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Wege in die Unternehmensethik.<br />
Möglichkeiten und Herausforderungen<br />
für Unternehmen der Pflegewirtschaft<br />
Annette v. Hahn<br />
veröffentlicht unter den socialnet Materialien<br />
Publikationsdatum: 26.11.2013<br />
URL: http://www.socialnet.de/materialien/169.php
Wege in die Unternehmensethik.<br />
Möglichkeiten und Herausforderungen für<br />
Unternehmen der Pflegewirtschaft<br />
<strong>Bachelorarbeit</strong><br />
Zur Erlangung des akademischen Grades des<br />
Bachelor of Arts (B.A.) Pflegemanagement<br />
Vorgelegt am Lehrstuhl für Pflegemanagement der Evangelischen<br />
Hochschule Berlin<br />
bei Professor Dr. Olivia Dibelius (Erstgutachterin) und<br />
Professor Dr. Judith Dick (Zweitgutachterin)<br />
Von Annette v. Hahn<br />
Berlin, 20. Juni 2013
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung ...............................................................................................................1<br />
2. Design ....................................................................................................................1<br />
3. Kontext ...................................................................................................................2<br />
3.1. System der sozialen Marktwirtschaft ..................................................................... .2<br />
3.2. Krise der sozialen Marktwirtschaft ......................................................................... .2<br />
3.3. Wirtschaftsethik <strong>als</strong> Antwort ................................................................................... .3<br />
3.4. Besondere Problematik in der Gesundheits- und Pflegewirtschaft .........................4<br />
3.5. Rahmenbedingungen und resultierende ethische Herausforderungen für<br />
Unternehmen der Pflegewirtschaft ......................................................................5<br />
4. These ......................................................................................................................6<br />
5. Anwendung von Ethik in konkreten Bereichen ..................................................7<br />
5.1. Anwendungssystematik der Ethik in der Wirtschaftsethik .......................................8<br />
5.2. Orte der Moral in der Wirtschaftsethik .....................................................................9<br />
6. Moderne theoretische Ansätze von Wirtschafts- und Unternehmensethik ...10<br />
6.1. Ordnungsethischer Ansatz (Karl Homann) ............................................................10<br />
6.2. Governance Ethik (Josef Wieland) ........................................................................11<br />
6.3. Diskursethik (Habermas/Apel, Steinmann(Löhr) ...................................................13<br />
6.4. Integrative Wirtschaftsethik (Peter Ulrich, ergänzt durch Amartya Sen) ................15<br />
6.5. Zur Diskussion der beschriebenen wirtschaftsethischen Ansätze .........................16<br />
7. Gedanken zur Auswahl und Implementierung eines wirtschaftsethischen<br />
Ansatzes für Pflegeunternehmen ..................................................................17<br />
7.1. Zur Implementierung von Unternehmensethik ......................................................18<br />
7.2. Projektarbeit <strong>als</strong> geeignete Arbeitsform zur Implementierung von<br />
Unternehmensethik ...........................................................................................19<br />
8. Blick in die Alltagsrealität ...................................................................................20<br />
8.1. Methodisches Vorgehen ........................................................................................20<br />
8.2. Kriterien für die Empirie .........................................................................................21<br />
8.3. Vergleichende Analyse und Interpretation der Daten ............................................23<br />
9. Fazit ......................................................................................................................33<br />
Anhang
!<br />
1. Einleitung ! ! ! ! ! ! !<br />
Die Angst vor dem Pflegenotstand geht um. Überalterung, Zweidrittel-Gesellschaft,<br />
Einkommensschere, Fachkräftemangel, gefährliche Pflege: das sind die Schlagworte<br />
die mit dieser Angst verbunden sind. Aus ihnen ist der Zusammenhang zwischen<br />
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekten des Themas abzulesen.<br />
Unternehmen, die sich um die Bereitstellung von Pflegeleistungen kümmern, sind<br />
wichtige Akteure in einer Gesellschaft, die Verantwortung für ihre Mitglieder übernimmt.<br />
Sie stehen deshalb mit im Zentrum der Diskussion zu diesem Thema. Eine Möglichkeit<br />
für Unternehmen der Pflegewirtschaft, sich dieser Herausforderung zu stellen, kann die<br />
Beschäftigung mit Wirtschafts- und Unternehmensethik sein.<br />
Die Wirtschaftswissenschaft zählt zu den Sozialwissenschaften. Ihr Thema ist die<br />
Funktion des Marktes mit seinen Gesetzen, Strukturen und Prozessen. Der Markt ist<br />
ein Mechanismus der Wirtschaft, der u. a. die Verteilung knapper Ressourcen regelt.<br />
Auch die Pflege ist <strong>als</strong> Dienstleistung ein Gut, das nicht in uneingeschränkter Menge<br />
und Qualität zur Verfügung steht. Die Wirtschaft ist ein System zur Gestaltung des<br />
Zusammenlebens der Gesellschaftsmitglieder 1 . Da es um Verteilung geht, geht es um<br />
Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist ein Wert und damit ein Thema der Ethik.<br />
In dieser Arbeit werden die Begriffe Wirtschaftswissenschaft und Ökonomik synonym<br />
verwendet. Das Gleiche gilt für die Begriffe Wirtschaft und Ökonomie.<br />
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text grammatikalisch nur die männliche<br />
Form verwendet. Gemeint ist stets sowohl die weibliche <strong>als</strong> auch die männliche Form.<br />
2. Design<br />
Diese Arbeit soll eine Ermutigung sein. Sie soll klären, welche gesellschaftