Zentralnervensystems […] sind mit dem endokrinen System<br />

verknüpft (Stoffwechsel bzw. Transport von chemischen Signalen via Blutkreislauf); Nerven und<br />

endokrines System interagieren und bilden so ein Psychobiologisches Supersystem. Damit sein<br />

nochm<strong>als</strong> auf das ontologische Faktum der Emergenz hingewiesen: Psychische Prozesse sind<br />

mit biologischen identisch und deshalb sind sie konkret; diese Feststellung ist <strong>als</strong> ‚psychobiologische<br />

Identitätshypothese‘ bekannt.“ (Geiser 2009, S. 54-55)<br />

Daran anknüpfend versteht die biopsychosoziale Theorie menschlicher Bedürfnisse diese<br />

<strong>als</strong> Zustände und Prozesse des biopsychischen Systems Mensch, die <strong>als</strong> Ungleichgewichte<br />

und <strong>als</strong> Spannungen erlebt werden. Bedürfnisse werden <strong>als</strong> Indikatoren für biologische,<br />

psychische und soziale Werte bzw. Sollzustände verstanden. Abweichungen von<br />

diesen Werten werden vom Organismus <strong>als</strong> problematisch gedeutet. Bedürfnisse weisen<br />

hinsichtlich ihrer Aufschiebbarkeit oder Dringlichkeit ihrer Befriedigung (z. B. Nahrungs-<br />

und Flüssigkeitsaufnahme einerseits, körperliche Nähe andererseits) unterschiedliche<br />

Elastizitäten auf. Demnach ist eine Funktion menschlichen Verhaltens und Handelns,<br />

Spannungen und Ungleichgewichte abzubauen und im Sinne eines immer wieder neu<br />

herzustellenden Gelichgewichtes die Kontrolle und den Einfluss über Güter und soziales<br />

Handeln in bestimmten sozialen Kontexten zu bewahren oder wieder zu erlangen. An<br />

dieser Stelle wird auch der Zusammenhang zwischen Sozialen Problemen und sozialen<br />

Bedürfnissen deutlich.<br />

„Individuen, ausgestattet mit einem Zentralnervensystem (biologisches Niveau) müssen, um<br />

sich wohl zu befinden und gesund zu bleiben, ihre Bedürfnisse befriedigen; dazu sind sie auf<br />

Selbstwissen und Wissen über die Welt, insbesondere über andere Menschen angewiesen (biopsychisches<br />

Niveau); dieses Wissen erwerben sie unter anderem <strong>als</strong> Mitglieder von sozialen<br />

Systemen (biopsychosoziales Niveau). Umgekehrt müssen soziale Systeme so beschaffen<br />

sein, dass sie der sozialen, kulturellen, psychischen und biologischen Bedürfnisbefriedigung der<br />

Individuen dienen. Je nach sozialer Position und sozialer Integration bestimmen Individuen über<br />

die Angemessenheit sozialer Normen mit, die erforderlich sind, um diejenigen Werte immer<br />

wieder von neuem zu realisieren, die das soziale System wie seine Mitglieder stabilisieren. Gelingt<br />

ihnen das über längere Zeit nicht, beginnen sie unter sozialen Problemen zu leiden […].“<br />

(ebd., S. 56-57)<br />

Nach dieser zusammengefassten Darstellung der theoretischen Grundlagen des SPSA,<br />

wird dieses selbst nun in seinen Grundzügen vorgestellt.<br />

2.4.2 Systemtheoretisches Paradigma in seinen Grundzügen<br />

Das SPSA 23 stellt sich <strong>als</strong> mehrstufige Struktur professionellen Wissens dar, deren Stufen<br />

und Elemente einen transdisziplinären und integrativen Bezugsrahmen bilden. In der folgenden<br />

Grafik sind die Stufen II und IV auf die Soziale Arbeit ausgelegt:<br />

23 „Das Systemtheoretische Paradigma der Sozialarbeitswissenschaft ist gleichzeitig ein allgemeines Modell einer Handlungswissenschaft<br />

und eine Konkretisierung im Hinblick auf die Sozialarbeitswissenschaft <strong>als</strong> disziplinäre Ergänzung zur<br />

52


Abbildung 11: Die Struktur der Sozialarbeitswissenschaft in der Sicht des SPSA (Obrecht 2001, S. 20)<br />

Die Gegenstände der Sozialarbeitswissenschaft (SAW) 24 <strong>als</strong> Disziplin sind demnach Individuen<br />

<strong>als</strong> Komponenten von sozialen Systemen und soziale Systeme mit Individuen <strong>als</strong><br />

Komponenten. Dabei hat die SAW zur Aufgabe, Soziale Probleme zu beschreiben und zu<br />

erklären, so wie Methoden der Verhinderung, Linderung und Lösung Sozialer Probleme<br />

disziplinär zu integrieren (soweit entwickelte Methoden vorhanden sind) oder zu entwickeln.<br />

Die Gegenstände der Profession sind dieselben, wobei deren Problematik die prak-<br />

Profession der Sozialen Arbeit. [Es ist] mit anderen Worten keine Theorie, sondern eine ganze Konfiguration von Theorien<br />

der eine disziplinäre Matrix einer Handlungswissenschaft kennzeichnenden Art.“ (Obrecht 2001, S. 104-105; Hervorh. J.W.)<br />

24 „Zwar ist der Streit um die Existenz und Rolle einer Wissenschaft der Sozialen Arbeit, der sich im deutschsprachigen<br />

Raum im Anschluss an eine Publikation von Ernst Engelke […] entwickelt hat, noch nicht beendet […]. Gleichwohl kristallisiert<br />

sich unter einer wachsenden Anzahl von Autoren ein Konsens heraus, der mindestens die folgenden Punkte umfasst:<br />

1. Anspruch: Der Anspruch der Sozialen Arbeit auf eine Disziplin Sozialarbeitswissenschaft oder Wissenschaft der Sozialen<br />

Arbeit ist legitim, fraglich ist ihr institutioneller Status. Die Quellen der Legitimität sind erstens der Umstand, dass die universitäre<br />

Sozialpädagogik weder ihrem Anspruch auf eine Leitwissenschaft für die ‚Sozialarbeit/Sozialpädagogik‘ gerecht zu<br />

werden vermochte noch künftig würde gerecht werden können, zweitens das Faktum, dass es in vielen Ländern der Welt<br />

seit Jahrzehnten eine Wissenschaft der Sozialen Arbeit gibt.<br />

2. Gegenstand und Problematik der Disziplin: Gegenstände oder Objekte dieser Disziplin sind Individuen (<strong>als</strong> Komponenten<br />

sozialer Systeme) und soziale Systeme (mit Individuen <strong>als</strong> Komponenten); die Problematik der Disziplin sind soziale Probleme,<br />

verstanden <strong>als</strong> eine besondere Form praktischer Probleme von Individuen und <strong>als</strong> aggregierte Eigenschaften sozialer<br />

Systeme. (Alternative Konzeptualisierungen sind nicht ausgeschlossen.)<br />

3. Formales Spezifikum: Das formale Spezifikum der Disziplin ist Integrativität oder Transdisziplinarität im Rahmen der<br />

Disziplin und – <strong>als</strong> Folge davon – im Rahmen der Ausbildung.<br />

Aus der Sicht des sich abzeichnenden Konsenses ist <strong>als</strong>o die Zukunft der Wissenschaft der Sozialen Arbeit davon abhängig,<br />

ob es ihr gelingt, das Problem der sozialarbeitswissenschaftlichen Integration des multidisziplinären Wissens zu lösen,<br />

das die Profession kennzeichnet.“ (Obrecht 2001, S. 13-14)<br />

53


tische Verhinderung, Linderung und Lösung konkreter Sozialer Probleme von Menschen<br />

auf der Grundlage des handlungswissenschaftlichen Interventionswissens der Disziplin ist<br />

(vgl. Obrecht 2001, S. 107). Die allgemein übliche dichotome Aufteilung in Theorie und<br />

Praxis wird erweitert auf eine vierstufige institutionelle Differenzierung: A. Wissenschaft<br />

der Sozialen Arbeit (Disziplin) → B. Ausbildung (Studium der Sozialen Arbeit) → C. Profession<br />

→ D. Praxis (in konkreten Sozialen Einrichtungen). A. und B. haben es dabei mit<br />

der Lösung kognitiver Probleme zu tun und umfassen die Stufen I – IV: Metawissenschaften,<br />

Objekttheorien, Allgemeine Handlungstheorie und Spezielle Handlungstheorien (Methoden).<br />

C. und D. sind auf die Lösung praktischer Probleme der jeweiligen Klientel im<br />

Arbeitsalltag konkreter Sozialer Einrichtungen bezogen und beinhalten die Stufe V: Praktisches,<br />

problemlösungsorientiertes, rationales Handeln.<br />

„Die […] Stufen I und III haben die Funktion der theoretischen Integration, Stufe I eine allgemeine,<br />

die die Integration des multidisziplinären Wissens über verschiedenartige und verschiedenen<br />

ontologischen Niveaus angehörenden Systeme betrifft, mit denen Soziale Arbeit direkt oder<br />

indirekt beschäftigt ist, während Stufe III die Verknüpfung und Sequenzierung verschiedener<br />

Wissensformen (Beschreibungen, Theorien [Erklärungen], Werte, Problemwissen, Handlungswissen<br />

u. a.) im Rahmen rationaler, d.h. zielgerichteter (oder problemlösungsorientierter) Handlungen<br />

ermöglicht. Entscheidend an dieser Auffassung von Sozialer Arbeit <strong>als</strong> eigenständiger<br />

Disziplin ist, dass sie dank der Stufen I und III Wissensitems bestehender Disziplinen (II, IV) im<br />

Hinblick auf spezifische Fragestellungen der Sozialarbeitswissenschaft (II – IV) und der Praxis<br />

der Sozialen Arbeit (II – V) systematisch miteinander zu verknüpfen erlaubt. Was die innerhalb<br />

der integrativen Stufen verknüpften Elemente (Hypothesen, Theorien) betrifft, so erhalten sie<br />

durch ihre Integration eine Funktion innerhalb einer umfassenden theoretischen Sicht, ohne jedoch<br />

dadurch ihre Eigenständigkeit einzubüssen. Und was die beiden Stufen mit Integrationsfunktion<br />

(I und III) anbelangt, so sind sie transdisziplinär, d.h. sie verknüpfen Wissen aus verschiedenen<br />

Disziplinen logisch; ihrem disziplinären Status nach sind sie aus diesem Grund philosophisch<br />

25 .“ (Obrecht 2001, S. 21)<br />

Im Folgenden werden die Grundzüge des SPSA in der in diesem Zusammenhang gebotenen<br />

Kürze zusammengefasst und anschließend die für die Professionalisierung der KuK<br />

und ihrer MA zunächst am ehesten umsetzbaren Aspekte hervorgehoben (vgl. unter diesem<br />

Gliederungspunkt, sofern nicht anders vermerkt, Obrecht 2001, S. 22 ff.).<br />

Auf der Stufe I des Modells sind Metawissenschaften und Metatheorien angesiedelt. Erstere<br />

umfassen Geschichte, Soziologie, Ökonomie und Politologie der Sozialen Arbeit,<br />

während letztere Ontologie, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, Semantik, Praxiologie<br />

(philosophische Handlungstheorie) und Ethik beinhalten. Zu den Metawissenschaften gibt<br />

es umfangreiche sozialwissenschaftliche und sozialarbeitsrelevante Fachliteratur, deren<br />

Inhalte z. B. durch Fortbildungen vermittelt werden können. Metatheorien werden in der<br />

25 „Eine Folge der Allgemeinheit der beiden Stufen mit Integrationsfunktion ist, dass sie nicht nur das Mittel der Synthese<br />

des für die Profession der Sozialen Arbeit relevanten sozialarbeitswissenschaftlichen Wissens sind […], sondern diese<br />

Funktion im Prinzip auch in anderen Handlungswissenschaften übernehmen können.“ (Obrecht 2001, S. 21)<br />

Das würde z. B. auch auf das Sozialmanagement, da es die von Staub-Bernasconi und Obrecht genannten Kriterien einer<br />

Handlungswissenschaft erfüllt, zutreffen.<br />

54


Ausbildung und der Theorie weitgehend entweder vernachlässigt oder deren Vorhandensein<br />

wird nicht ausreichend reflektiert. Sie beschäftigen sich mit Fragen nach dem, was ist<br />

(Ontologie), wie und was können wir erkennen und wissen (Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie),<br />

was ist ein Begriff und sein Inhalt und Umfang, was versteht man unter<br />

der Bedeutung eines Begriffs oder einer Aussage (Semantik), was ist rationales Handeln<br />

<strong>als</strong> besondere Form zielgerichteten Handelns, welche Formen der Rationalität treten in<br />

ihm auf und in welchem Verhältnis stehen diese zueinander (Praxiologie), was sind gute<br />

und schlechte Handlungen, wie und nach welchen Kriterien kann man sie unterscheiden<br />

(Ethik). Die Ethik steht in engem Zusammenhang mit Fragen nach Werten (Axiologie),<br />

Moralen, der Rolle von Bedürfnissen und Kognitionen und deren Wechselwirkungen.<br />

Die Notwendigkeit der Stufe I ergibt sich daraus, dass die Problemstellungen praktischen<br />

Handelns (in einer Handlungswissenschaft) meist in die Zuständigkeit mehrerer Disziplinen<br />

fallen. Das verlangt nach einem Metawissenschaftlichen und -theoretischem Modus,<br />

der die Beziehungen zwischen den Erklärungen verschiedener Theorien zu klären verhilft.<br />

Die Axiologie hilft bspw. zur Klärung des Wertbegriffs der auf Stufe II bei der Frage danach,<br />

wohin sich eine <strong>als</strong> unbefriedigend erlebte Situation eines Klienten/einer Klientin<br />

verändern soll, zugrunde gelegt wird. Die Ethik bestimmt die Wahl der Ziele und Methoden<br />

mit und mit Hilfe der Semantik kann auf Stufe I z. B. die Sichtweise von Klient/inn/en<br />

beschrieben werden (vgl. Obrecht 2009, S. 66).<br />

Auf der Stufe II des SPSA-Modells finden sich nomologische Objekttheorien oder auch<br />

Basis- bzw. Bezugswissenschaften, die Erklärungswissen bereitstellen. Es handelt sich<br />

u. a. um Humanbiologie, Psycho(bio)logie, Sozialpsychologie, Soziologie, Ethnologie und<br />

Politologie. Die Gegenstände der Objekttheorien sind soziale Systeme mit menschlichen<br />

Individuen <strong>als</strong> Komponenten und ihre Problematik betrifft menschliche Individuen <strong>als</strong><br />

Komponenten sozialer Systeme, die Struktur und Dynamik solcher Systeme unter sich<br />

verändernden äußeren Bedingungen, entweder <strong>als</strong> ganze (Soziologie, Ethnologie) oder<br />

<strong>als</strong> funktionale Subsysteme (Ökonomie, Politik). Es wird auf dieser Ebene danach gefragt,<br />

was soziale Systeme sind, was menschliche Individuen, was Soziale Probleme, was ist<br />

Helfen, welche Formen von Helfen gibt es und an welche psychischen und sozialen Bedingungen<br />

sind sie gebunden.<br />

Die Inhalte der Basiswissenschaften werden <strong>als</strong> Ressourcen herangezogen, um die auf<br />

Stufe III angewandten Methoden (Stufe IV) zu erklären, einzuordnen und auf ihre jeweilige<br />

Angemessenheit zu überprüfen (vgl. Obrecht 2009, S. 66).<br />

Die Stufe III des Modells beinhaltet die ANHT, sowie <strong>als</strong> Analyseinstrument die von<br />

Kaspar Geiser weiterentwickelte Systemische Denkfigur (SDF). „Es ist dies […] jene Stufe<br />

55


des Schemas, welche die gegenüber den Basiswissenschaften besondere Logik der<br />

Handlungswissenschaften zum Ausdruck bringt.“ (Obrecht 2009, S. 67) Das Vorgehen<br />

gemäß der ANHT erlaubt die systematische Nutzung grundlagenwissenschaftlichen Wissens<br />

(Stufe II) im Rahmen methodischen professionellen Handelns (Stufe IV). Durch die<br />

Möglichkeit einer solchen Transformation 26 von nomologischem in Handlungswissen lassen<br />

sich beide Ebenen sinnvoll integrieren. Auf die ANHT wird später noch genauer eingegangen,<br />

da der Verfasser hier den Einstieg in die einrichtungsspezifische Professionalisierung<br />

verortet.<br />

Die auf der Stufe IV verorteten speziellen Handlungstheorien, auch Methoden genannt,<br />

sind Konkretisierungen der allgemeinen Form zielorientierten problemlösenden Handelns,<br />

anhand der ANHT, die auf Stufe III angesiedelt ist, im Hinblick auf die Lösung spezifischer<br />

Probleme. Die Methoden bilden das Handlungswissen der Sozialen Arbeit. Sie greifen<br />

dabei zum einen auf wissenschaftliches Erklärungswissen zurück (Stufe II) und zum anderen,<br />

hinsichtlich der Angemessenheit ihres jeweiligen Einsatzes auf Metatheorien und<br />

Metawissenschaften (Stufe I). In diesem Sinne werden die speziellen Handlungstheorien<br />

<strong>als</strong> eine Form von Wissen von Obrecht <strong>als</strong> Technologien bezeichnet.<br />

Bezüglich Methoden oder speziellen Handlungstheorien führt Staub-Bernasconi aus:<br />

„Sie beziehen sich auf ein je spezielles soziales Problem von Individuen oder der Sozi<strong>als</strong>truktur<br />

und Kultur und lassen sich miteinander kombinieren, entweder gleichzeitig oder nacheinander,<br />

<strong>als</strong> Haupt- und Teilverfahren. Sie erfordern das Erlernen eines Grundstockes an methodischen<br />

Schlüsselqualifikationen, lassen aber auch Schwerpunkte oder gar Spezialisierungen zu – sei<br />

dies nach Problembereich, besonderen Verfahren oder Techniken, sozialem Niveau, sei dies<br />

aufgrund von Ziel- oder Adressat(innen)gruppen. (Staub-Bernasconi 2007, S. 272)<br />

Was die Methoden betrifft, geht der Verfasser davon aus, dass im Pool der ABW-MA der<br />

KuK tatsächlich der genannte Grundstock an methodischen Schlüsselqualifikationen <strong>als</strong><br />

auch einiges an speziellem Methodenwissen und -können vorhanden ist. Diese Schätze<br />

gilt es zu heben und arbeitsfeldspezifisch anhand des SPSA zu systematisieren (dazu<br />

mehr unter den Gliederungspunkten 2.6 und 3.1). Zum Umgang mit speziellen Handlungstheorien<br />

schlägt Staub-Bernasconi vor:<br />

26 Diese Transformation lässt sich nach Staub-Bernasconi anhand eines „Transformativen Dreischritts“ (nach Mario Bunge)<br />

bewerkstelligen: 1. Kenntnisnahme des Forschungsstandes, der erhobenen Erklärungen für ein bestimmtes soziales Problem;<br />

2. Formulierung von handlungstheoretischen, nomopragmatischen Hypothesen; 3. Formulierung von normativen Aussagen,<br />

Handlungsleitlinien oder Regeln auf der Basis der nomopragmatischen Aussagen. (vgl. Staub-Bernasconi 2007, S.<br />

208-209)<br />

56


„Bei einer Problemkonfiguration P und der (ausgehandelten) Absicht, Ziel(e) Z zu erreichen, ist<br />

es aufgrund des verfügbaren Wissens W und allenfalls weiterer Faktoren empfehlenswert, die<br />

Mittel M einzusetzen und die Regeln R zu befolgen. Damit ist mitgesagt, dass die Weiterentwicklung<br />

des Handlungswissens Sozialer Arbeit von der systematischen Evaluation von Arbeitsprozessen<br />

abhängt.“ (ebd., S. 272-273)<br />

Als spezielle Handlungstheorien nennt sie im Hinblick auf die direkte Arbeit mit Adressat/inn/en<br />

und Zielgruppen „Ressourcenerschließung“, „Bewusstseinsbildung“, „Modell-,<br />

Identitäts- und Kulturveränderung“, „Handlungskompetenz-Training und Teilnahmeförderung“,<br />

„Soziale Vernetzung“, „Umgang mit Machtquellen und Machtstrukturen“ und „Kriterien-<br />

oder Öffentlichkeitsarbeit“ (vgl. ebd., S. 273-286 und 297 ff.). Die speziellen Handlungstheorien<br />

werden von Staub-Bernasconi im Einzelnen ausführlich erläutert und mit<br />

Hinweisen auf weiterführende Literatur versehen – sie sind somit lern- und lehrbar. Die<br />

Auswahl der speziellen Handlungstheorien ist darin begründet, dass sie<br />

„an ‚klassische Problemkonstellationen‘ der Sozialen Arbeit anknüpfen, nämlich Armut, Erwerbslosigkeit,<br />

gesellschaftlich beeinträchtigte Erkenntnis- und Handlungskompetenzen, problematische<br />

Identitäts-/Kulturmuster, soziale Isolation und sozialer Ausschluss sowie individuelle<br />

unterschiedliche Ohnmachtserfahrungen und Machtkonstellationen.“ (ebd., S. 297)<br />

Die Stufe V des SPSA-Modells betrifft den Interventionsbereich Sozialer Arbeit und das<br />

Spezifische ihrer Gegenstandsbestimmung, näherhin individuelle physikalische, biologische,<br />

biopsychische, kulturelle und Soziale Probleme im Rahmen von und in Wechselwirkung<br />

mit physikalisch-chemischen, biologischen, psychischen, kulturellen und sozialen<br />

Systemen. Zentral auf dieser Stufe ist der Begriff der „Sozialen Probleme“. Soziale Probleme<br />

können differenziert werden in Probleme in Bezug auf soziale Interaktion und solche<br />

in Bezug auf die soziale Position (vgl. Geiser 2009, S. 59-60). Im Unterschied zu soziologischen<br />

Sichtweisen, in denen Soziale Probleme „zunächst kognitive und nicht praktische<br />

Probleme, d.h. ‚wahrgenommene‘, erklärte und negativ bewertete Umstände oder<br />

Prozesse irgendwelcher Art“ (Obrecht 2001, S. 63) sind,<br />

„ist ein soziales Problem in der Sicht des Systemtheoretischen Paradigmas der Sozialen Arbeit<br />

a) ein praktisches Problem, das b) ein sozialer Akteur c) mit seiner interaktiven Einbindung und<br />

Position (Rollenstatus) in die sozialen Systeme hat, deren Mitglied er faktisch ist. Ein solches<br />

Problem äussert sich <strong>als</strong> Spannungszustand (= Bedürfnis) innerhalb des Nervensystems <strong>als</strong><br />

Folge des Auseinanderfallens zwischen einem im Organismus registrierten Istwert in Form des<br />

Bildes oder internen Modells des Individuums in seiner Situation und einem organismisch<br />

repräsentierten Sollwert (Bedürfnisbefriedigung), der mit den verfügbaren internen (Motivation,<br />

Wissen und Können) und externen Ressourcen (vorderhand oder endgültig) nicht reduziert<br />

werden kann. […] Soziale Probleme sind dabei eine von drei Klassen praktischer Probleme; die<br />

Unfähigkeit eines Individuums, seine sozialen Probleme zu lösen, führt zu schweren<br />

biopsychischen und biologischen Störungen, die sein Problemlösungsvermögen weiter<br />

reduzieren […].“ (ebd., S. 63-64, 61)<br />

Neben den praktischen Problemen spielen auch nicht-humanbiologische Probleme eine<br />

Rolle, wie aus dem untenstehenden Schaubild zu entnehmen ist. Die verschiedenen<br />

57


Problemklassen können sich gegenseitig bedingen (so dass Sozialen Problemen z. B.<br />

nicht zwangsläufig ein sozialer Anlass zugrunde liegen muss); Adressat/inn/en Sozialer<br />

Arbeit können auch von Problemen in mehreren Bereichen ihrer Existenz betroffen sein,<br />

sodass man von kumulierten Problemen oder Mehrfachproblematiken sprechen muss –<br />

dies ist bei den psychisch behinderten erwachsenen Klient/inn/en der KuK in der Regel<br />

der Fall.<br />

Abbildung 12: Problemklassen und ihre Beziehungen untereinander; Interaktions- und Positionsprobleme <strong>als</strong><br />

Unterklassen; Beispiele von Arten von sozialen Problemen (Geiser 2009, S. 63)<br />

Auf der Stufe III des SPSA ist die ANHT verortet, die eine allgemeine Methode oder allgemeine<br />

normative Theorie der Nutzung von Methoden (speziellen Handlungstheorien)<br />

zur Lösung praktischer und damit auch Sozialer Probleme ist. Es geht um absichtsvolle<br />

und geplante Veränderung von <strong>als</strong> unbefriedigend erachteten konkreten Zuständen in<br />

befriedigende(re) Zustände bzw. Abfolgen (Prozesse) von gerichteten Zustandsänderungen.<br />

Dies soll erreicht werden durch eine Reihe von geplanten und gesteuerten Operationen.<br />

(vgl. Obrecht 2009, S. 67). Werner Obrecht erläutert die untenstehende Grafik folgendermaßen:<br />

„Das im Rahmen der einzelnen Operationen zu entwickelnde fallbezogene Wissen (Beschreibung,<br />

Erklärung, Prognose, Bewertung etc. (vgl. c) […]) wird dabei durch eine geordnete Sequenz<br />

von Fragen generiert (W-Fragen, vgl. a) […]), die vier Gruppen von Fragen betreffen,<br />

nämlich Fragen in Bezug (1) auf die Situationsbeschreibung und -erklärung plus Prognose, (2)<br />

die Bewertung und Problemdefinition, (3) die Zielsetzung und Planung und (4) die Entscheidung<br />

und Handlung. Die Themen der Operationen in (1) sind die Eigenschaften des zu bearbeiten-<br />

58


den konkreten Dinges [oder Zustandes, J.W.] in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und<br />

deren Erklärung (integriertes begriffliches Bild); jene in (2) ist die Relation der Bewertung der<br />

Probleme des Objektes der Analyse und Handlung durch den Handelnden; jene von (3) der<br />

gewollte künftige Zustand des Objektes sowie die geplanten künftigen Handlungen des Akteurs<br />

in Bezug auf das Objekt oder seinen Kontext und (4) die Entscheidung des Handelnden zwischen<br />

allfälligen Handlungsalternativen unter ethischen und ökonomischen Gesichtspunkten<br />

sowie die Handlung selbst. Die von ihren Funktionen her zentralen Items im oberen Bereich (b)<br />

[…], Theorien und Methoden, von denen alle weiteren mitbestimmt sind, machen deutlich, dass<br />

die einzelnen Operationen der Sequenz durch diese beiden übergeordneten Wissensformen<br />

ermöglicht werden; professionelle Methoden beruhen mit anderen Worten zwingend auf nomologischen<br />

Theorien […]. Das Schema bezieht sich auf die praktischen Probleme eines Professionellen.“<br />

(vgl., ebd. S. 67-69)<br />

Abbildung 13: Allgemeine Normative Handlungstheorie (Obrecht 2009, S. 68)<br />

Vorläufig abgeschlossen wird die Sequenz mit der Frage nach dem Handlungserfolg<br />

(Wurden die Ziele erreicht?). Das daraus entstehende Evaluationswissen gibt Auskunft<br />

darüber, mit welchem zeitlichen, personellen und ressourcenverbrauchenden Aufwand die<br />

Ziele erreicht worden sind, über die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen, über erwünschte<br />

oder unerwünschte Nebenfolgen der Veränderungen. Die ANHT kann man sich<br />

ggf. auch <strong>als</strong> iterativen Prozess vorstellen, wenn nämlich am Ende einer jeweiligen Sequenz<br />

anhand der Evaluation weiterer Handlungsbedarf ermittelt wird.<br />

Während die ANHT die wissens- und handlungstheoretische Unterscheidung von wissensformen<br />

<strong>als</strong> Voraussetzung für systematisches Handeln bereitstellt, gibt es noch ein<br />

59


weiteres Instrument auf der Ebene III des SPSA-Modells, das die thematische Strukturierung<br />

einer Situation (im Sinne einer Anamnese und Diagnose) unterstützt: Die SDF (vgl.<br />

Geiser 2009, S. 68) in der auf der Grundlage des SPSA ausgearbeiteten Version von<br />

Kaspar Geiser, die hier kurz vorgestellt werden soll.<br />

2.4.3 Systemische Denkfigur nach Kaspar Geiser<br />

Nach Geiser bedürfen Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/inn/en<br />

„kognitiver Instrumente, um die Komplexität von Lebenssituationen ihrer Adressatinnen zu erkennen,<br />

sie zu erfassen, zu erklären und sie in der Praxis effektiv und effizient anzuwenden.<br />

Durch aktuelles Wissen und Einüben von Fertigkeiten können sie ihr eigenes Handeln innerhalb<br />

des jeweiligen praktischen Kontextes analysieren und wenn nötig verbessern.“ (ebd. S. 85)<br />

Dabei macht er, wie die folgende Grafik zeigt, fünf Arten von allgemeinem (Arbeitsbereich<br />

übergreifendem) Professionswissen aus, und weist der SDF ihren Ort innerhalb des professionellen<br />

Wissens zu.<br />

Abbildung 14: Komponenten des allgemeinen methodischen Professionswissens (Geiser 2009, S. 91)<br />

Die SDF dient <strong>als</strong> Analyseinstrument in Bezug auf die Situation von Individuen, Austauschbeziehungen<br />

zwischen Individuen (horizontal strukturierte soziale Systeme bzw.<br />

Beziehungen) und Machtbeziehungen zwischen Individuen (vertikal strukturierte soziale<br />

Systeme bzw. Beziehungen. Die SDF und ihre Dimensionen werden im folgenden Schaubild<br />

in Bezug auf das Individuum dargestellt:<br />

60


Abbildung 15: Die SDF im Detail (Individuum) (Geiser 2009, S. 95)<br />

Die SDF ist ein kognitives und praktisches Instrument zur systemischen und systematischen<br />

Erfassung, Strukturierung, Beschreibung und Bewertung von Informationen in der<br />

Sozialen Arbeit mit Klient/inn/en. Mit Hilfe des durch Anwendung der SDF entstandenen<br />

Bildes können Bewertungen im Sinne von Problembestimmungen vorgenommen werden,<br />

die ihrerseits die Grundlage zur Erfassung von für die Problembearbeitung vorhandenen<br />

Ressourcen bilden. Die Problem- und Ressourcenanalyse (Anamnese, Diagnose) dient<br />

dazu, angemessene Ziele zu formulieren, sowie entsprechende Interventionen (Maßnahmen)<br />

auszuwählen und diese zu begründen (vgl. Geiser 2009, S. 25).<br />

„Unter Beizug der Systemischen Denkfigur kann man … Die Situation von Individuen <strong>als</strong> Komponenten<br />

sozialer Systeme erfassen und beschreiben: Das Ergebnis ist ein Bild über ihre Ausstattung<br />

(hier: das Gesamt an intrinsischen, relationalen und emergenten Eigenschaften). Dieses<br />

Bild kann bewertet werden; das Ergebnis der Bewertung besteht in der Problembestimmung<br />

und wenn möglich in der Bestimmung von Ressourcen der Adressaten, die zur Bearbeitung<br />

dieser Probleme genutzt werden können; Beziehungen bzw. soziale (Mikro- und teilweise<br />

Meso-) Systeme erfassen und beschreiben. Die sozialen Systeme werden vorerst ihrer ‚idealen‘<br />

formalen Positionsstruktur nach unterschieden, nämlich <strong>als</strong> horizontal strukturierte oder Austauschbeziehungen<br />

einerseits oder <strong>als</strong> vertikal strukturierte oder Machtbeziehungen andererseits.<br />

Es folgt das Eintragen der konkreten Interaktionen. Das ‚Beziehungsbild‘ kann anschlies-<br />

61


send bewertet werden im Sinne von Austauschproblemen und/oder Machtproblemen bzw. <strong>als</strong><br />

entsprechende soziale Ressourcen; Die Begründung für die Ausstattungs-, Austausch- und<br />

Machtprobleme erfolgt a) normativ (aufgrund der nicht realisierten gesellschaftlichen Werte) und<br />

b) erklärungstheoretisch (aufgrund der dauerhaft nicht befriedigten Bedürfnisse und entsprechender<br />

Prognosen). Die Beschreibung und Bewertung einer Situation <strong>als</strong> ‚problemlos‘, problematisch<br />

oder ressourcenträchtig ist ein Prozess, der im Idealfall gemeinsam mit den Adressatinnen<br />

und Adressaten der Sozialen Arbeit vorgenommen wird.“ (ebd., S. 25-26)<br />

Die mit der SDF verwendeten Kürzel bedürfen noch einer kurzen Erläuterung:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Ui = Umwelt intern: Menschlicher Organismus, Körper, intrinsische Eigenschaften,<br />

die die biologische Ausstattung eines Individuums ausmachen. Der Organismus<br />

wird <strong>als</strong> „inneres Milieu“ verstanden bei der die Körperhülle die physische Grenze<br />

zu anderen Systemen der Umwelt bildet.<br />

Ue = Umwelt extern: Soziale Ausstattung des Individuums, relationale Eigenschaften<br />

wie sozioökonomische Güter (Bildung, Beruf, einkommen, besitz, Arbeitsplatz,<br />

Wohnung etc.), Teilhabe an oder Exposition gegenüber sozioökologischen Bedingungen<br />

der Umwelt (Luft, Wasser, Infrastruktur etc.), soziokulturelle Eigenschaften<br />

(z. B. ethnische und konfessionelle Zugehörigkeit), sowie Mitgliedschaften und soziale<br />

Rollen.<br />

R = Rezeptoren: Biologische Komponenten des peripheren Nervensystems, die<br />

der Informationsaufnahme dienen (von Außenreizen über die Sinnesorgane, Reizen<br />

aus dem Inneren des Organismus über das autonome Nervensystem). Diese<br />

Dimension der SDF wird dann relevant, wenn z. B. Funktionen von Sinnesorganen<br />

beeinträchtigt sind.<br />

E/M = Erlebnismodi bzw. Modell: Psychische Eigenschaften im Sinne von psychischen<br />

Grundfunktionen und höheren Funktionen des Zentralnervensystems inklusive<br />

kulturell vermittelte Codes, Bilder und Werte, die ein „internes Modell“ darstellen,<br />

<strong>als</strong>o „Informationsverarbeitung“ die zu Ergebnissen führt, die begrifflich <strong>als</strong><br />

Lernen (E=Erlebnismodi, erkennen, erleben) und Wissen (M=Wissen) gefasst<br />

werden können und praxisrelevant unterschieden werden und auf ihre Wechselwirkung<br />

hin betrachtet werden müssen.<br />

A = Aktivitäten: Bewegungen, äußerlich sichtbares Verhalten, Handeln des Individuums,<br />

Ausstattung mit Handlungskompetenzen (vgl. ebd., S. 29-30).<br />

Die SDF <strong>als</strong> Anamnese- und Diagnoseinstrument kann innerhalb der ANHT (vgl. Abbildung<br />

13) in den Bereichen I. Situationsbeschreibung und -erklärung plus Prognose und II.<br />

Bewertung & Problemdefinition angewandt werden. Kaspar Geiser hat zur Einführung in<br />

die SDF und ihre Anwendung ein umfang- und detailreiches, praxisbezogenes Lehrbuch<br />

(Geiser 2009) auf der Grundlage des SPSA nach Obrecht und Staub-Bernasconi verfasst.<br />

62


Anhand dieses Werkes ist die SDF lern- und lehrbar, d.h. sie muss in der Praxis gelehrt<br />

und eingeübt werden.<br />

2.4.4 Allgemeine Normative Handlungstheorie und Praxisbezug<br />

Die ANHT professionellen Handelns soll Sozialarbeiter/innen und Sozialpädagog/inn/en<br />

dazu befähigen, Soziale Probleme in ihrem Arbeitsbereich zu verhindern, zu lindern oder<br />

zu lösen. Die dazu notwendigen mentalen Operationen werden anhand von W-Fragen<br />

vollzogen, deren Beantwortung zugehörige Wissensformen <strong>als</strong> Produkte dieser mentalen<br />

Prozesse generiert.<br />

„Die ersten drei Fragen beziehen sich auf das Was und Warum einer Ausgangs- und<br />

Problemsituation, je nachdem ergänzt durch prognostische Beschreibungen. Sie müssen<br />

von den verschiedenen Grundlagen- bzw. Bezugswissenschaften der Sozialen Arbeit<br />

beantwortet werden:<br />

Was ist die Ausgangsproblematik, die Ausgangssituation und was sind die damit zusammenhängenden<br />

Probleme? Die Antwort darauf enthält ein Bild der Situation <strong>als</strong> kontextbezogenes,<br />

fallspezifisches Beschreibungswissen.<br />

Warum oder weshalb ist diese Problematik entstanden; eventuell: mit welchen problematischen<br />

Folgen? Welches disziplinäre Bezugswissen ist zur Beantwortung dieser Frage beizuziehen?<br />

Die Antwort darauf ist transdisziplinäres Erklärungswissen.<br />

Wohin entwickelt sich die Situation, falls nicht interveniert wird? Mildern oder verschärfen sich<br />

die Ausgangsprobleme? Die Antwort sind Trendbeschreibungen.<br />

Die nächsten Fragen beantworten das, was <strong>als</strong> handlungswissenschaftliches Wissen<br />

bezeichnet werden soll: zum empirischen Beschreibungs- und Erklärungswissen kommen<br />

Bewertungen, Entscheidungen und Transformationsregeln hinzu, wobei ich es zusammenfassend<br />

<strong>als</strong> Veränderungswissen bezeichne:<br />

Was ist (nicht) gut? Was sollte sein? – dies unter Bezug auf die ermittelte und erklärte Problematik<br />

und Ausgangssituation; Produkt sind Bilder von zukünftigen, erwünschten Sachverhalten<br />

und damit Werturteile; Woraufhin soll etwas verändert werden? Die Antwort darauf sind selbstund/oder<br />

fremddefinierte, mit Indikatoren versehene Zielsetzungen <strong>als</strong> konkretisierte (operationalisierte)<br />

Werte oder eine Kombination davon;<br />

Wer soll aufgrund welchen Auftrags (Mandat, Vereinbarung, Vertrag) was verändern? Produkt<br />

ist die Beschreibung eines Akteursystems, sowohl <strong>als</strong> Hilfs- <strong>als</strong> auch <strong>als</strong> Ressourcensystem,<br />

das von der Dyade bis zu einem komplexen sozialräumlichen oder organisationellen, sozial horizontalen<br />

oder/und vertikalen Netzwerk von Adressatinnen/Adressaten, Professionellen, Freiwilligen,<br />

Organisationen, sozialen Bewegungen usw. reichen kann;<br />

Womit, das heißt mit welchen Ressourcen soll die Veränderung ermöglicht, herbeigeführt werden?<br />

Produkt ist ein Bild über die vorhandenen oder /und zu beschaffenden individuellen und<br />

gesellschaftlichen Ressourcen;<br />

Wie, mit welchen speziellen Handlungstheorien/Arbeitsweisen – und daran anschließenden Methoden<br />

– soll die vereinbarte Veränderung herbeigeführt werden? Produkt sind Teilpläne, verknüpft<br />

mit Handlungsleitlinien, Verfahren oder Methoden bis hin zu konkreten Handlungsleitlinien/-anweisungen;<br />

Wurden die Ziele erreicht? Mit welchem Aufwand? Produkt sind Evaluationswissen <strong>als</strong> Antwort<br />

auf die Wirksamkeit und (un)erwünschten Nebenfolgen der Veränderung, <strong>als</strong>o die Beurteilung<br />

des vorläufig erreichten Soll-Zustandes; dazu kommt eine Beurteilung des zeitlichen, personel-<br />

63


len, ressourcenbezogenen Aufwandes, den man zur Erreichung des (Teil-)Zieles benötigte.“<br />

(Staub-Bernasconi 2009, S. 29-30)<br />

Zu dem gekonnten Umgang mit den W-Fragen und den dazu gehörigen Wissensformen<br />

gehört allerdings auch noch die Umsetzung in die Praxis, d. h. die Verknüpfung der dargelegten<br />

Wissensformen und deren Umwandlung in praxisbezogene Handlungsleitlinien.<br />

Um diese Umsetzung bewerkstelligen zu können, schlägt Staub-Bernasconi die Anwendung<br />

des Transformativen Dreischritts vor. In einem ersten Schritt wird der Forschungsstand<br />

zu den Merkmalen des Sozialen Problems (Was-Frage) und den hypothetischen<br />

oder erforschten Erklärungen (Warum-Frage) so weit wie möglich zur Kenntnis genommen<br />

und aus der Verknüpfung der Was- mit der Warum-Frage werden nomologische<br />

Aussagen bzw. Gesetzmäßigkeiten gewonnen (Wenn-dann-Aussagen). In einem zweiten<br />

Schritt werden anhand der Verknüpfung der Wer- mit der Was- und der Warum-Frage<br />

handlungstheoretische, nomopragmatische Hypothesen formuliert (Wenn „man“-dann-<br />

Hypothesen). Schließlich werden die Was-/Warum- und Wer-Fragen mit der Wie-Frage<br />

verknüpft, um daraus imperative Aussagen, Handlungsleitlinien oder Regeln auf der Basis<br />

der nomopragmatischen Aussagen zu formulieren (Um zu -mache/schaffe-Aussagen).<br />

Ergänzend ist eine ethische Bewertung der angestrebten Veränderung und der Methodenwahl<br />

(Was-ist-(nicht)-gut-Frage) und daraufhin eine Operationalisierung (Woraufhin-<br />

Frage) vorzunehmen (vgl. Staub-Bernasconi 2009, S. 40-43).<br />

Für die hier behandelte Fragestellung, wie eine Einrichtung der Sozialen Arbeit professionalisiert<br />

werden kann, ergeben sich auf den ersten Blick eine Reihe von Schwierigkeiten:<br />

Der Zustand der mangelnden Professionalität der sozialarbeiterischen/ sozialpädagogischen<br />

Fachkräfte der KuK ist nicht in erster Linie ihnen selbst anzulasten, sondern ist wesentlich<br />

bedingt durch das fragmentierte „im Rahmen des additivistischen Paradigmas der<br />

vordisziplinären Sozialen Arbeit erzeugte und vermittelte Berufswissen“ (Obrecht 2001, S.<br />

12) in Verbindung mit den durch Fort- und Weiterbildungen erworbenen, nicht anschlussfähigen<br />

und ebenfalls fragmentierten Wissensbeständen. Die komplexe und verwickelte<br />

Genese dieser Situation wurde oben bereits nachgezeichnet. Es liegt nun auf der Hand,<br />

dass eine dem SPSA entsprechende disziplinäre Ausbildung der Fachkräfte allein schon<br />

wegen des zeitlichen, inhaltlichen und ggf. monetären Umfangs nicht nachgeholt werden<br />

kann. Außerdem wird eine Ausbildung auf der Grundlage des SPSA nach Kenntnis des<br />

Verfassers lediglich in der Schweiz von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften<br />

angeboten 27 . Trotzdem ist es aber das Bestreben des Verfassers, eine „nachho-<br />

27 „Mit ihrem Paradigma und ihrem SAW-Konzept ist die Zürcher Schule anschlussfähig an die internationale sozialarbeitswissenschaftliche<br />

Diskussion und entspricht dem Konsens, wie er zum Beispiel formuliert ist in der IFSW-Definition (verabschiedet<br />

im August 2000 in Montreal/Quebec von der International Federation of Social Workers), die in deutscher Übersetzung<br />

lautet:<br />

‚Soziale Arbeit ist eine Profession, die sozialen Wandel, Problemlösungen in menschlichen Beziehungen sowie die Ermächtigung<br />

und Befreiung von Menschen fördert, um ihr Wohlbefinden zu verbessern. Indem sie sich auf Theorien menschlichen<br />

64


lende“ Professionalisierung der Fachkräfte und mithin der Einrichtung, exemplifiziert am<br />

Arbeitsbereich ABW, zu erwirken. Dabei muss folgendes bedacht werden:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Ein Modell wie das SPSA kann in seinem vollen Umfang zunächst nur <strong>als</strong> konzeptuell<br />

aufbereitete Zielvorstellung angestrebt werden.<br />

Wesentliche Elemente des Modells, die einen hilfreichen und fruchtbringenden<br />

Praxisbezug versprechen, müssen in einem längeren Prozess organisationalen<br />

Lernens unter intensiver Einbeziehung der MA eingeübt werden.<br />

Die eingeführten Elemente müssen bezüglich ihrer Position und Funktion im Gesamtmodell<br />

fortlaufend reflektiert werden.<br />

Die eingeführten Elemente müssen auf ihre intendierte Wirkung hin regelmäßig<br />

evaluiert werden.<br />

Nach der Einführung und Habitualisierung einzelner Elemente können sukzessive<br />

weitere Elemente auf die beschriebene Weise integriert werden.<br />

Dabei liegt es nahe, den Bereich der Lösung praktischer Probleme (V) in Augenschein zu<br />

nehmen: „Professionen im engen Sinne [bearbeiten] Konstellationen praktischer Probleme<br />

von Individuen, die existentiellen Krisen entsprechen und sie tun dies, wie Professionen<br />

im weiten Sinne, auf der Grundlage wissenschaftsbasierter Verfahren.“ (Obrecht<br />

2009, S. 70) Die Zuspitzung des weiten, allgemeinen Professionsbegriffs auf einen spezifischeren<br />

bzw. engen wird durch die Einführung des inhaltlichen Kriteriums der Krise erreicht:<br />

„Eine Krise ist eine Lebenssituation eines Individuums, in der sein aktueller Mix aus physikalischen,<br />

biologischen, psychischen oder sozialen Problemen eine Stärke erreicht oder in einer<br />

Art kumuliert, so dass diese Situation durch das Individuum <strong>als</strong> Krise erlebt wird und es gegebenenfalls<br />

die Fähigkeit verliert, seine praktischen und im Besonderen seine psychischen und<br />

sozialen Probleme unter Nutzung seiner internen und ihm in seinem Alltag extern zugänglichen<br />

Ressourcen in einer für es zufriedenstellenden Weise zu lösen.“ (ebd.)<br />

Diese Definition beschreibt zutreffend das, womit es die MA des ABW in der Kontakt- und<br />

Krisenhilfe tagtäglich zu tun haben.<br />

Davon ausgehend und daran anknüpfend erscheint es sinnvoll und praktikabel, zunächst<br />

die ANHT (Stufe III) zu vermitteln, da hier der Anknüpfungspunkt zu der konkreten alltäglichen<br />

Praxis liegt und eine Strukturierung der dort nötigen kognitiven und praktischen Vollzüge,<br />

sowie deren Einbettung in und Verknüpfung mit den relevanten wissenschaftsbasierten<br />

Bezugsinhalten, mittel- bis langfristig zu größerer Souveränität bei den MA führen<br />

sollte. Inhalte aus den Bereichen Metawissenschaften, Objekttheorien und spezielle<br />

Verhaltens sowie sozialer Systeme <strong>als</strong> Erklärungsbasis stützt, interveniert Soziale Arbeit im Schnittpunkt zwischen Individuum<br />

und Umwelt/Gesellschaft. Dabei sind die Prinzipien der Menschenrechte und sozialer Gerechtigkeit für die Soziale<br />

Arbeit von fundamentaler Bedeutung.‘“ (ZHAW 2007-2013)<br />

65


Handlungstheorien (I, II und IV) ließen sich bspw. durch die Erhebung von vorhandenen<br />

Kenntnissen und Fertigkeiten der MA (insbesondere spezielle Handlungstheorien betreffend)<br />

und deren Verbreitung in der Einrichtung, sowie über regelmäßige (konzeptuell integrierte<br />

und jeweils vor- und nachbereitete) in- und externe Fortbildungen vermitteln und<br />

anhand des SPSA integrieren. Wie dies konkreter in der KuK vonstattengehen kann, wird<br />

unter dem Gliederungspunkt 2.6 ausgeführt werden.<br />

Zunächst soll aber versucht werden, einen geeigneten Bezugsrahmen zu bilden – ein<br />

Ordnungsgerüst, eine Orientierungshilfe – innerhalb dessen die ANHT und im Zusammenhang<br />

damit und in dessen Folge das SPSA in der KuK eigeführt werden können.<br />

Nach Ansicht des Verfassers eignet sich dafür das neue St. Galler Management-Modell in<br />

besonderer Weise. Es soll daher im Folgenden vorgestellt werden.<br />

66


2.5 Neues St. Galler Management-Modell<br />

2.5.1 Entstehung und theoretische Grundlagen<br />

Wie bereits festgestellt wurde, befindet sich das Sozialmanagement in einer ähnlichen<br />

Situation wie die Soziale Arbeit. Die Einführung des Begriffs Sozialmanagement ab den<br />

1980er Jahren erfolgte in der Bundesrepublik Deutschland ohne eine eindeutige Definition<br />

und trotz der inzwischen zahlreich vorhandenen Studiengänge wird der Begriff nach wie<br />

vor <strong>als</strong> diffus kritisiert und es ist auch in diesem Bereich ein Professionalisierungsdefizit zu<br />

konstatieren. In Anlehnung an das SPSA und das damit verbundene Wissenschaftsverständnis,<br />

kann man auch das Sozialmanagement <strong>als</strong> eine Handlungswissenschaft auffassen<br />

und in die untenstehende Grafik (an Stelle der gepunkteten Linie) einfügen.<br />

Abbildung 16: Modell eines integrierten Systems von Handlungswissenschaften (Obrecht 2001, S. 103)<br />

Ein Vorgehen nach der Vorstellung dieses transdisziplinären Bezugsrahmens ermöglicht<br />

dann auch einen interdisziplinären Austausch und Lernprozesse zwischen den Disziplinen<br />

Soziale Arbeit und Sozialmanagement. Für den Bereich des Sozialmanagements bedeutet<br />

dies, dass an dieser Stelle nun die dem Veränderungswissen (vgl. Staub-Bernasconi<br />

2009, S. 29) zuzuordnenden W-Fragen beantwortet werden müssen. Daraus folgt für die<br />

Professionalisierung des ABW und der MA der KuK, dass das Management sich darüber<br />

klar werden muss, wie der gewünschte Professionalisierungszustand aussehen soll, wel-<br />

67


che konkreten operationalisierten Zielsetzungen daraus folgen, wer an der Umsetzung in<br />

welcher Weise und welchem Umfang beteiligt sein soll, mit welchen Ressourcen die erwünschte<br />

Veränderung bewerkstelligt werden soll und mit welchen speziellen Handlungstheorien<br />

zu Werke gegangen werden soll. Schließlich müssen die daraufhin ins Werk gesetzten<br />

Pläne, Teilpläne, Verfahren und Methoden auch noch regelmäßig auf ihre Wirksamkeit<br />

hin überprüft werden.<br />

In Anlehnung an das Vier-Ebenen-Modell muss im Vollzug der ANHT geklärt werden,<br />

welche spezifischen Methoden für die erwünschte Veränderung in Frage kommen und<br />

welche Bezugswissenschaften dafür herangezogen werden müssten. Als Bezugswissenschaften,<br />

deren Erkenntnisse in der vom Verfasser dieser Arbeit benutzten Fachliteratur –<br />

besonders auch bezüglich der hier ausgewählten speziellen Handlungstheorien (vgl. Gliederungspunkt<br />

2.6) – herangezogen werden, seien beispielhaft genannt: (Organisations-)Soziologie,<br />

(Organisations-)Psychologie, (Betriebs-)Wirtschaftswissenschaft und<br />

weitere Disziplinen der Sozial- und Verhaltenswissenschaften. Nicht zuletzt muss die Frage<br />

geklärt werden, welche Metatheorie(n), die wiederum in einem Metamodell kumulieren<br />

können, in Frage kommen.<br />

Der Verfasser hat sich nach der Sichtung der einschlägigen Literatur für das neue St. Galler<br />

Management-Modell <strong>als</strong> Metamodell und Orientierungsrahmen für die vorzunehmenden<br />

Veränderungen entschieden. Es soll dazu verhelfen den Überblick darüber zu behalten,<br />

welche Gruppen und Personen in der Einrichtung involviert werden müssen und/oder<br />

betroffen oder tangiert sein werden bei der Einführung des SPSA und an welchen Stellen<br />

Veränderungen zu erwarten sind etc.<br />

Das neue St. Galler Management-Modell hat seinen Ursprung bereits 1954 mit der Gründung<br />

des Instituts für Betriebswirtschaft an der damaligen Handelshochschule St. Gallen<br />

durch Hans Ulrich. Dieser war daran interessiert die damalige herkömmliche Betriebswirtschaftslehre<br />

zu einer ganzheitlichen Managementlehre weiterzuentwickeln, da er von der<br />

Notwendigkeit einer theoretischen Grundlegung für Unternehmen angesichts ihrer komplexen<br />

Einbettung in eine vielschichtige Umwelt überzeugt war (vgl. Bürgisser, et al. 2012,<br />

S. 259). Das von Ulrich entwickelte St. Galler Management-Modell wurde von seinen Mitstreitern<br />

und Schülern über die Jahre kontinuierlich weiterentwickelt und theoretisch vertieft.<br />

In dieser Tradition stehend, versteht sich auch das neue St. Galler Management-<br />

Modell <strong>als</strong> ganzheitlichen und systemtheoretischen Ansatz. Besonders hervorgehoben<br />

und behandelt werden in der neuen Version die ethisch-normative Dimension und die<br />

Ausrichtung auf bzw. die Einbeziehung von Gesellschaft und Anspruchsgruppen, die prozessorientierte<br />

Sichtweise und die Notwendigkeit einer kontextbezogenen Analyse komplexer<br />

Beziehungs- und Kommunikationsprozesse. Metatheoretisch rekurriert der Ansatz<br />

68


neben den systemisch ausgerichteten Vertretern aus dem Umfeld der Hochschule St.<br />

Gallen (Hans Ulrich, Gilbert Probst, Knut Bleicher, Peter Gomez, Fredmund Malik) auf die<br />

soziologische Systemtheorie von Niklas Luhmann, die Strukturationstheorie von Anthony<br />

Giddens und diverse sozialkonstruktivistische Ansätze aus der angewandten Sozialwissenschaft<br />

(vgl. Rüegg-Stürm 2003, S. 15-16); des Weiteren wird in diesem Umfeld gerne<br />

auf Biokybernetiker wie Frederic Vester zurückgegriffen (vgl. Ulrich und Probst 1991, S.<br />

20) und eine Nähe zu radikal-konstruktivistischen Ansätzen klingt immer mal wieder an. 28<br />

Die Anschlussfähigkeit des neuen St. Galler Management-Modells nach Rüegg-Stürm an<br />

das Bungesche Systemdenken, das sich <strong>als</strong> materialistisch-realistisch (vgl. Bunge und<br />

Mahner 2004, S. 233) versteht und somit in der Tradition eines kritischen Realismus (vgl.<br />

Kruse/Stadler 1990 in Gairing 2008, S. 150) steht, hält der Verfasser trotzdem für gegeben<br />

und für den Praxisbezug unproblematisch. Trotz der postulierten Nähe und der semantischen<br />

Rückgriffe auf seine metatheoretischen Gewährsleute wird Rüegg-Stürm in<br />

der Ausdifferenzierung seines Modells an entscheidenden Stellen immer wieder kritischrealistisch,<br />

indem er z. B. durchaus, wie Bunge, Kommunikation <strong>als</strong> Relation zwischen<br />

Relata (vgl. Fußnote 22), nämlich Menschen und Menschengruppen, versteht etc. Diese<br />

Tendenz mag daher rühren, dass man in der Management-Praxis regelmäßig gezwungen<br />

wird, konkrete Gegebenheiten <strong>als</strong> solche zur Kenntnis zu nehmen und sich damit in<br />

pragmatischer Weise auseinanderzusetzen. Dass man auch <strong>als</strong> kritischer und materialistischer<br />

Realist eine systemische und ganzheitliche Sichtweise vertreten kann, dafür ist<br />

Mario Bunge ein Beispiel 29 .<br />

28 Z. B. in Passagen wie: „[…] wird die Sozialität meschlicher Welt, und damit auch der Management-Praxis, in sozialen<br />

Konstruktions- und Interpretationleistungen begründet gesehen […]“, oder: „[…] sind <strong>als</strong>o Modelle <strong>als</strong> kontingente<br />

Erfindungen zu verstehen, […].“ (Rüegg-Stürm 2003, S. 7, 15; Hervorh. im Original)<br />

29 In Deutschland zählen vor allem Bernulf Kanitscheider (Gießen) und Gerhard Vollmer (Braunschweig) zu dieser Denkrichtung.<br />

69


2.5.2 Grundkategorien des Modells und Praxisbezug<br />

Das Modell ist in seinem Gesamtaufbau aus sechs Grundkategorien zusammengesetzt,<br />

die sich jeweils auf zentrale Managementdimensionen beziehen:<br />

Abbildung 17: Das neue St. Galler Management-Modell im Überblick (Universität St. Gallen 2012)<br />

2.5.3 Umweltsphären<br />

Die Umweltsphären bezeichnen zentrale Kontexte der unternehmerischen Tätigkeit und<br />

sind auf relevante Veränderungstrends hin zu analysieren (vgl. unter diesem<br />

Gliederungspunkt, sofern nicht anders vermerkt, Rüegg-Stürm 2003, S. 22 ff.). In Bezug<br />

auf Soziale Einrichtungen besteht insbesondere ein Anknüpfungspunkt an die umfassendste<br />

Sphäre Gesellschaft, die den Diskurs darüber beinhaltet, was Soziale Probleme<br />

und welches die Aufgaben Sozialer Einrichtungen innerhalb der Gesellschaft sind. Auch<br />

Fragen nach der Legitimation Sozialer Einrichtungen und ihrer Tätigkeiten, nach der Artikulation<br />

der besonderen Probleme der Klientel und nach der Interessensvermittlung zwischen<br />

unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen sind hier verortet (vgl. Bürgisser, et<br />

al. 2012, S. 240, 261). Ebenfalls gibt es hier Bezüge zu dem Themenbereich der sozialpolitischen<br />

Steuerung mit den Fragen nach den Zielen und Inhalten von Programmen und<br />

Angeboten, der Klärung der politischen und rechtlichen Zuständigkeit, der Umsetzung von<br />

Zielen im Rahmen von Leistungsvereinbarungen und der Gestaltung von Versorgungssystemen<br />

(vgl. ebd., S. 243).<br />

70


Eine durch die Einführung des SPSA und die ANHT eingeleitete und vorangetrieben Professionalisierung<br />

der KuK würde es ermöglichen, anhand der mit den W-Fragen verbundenen<br />

Wissensformen den gesellschaftlichen Dialog, der auch mit Fragen und Themen<br />

der Umweltsphäre Wirtschaft korreliert, auf eine fundiertere Art und Weise zu führen, <strong>als</strong><br />

dies bisher der Fall ist. Anhand der mit der ANHT verknüpften Vorgehensweise können<br />

wissenschaftlich seriöse und pointierte Aussagen getroffen werden über die gesellschaftliche<br />

und wirtschaftliche Situation der Klientel und deren Soziale Probleme, sowie die gesellschaftliche<br />

und wirtschaftliche Relevanz des ABW und der Einrichtung KuK in der Region.<br />

Eine professionellere Vorgehensweise und ein entsprechendes Auftreten würden<br />

der Qualität des Dialogs mit den diversen gesellschaftlichen Gruppen auf ein Niveau heben,<br />

das letztlich den Klient/inn/en der KuK zugutekäme.<br />

2.5.4 Anspruchsgruppen<br />

Die Anspruchsgruppen 30 (Stakeholder) umfassen alle organisierten oder nicht organisierten<br />

Vereinigungen von Menschen, Organisationen und Institutionen, die von den Aktivitäten<br />

einer Organisation betroffen sind oder die Einfluss auf die Aktivitäten der Organisation<br />

nehmen können. Im Sozialen Bereich fallen hierunter auch diejenigen Gruppen und Institutionen,<br />

mit denen eine Einrichtung z. B. ein gemeinsames Interesse an der Arbeit mit<br />

einer bestimmten Klientel verbindet. Diese Gruppen kann man auch sinnvoller Weise <strong>als</strong><br />

Kooperationspartner bezeichnen. Themen wie die fall- und prozessbezogene Koordination<br />

und die Koordination zwischen den Kooperationspartnern, die Abstimmung der verschiedenen<br />

Angebote für die Klientel, die Strukturierung der Versorgung im Sozialraum<br />

werden mit diesen ausgetauscht (vgl. Bürgisser, et al. 2012, S. 252, 262).<br />

Die Anspruchsgruppen und Kooperationspartner im ABW der KuK sind im Wesentlichen<br />

die Klient/inn/en, die Kostenträger LWL und JA, Angehörige und persönliches Umfeld der<br />

Klient/inn/en, rechtliche Betreuer, Haus- und Fachärzte, Krankenkassen, Allgemeine<br />

Krankenhäuser und Fachkliniken, andere soziale Dienste und Einrichtungen; Behördliche<br />

und behördennahe Einrichtungen wie der Sozialpsychiatrische Dienst, die Berufliche Eingliederung,<br />

Frauenberatungsstellen, Bewährungshilfe, JobCenter, Agentur für Arbeit, Sozialämter,<br />

Erziehungsberatungsstellen, Eheberatungsstellen etc. Interne Kooperationspartner<br />

sind die TS und die KuB.<br />

Der Umgang mit den relevanten Anspruchsgruppen kann entweder aus der Sichtweise<br />

eines strategischen oder eines normativ-kritischen (ethischen) Anspruchsgruppenkonzepts<br />

erfolgen. Ersteres wird sich an der Auswahl und der Priorisierung oder Gewichtung<br />

30 In der einschlägigen Literatur zum Themenkomplex Management finden sich diverse synonyme Begriffe, die diejenigen<br />

bezeichnen, die ein Interesse an der Arbeit von Organisationen haben, daher auch Ansprüche stellen und somit berücksichtigt<br />

werden müssen: Stakeholder, interessierte Parteien, Anspruchsgruppen, B- und C-Kunden etc., aber auch gemeinsame<br />

Interessen und Ziele herausstellende Begriffe wie Kooperationspartner.<br />

71


der relevanten Akteure vorrangig an deren Einflussmöglichkeiten und der Wirkmächtigkeit<br />

ihrer Ansprüche orientieren im Hinblick auf die Zukunftssicherung der Einrichtung. In dieser<br />

Hinsicht würde man sich in der KuK vorrangig auf die Aufrechterhaltung der Kooperationsbereitschaft<br />

und der Akzeptanzsicherung hinsichtlich der Kostenträger und besonders<br />

auf den LWL konzentrieren.<br />

Aus der Sicht des normativ-kritischen (ethischen) Anspruchsgruppenkonzepts werden alle<br />

Gruppen, die von den Tätigkeiten einer Einrichtung tangiert sind und/oder umgekehrt in<br />

irgendeiner Weise die Geschicke der Einrichtung beeinflussen können <strong>als</strong> relevante Anspruchsgruppen<br />

anerkannt. Das ausschlaggebende Kriterium ist nicht die Wirkmächtigkeit<br />

der Akteure, sondern die ethisch begründbare Legitimität ihrer Ansprüche.<br />

Letztlich wird eine Soziale Einrichtung wie die KuK eine Mischform der beiden Anspruchsgruppenkonzepte<br />

bevorzugen. Ausschlaggebend ist die normative Festlegung im<br />

Leitbild 31 , in dem an zahlreichen Stellen hervorgehoben wird, dass in sämtlichen Bezügen<br />

der Arbeit der KuK die Klient/inn/en im Zentrum aller Bemühungen stehen, so z. B. bezüglich<br />

der Kooperationspartner: „In der Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern<br />

pflegen wir eine enge gemeindepsychiatrische Vernetzung im Interesse unserer Klienten.<br />

[…] Der Bedarf der Menschen, die sich an uns wenden, steht im Vordergrund, so dass wir<br />

gegebenenfalls gerne auch an andere Hilfeanbieter vermitteln.“ (Kontakt- und Krisenhilfe<br />

2012, S. 3; Hervorh. J.W.) Das bedeutet, dass die KuK im Sinne ihrer Klient/inn/en sowohl<br />

auf die eigene Zukunfstssicherung <strong>als</strong> auch auf die Berücksichtigung der ja ebenfalls mit<br />

denen der Klient/inn/en verbundenen Ansprüche der anderen genannten Gruppen<br />

bedacht sein muss.<br />

Auch der im Leitbild postulierte Vorrang der Klient/inn/en würde durch die Anwendung der<br />

ANHT mit professionellem Wissen und Handlungsleitlinien konkretisiert werden. Dies<br />

kann dazu führen, dass aus fachlichen Einzel- und Gesamterwägungen heraus die<br />

intensivere Zusammenarbeit mit und die stärkere Berücksichtigung von bestimmten<br />

Kooperatiospartnern jeweils nachvollziehbar dargelegt und begründet werden kann.<br />

2.5.5 Interaktionsthemen<br />

Die bisher genannten Themen und Fragen bezüglich Sozialer Einrichtungen sind alle<br />

auch in der Grundkategorie Interaktionsthemen verortet. Damit werden die Inhalte und<br />

Gegenstände („issues“) der Kommunikation in den Austauschbeziehungen zwischen einer<br />

Organisation und ihren Anspruchsgruppen bezeichnet. Ein sehr wichtiges Interaktions-<br />

31 Die Ansprüche der aus Organisationsperspektive maßgeblichen Anspruchsgruppen (einschließlich der MA und der Klient/inn/en)<br />

fließen in der Regel in ein Leitbild ein und so verhält es sich auch mit dem Leitbild der KuK, das im Zusammenhang<br />

mit der QMS-Implementierung unter Einbeziehung aller MA entstanden ist. Das Leitbild enthält neben der Mission und<br />

den Werten der Einrichtung auch normative Ziele, von denen wiederum über den Weg der Qualitätspolitik die Qualitätsziele<br />

abgeleitet werden müssen, die sich auf der Ebene von strategischen Zielen befinden.<br />

72


thema für Soziale Einrichtungen, das alle drei Elemente dieser Kategorie (Ressourcen,<br />

Normen und Werte, Anliegen und Interessen) umfasst ist das der Professionalität einer<br />

Einrichtung und ihrer MA. Die vorhandene oder nicht vorhandene Professionalität wiederum<br />

ist einrichtungsbezogen verknüpft mit Fragen des normativen, strategischen und operativen<br />

Managements, Fragen der Organisationsgestaltung und -entwicklung, sowie des<br />

Personalmanagements und der Personalentwicklung (Human Ressources Management)<br />

und mit Fragen des Controllings, der Wirkung und der Qualität der Angebote. Nicht zuletzt<br />

geht es eben um die Kommunikation der in der Einrichtung vorhandenen Professionalität<br />

<strong>als</strong> Qualitätsmerkmal u.a. über den Weg des Marketings (vgl. Bürgisser, et al. 2012, S.<br />

245).<br />

Einerseits haben die in unterschiedlicher Weise von den Aktivitäten der KuK betroffenen<br />

Kooperationspartner und Anspruchsgruppen jeweils bestimmte Anliegen an die Einrichtung,<br />

umgekehrt können aber auch die bei den entsprechenden Gruppen geltenden Werte,<br />

Normen und Prioritäten von Legitimierungs- und Entscheidungsprozessen der KuK<br />

beeinflusst werden. Bei konfligierenden Ansprüchen und Interessen der unterschiedlichen<br />

Gruppen müssen diese jedenfalls im Sinne eines ethischen Anspruchsgruppenkonzeptes<br />

sorgfältig argumentativ und nachvollziehbar miteinander abgewogen werden. Inwieweit<br />

einerseits die stärkere oder weniger starke Berücksichtigung der Interessen der Anspruchsgruppen<br />

für diese nachvollziehbar und akzeptabel sein wird und inwieweit sich<br />

diese andererseits auf die Anliegen der KuK einlassen werden, hängt ganz entscheidend<br />

von dem professionellen Niveau der Legitimierungs- und Entscheidungsprozesse ab. Die<br />

entscheidende Bezugsgröße dafür ist in engem Zusammenhang mit dem normativ verankerten<br />

Vorrang der Klient/inn/en im Leitbild und dem Erkenntnisgewinn aus der Anwendung<br />

des SPSA das von Staub-Bernasconi so genannte Tripelmandat der Sozialen Arbeit<br />

(vgl. Staub-Bernasconi 2007, S. 198 ff.).<br />

Während im Allgemeinen von einem Doppelmandat Sozialer Arbeit ausgegangen wird,<br />

das sich einerseits aus der Hilfe für die jeweilige Klientel und andererseits aus einem sozialrechtlich<br />

legitimierten Auftrag durch entsprechende staatliche Instanzen ergibt, erweitert<br />

Staub-Bernasconi dies zu einem Tripelmandat. Das dritte Mandat wird differenziert in<br />

a) eine wissenschaftliche Beschreibungs- und Erklärungsbasis im Hinblick auf Soziale<br />

Probleme und damit wissenschaftsbegründete Arbeitsweisen und Methoden, b) eine ethische<br />

Basis, z. B. in Form eines Berufskodex 32 , auf deren Grundlage sich die Professionellen<br />

in ihren Entscheidungen relativ unabhängig von z. B. ideologisch oder ökonomistisch<br />

motivierten Interessen von Anspruchsgruppen positionieren können und c) die dort opera-<br />

32 Die im Leitbild der KuK verankerten ethischen Aussagen und Normen müssten mit einschlägigen nationalen und internationalen<br />

Berufskodizes der Sozialen Arbeit abgeglichen werden. Das würde allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen.<br />

73


tionalisierten Menschenrechte 33 „<strong>als</strong> eine Legitimationsbasis, die über legale Gesetze und<br />

bindende Verträge, Aufträge und Arbeitsbündnisse hinausweisen und, wenn nötig, eigenbestimmte<br />

Aufträge ermöglichen [kann].“ (Staub-Bernasconi 2007, S. 200) Dies böte die<br />

Möglichkeit, Soziale Probleme sowie Aufträge und Anliegen nicht nur aus der Perspektive<br />

der jeweiligen Auftraggeber oder Anspruchsgruppen, sondern aus professionsethischer<br />

Perspektive zu bedenken und sich somit von möglichen Machtinteressen oder anderen<br />

Zumutungen wohlbegründet und kritisch distanzieren zu können. In der Logik des SPSA<br />

besteht das professionsethische Problem der Professionellen dann darin,<br />

„die berechtigten Anliegen der Klient(inn)en und die Erfordernisse von Professionalität an [die<br />

Auftraggeber und Anspruchsgruppen, J.W.] heranzutragen, und die dadurch entstehenden Konflikte<br />

einerseits <strong>als</strong> zu ihrer Rolle gehörend zu behandeln, andererseits auch mit professionellen<br />

Mitteln zu bearbeiten.“ (Obrecht 2005 in Staub-Bernasconi 2007, S. 202).<br />

Aus diesen Überlegungen hinaus ergibt sich für eine Soziale Einrichtung eine strategische<br />

Positionierung, die einer möglichst ausgewogenen Mischung aus der sowohl nach ethischen<br />

<strong>als</strong> auch nach ökonomischen Gesichtspunkten folgenden Priorisierung von Anliegen<br />

der relevanten Anspruchsgruppen folgt. Die strategische Ausrichtung inklusive Zielen<br />

und Projekten müssen in effektive und effiziente Wertschöpfungsprozesse umgesetzt<br />

werden.<br />

2.5.6 Ordnungsmomente<br />

Die Grundkategorie der Ordnungsmomente meint die in einer Organisation bereichsübergreifenden<br />

strukturierenden „Kräfte“, die mit den Strukturen einer Sprache (Grammatik,<br />

Semantik) vergleichbar sind und dem Alltagsgeschehen in Einrichtungen eine kohärente<br />

Form geben, die Alltagstätigkeiten auf bestimmte Wirkungen und Ergebnisse ausrichten<br />

und dem Tun der Einrichtung einen übergreifenden Sinn verleihen. Eine umfassende<br />

Strukturierungshilfe in einer Sozialen Einrichtung kann u. a. das QM bieten, so es denn<br />

unter der Prämisse, Professionalität zu entwickeln und zu sichern eingeführt wird. 34<br />

Das Ordnungsmoment Strategie soll in inhaltlicher Hinsicht Klarheit ermöglichen über fünf<br />

Themenkomplexe: Es soll Auskunft geben über die aus den oben genannten Überlegungen<br />

ermittelten relevanten Anspruchsgruppen und Kooperationspartner, deren Anliegen<br />

33 Aus diesen ist auch der Artikel 3 der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen<br />

vom 13. Dezember 2006 abgeleitet, der im Leitbild der KuK <strong>als</strong> verbindlicher Orientierungsrahmen zitiert wird (vgl.<br />

Kontakt- und Krisenhilfe 2012, S. 1).<br />

34 Den Erkenntnissen des SPSA folgen gibt es bezüglich des QM in der Sozialen Arbeit<br />

„(1) Ein übergeordnetes professionelles Qualitätsziel, bestehend aus drei Teilzielen:<br />

(a) die Festlegung und laufende Anpassung von Qualitätsnormen (Standards) aufgrund des zur Verfügung stehenden<br />

human- und sozialwissenschaftlichen Wissens,<br />

(b) die Ermittlung der erschliessbaren Ressourcen der Klientel, Organisation wie der Gesellschaft und<br />

(c) die Überprüfung der Zielerreichung und damit der Wirksamkeit der Hilfeleistung sowie die Ermittlung derjenigen Faktoren,<br />

die zur Zielerreichung beigetragen haben.<br />

(2) Ein untergeordnetes betriebswirtschaftliches Ziel, das heißt Kostentransparenz – mit dem Zweck, die Kosten der Erbringung<br />

der Dienstleistungen zu berechnen und an Effizienzkriterien des wirksamen, sparsamen, nachhaltigen sowie sozialverträglichen<br />

Mitteleinsatzes zu messen.“ (Staub-Bernasconi 1998, S. 99-100)<br />

74


und Bedürfnisse und über geeignete Kommunikationsformen für eine optimale und nachhaltige<br />

Gestaltung dieser Beziehungen. Daraufhin muss das Leistungsangebot definiert<br />

werden und der Nutzen, der bei den entsprechenden Anspruchsgruppen gestiftet werden<br />

soll, dargelegt werden. In Bezug auf die Gesamtwertschöpfung, hier im Sinne der sozialpsychiatrischen<br />

Versorgung im Sozialraum Ennepe-Ruhr-Kreis, muss eine Soziale Einrichtung<br />

wie die KuK sich darauf festlegen, welchen Teil der gesamten Wertschöpfungskette<br />

sie abdecken will und welche Aufgaben andere Einrichtungen und Institutionen<br />

übernehmen sollen. Das hat wiederum Rückwirkungen auf die Auswahl von Kooperationspartnern<br />

und die Gestaltung der Zusammenarbeit mit diesen. Schließlich muss herausgestellt<br />

werden, welche Fähigkeiten oder Kernkompetenzen bereits vorhanden sind<br />

oder erst noch aufgebaut werden müssen, damit sich eine Einrichtung wie die KuK durch<br />

eine längerfristig überlegene, möglichst einzigartige Nutzenstiftung bei den Klient/inn/en,<br />

Kooperationspartnern und Anspruchsgruppen profilieren kann.<br />

Auch für die Beantwortung dieser fünf parallel zu bearbeitenden Themenkomplexe, die<br />

der KuK zu strategischem Orientierungswissen verhelfen sollen, ist eine zunehmende<br />

Professionalisierung für eine inhaltlich gut begründete und nachvollziehbar legitimierte<br />

Strategie unabdingbar. Strategisches, nach professionellen Gesichtspunkten erarbeitetes<br />

Orientierungswissen, dient nicht zuletzt auch <strong>als</strong> Bezugsrahmen bei der Allokation knapper<br />

Ressourcen, d. h. bei Verhandlungen mit den Kostenträgern, bei der Gewinnung neuen<br />

Person<strong>als</strong> etc. Die Denkrichtung der Inside-out-Perspektive oder des sogenannten<br />

Ressource-based-View betont entsprechend, dass eine Einrichtung nachhaltige Wettbewerbsvorteile<br />

erreicht, wenn sie Ressourcen mobilisiert und Kompetenzen entwickelt, die<br />

zugleich wertvoll, selten, schwer imitierbar, nicht substituierbar sind und es ermöglichen,<br />

die Umwelt nach eigenen Vorstellungen mitzugestalten. Immaterielle Ressourcen, wie das<br />

nicht handelbare Wissen der MA, zu entwickeln, beruht auf spezifischen Kompetenzen<br />

einer Einrichtung und führen wiederum zu einem Zuwachs an Kompetenzen bei den MA.<br />

„Solche Kompetenzen setzen sich einerseits zusammen aus einem eher kognitiven Aspekt,<br />

nämlich aus Wissen, und andererseits aus praktischen Fähigkeiten, d. h. aus intelligenten Abläufen<br />

und organisationalen Routinen, in deren Struktur (Prozessmuster) sich das organisationale<br />

Wissen spiegelt und die dazu beitragen, dass die verfügbaren Ressourcen optimal genutzt<br />

werden können […] Die Inside-out-Perspektive betont demzufolge vor allem die Notwendigkeit<br />

einer systematischen Kompetenzentwicklung <strong>als</strong> Kernaufgabe des strategischen Managements.“<br />

(Rüegg-Stürm 2003, S. 45)<br />

Dieser Kernaufgabe würde die KuK durch die Professionalisierung ihrer MA anhand des<br />

SPSA gerecht werden und so eine Kernkompetenz gewinnen, die neben dem ABW auch<br />

in den anderen Arbeitsbereichen zum Tragen kommen könnte und die es ermöglichen<br />

würde, auch auf veränderte Rahmenbedingungen flexibel reagieren zu können.<br />

75


Das Ordnungsmoment Struktur soll eine ausgewogene Balance zwischen einer Effizienz<br />

ermöglichenden Aufgabendifferenzierung (Arbeitsteilung) einerseits und einer Effektivität<br />

ermöglichenden Koordination und Reintegration von Teilleistungen andererseits bewirken.<br />

Strukturen sichern in einer Einrichtung das, was eine zeitliche Konstanz aufweisen soll<br />

und sind Ausdruck von Ordnung und Organisation. Als wesentliche Kategorien kann man<br />

die Aufbaustruktur von der Ablaufstruktur unterscheiden. Erstere lässt sich gut in der<br />

Form von Organigrammen darstellen, wie es in dieser Arbeit zur Illustration der Entwicklung<br />

der KuK geschehen ist. Die Ablauf- oder Prozessstrukturen legen fest, welche Tätigkeiten<br />

in welcher zeitlichen und logischen Abfolge zu verrichten sind. Prozessstrukturen<br />

dienen der zeitlichen und räumlichen Koordination von Aufgaben, der Minimierung und<br />

Optimierung von Schnittstellen und Doppelarbeiten etc. und sind ein klassisches Betätigungsfeld<br />

des QM. Strukturen bedürfen einer zielgerichteten Gestaltung und Bestrebungen<br />

der Optimierung und Erneuerung, wie die der Professionalisierung einer Einrichtung,<br />

machen eine kontinuierliche Überprüfung und Weiterentwicklung organisationaler Strukturen<br />

erforderlich. Die Einführung des SPSA in der KuK unter größtmöglicher Beteiligung<br />

der MA löst einen organisationalen Lernprozess aus, der auch die bisher gewachsenen<br />

Strukturen mit einbezieht und dort auch Veränderungsprozesse in Gang bringen wird.<br />

Dabei wird man zunächst an die vorhandenen Strukturen (und alle übrigen Gegebenheiten)<br />

anknüpfen müssen, Sinnvolles beibehalten und anderes verändern müssen.<br />

„Jede Form von Führungs- und Organisationsarbeit findet […] immer schon in einem gewachsenen<br />

strukturellen (und kulturellen) Kontext statt, der vieles ermöglicht, <strong>als</strong> geboten und sinnvoll<br />

erscheinen lässt, anderes dagegen <strong>als</strong> unangemessen und sinnlos. Es sind deshalb nicht<br />

nur Menschen, die organisieren; sondern an diesem ordnungsbildenden Geschehen ‚mitbeteiligt‘<br />

sind immer auch die gewachsenen Strukturen und die laufenden Kommunikations- und Beziehungsprozesse.“<br />

(Rüegg-Stürm 2003, S. 53)<br />

Dieses Phänomen der Pfadabhängigkeit berührt, wie in dem Zitat bereits anklingt, auch<br />

die gewachsene Kultur einer Einrichtung.<br />

Über Ordnung und Organisation hinaus bedarf eine Einrichtung auch eines Ordnungsmoments,<br />

das einen gemeinsamen Sinnhorizont und ein gemeinsames explizites oder<br />

implizites Hintergrundwissen verbürgt – die Kultur einer Einrichtung. Diese ist abzulesen<br />

an symbolischen Bezugspunkten und Gewissheiten, die Orientierung im Alltag bieten,<br />

Ordnung stiften und zur Routinisierung beitragen, wie Normen und Werte, Einstellungen<br />

und Haltungen, Geschichten und Mythen, Denk-, Argumentations- und Interpretationsmuster,<br />

Sprachregelungen, kollektive Erwartungen und Hintergrundüberzeugungen. Auf<br />

diese Kulturmomente wird im Arbeitsalltag meist unbewusst Bezug genommen und sie<br />

werden durch diese Bezugnahme stets neu reproduziert.<br />

76


Die kulturbildenden Elemente in einer Einrichtung führen zu den dort wirksamen handlungsleitenden<br />

oder praktizierten Theorien, während z. B. im Leitbild eher die vertretenen<br />

oder verlautbarten Theorien dokumentiert sind. (vgl. Argyris und Schön 2008, S. 87 ff.,<br />

Ridder 2009, S. 186 ff. und Senge 2011) So steht im Leitbild der KuK zu lesen, dass sie<br />

sich <strong>als</strong> lernende Organisation versteht und weiter:<br />

„Wir vertreten eine systemisch-ganzheitliche Sichtweise […]. Wir fördern die Professionalität<br />

[…] unserer Mitarbeiter […]. Unsere Angebote und Leistungen halten wir stets auf<br />

dem jeweiligen Stand aktueller Erkenntnisse und Methoden Sozialer Arbeit […].“ (Kontaktund<br />

Krisenhilfe 2012, S. 2-4) Diese vertretenen Grundsätze sind bisher nicht oder nur<br />

sehr eingeschränkt eingelöst worden und würden durch die Implementierung des SPSA<br />

eingelöst werden. Die Diskrepanz zwischen den verlautbarten und oft auch erwünschten<br />

Zuständen und der tatsächlich gelebten Alltagsrealität kann durch Prozesse und Techniken<br />

des organisationalen Lernens aufgedeckt werden, worauf später noch zurückzukommen<br />

sein wird.<br />

2.5.7 Prozesse<br />

Das unter die Prämisse der Unterstützung von Professionalisierung gestellte QM kann<br />

auch maßgeblich an der sinnvollen Ausgestaltung und Dokumentation der Prozesse, die<br />

im neuen St. Galler Management-Modell <strong>als</strong> weitere Grundkategorie genannt werden,<br />

beteiligt sein. Alle Klient/inn/en- und Anspruchsgruppenbezogenen (Wertschöpfungs-)<br />

Aktivitäten einer Sozialen Einrichtung, genauso wie die dazu nötigen Unterstützungs- und<br />

Führungstätigkeiten, werden <strong>als</strong> Prozesse erbracht, d. h. sie unterliegen einer bestimmten<br />

sachlichen und zeitlichen Logik auf deren möglichst sinnvolle, effiziente und effektive Gestaltung<br />

es ankommt.<br />

Die Gestaltung der organisationalen Ablaufstrukturen und somit der Prozesse kommt,<br />

wenn man sich ihre Elemente anschaut, der Struktur der zu implementierenden ANHT<br />

sehr nahe: Die Aufgabenkette bildet die wichtigsten Tätigkeiten/Aufgaben eines Prozesses<br />

in der Reihenfolge ihres Ablaufs ab. Die Makroebene gewährt dabei einen Gesamtüberblick<br />

über den Prozess, während auf der Mikroebene die Tätigkeiten/Aufgaben so<br />

detailliert beschrieben werden, dass sie Arbeitsanweisungen an die MA gleichkommen.<br />

Eine Tätigkeit oder Aufgabe ist eine Funktion der Einrichtung, die von Menschen ausgeführt<br />

wird und von bestimmten Eingaben (Daten, Informationen) von Prozesslieferanten<br />

(z. B. MA, Klient/inn/en, Kooperationspartner) anhängig ist. Dies wiederum muss zu bestimmten<br />

Leistungen oder Ergebnissen führen, die an interne oder externe Prozesskunden<br />

(z. B. MA, Klient/inn/en, Kooperationspartner) geliefert werden. In der KuK <strong>als</strong> Soziale<br />

Einrichtung sind die Leistungen oder Ergebnisse vorwiegend immaterieller Natur. EDV-<br />

77


Dokumentations- und Informationssysteme können die Aufgabenerfüllung unterstützen.<br />

Die Prozessführung dient der zeitlichen und fachlichen Priorisierung der Tätigkeiten, der<br />

Feinabstimmung im Einrichtungs-Alltag und der Koordinierung und effizienten und effektiven<br />

Nutzung der nötigen Ressourcen. Zur systematischen Optimierung werden die wichtigsten<br />

Prozesse mit Kennzahlen versehen. Die Prozessentwicklung schließlich soll für die<br />

Gestaltung und kontinuierliche Weiterentwicklung einzelner Prozesse sorgen. Eine konsequente<br />

Anwendung der Prozessperspektive führt zu dem Verständnis einer Einrichtung<br />

<strong>als</strong> System von Prozessen, zwischen denen wechselseitige Abhängigkeiten und „Kunden-<br />

und Lieferantenbeziehungen“ bestehen und das auch <strong>als</strong> Prozessarchitektur bezeichnet<br />

wird. Diese Prozessarchitektur kann man in drei Prozesskategorien, die ihrerseits wieder<br />

Teilprozesse beinhalten, differenzieren: Managementprozesse, Ausführungsprozesse und<br />

Unterstützungsprozesse.<br />

Die Implementierung der ANHT <strong>als</strong> Kernelement des SPSA im Arbeitsbereich ABW der<br />

KuK erfordert auf der Ebene der Managementprozesse normative, strategische und operative<br />

Prozesse. Auf der normativen Ebene muss die Leitung die Implementierung der<br />

ANHT fachlich begründen und legitimieren und die Kongruenz zu den im Leitbild postulierten<br />

Normen und Werten diskutieren und verdeutlichen. Dabei ist es wichtig, die betroffenen<br />

MA möglichst umfänglich mit einzubeziehen und dem Verständigungsprozess große<br />

Sorgfalt zu widmen. Das strategische Management muss die Wichtigkeit einer vertieften<br />

Professionalisierung und mithin eines nachhaltigen und tiefgreifenden Wandels z. B. vor<br />

dem Hintergrund der Spar- und damit Änderungsbestrebungen des Hauptkostenträgers<br />

LWL plausibel machen. Professionelle Kompetenzen machen unabhängiger z. B. von<br />

vorgegeben Hilfeplanformularen und ähnlichen Vorgaben, die sich jederzeit ändern können<br />

und versetzen die KuK darüber hinaus in die Lage, eigene Konzepte nicht nur zügig<br />

entwickeln, sondern auch fachlich legitimieren zu können. Auf der Ebene des operativen<br />

Managements muss dafür gesorgt werden, dass das Erlernen und die Beherrschung der<br />

ANHT, so wie die Integration weiterer Ebenen des SPSA während und parallel zum laufenden<br />

Alltagsgeschäft gewährleistet wird. Die Managementprozesse folgen idealtypisch<br />

einem iterativen Zyklus, wie dem Deming- oder PDCA-Zyklus 35 , der auf Reflexion und<br />

Generierung von Ideen und Orientierungswissen, auf die Identifikation konkreter Ziele und<br />

verbindlicher Zielvereinbarungen, auf die Operationalisierung der Ziele in Richtung von<br />

Aktivitäten und Routinen des Arbeitsalltags und auf regelmäßiges Feedback und Evaluierung<br />

der Wirksamkeit der veranlassten Maßnahmen ausgerichtet ist.<br />

Die Prozesskategorie der Ausführungsprozesse haben es mit dem praktischen Vollzug<br />

der Kernaktivitäten einer Sozialen Einrichtung zu tun, die unmittelbar auf die Stiftung ei-<br />

35 Der DIN EN ISO 9001:2008-Norm liegt auf allen Ebenen der auf William Edwards Deming zurückgehende iterative<br />

PDCA-Zyklus <strong>als</strong> Systematik zur kontinuierlichen Verbesserung (KVP) zugrunde.<br />

78


nes Nutzens oder Mehrwertes in erster Linie für die Klientel aber auch für die übrigen relevanten<br />

Anspruchsgruppen und Kooperationspartner ausgerichtet sind. Hier kann man<br />

drei Kategorien unterscheiden: Die Klient/inn/en-Prozesse, Die Leistungserstellungsprozesse<br />

und die Leistungsinnovationsprozesse. Zu den Klient/inn/en-Prozessen zählen all<br />

die Aktivitäten, die mit Akquise und Kontaktaufnahme, Erstgesprächen, Anamnese und<br />

Diagnose, Kontaktpflege zu Kooperationspartnern (hier im Zusammenhang mit Akquise),<br />

Nachbereitung einer Betreuungsbeziehung und Vermittlung zu anderen Hilfeanbietern etc.<br />

zu tun haben. Die versierte Handhabung der ANHT würde zu einem fachlich höheren Niveau<br />

all dieser Tätigkeiten und damit auch zu einer entsprechend verbesserten, kompetenteren<br />

Außenwirkung führen. Die Leistungserstellungsprozesse sollen gewährleisten,<br />

dass den Klient/inn/en professionell und wirkungsvoll geholfen wird und die Leistungsinnovationsprozesse<br />

sollen zu einer systematischen Verbesserung der Leistungserstellungsprozesse<br />

zum Nutzen der Klient/inn/en führen. Die Implementierung der ANHT und<br />

die kontinuierliche Integration aller für das ABW relevanten Elemente de SPSA wären<br />

solche Innovationsprozesse.<br />

Die Kategorie der Unterstützungsprozesse umfasst die Bereitstellung der notwendigen<br />

Infrastruktur, die Beschaffung der nötigen Ressourcen und die Erbringung interner Dienstleistungen<br />

zur effektiven und effizienten Gewährleistung der Ausführungsprozesse. Hierzu<br />

gehören neben Prozessen zur internen und externen Kommunikation (auch Corporate<br />

Identity und Öffentlichkeitsarbeit), der Informationsbewältigung und der Infrastrukturbewirtschaftung<br />

– vor allem im Zusammenhang mit dem hier behandelten Thema – Prozesse<br />

der Personalarbeit und Bildungsarbeit. Zur Personalarbeit zählen die Entwicklung und<br />

die Beurteilung der MA und zur Bildungsarbeit die systematische Weiterqualifizierung der<br />

MA und der Ausbau einer förderlichen Lehr- und Lernkultur der Einrichtung. Personalarbeit<br />

und Bildungsarbeit im Zusammenhang mit der Einführung der ANHT in der KuK berühren<br />

unmittelbar Fragen der Organisationsgestaltung und -entwicklung.<br />

Wenn man in einer Einrichtung Veränderungen vornehmen will, indem man Änderungen<br />

an den Prozessen vornimmt, muss man zwangsläufig an die Gewachsenen Ordnungsmomente<br />

(Strategie, Struktur, Kultur) anknüpfen und kann nicht Top-Down in technizistischer<br />

Manier die Einrichtung „umkrempeln“. Im Grunde wird man an beiden Stellen parallel<br />

anknüpfen müssen. Zwischen den Ordnungsmomenten und den Prozessen besteht ein<br />

zirkulärer Wirkungszusammenhang und eine Wechselwirkung „weil Ordnungsmomente<br />

[…] immer sowohl Mittel (im Sinne von ‚Strukturierungshilfen‘) für geordnetes Alltagsgeschehen<br />

<strong>als</strong> auch Ergebnisse dieses organisationalen Alltagsgeschehens sind.“ (Rüegg-<br />

Stürm 2003, S. 79)<br />

79


2.5.8 Entwicklungsmodi<br />

Die Grundkategorie Entwicklungsmodi mit ihren beiden Aspekten Erneuerung und Optimierung<br />

betrifft die Notwendigkeit von Organisationen, auf sich verändernde Umweltbedingungen<br />

angemessen und rechtzeitig zu reagieren. Für den Sozialen Bereich sind in<br />

dieser Arbeit bereits wesentliche Bereiche des sozialen und gesellschaftlichen Wandels<br />

genannt worden, mit denen Soziale Einrichtungen umgehen müssen. Angesprochen sind<br />

hier wiederum Fragen der Organisationsgestaltung und -entwicklung, der Personalentwicklung<br />

und der grundsätzlichen Lernbereitschaft und -fähigkeit in und von Sozialen Einrichtungen<br />

(organisationales Lernen).<br />

Was den organisationalen Wandel betrifft unterscheidet das neue St. Galler Management-<br />

Modell zwischen Optimierung und Erneuerung. Diese Unterscheidung entspricht der zwischen<br />

einem Wandel erster Ordnung gegenüber dem Wandel zweiter Ordnung<br />

(Watzlawick, Weakland und Fisch 1992) oder dem Single-loop-Learning gegenüber dem<br />

Double-loop-Learning (Argyris und Schön 2008). In der Entwicklung von Einrichtungen<br />

wechseln sich in der Regel Phasen von evolutionären, inkrementalen Änderungen im Sinne<br />

eines „Finetunigs“ mit revolutionären und radikalen Phasen der grundlegenden Erneuerung<br />

ab. Analog zu der erwähnten zirkulären Wechselwirkung von Prozessen und Ordnungsmomenten<br />

wäre hier auch das Change Modell von Kurt Lewin zu nennen, das den<br />

Phasenwechsel zwischen Optimierung und Erneuerung mit den Termini Unfreezing, Moving<br />

und Refreezing erklärt: Beim Unfreezing wird das bestehende Gleichgewicht erschüttert<br />

(Erneuerung) und dadurch die Bereitschaft der MA zur Veränderung „provoziert“. Auslöser<br />

können extern induzierte Krisen oder interne Einsichten in einen Änderungsbedarf<br />

sein. In der Phase des Moving werden Strukturen verändert und neue Verhaltensweisen<br />

eingeübt und man bewegt sich allmählich wieder in die Richtung eines neuen Gleichgewichtszustandes.<br />

Refreezing meint dann die Stabilisierung eines neuen Gleichgewichtes:<br />

Neue Strukturen und Verhaltensweisen werden <strong>als</strong> regelhaft akzeptiert und es werden nur<br />

noch Optimierungen vorgenommen (vgl. Ridder 2009, S. 166).<br />

Von einer Erneuerung kann gesprochen werden, wenn anhand von normativen und strategischen<br />

Entwicklungsprozessen das kollektive Selbstverständnis, die gemeinsame Identität<br />

und der gemeinsame Sinnhorizont der MA spürbar tangiert wird und aus diesen Prozessen<br />

neue Diskurse, sowie Denk- und Deutungsmuster entstehen. Der Versuch, den<br />

MA des ABW in der KuK zu einer professionellen Herangehensweise im Sinne des SPSA<br />

durch die Einführung der ANHT zu verhelfen stellt in diesem Bereich eine grundlegende<br />

Änderung dar, die für nicht wenige MA mit der Aneignung grundlegend neuer Fähigkeiten<br />

verbunden ist. Die Entwicklung neuer kollektiver und damit auch individueller Fähigkeiten<br />

der MA steht in Verbindung mit der Herausbildung neuer organisationaler Routinen. Das<br />

80


edeutet, dass eine Erneuerung einen strategischen Wandel voraussetzt, der zum Aufbau<br />

neuer Kernkompetenzen führt. Erneuerung hat somit mehr oder weniger starke Auswirkungen<br />

auf und steht in Wechselbeziehung zu allen anderen Grundkategorien des neuen<br />

St. Galler Management-Modells.<br />

2.6 Professionalisierung <strong>als</strong> Aufgabe des Managements<br />

2.6.1 Vorüberlegungen<br />

Nach der Darstellung des neuen St. Galler Managementmodells <strong>als</strong> Metamodell und Orientierungsrahmen<br />

für die angestrebten Veränderungen in der KuK werden nun beispielhaft<br />

zwei spezielle Handlungstheorien vorgestellt, die dem Verfasser für die methodische<br />

Umsetzung der Implementierung der ANHT im Arbeitsbereich ABW der KuK besonders<br />

geeignet erscheinen. Es handelt sich um das Organisationale Lernen 36 und das Führen<br />

durch Zielvereinbarungen (FdZ).<br />

Ein naheliegender Anlass für die folgenden Überlegungen zur Verbesserung der Lernfähigkeit<br />

innerhalb der KuK unter Einbeziehung der Methode FdZ ist die Implementierung<br />

der ANHT. Dabei soll an die bisherigen Bemühungen um strukturelle Anpassungen und<br />

Verbesserungen, deren Notwendigkeit sich aus der geschilderten Entwicklung der KuK<br />

ergeben hatte, angeknüpft werden. Diese Bemühungen waren bisher eng verknüpft mit<br />

dem Aufbau eines QMS. Dabei muss künftig, im Zusammenhang mit den notwendigen<br />

Reflexionen zum SPSA, darauf geachtet werden, dass fachlich-professionelle Aspekte<br />

Vorrang haben:<br />

„Bei allen Fragen der Qualität in der Sozialen Arbeit ist darauf zu achten, […] die Mitarbeitenden<br />

in Einrichtungen und Unternehmen in die Entwicklung fachlicher Verfahren einzubeziehen, sie<br />

dafür zu qualifizieren sowie die Definition von Qualität nicht an den verknappten Ressourcen alleine<br />

auszurichten. Bei der Wahl von Methoden zur Realisierung von Qualitätsmanagement<br />

muss immer betrachtet werden, inwiefern diese die fachliche Reflexion der geleisteten Arbeit<br />

unterstützen, die Zuverlässigkeit und Klientenorientierung gewährleisten und den Blick auf die<br />

sozialrechtlichen, sozialräumlichen und sozialpolitischen Rahmensetzungen nicht vernebeln.“<br />

(Vomberg 2010, S. 24; Hervorh. J.W.)<br />

Ein QMS nach DIN EN ISO 9001:2008 beinhaltet Elemente und Grundsätze, die sowohl<br />

mit den Voraussetzungen für eine lernfähige Organisation <strong>als</strong> auch mit denen eines FdZ<br />

korrelieren. Der DIN-Norm liegt beispielsweise auf allen Ebenen der auf William Edwards<br />

Deming zurückgehende iterative PDCA-Zyklus <strong>als</strong> Systematik zur kontinuierlichen Verbesserung<br />

(KVP) zugrunde.<br />

36 Genau genommen gibt es mehrere Theorien des organisationalen Lernens, aus denen aber für den hier interessierenden<br />

Zweck sozusagen das Prinzip, das den unterschiedlichen Ansätzen zugrunde liegt, herausdestilliert werden soll, und<br />

gleichsam <strong>als</strong> einzelner Ansatz behandelt werden soll.<br />

81


„Unter dem Aspekt der stetigen Weiterentwicklung muss das Qualitätsmanagementsystem so<br />

angelegt sein, dass es selbstreflexive Prozesse für die gesamten organisationsentwicklerischen<br />

Bezüge auf sozialarbeiterisch-fachlicher Basis beinhaltet. […] Qualitätsmanagement hilft einem<br />

solchen […] Verständnis von Qualität und Professionalität dabei, Routinen zu entwickeln, die<br />

die Wirksamkeit des personalen Handelns reflektieren und praktisches Handeln habitualisieren.<br />

Einen Einfluss auf die Qualität des pädagogischen Wissens und Könnens von Fachkräften hat<br />

es insofern, <strong>als</strong> es Mechanismen vorsehen kann, die Defizite diagnostizieren helfen und Abhilfe<br />

einleiten können.“ (Vomberg 2010, S. 34-35; Hervorh. J.W.)<br />

So ist es naheliegend bei der Aufnahme und Beschreibung der Ausführungsprozesse im<br />

ABW die Struktur der ANHT in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen. Die Entwicklung<br />

der Ausführungsprozesse geschieht bei der KuK in Projektgruppenarbeit; dieses<br />

Vorgehen eröffnet gute Möglichkeiten für die beteiligten MA, sich mit den fachlichprofessionellen<br />

Implikationen der ANHT auseinanderzusetzen. Des Weiteren fordert die<br />

ISO-Norm, u. a. anhand der Implementierung von Qualitätszielen, eine entsprechend zielgerichtete<br />

Ausrichtung aller relevanten Prozesse und Abläufe. Insbesondere in der DIN<br />

EN ISO 9004:2009, die <strong>als</strong> Leitfaden zur Verbesserung der Wirksamkeit und Effizienz des<br />

QMS dienen soll, wird die Relevanz der Zufriedenstellung aller relevanten Anspruchsgruppen<br />

und Kooperationspartner hervorgehoben. Hier wiederum liegt eine Schnittstelle<br />

zu einer weiteren speziellen Handlungstheorie des Managements, des Marketings, das<br />

sich primär an den Bedürfnissen und Anforderungen des Marktes und damit der Anspruchsgruppen<br />

und Kooperationspartner ausrichtet. Unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit<br />

einer kontinuierlichen Verbesserung auch bei der Marktausrichtung führt Harald<br />

Christa aus:<br />

„Diese Leitidee korrespondiert stark mit den Maßgaben des Qualitätsmanagements wie Fehlerfreiheit,<br />

optimale Prozessgestaltung, Integration von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität.<br />

Die Perspektive des Marketings verweist jedoch in besonderem Maße auf das Gebot der optimalen<br />

Kundenausrichtung von organisationalen Prozessen und Hervorbringungen.“ (Christa<br />

2010, S. 23)<br />

Als illustratives Beispiel und Anlass sowohl für die lernende Überwindung von Diskrepanzen<br />

zwischen proklamierten Leitideen (Leitbild) einerseits und von den MA gelebtem Verhalten<br />

andererseits soll im Folgenden das aus dem Bereich der Marketinglehre stammende<br />

Konzept des Corporate Behaviour dienen. Im Zusammenhang damit wird zudem<br />

nochm<strong>als</strong> auf das Leitbild der KuK hingewiesen, das im Zuge der QMS-Implementierung<br />

entstanden ist und eine wesentliche Rolle für die Einführung des FdZ spielt. Im Fokus<br />

stehen somit der Umgang mit und die Überwindung von Diskrepanzen im Spannungsfeld<br />

von individueller MA- und Organisationsebene, hier besonders in Bezug auf vorhandene<br />

oder nicht vorhandene Professionalität.<br />

82


2.6.2 Organisationales Lernen<br />

„Lernen wird oft <strong>als</strong> Verhaltensänderung begriffen, die <strong>als</strong> Reaktion des Organismus auf<br />

Umweltveränderungen entsteht.“ (Ridder 2009, S. 179) Ob Organisationsmitglieder – von<br />

der Führungsspitze bis zur Hilfskraft – in unterscheidlichen Ausmaß ein Interesse an der<br />

Veränderung ihrer Organisation haben oder dafür gewonnen werden können, hängt von<br />

der jeweils wahrgenommenen, von ihnen erwarteten Auftragserfüllung ab und ob sie<br />

dieser (noch) gerecht werden können.<br />

„Die Organisationsmitglieder sind […] mit Stakeholdern verbunden […], die von außerhalb (<strong>als</strong><br />

Finanz- und Auftraggeber, <strong>als</strong> Klientel und Öffentlichkeit) mit der Organisation eng verbunden<br />

sind und nicht vernachlässigt werden können. Somit gehen in die Interessen der<br />

Organisationsmitglieder eine Vielfalt von Interessen ein, die nicht nur persönlichen Wünschen<br />

entspringen, sondern eine Verarbeitung von erkannten Anforderungen und berechtigten<br />

Ansprüchen sind.“ (Wöhrle 2005, S. 75)<br />

Die Ansprüche der aus Organisationsperspektive maßgeblichen Anspruchsgruppen und<br />

Kooperationspartner fließen in der Regel in ein Leitbild ein und so verhält es sich auch mit<br />

dem Leitbild der KuK, das im Zusammenhang mit der QMS-Implementierung unter Einbeziehung<br />

aller MA entstanden ist. Das Leitbild enthält neben der Mission und den Werten<br />

der Einrichtung auch normative Ziele, von denen wiederum über den Weg der Qualitätspolitik<br />

die Qualitätsziele abgeleitet werden müssen, die sich auf der Ebene von strategischen<br />

Zielen befinden. Eine Qualitätspolitische Aussage, die sich aus der Leitbildformulierungen:<br />

„Wir achten auf hohe Fachkompetenz und Qualität unserer Hilfen. […] Wir fördern<br />

die Professionalität […] unserer Mitarbeiter.“ (Kontakt- und Krisenhilfe 2012, S. 3) ableiten<br />

ließe, könnte etwa lauten: „Unsere Aufmerksamkeit und unser Bestreben <strong>als</strong> lernfähige<br />

Organisation sind auf eine Weiterentwicklung unserer Gesamtleistung und -wirkung ausgerichtet.<br />

Wir sorgen für eine systematische Professionalisierung unserer Mitarbeiter und<br />

unserer Gesamteinrichtung.“ Ein daraus abgeleitetes Qualitätsziel wäre: „Wir führen zunächst<br />

im Arbeitsbereich des Ambulant Betreuten Wohnens bis zum … die Allgemeine<br />

Normative Handlungstheorie inklusive der Systemischen Denkfigur ein.“ Dann müssten<br />

noch entsprechende Aussagen darüber getroffen werden, wie dieses Ziel erreicht werden<br />

soll und woran man die Zielerreichung feststellen will (Kennzahlen bzw. -größen).<br />

Die Lernfähigkeit einer Einrichtung ist u. a. dann gefragt, wenn Reden und Handeln einer<br />

Vielzahl von MA einerseits und proklamierte Ziele andererseits auseinanderfallen, sich<br />

widersprechen oder eine solche Entwicklung droht.<br />

„[W]ährend auf der Ebene des ‚talk‛ eine symbolische Integration der Erwartungen der Umwelt<br />

vollzogen wird, kann auf der Ebene des ‚action‛ in einer abgestuften Widersprüchlichkeit des<br />

Handelns eine praktische Distanzierung von den institutionalisierten Erwartungen erfolgen […].<br />

[…] ‚Diskrepanzerfahrungen‛ entstehen bei den Organisationsmitgliedern dann, wenn sie eine<br />

Spannung zwischen dem vorhandenen Zustand (den vermeintlichen Gegebenheiten) einer Or-<br />

83


ganisation und einem von ihnen <strong>als</strong> Soll definierten Zustand in der Organisation wahrnehmen<br />

und wenn diese Wahrnehmung <strong>als</strong> so störend empfunden wird, dass die Spannung zu Veränderungswünschen<br />

führt.“ (Merchel 2005, S. 18-19)<br />

Lernen kann in diesem Zusammenhang bedeuten, dass wenn nur einige<br />

Organisationsmitlglieder die Diskrepanzen wahrnehmen und den Wunsch nach<br />

Veränderung verspüren, Möglichkeiten gefunden werden müssen, den anderen zu der<br />

entsprechenden Wahrnehmungsfähigkeit zu verhelfen. Aus der systemischen<br />

Organisationsberatung stammt der Begriff der Irritationen von operationell geschlossenen<br />

Systemen (vgl. Gairing 2008, S. 184-185). Durch Routine verfestigte Handlungsmuster,<br />

Denkweisen und andere Aspekte der Organisationsstrukturen und -kultur sind häufig<br />

schwer durch rein sachlogische Argumente zu erschüttern. Eine mögliche<br />

Vorgehensweise in der KuK wäre es, an die bestehenden Unsicherheiten und<br />

Unzufriedenheiten im Arbeitsalltag mit den Klient/inn/en anzuknüpfen und einen<br />

Zusammenhang mit dem bisherigen professionellen Selbstverständnis der betreffenden<br />

MA herzustellen bzw. Reflexionen zu einem solchen Zusammenhang anzuregen – oder<br />

zu provozieren.<br />

Die hier angesprochenen Diskrepanzerfahrungen werden in den Untersuchungen von<br />

Chris Argyris und Donald A. Schön zur lernenden Organisation auf die Begriffe der<br />

„Espoused Theories“ („vertretene“ Theorien) und „Theories-in-Use“ („handlungsleitende“<br />

Theorien) gebracht (vgl. Argyris und Schön 2008, S. 87 ff. und Ridder 2009, S. 186 ff.).<br />

Auch zahlreiche andere Autoren haben dieses Denkmodell übernommen. So spricht Peter<br />

M. Senge im Zusammenhang mit der von ihm so genannten „Disziplin der mentalen<br />

Modelle“ von „verlautbarter versus praktizierter Theorie“: „Lernen führt letzten Endes zu<br />

einem veränderten Verhalten, und eine grundlegende reflexive Fähigkeit besteht darin,<br />

Lücken zwischen dem, was wir sagen und dem, was wir tun <strong>als</strong> Vehikel zu nutzen, um<br />

bewusster zu werden.“ (Senge 2011, S. 209) Senge empfiehlt Organisationen die<br />

Förderung von „Reflexionsfertigkeiten“ und „Erkundungsfertigkeiten“ der MA 37 :<br />

„[…] das Erkennen der Unterschiede zwischen den verlautbarten Theorien (das, was man sagt)<br />

und den praktizierten Theorien (die dem Handeln zugrunde liegende Theorie), das Erkennen<br />

von ‚Abstraktionssprüngen‛ (zu bemerken, wenn man seine Beobachtungen verallgemeinert),<br />

das Offenlegen der sogenannten ‚linken Spalte‛ (dass man ausspricht, was man normalerweise<br />

verschweigt […]), das Gleichgewicht von Erkunden und den eigenen Standpunkt vertreten<br />

(Fertigkeiten für eine ehrliche Untersuchung).“ (Senge 2011, S. 207)<br />

Im Wesentlichen geht es dabei darum – um die Begrifflichkeiten von Argyris und Schön<br />

bzw. Bateson wieder aufzugreifen – von einem meistenteils im Organisationsalltag am<br />

ehesten praktizierten „Single-loop-Learning“ zu einem „Double-loop-Learning“ oder gar<br />

37 Vgl. dazu auch die Ausführungen von Staub-Bernasconi zu „dem Reflektierenden Praktiker/der reflektierenden Praktikerin“<br />

(Staub-Bernasconi 2009, S. 37-38)<br />

84


„Deutero-Learning“ (vgl. Ridder 2009, S.187 ff.) zu gelangen. Das auf operative<br />

Anpassungen abzielende<br />

„Single-loop-Learning (‚Einkreislernen‛) basiert auf der Vorstellung eines (sozialen)<br />

Regelkreises. Innerhalb eines festgelegten Bezugsrahmens, der vor allem die Definition des<br />

‚richtigen‛ Systemzustandes (Sollzustand) enthält, werden allfällige Abweichungen registiriert<br />

und korrigiert. Die Definition des ‚richtigen‛ Systemzustandes wird mit der – schon erwähnten –<br />

kollektiven Handlungstheorie (‚theory-in-use‛) geleistet; den Sollzustand aufrechtzuerhalten in<br />

einer sich ständig verändenden Umwelt, ist das eigentliche Ziel des ‚Einkreislernens‛.“<br />

(Schreyögg 2008, S. 445)<br />

Einkreis- oder auch Anpassungslernen findet in der KuK z. B. im Zusammenhang mit<br />

Team-Besprechungen, kollegialer Beratung und teilweise auch in Supervisionssitzungen<br />

statt. Die handlungsleitenden Theorien setzen sich dabei aus einer Kombination von<br />

Elementen gewachsener Einrichtungskultur, Alltagstheorien und fragmentarischen<br />

Wissensbeständen aus Ausbildungen und Fortbildungen zusammen.<br />

Auf einer formal höheren Ebene des Lernens ist das Double-loop-Learning angesiedelt.<br />

Hier geht es darum, über die Gültigkeit und Zweckmäßigkeit der der kollektiven<br />

Handlungstheorie zugrundeliegenden Ziele, Werte und Normen zu reflektieren und diese<br />

gegebenenfalls zu verändern: „Die (formale) Höherrangigkeit des Zweikreislernens wird<br />

dadurch deutlich, dass im Rahmen dieser Lernprozesse der Kontext für Prozesse des<br />

Single-loop-Learnings geändert wird.“ (Schreyögg 2008, S. 446; Hervorh. J.W.) Ein neuer<br />

Kontext in der KuK wäre die Einführung der ANHT in das ABW und darauf aufbauend die<br />

weiteren Elemente des SPSA.<br />

Beim Deutero-Lerarnig geht es schließlich darum, auf die Erfahrungen mit Single- und<br />

Double-loop-Lernprozessen zurückzugreifen, diese auf einer Metaebene zu reflektieren<br />

und im Sinne eines „Lernen lernens“ <strong>als</strong> Organisation auf Dauer entwicklungs- und<br />

lernfähig zu bleiben: „Deutero-Lernen soll […] verhindern helfen, dass organisationales<br />

Lernen lediglich <strong>als</strong> Abfolge einzelner Episoden ohne Zusammenhang im alltäglichen<br />

Handeln begriffen wird. Es soll aber auch sicherstellen, dass sich Organisationen<br />

kontinuierlich lernbereit halten.“ (Schreyögg 2008, S. 447; Hervorh. J.W.)<br />

Joachim Merchel versteht unter lernfähigen Organisationen solche, die sich zum Lernen<br />

qualifizieren und von dieser Qalifikation relativ kontinuierlich Gebrauch machen. Dies sei<br />

„angemessener mit dem Begriff der ‚Lernfähigkeit‛ gekennzeichnet <strong>als</strong> mit der<br />

Beschreibung, dass Organisationen sich in einem Lernprozess befinden (‚lernende<br />

Organisation‛).“ (Merchel 2005, S. 143-144) Um lernfähig zu werden und zu bleiben ist es<br />

für Einrichtungen erforderlich<br />

85


„[…] dass sie die Wirkungen der individuellen Lernprozesse nicht allein dem Zufall überlassen,<br />

sondern bestrebt sind, die individuellen Lernprozesse und Lernergebnisse aufeinandner zu<br />

beziehen und in prozessual verankerten, <strong>als</strong>o institutionalisierten Verfahren Lernprozesse zu<br />

initiieren, die die gesamte Organisation erfassen und die mehr sind <strong>als</strong> die Summe der jeweils<br />

individuellen Lernvorgänge.“ (ebd., S. 147)<br />

Als Voraussetzungen für die Lernfähigkeit von Organisationen müssen individuelle<br />

Lernvorgänge und organisationale Ebene verknüpft werden, regelmäßige individuelle und<br />

kollektive Reflexionsanlässe und -räume geschaffen werden und für eine kontinuierliche<br />

oder periodisch geregelte Wissensaufnahme, -weitergabe und -reflexion gesorgt werden<br />

(vgl. ebd, S.147 ff.).<br />

„Leitung muss <strong>als</strong>o beides gleichermaßen in den Blick nehmen: das Schaffen von Orten<br />

innerhalb der Organisationen, an denen Reflexion stattfinden kann und an denen Reflexion<br />

herausgefordert wird, und das Erzeugen eines reflexionsfördernden Organisationsklimas, das<br />

die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die zur Verfügung gestellten Orte auch für produktives<br />

Lernen genutzt werden.“ (ebd., S. 166)<br />

Diese Aussagen betreffen die erwähnte Wechselwirkung zwischen den Kategorien der<br />

Prozesse und denen der Ordnungsmomente. Hier sind einerseits besonders die durch<br />

strategische Entscheidungen initiierten Managmentprozesse (operative<br />

Führungsprozesse) und Unterstützungsprozesse (der Personal- und Bildungsarbeit)<br />

angesprochen, deren Modifikation sich auf die Einrichtungskultur und die Strukturen<br />

auswirkt und andererseits muss auch auf letztere eingewirkt werden, damit diese auf die<br />

Prozessebene zurückwirken können.<br />

Hier rückt nochm<strong>als</strong> der Zusammenhang zwischen der Etablierung einer organisationalen<br />

Lernfähigkeit und der Implementierung eines QMS in den Blick: Lernorte, Lernanlässe<br />

und Reflexionsräume sind in diesem Zusammenhang beispielsweise Projektgruppen zum<br />

Aufnehmen und Beschreiben von Kernprozessen, Qualitätszirkel, Anregungen aus dem<br />

Beschwerdemanangement, Anregungen aus MA-Umfragen etc.<br />

Für die ABW-Teams der KuK sind <strong>als</strong> fester Team-Top „Leitbildimpulse“ in der<br />

Vorbereitung, die Anlass zur Reflexion über Diskrepanzen zwischen der Espoused<br />

Theorie des Leitbildes und den Theories-in-Use der MA geben sollen. Dieser Versuch<br />

knüpft an das kommunikationspolitische Marketinginstrument des Corporate Behaviour an<br />

(vgl. Christa 2010, S. 272 ff.), bei dem es in erster Linie darum geht, ob es gelingt, die<br />

proklamierten Werte, Normen und Ziele der Einrichtung glaubhaft durch die individuellen<br />

MA repräsentiert zu finden. Auch dies stellt eine Möglichkeit dar, für die erwähnten<br />

Irritationen bestehender Denk- und Handlungsmuster zu sorgen.<br />

Bezug nehmend auf die von Senge beschriebene Kerndisziplin einer lernfähigen<br />

Organisation, der „Personal Mastery“, führt Merchel aus:<br />

86


„Da Organisationen von der Lernfähigkeit der in ihr wirkenden Individuen abhängig sind,<br />

müssen sie sich um das persönlichkeitsbezogene ‚Wachstum ihrer Mitglieder‛ kümmern.<br />

Lernfähige Organisationen veranlassen ihre Mitarbeiter, ihre persönlichen Kompetenzen zu<br />

verbessern, eigene Ziele zu entwickeln und sie in den Zusammenhang der Organisation<br />

einzubringen, für den Gesamtzusammenhang der Organisation eigenes Lernen zu<br />

intensivieren.“ (Merchel 2005, S. 158; Hervorh. J.W.)<br />

Der Zusammenhang zwischen Lernfähigkeit und Orientierung klingt hier bereits an und<br />

führt zu den Überlegungen, inwiefern die Methode FdZ ergänzend zu den genannten<br />

Lernanlässen und Reflexionsräumen zu einer Lernfähigkeit der Organisation über den<br />

Weg der individuellen MA beitragen kann. Die Aussage „Lernen benötigt eine Richtung.“<br />

(Wöhrle 2005, S. 60) markiert die entscheidende Schnittstelle zum FdZ, denn<br />

„Organisationales Lernen ist […] eine ökonomische Metapher, mit deren Hilfe geprüft<br />

wird, ob Verhalten geändert wird und Wissen gespeichert werden kann, um<br />

Unternehmensziele zu verfolgen.“ (Ridder 2009, S. 182; Hervorh. J.W.)<br />

2.6.3 Führen durch Zielvereinbarungen<br />

FdZ ist ein partizipativer Leitungsmodus, der sich besonders anbietet<br />

„[…] wenn Organisationen weniger Routineaufgaben, sondern zu einem erheblichen Anteil<br />

komplexe Aufgaben zu bewältigen haben und wenn in der Organisation ein hoher Anteil von<br />

qualifizierten Mitarbeitern mit einem professionellen Selbstbewusstsein 38 tätig ist.“ (Merchel<br />

2005, S. 94)<br />

Beides trifft im Arbeitsbereich ABW der KuK zu. Die Umstände der komplexen und individuellen<br />

Aufgabenbewältigung wurden unter dem Gliederungspunkt 2.3.1 bereits genannt.<br />

Die wesentlichen Prinzipien des FdZ sind:<br />

<br />

<br />

<br />

Die Ableitung von individuellen MA-Zielen aus übergeordneten Zielen,<br />

eine Zielkaskadierung von Normativen Zielen an der Spitze (z. B. Leitbild) über<br />

Grundsatzziele (z. B. Qualitätspolitik), Strategische Ziele (z. B. Qualitätsziele), Bereichsziele,<br />

Teamziele bis hinunter zu individuellen MA-Zielen und<br />

eine vertikale (Zweck-Mittel-Beziehung) und horizontale (Widerspruchsfreiheit)<br />

Abstimmung der Ziele miteinander (vgl. Watzka 2011, S. 26 ff.).<br />

38 Das freilich – um es nochm<strong>als</strong> zu betonen – irritiert werden muss.<br />

87


Diesen Prinzipien folgend, lassen sich die Phasen von Zielvereinbarungsprozessen grafisch<br />

wie folgt darstellen:<br />

Abbildung 18: Phasenschema des MbO. (Watzka 2011, S. 34)<br />

Es fällt auf, dass auch FdZ-Prozesse sich <strong>als</strong> Zyklen erweisen, ähnlich dem PDCA-<br />

Zyklus, somit ebenfalls iterative Prozesse darstellen und daher an die mit dem QMS verbundenen<br />

Bestrebungen, einen Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) zu etablieren,<br />

anschlussfähig sind.<br />

Der erstm<strong>als</strong> 1954 von Peter Drucker eingeführte und ab 1965 von George S. Odiorne<br />

popularisierte Leitungsmodus (vgl. Staehle 1999, S. 852) erfordert, „[…] Aufgaben- und<br />

Beziehungsorientierung integrativ zu sehen und sowohl betriebliche <strong>als</strong> auch individuelle<br />

Ziele gemeinsam zu optimieren.“ (Staehle 1999, S. 853) Dabei kann man in Sozialen<br />

Einrichtungen von einer Dominanz der Sachziele ausgehen, da primär keine<br />

Gewinnerzielung intendiert wird, sondern vielmehr die möglichst optimale und<br />

ausgewogene Bedarfsdeckung der Klientel und der Anspruchsgruppen und<br />

Kooperationspartner (vgl. Stoll 2008, S. 25). Hinsichtlich der Zielarten bietet sich<br />

beispielsweise folgende Differenzierung an:<br />

<br />

<br />

Oberziele in Gestalt des Leitbildes, der Qualitätspolitik und der Qualitätsziele., wie<br />

bereits beschrieben.<br />

Leistungswirkungsziele, die die intendierten Wirkungen der angebotenen Dienstleistungen<br />

auf die Klient/inn/en und Anspruchsgruppen/Kooperationspartner for-<br />

88


mulieren und sich auf Zustands- und Verhaltensänderungen beziehen. Während<br />

es bei den Klient/inn/en z. B. um „Verhinderung, Linderung oder Lösung ihrer konkreten<br />

Sozialen Probleme“ oder „Normalisierung der Lebensverhältnisse“ gehen<br />

kann, könnte eine erhöhte Spendenbereitschaft bei potentiellen Geldgebern im<br />

Fokus stehen.<br />

Leistungserbringungsziele beziehen sich auf die fachliche Ausgestaltung der<br />

Dienstleistungen, <strong>als</strong>o z. B. auf die sichere Beherrschung der ANHT inklusive der<br />

SDF.<br />

Potentialziele sind Ziele im Hinblick auf die zur Dienstleistungserstellung benötigten<br />

Ressourcen. Dabei kann es sich auch um Fortbildungsbedarf einzelner MA<br />

oder MA-Gruppen handeln, z. B. hinsichtlich bezugswissenschaftlicher und/oder<br />

methodischer Inhalte im Rahmen des SPSA.<br />

Verfahrensziele sind eng verknüpft mit den Anforderungen eines QMS und nehmen<br />

in den Blick, wie prozessual unter Berücksichtigung der Ressourcen Anforderungen<br />

in Ergebnisse transferiert werden können.<br />

Formalziele schließlich sind in der Regel qualitativer Art und fokussieren z. B. die<br />

Forderungen nach Effizienz, Effektivität und Anpassungsfähigkeit (vgl. Stoll 2008,<br />

S. 25 ff.).<br />

Letztere Ausführungen weisen auch beim Leitungsmodus FdZ auf eine Verbindung zum<br />

QMS einerseits und zum Marketinginstrument des Corporate Behaviour andererseits hin.<br />

Um zugleich eine Orientierungs- und eine Motivationsfunktion für MA erfüllen zu können,<br />

die Transparenz innerhalb der Einrichtung zu erhöhen und die Leistungs- und Lernbereitschaft<br />

der MA zu erhöhen (vgl. Merchel 2010, S. 96) müssen die zwischen Leitungspersonen<br />

und MA ausgehandelten Ziele aufgrund eigener Bemühungen von den MA erreichbar<br />

sein (es muss <strong>als</strong>o immer der mögliche Einfluss Dritter mitbedacht werden), müssen<br />

Anforderungscharakter haben und eine Herausforderung darstellen (nicht über- oder unterfordern),<br />

müssen eindeutig und für die MA nachvollziehbar formuliert sein, müssen eine<br />

Auswertung zum Grad der Zielerreichung ermöglichen und die Vereinbarung von Zielen<br />

muss mit überschaubaren Zeiträumen verbunden sein. Bei der Zielformulierung kann man<br />

das aus QMS-Zusammenhängen bekannte Akronym S.M.A.R.T.H zu Hilfe nehmen, das<br />

besagt, dass Ziele spezifisch, messbar, akzeptabel/attraktiv, realistisch, terminiert und<br />

herausfordernd formuliert werden sollten (vgl. Merchel 2010, S. 101 ff.).<br />

Zielvereinbarungsgespräche bedürfen der schriftlichen Dokumentation mindestens jeweils<br />

am Anfang und am Ende eines Zielvereinbarungszyklus.<br />

89


„In idealtypischer Weise sind Zielvereinbarungen das schriftlich dokumentierte Ergebnis eines<br />

dialogischen Prozesses, in dem Ziele für einen Zeitraum definiert, Indikatoren für das Beurteilen<br />

des Grades der Zielerreichung benannt, Voraussetzungen für die Zielerreichung angegeben,<br />

genaue Anforderungen an die Unterstützung durch Leitung formuliert, Formen der Ergebniskontrolle<br />

vereinbart, sowie Zeitpunkt und Formen der Ergebniskontrolle (ggf. auch für ‚Zwischenbilanzen‛)<br />

bezeichnet werden.“ (Merchel 2010, S. 100-101)<br />

Insbesondere die Aspekte des dialogischen Charakters von Zielvereinbarungen und der<br />

Unterstützungsmöglichkeit durch Leitung legen eine Einbettung von Zielvereinbarungsgesprächen<br />

in MA-Entwicklungsgespräche nahe. Solche Gespräche bieten zudem die Möglichkeit,<br />

bereits vorhandenes Wissen und vorhandenen Kenntnisse relevanter Bezugswissenschaften<br />

und spezieller Handlungstheorien (Methoden) bei den einzelnen MA zu erheben<br />

und in der Folge für die übrigen MA fruchtbar zu machen.<br />

2.6.4 Verbindung von organisationaler Lernfähigkeit und FdZ<br />

FdZ im Rahmen von jährlichen MA-Entwicklungsgesprächen kann einer der für die Lernfähigkeit<br />

von Einrichtungen notwendigen Reflexionsräume darstellen: „Während die Alltagskommunikation<br />

auf operative Fragen ausgerichtet ist, bedarf es eines Ortes, an dem<br />

dabei vernachlässigte elementare Fragen des Verhältnisses von Individuum und Organisation<br />

zum Gegenstand von Kommunikation und Reflexion gemacht werden können.“<br />

(Merchel 2010, S. 85)<br />

FdZ, so die Überzeugung des Verfassers, birgt einerseits das Potenzial, ganz entscheidende<br />

Voraussetzungen für die Lernfähigkeit einer Einrichtung zu schaffen und andererseits<br />

den Leitungsverantwortlichen wichtige Informationen über Lern- und Entwicklungsbedarfe<br />

der MA zu liefern, aber auch Informationen über strukturelle Mängel in der Einrichtung<br />

bis hin zu Defiziten bei den formulierten Zielen der Organisation. Die genannte<br />

Voraussetzung eines reflexionsförderlichen Organisationsklimas beispielsweise hängt<br />

zusammen damit, ob es gelingt ein Grundklima von Vertrauen und Fehlerfreundlichkeit<br />

herzustellen und aufrecht zu erhalten. Fehlerfreundlichkeit bedeutet für die einzelnen MA<br />

das Vertrauen darin, dass individuelle Fehler in erster Linie zu gemeinsamen Überlegungen<br />

darüber führen, was insgesamt in der Einrichtung verbessert werden muss. In periodisch<br />

stattfindenden Zielvereinbarungsgesprächen können MA solche Erfahrungen machen,<br />

die sich dann positiv auf das Gesamtklima in der Einrichtung auswirken können. Bei<br />

der Vereinbarung persönlicher MA-Ziele werden wiederum die jeweils übergeordneten<br />

Ziele in der Einrichtung in den Blick genommen, was dazu führen kann, dass einerseits<br />

die MA sich mit dem Sinn und Zweck ihrer Organisation und näherhin auch mit der Bedeutung<br />

von Professionalität beschäftigen und andererseits die daraus abgeleiteten übergeordneten<br />

Ziele kritisch überprüft werden können.<br />

90


Im Arbeitsbereich des ABW der KuK lassen sich gegenwärtig bei MA Tendenzen feststellen,<br />

die zu den unter Gliederungspunkt 2.3.1 bereits genannten Gefahren führen können.<br />

Ein Grund dafür mag die recht sichere und komfortable Situation sein, in der sich MA und<br />

Gesamteinrichtung trotz der genannten Veränderungen derzeit befinden. Festgestellt<br />

werden können Tendenzen in Richtung auf ein mangelndes Qualitätsbewusstsein, eine<br />

eher diffuse Fachlichkeit und ein mangelndes Verständnis der Repräsentationsfunktion<br />

der einzelnen MA (Corporate Behaviour). In der operativen Arbeit lässt gelegentlich sowohl<br />

mangelnde Weitsicht <strong>als</strong> auch mangelnde Effizienz beobachten. Um die Lern- und<br />

Entwicklungsfähigkeit der KuK ausgehend von der individuellen MA-Ebene zu erhöhen<br />

„[…] sollte es üblich und für die Mitarbeiter selbst verständlich sein, dass regelmäßig über den<br />

Prozess der Zielerreichung reflektiert 39 wird. Gerade in der Sozialen Arbeit neigen Organisationen<br />

insbesondere dann, wenn ihr Bestand einigermaßen gesichert erscheint, dazu, angesichts<br />

der drängenden und vielfältigen Alltagsaktivitäten die Reflexion über ihren Auftrag und ihre Ziele<br />

und über mögliche Veränderungen in der durch die Umwelt vermittelten Auftragslage zu vernachlässigen.<br />

[…] Angesprochen ist hier der Bezug zwischen einem Leiten durch Zielvereinbarungen<br />

und dem Stand der Lernbereitschaft und Lernfähigkeit von Organisationen. “ (Merchel<br />

2010, S. 98-99)<br />

Reaktive Single-loop-Lernschleifen, die sich in Haltungen (bzw. Theories-in-Use) wie „Wir<br />

helfen psychisch Kranken spontan bei den dringenden Anliegen, die sie jeweils an uns<br />

herantragen.“ oder „Wir müssen Hilfepläne und Entwicklungsberichte für den Kostenträger<br />

schreiben.“ Ausdrücken, sollten sich mit Hilfe von Lern- und entwicklungsorientierten Zielvereinbarungsgesprächen<br />

in proaktive Double-loop-Lernschleifen transferieren lassen:<br />

„Wir entwickeln mit unseren Klienten in professioneller und systematischer Weise gemeinsam<br />

Ziele und unterstützen sie bei der Umsetzung.“, „Wir gehen partnerschaftlich mit<br />

unseren Anspruchsgruppen und Kooperationspartnern um und suchen gemeinsam nach<br />

Lösungen für unsere Klienten.“ und „Wir gehen dabei nach klar definierten und wissenschaftlich<br />

begründeten professionellen Gesichtspunkten vor.“ Darüber hinaus kann FdZ<br />

<strong>als</strong> Lernbedarfsanalyse fungieren und Aufschluss, etwa über Fortbildungsbedarfe liefern.<br />

Um FdZ zur Förderung der organisationalen Lernfähigkeit zu etablieren empfiehlt es sich<br />

darauf zu achten, dass die verschiedenen genannten Lern- und Reflexionsräume auf den<br />

diversen Organisationsebenen kommunikativ anschlussfähig gestaltet werden, um so eine<br />

fruchtbare Ergänzung und ein Wechselspiel zwischen eher individueller und eher organisationaler<br />

Lernfähigkeit gewährleisten zu können.<br />

39 Und im Zusammenhang damit muss auch über den Grad der Professionalisierung reflektiert werden.<br />

91


3. Schlussteil<br />

3.1 Möglichkeiten<br />

Die mit der Einführung des SPSA verbundenen Möglichkeiten im Sinne von Vorteilen und<br />

Chancen für die ABW-MA, die Klient/inn/en und die Zusammenarbeit mit den Anspruchsgruppen<br />

und Kooperationspartnern etc. sind bereits an vielen Stellen unter den vorangegangenen<br />

Gliederungspunkten herausgestellt worden.<br />

Was die Möglichkeiten im Sinne von Anlässen (externen Irritationen) betrifft, tatsächlich<br />

die MA und den Arbeitsbereich des ABW nachhaltig zu professionalisieren durch die Einführung<br />

der ANHT und sukzessive des SPSA, so gibt es zwei Vorhaben des Hauptkostenträgers<br />

LWL, deren Umsetzung in absehbarer Zeit zu erwarten ist.<br />

Unter dem Titel „Projekt: Teilhabe 2012 – Mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderungen<br />

– den wegen der demographischen Entwicklung unvermeidbaren Kostenanstieg<br />

dämpfen“ hat der Sozialausschuss des LWL<br />

„am 22.6.2009 das Projekt [mit besagtem Titel, J.W.] beschlossen. Ziel war es, spätestens im<br />

Jahre 2012 messbare Verbesserungen der Teilhabechancen für behinderte Menschen in Westfalen-Lippe<br />

im Bereich Wohnen erreicht zu haben. Da demographisch bedingt ein Fallzahlanstieg<br />

unvermeidbar ist, sollten Instrumente entwickelt werden, den zwingend zu erwartenden<br />

Kostenanstieg zu dämpfen. Als ein Instrument sollte die Hilfeplanung entwickelt werden. Am<br />

17.6.2010 hat der Sozialausschuss sodann Maßstäbe und Kriterien für das LWL-<br />

Bedarfsermittlungsverfahren beschlossen und die Verwaltung beauftragt, die praktische Anwendbarkeit<br />

dieser Maßstäbe und Kriterien in zwei Gebietskörperschaften, Paderborn und Hagen,<br />

zu entwickeln. Ziel war es, das Verfahren sodann schrittweise in ganz Westfalen-Lippe anzuwenden.<br />

Entwicklung und Einführung des veränderten Verfahrens sind extern […] evaluiert<br />

worden.“ (LWL 2012a; Hervorh. J.W.)<br />

Zusammengefasst hat der LWL ein neues Hilfeplanverfahren 40 entwickeln lassen und in<br />

den Testregionen jeweils zentrale Hilfeplaner/innen des LWL installiert. Das neue Verfahren<br />

ist so gedacht, dass Hilfebedürftige, die einen Antrag auf ABW stellen wollen, die Hilfepläne<br />

nicht mehr bei und mit den Hilfeanbietern erstellen, sondern direkt mit den Hilfeplaner/inne/n<br />

des LWL in Verbindung treten und mit diesen zusammen den gesamten<br />

Prozess vom Erstgespräch bis zur Genehmigung (oder Ablehnung) der Hilfe durchlaufen<br />

sollen. Die Hilfeplaner/innen sollen in diesem Rahmen auch maßgeblich über geeignete<br />

Hilfeanbieter mitentscheiden.<br />

Die Befürchtungen der KuK, anderer Hilfeanbieter und der mit dieser Problematik befassten<br />

Gremien der Wohlfahrtsverbände sind, dass die vom LWL ausdrücklich angestrebte<br />

40 Es ist an dieser Stelle erwähnenswert, dass auch die Instrumente der Bedarfsermittlung und der Hilfeplanung, die der<br />

KuK (und anderen Anbietern) bisher vom LWL vorgegeben werden, unter fachlich-professionellen Gesichtspunkten ein<br />

dürftiges Handwerkszeug darstellen und die Arbeit damit oft auch entsprechende Ergebnisse zeitigt.<br />

92


Kostendämpfung im Bereich des ABW entgegen anderslautender Beteuerungen die fachlich-professionellen<br />

Aspekte der Hilfebedarfsermittlung nachrangig (wenn überhaupt) behandeln<br />

werden.<br />

Da die Ergebnisse der begleitenden Forschung offenbar unbefriedigend ausgefallen sind,<br />

wird das Projekt in größerem Umfang zunächst bis 30.06.2015 weitergeführt werden (vgl.<br />

ebd.). Diese Zeit gilt es zu nutzen. Aufgrund der über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen<br />

und Kooperationen im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis wird es auch unter den beabsichtigten<br />

veränderten Bedingungen künftig so bleiben, dass Hilfebedürftige, die für das ABW<br />

in Frage kommen zunächst direkt oder durch Vermittlung bei der KuK um Beratung ersuchen<br />

werden. Ein Verfahren gemäß der ANHT inklusive der SDF würde es ermöglichen,<br />

mit den Hilfesuchenden ihren Hilfebedarf unter fachlich-professionellen Gesichtspunkten<br />

zu ermitteln und sie entsprechend auf die Gespräche mit dem/der LWL Hilfeplaner/in vorzubereiten.<br />

Es ist zudem vorgesehen, dass die Hilfebedürftigen jeweils Vertrauenspersonen<br />

ihrer Wahl zu den Gesprächen mitbringen dürfen, sodass eine professionelle Fachkraft<br />

die Gespräche begleiten könnte.<br />

Ein weiteres Vorhaben des LWL betrifft die Erprobung neuer Leistungselemente für den<br />

Bereich ABW bis zum 31.12.2013. Ziel ist es u. a., die bisherige Komplexleistung in der<br />

Form der Fachleistungsstunde aufzusplittern in originäre Leistungen des ABW einerseits<br />

und ein sogenanntes Leistungsmodul S (für serviceorientiert). Das Leistungsmodul S soll<br />

Hilfebedarfe abdecken, die nicht zur Verselbständigung der Hilfebedürftigen dienen, sondern<br />

„kompensatorisch“ sind. Diese Hilfebedarfe sollen mit einem wesentlich niedrigeren<br />

Stundensatz <strong>als</strong> dem der FLS vergütet werden und von Hilfskräften ohne spezifische<br />

Qualifikationen ausgeführt werden können (vgl. LWL 2012c).<br />

Obwohl der LWL beteuert, dass mit diesem Vorhaben die Zielgruppe der geistig<br />

behinderten Menschen anvisiert wird, kann man vor dem Hintergrund der forcierten<br />

Kosendämpfung im Bereich des ABW für psychisch behinderte Menschen skeptisch sein.<br />

In Verbindung mit dem geplanten neuen Bedarfsermittlungs- und Hilfeplanverfahren steht<br />

jedefalls zu befürchten, dass fachlich-professionelle Aspekte bei den Kostenträgern eine<br />

zunehmend untergeordnetere Rolle spielen werden. Ein weiterer Grund für die KuK <strong>als</strong><br />

Hilfeanbierer <strong>als</strong>o, eine professionelle Systematik der Hilfebedarfsermittlung und<br />

Hilfeplanung auf der Grundlage der ANHT zu entwickeln, um für die und mit den<br />

Klient/inn/en die benötigten Hilfen gut begründet, nachvollziehbar und möglichst<br />

unanfechtbar herauszuarbeiten und einfordern zu können.<br />

Möglichkeiten im Sinne von Ressourcen in der KuK wären aus der Sicht des Verfassers<br />

ebenfalls vorhanden und zu nutzen.<br />

93


Eine kürzlich vom Geschäftsführer der KuK duchgeführte Neuberechnung der von den<br />

MA im ABW anteilig der Regelarbeitszeit zu leistenden FLS hat ergeben, dass es in<br />

dieser Hinsicht Entlastungsmöglickeiten gibt. Durch die Einstellung zahlreicher neuer<br />

jüngerer MA in den letzten beiden Jahren, ist der Personalkostenanteil bei der KuK<br />

insgesamt gesunken, sodass eine Refinanzierung der Kosten im ABW derzeit mit einem<br />

FLS-Anteil von ca. noch 62 % gesichert wäre. Die durch die entsprechend geringeren<br />

Klient/inn/en-Kontakte der MA erreichten zeitlichen, psychischen und physischen<br />

Entlastungen könnten für die professionelle „Zurüstung“ gut genutzt werden. Verbindliche<br />

und professionelle Standards würden den MA mittel- bis langfristig zudem mehr<br />

Handlungssicherheit und damit weitere Entlastungen bieten und den Leitungskräften inund<br />

außerhalb von MA-Gesprächen ermöglichen, den MA begründetes Lob aussprechen<br />

zu können.<br />

Die bereits seit zwei Jahren umgesetzte Entscheidung, pro Jahr mindestens zwei interne<br />

(bis zu zweitägige) Inhouse-Fortbildungen anzubieten, könnte ebenfalls gut für die Einführung<br />

der ANHT genutzt werden. Voraussetzung in dem Zusammenhang wäre die Entwicklung<br />

einer entsprechenden Weiterbildungsplanung inklusive eines einrichtungsinternen<br />

Curriculums. Es müssten zunächst Einführungsveranstaltungen und Workshops für<br />

die MA angeboten werden, um die Abläufe und Implikationen der ANHT und der SDF<br />

kennenzulernen und einüben zu können. Für die Entwicklung der Planung und der Entsprechenden<br />

Inhalte würde sich der Verfasser dieser Arbeit anbieten, der auch schon im<br />

Zusammenhang mit der QM-Einführung einschlägige Erfahrungen gemacht hat und zudem<br />

mit dem SPSA vertraut ist. Mittel- bis langfristig können Inhouse-Veranstaltungen<br />

genutzt werden, um relevante Inhalte aus den Bereichen Methoden, Bezugswissenschaften<br />

und Metatheorien zu vermitteln. Zu diesem Zweck bietet es sich an, externe fachkundige<br />

Referent/inn/en einzuladen.<br />

Insgesamt bietet das SPSA Möglickeiten, die Inhalte von Fort- und Weiterbildungen,<br />

(sowohl von solchen, die einzelne MA absolviert haben <strong>als</strong> auch von einrichtungsinternen)<br />

in den professionellen Kontext sinnvoll einzubinden. Die durch Weiterbildung und<br />

Maßnahmen wie Leitbildimpuse in den Teamsitzungen hinzugewonnenen Erkenntnisse<br />

können zu abgestimmten professionellen Herangehensweisen führen, so dass bisher<br />

disparate Tätigkeiten und Herangehensweisen fachlich konsistent und kongruent in ein<br />

Modell professioneller Arbeit integriert werden und mannigfaltige relevante Informationen<br />

jedweder Art ebenfalls in den professionellen Kontext einbezogen werden können.<br />

Anstehende Aufgaben, wie die Entwicklung von Anforderungsprofilen im Rahmen eines<br />

FdZ, können anhand der Kriterien des SPSA zur Entwicklung professioneller Standards<br />

94


führen, die im Fall von Anforderungsprofilen abgestuft nach formaler Qualifikation<br />

und/oder Kompetenz der einzelnen MA gestaltet werden müssen.<br />

3.2 Grenzen<br />

Die Einführung von Professionalität an sich und zusätzlich noch anhand eines anspruchsvollen<br />

Modells wie des SPSA ist mit einem hohen zeitlichen und ressourcenzehrenden<br />

Aufwand verbunden. Es muss sich noch zeigen, ob es dem Verfasser gelingen kann, zunächst<br />

die Geschäftsführung, das Leitungsteam und den Vorstand von den in dieser Arbeit<br />

dargelegten Notwendigkeiten und Chancen eines solchen Unterfangens zu überzeugen.<br />

Neben den aufwändigen Maßnahmen und hohen Anforderungen, die die Einführung<br />

des SPSA und im Zusammenhang damit die Etablierung und Nutzung von Lern- und Reflexionsräumen<br />

in zeitlicher, ressourcenbezogener, methodisch-fachlicher und sozialer<br />

(hohe Kommunikationsbereitschaft und -fähigkeit der Führungspersonen) Hinsicht bedeutet,<br />

sei an dieser Stelle im Hinblick auf die MA besonders auf die Problematik der „Defensiven<br />

Routinen“ hingewiesen. Mit diesen hat der Verfasser trotz gegenläufiger Bemühungen<br />

bereits öfter im Vorfeld der Einführung neuer Ansätze in der KuK Bekanntschaft gemacht<br />

und folgendes erfahren:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Fehler und mangelnde Fachlichkeit werden übergangen, nicht angesprochen,<br />

nicht wahrgenommen und bleiben wegen nicht erfolgter Beschwerden oder Hinweise<br />

unentdeckt.<br />

Beschwerden oder andere Hinweise werden <strong>als</strong> „Nörgelei“ abgetan.<br />

Wünschenswerte Verhaltens- und Zustandsänderungen werden <strong>als</strong> störend („Das<br />

haben wir noch nie so gemacht!“), oder unnötig („Wir sind bisher auch so gut zurechtgekommen!“,<br />

„Wir sind alle Profis und haben viel Erfahrung!“) etc. etikettiert.<br />

Diskussion und Reflexion werden <strong>als</strong> „Zeitfresser“ betrachtet und <strong>als</strong> zusätzliche<br />

Arbeit.<br />

Zielgerichtete gemeinsame Bemühungen um erhöhte Lernfähigkeit und professionelle<br />

Standards werden <strong>als</strong> „Gleichmacherei“ und „Korsett“ empfunden, im Gegensatz<br />

zu „professioneller Autonomie“. Die MA fühlen sich gegängelt.<br />

Ausrichtung an den Bedürfnissen und Anforderungen der Anspruchsgruppen und<br />

Kooperationspartner wird <strong>als</strong> unangemessen empfunden bzw. die Bedeutung der<br />

eigenen Einrichtung und Arbeit wird <strong>als</strong> profilierter empfunden <strong>als</strong> die der anderen<br />

Beteiligten im Hilfesystem.<br />

Wenn man dazu noch eine systemtheoretisch-steuerungsskeptische Haltung einnimmt,<br />

mag man sich besinnen, dass nicht der Sender (Leitung) sondern der Empfänger (MA)<br />

den Inhalt der Botschaft (zielorientierte Förderung der Lernbereitschaft und Professionali-<br />

95


sierung) bestimmt. Man hat es <strong>als</strong>o bei aller Mühe aus Leitungssicht nur bis zu einem<br />

bestimmten Grad in der Hand, ob die beabsichtigten Botschaften bei den Empfängern auf<br />

Verständnis stoßen, Sympathie erwecken oder sogar die erwünschten Handlungsfolgen<br />

nach sich ziehen.<br />

Die Beschränkung eines <strong>als</strong> universell für die Soziale Arbeit konzipierten Modells wie des<br />

SPSA auf eine konkrete, spezialisierte Einrichtung kann natürlich auch mit guten Gründen<br />

bemängelt werden. Der Verfasser hofft allerdings deutlich gemacht zu haben, dass gerade<br />

für die von ihm beschriebene Soziale Einrichtung ein Professionalisierungsprozess, für<br />

den das SPSA die geeigneten Mittel bereithält, auf Dauer ggf. überlebensnotwendig sein<br />

kann. Es ist daher zweifelhaft, ob es sinnvoll ist darauf zu warten, bis sich die Fachvertreter<br />

der Sozialen Arbeit in Deutschland darauf verständigt haben, Vertreter einer Disziplin<br />

und einer Profession sein zu wollen und sich dies in entsprechenden Aus- und Weiterbildungen<br />

fruchtbar niederschlägt.<br />

3.3 Ausblick<br />

Trotz der genannten Schwierigkeiten und Grenzen erscheint dem Verfasser die Einführung<br />

des SPSA <strong>als</strong> Mittel zur Förderung der Lern- und Entwicklungsfähigkeit und der Professionalisierung<br />

in der KuK ein Unterfangen, das der Mühen wert ist. Die sich damit bietenden<br />

Chancen scheinen im Hinblick auf die langfristige Bestandsfähigkeit auf fachlichprofessionell<br />

hohem Niveau allein deswegen bestechend, weil:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

die professionell gehaltvolle Reflexion von MA über Ziele, Normen und Werte der<br />

KuK und der je eigenen Arbeit gefördert wird,<br />

die jeweils eigenen Theories-in-Use und deren langfristige Auswirkungen bewusst<br />

gemacht werden können und bei Diskrepanzen zur Espoused-Theorie gemeinsam<br />

nach Lösungen gesucht werden kann.<br />

Dies kann zu höherer Zufriedenheit der MA (durch Erschließen der Sinnhaftigkeit<br />

ihres Tuns und zunehmender professioneller Handlungssicherheit) und zu einem<br />

größeren Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Einrichtung führen.<br />

Alleine die gemeinsame Reflexion (erwachsen aus den individuellen Reflexionsprozessen)<br />

kann im Zusammenhang mit konkreten Kriterien für Professionalität<br />

auch in fachlich-qualitativer Hinsicht zu erweiterten Kompetenzen führen.<br />

Die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Einrichtung<br />

nach innen und außen kann erhöht werden.<br />

Die Erkennbarkeit (der spezifische „Charakter“) der KuK und die Abgrenzung von<br />

konkurrierenden Anbietern durch gelungene und inhaltlich „gedeckte“ Kommunikation<br />

wertgebundener Haltungen kann erhöht werden.<br />

96


Da die erwähnten Schwierigkeiten und Grenzen ohnehin bereits bei der Implementierung<br />

des QMS und überhaupt allen Veränderungsversuchen in Erscheinung treten und aus<br />

Sicht des Verfassers zumindest partiell durch Beharrlichkeit, Ausdauer und Lernfähigkeit<br />

– auch gerade der Leitungspersonen selbst – gelöst werden können, erscheint es durchaus<br />

<strong>als</strong> sinnvoll, zunächst mindestens die ANHT inklusive der SDF (im Sinne von „Kleine<br />

Brötchen backen.“) <strong>als</strong> Ansatz zur fachlich-professionellen Weiterentwicklung in die laufenden<br />

Bemühungen mit einzubeziehen.<br />

In diesem Sinne schließt der Verfasser mit Erich Kästner:<br />

"Es gibt nichts Gutes / außer: Man tut es."<br />

97


Literatur- und Quellenverzeichnis<br />

Argyris, Chris und Donald A. Schön: Die lernende Organisation. Grundlagen, Methoden,<br />

Praxis. 3. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, 2008.<br />

Becker-Lenz, Roland, Stefan Busse, Gudrun Ehlert und Silke Müller: Professionalität in<br />

der Sozialen Arbeit. Standpunkte, Kontroversen, Perspektiven. 2. Auflage.<br />

Wiesbaden: VS-Verlag, 2009.<br />

Bleicher, Knut: Das Konzept Integriertes Management. Visionen - Missionen -<br />

Programme. 8., überarbeitete und erweiterte Auflage. Frankfurt am Main: Campus<br />

Verlag, 2011.<br />

Boeßenecker, Karl-Heinz: Soziale Berufe. In: Lehrbuch der Sozialwirtschaft. Herausgeber:<br />

Ulli Arnold und Bernd Maelicke. Baden-Baden: Nomos-Verlag, 2009.<br />

Boeßenecker, Karl-Heinz und Andreas Markert: Studienführer Sozialmanagment.<br />

Studienangebote in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Befunde - Analysen<br />

- Perspektiven. 2. Auflage. Baden-Baden: Nomos-Verlag, 2011.<br />

Brinkmann, Volker: Sozialwirtschaft. Grundlagen - Modelle - Finanzierung. Wiesbaden:<br />

Gabler Verlag, 2010.<br />

Bunge, Mario und Martin Mahner: Über die Natur der Dinge. Materialismus und<br />

Wissenschaft. Stuttgart: S. Hirzel Verlag, 2004.<br />

Bürgisser, Herbert, Christoph Buerkli, Jürgen Stremlow, Oliver Kessler und Fernanda<br />

Benz: Skizze eines systemischen Management-Modells. In: Auf der Suche nach<br />

Sozialmanagementkonzepten und Managementkonzepten für und in der<br />

Sozialwirtschaft. Herausgeber: Armin Wöhrle. Bd. 2. 3 Bde. Augsburg: Ziel-Verlag,<br />

2012.<br />

Christa, Harald: Sozialmanagement. In: Fachlexikon der sozialen Arbeit. Herausgeber:<br />

Deutscher Verein. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2011.<br />

Ders.: Grundwissen Sozio-Marketing. Konzeptionelle und strategische Grundlagen für<br />

soziale Organisationen. Wiesbaden: VS-Verlag, 2010<br />

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (Hrsg.): Fachlexikon der Sozialen<br />

Arbeit. 7. völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Baden-Baden: Nomos<br />

Verlagsgesellschaft, 2011.<br />

98


Engelke, Ernst, Christian Spatscheck und Stefan Borrmann: Die Wissenschaft Soziale<br />

Arbeit. Werdegang und Grundlagen. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage.<br />

Freiburg im Breisgau: Lambertus-Verlag, 2009.<br />

Engelke, Ernst, Stefan Borrmann und Christian Spatscheck: Theorien der Sozialen Arbeit.<br />

Eine Einführung. 5., überarbeitete und erweiterte Auflage. Freiburg im Breisgau:<br />

Lambertus-Verlag, 2009.<br />

Finis Siegler, Beate: Ökonomik Sozialer Arbeit. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage.<br />

Freiburg im Breisgau: Lambertus-Verlag, 2009.<br />

Gairing, Fritz: Organisationsentwicklung <strong>als</strong> Lernprozess von Menschen und Systemen.<br />

4., neu ausgestattete Auflage. Weinheim und Basel: Beltz-Verlag, 2008.<br />

Galuske, Michael: Fachlichkeit. In: Fachlexikon der sozialen Arbeit. Herausgeber:<br />

Deutscher Verein. Baden-Baden: Nomos-Verlagsgesellschaft, 2011.<br />

Geiser, Kaspar: Problem- und Ressourcenanalyse in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung<br />

in die Systemische Denkfigur und ihre Anwendung. 4. überarbeitete Auflage.<br />

Luzern: interact, 2009.<br />

Heiner, Maja, Marianne Meinhold, Hiltrud von Spiegel und Silvia Staub-Bernasconi:<br />

Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit. 4., erweiterte Auflage. Freiburg im<br />

Breisgau: Lambertus-Verlag, 1998.<br />

Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis e. V.: Leitbild der Kontakt- und Krisenhilfe<br />

im ennepe-Ruhr-Kreis e. V. 28. 03 2012. http://www.kuk-ennepe-ruhr.de/wp-<br />

content/uploads/2012/07/Leitbild-der-Kontakt-und-Krisenhilfe-im-Ennepe-Ruhr-<br />

Kreis-e.V..pdf (Zugriff am 22. 01 2013).<br />

LWL (Landschaftsverband Westfalen-Lippe): Die Erprobung der Leistungsmodule S und<br />

HD, Vortrag. 2012c. http://www.lvr.de/media/wwwlvrde/soziales/berdasdezernat_2/<br />

dokumente_228/rahmenvereinbarung_nrw/Umsetzung_Rahmenvereinbarung_S_<br />

HD2.pdf (Zugriff am 27. 01 2013).<br />

Ders.: Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gem. §§ 75 ff. Sozialgesetzbuch (SGB)<br />

Zwölftes Buch (XII). 01.112012b. http://www.lwl.org/spurdownload/bewo/Leistungs_Pruefungsvereinbarung.pdf<br />

(Zugriff am 11. 01 2013).<br />

Ders.: Vorlage 13/1116 zum Projekt Teilhabe 2012. 30. 10 2012a.<br />

https://www.lwl.org/bi-lwl/vo020.asp?VOLFDNR=5480&options=4 (Zugriff am 27.<br />

01 2013).<br />

99


Maelicke, Bernd: Integriertes Management in der Sozialwirtschaft. In: Auf der Suche nach<br />

Sozialmanagementkonzepten und Managementkonzepten für und in der<br />

Sozialwirtschaft. Herausgeber: Armin Wöhrle. Bd. 1. 3 Bde. Augsburg: Ziel-Verlag,<br />

2012.<br />

Ders.: Management. In: Lexikon der Sozialwirtschaft. Herausgeber: Bernd Maelicke.<br />

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2008.<br />

McGill University, Canada: Mario Bunge. 03.082012. http://www.mcgill.ca/philosophy/peo<br />

ple/faculty/bunge (Zugriff am 17. 01 2013).<br />

Merchel, Joachim: Leitung in der Sozialen Arbeit. Grundlagen der Gestaltung und<br />

Steuerung von Organisationen. 2., aktualisierte Auflage. Weinheim und München:<br />

Juventa Verlag, 2010.<br />

Ders.: Sozialmanagement. Eine Einführung in Hintergründe, Anforderungen und<br />

Gestaltungsperspektiven der Sozialen Arbeit. 3., überarbeitete Auflage. Weinheim<br />

und München: Juventa Verlag, 2009.<br />

Ders.: Organisationsgestaltung in der Sozialen Arbeit. Grundlagen und Konzepte zur<br />

Reflexion, Gestaltung und Veränderung von Organisationen. Weinheim und München:<br />

Juventa Verlag, 2005.<br />

Obrecht, Werner: Das Systemtheoretische Paradigma der Disziplin und der Profession<br />

der Sozialen Arbeit. Zürich: Hochschule für Soziale Arbeit Zürich, 2001.<br />

Ders.: Die Struktur professionellen Wissens. In: Professionalität in der Sozialen Arbeit.<br />

2. Auflage. Herausgeber: Roland Becker-Lenz, Stefan Busse, Gudrun Ehlert und<br />

Silke Müller. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009.<br />

Olk, Thomas: Abschied vom Experten. Weinheim und München: Juventa Verlag, 1986.<br />

Palluch, Jürgen: Geschäftsbericht der Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis e.<br />

V. Geschäftsbericht gemäß Vereinsrecht, Schwelm: Kontakt- und Krisenhilfe im<br />

Ennepe-Ruhr-Kreis e. V. Unveröffentlicht, 2005.<br />

Ders.: Jahresbericht-Entwurf. Jahresbericht für die Kostenräger, Schwelm,<br />

Unveröffentlicht: Kontakt- und Krisenhilfe im Ennepe-Ruhr-Kreis, 2012.<br />

Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V.: AVB. 24. Oktober 2012.<br />

http://www.der-paritaetische.de/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=/upload<br />

100


s/media/AVB_Auflage9_012013.pdf&t=1358148880&hash=a585289e501b6b9c53<br />

e857cf17751b3dfd3b10a6 (Zugriff am 06. Januar 2013).<br />

Reinbacher, Paul: Dimensionen von Sozialmanagment - Klärungsversuche. In: Auf der<br />

Suche nach Sozialmanagementkonzepten und Managementkonzepten für und in<br />

der Sozialwirtschaft. Herausgeber: Armin Wöhrle. Bd. 1. 3 Bde. Augsburg: Ziel-<br />

Verlag, 2012.<br />

Ridder, Hans-Gerd: Personalwirtschaftslehre. 3., überarbeitete und aktualisierte Auflage.<br />

Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer, 2009.<br />

Rock, Joachim: Wohlfahrt im Wettbewerb. Europarecht kontra Dasensvorsorge und<br />

soziale Dienste? Hamburg: VSA: Verlag, 2010.<br />

Rüegg-Stürm, Jonhannes: Das neue St. Galler Management-Modell. Grundkategorien<br />

einer integrierten Managementlehre. Der HSG-Ansatz. 2., durchgesehene Auflage.<br />

Bern: Haupt-Verlag, 2003.<br />

Schreyögg, Georg: Organisation. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. 5.,<br />

vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Gabler Verlag, 2008.<br />

Schwarz, Gotthart: Sozialarbeit - Sozialmanagment. In: Auf der Suche nach<br />

Sozialmanagementkonzepten und Managementkonzepten für und in der<br />

Sozialwirtschaft. Herausgeber: Armin Wöhrle. Bd. 1. 3 Bde. Augsburg: Ziel-Verlag,<br />

2012.<br />

Senge, Peter M.: Die fünfte Disziplin. Kunst und Praxis der lernenden Organisation. 11.,<br />

völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag,<br />

2011.<br />

Staehle, Wolfgang H.: Management. Eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive. 8.,<br />

überarbeitete Auflage. München: Verlag Franz Vahlen, 1999.<br />

Staub-Bernasconi, Silvia: Der Professionalisierungsdiskurs zu Sozialen Arbeit (SA/SP) im<br />

deutschsprachigen Kontext im Spiegel internationaler Ausbildungsstandards. In:<br />

Professionalität in der Sozialen Arbeit. 2. Auflage. Herausgeber: Roland Becker-<br />

Lenz, Stefan Busse, Gudrun Ehlert und Silke Müller. Wiesbaden: VS-Verlag, 2009.<br />

Dies.: Soziale Arbeit <strong>als</strong> Handlungswissenschaft. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt Verlag,<br />

2007.<br />

101


Dies.: Soziale Probleme - Soziale Berufe - Soziale Praxis. In: Methodisches Handeln in<br />

der Sozialen Arbeit. 4., erweiterte Auflage. Herausgeber: Maja Heiner, Marianne<br />

Meinhold, Hiltrud von Spiegel und Silvia Staub-Bernasconi. Freiburg im Breisgau:<br />

Lambertus-Verlag, 1998.<br />

Stoll, Bettina: Balanced Scorecard für soziale Organisationen. Qualität und Management<br />

durch strategische Steuerung. 2., aktualisierte Auflage. Regensburg: Walhalla<br />

Fachverlag, 2008.<br />

Ulrich, Hans und Gilbert J. B. Probst: Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln.<br />

Ein Brevier für Führungskräfte. 3., erweiterte Auflage. Bern und Stuttgart: Verlag<br />

Paul Haupt, 1991.<br />

Universität St. Gallen: Das neue St. Galler Managment-Modell. 01.01.2012.<br />

http://www3.iwp.unisg.ch/org/iwp/managementlehre.nsf/c2d5250e0954edd3c1256<br />

8e40027f306/adcb88d846bf1d79c1256ef3003ff002/$FILE/leseprobe.pdf (Zugriff<br />

am 21. 01 2013).<br />

Vomberg, Edeltraud: Praktisches Qualitätsmanagement. Ein Leitfaden für kleinere und<br />

mittlere Soziale Einrichtungen. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer, 2010.<br />

Watzka, Klaus: Zielvereinbarungen in Unternehmen. Grundlagen, Umsetzung,<br />

Rechtsfragen. Wiesbaden: Gabler Verlag, 2011.<br />

Watzlawick, Paul, John H. Weakland und Richard Fisch: Lösungen. Zur Theorie und<br />

Praxis menschlichen Wandels. 5., unveränderte Auflage. Bern: Verlag Hans<br />

Huber, 1992.<br />

Wikimedia: Municipalities in EN.svg. Wikimedia. 17.11.2010.<br />

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/57/Municipalities_in_EN.s<br />

vg/500px-Municipalities_in_EN.svg.png (Zugriff am 10. 01 2013).<br />

Wikipedia: Mario Bunge. 01.09.2012. http://de.wikipedia.org/wiki/Mario_Bunge (Zugriff am<br />

17. 01 2013).<br />

Wöhrle, Armin (Hrsg.): Auf der Suche nach Sozialmanagementkonzepten und<br />

Managementkonzepten für und in der Sozialwirtschaft. 3 Bde. Augsburg: Ziel-<br />

Verlag, 2012.<br />

Ders.: Den Wandel managen. Organisationen analysieren und entwickeln. Baden-<br />

Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2005.<br />

102


Ders.: Einordung, Fazit und Aufgabenstellungen. In: Auf der Suche nach<br />

Sozialmanagementkonzepten und Managementkonzepten für und in der<br />

Sozialwirtschaft. Herausgeber: Armin Wöhrle. Bd. 1. 3 Bde. Augsburg: Ziel-Verlag,<br />

2012c.<br />

Ders.: Vorwort. In: Auf der Suche nach Sozialmanagementkonzepten und<br />

Managementkonzepten für und in der Sozialwirtschaft. Herausgeber: Armin<br />

Wöhrle. Bd. 1. 3 Bde. Augsburg: Ziel Verlag, 2012a.<br />

Zängl, Peter: Sozialmanagment <strong>als</strong> Ergebnis und Produzent. In: Auf der Suche nach<br />

Sozialmanagementkonzepten und Managementkonzepten für und in der<br />

Sozialwirtschaft. Herausgeber: Armin Wöhrle. Bd. 2. 3 Bde. Augsburg: Ziel-Verlag,<br />

2012.<br />

ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften):Das systemische Paradigma<br />

derSozialenArbeit.2007-2013.<br />

http://www.sozialearbeit.zhaw.ch/de/sozialearbeit/ueber-uns/100-jahrjubilaeum/chronologie/das-systemische-paradigma-der-sozialen-arbeit.html<br />

(Zugriff am 13. 01 2013).<br />

103


Erklärung:<br />

Hiermit versichere ich, Jürgen Wanitzke, gemäß § 17 Absatz 7 der „Prüfungsordnung für<br />

den postgradualen und weiterbildenden Fernstudiengang Sozialmanagement der Alice<br />

Salomon Hochschule Berlin“, dass ich diese <strong>Masterarbeit</strong> selbständig verfasst und keine<br />

anderen <strong>als</strong> die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und alle wörtlich oder sinngemäß<br />

übernommenen Textstellen <strong>als</strong> solche kenntlich gemacht habe.<br />

Die <strong>Masterarbeit</strong> hat keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen.<br />

Hagen, den _______________, ___________________________________<br />

104

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!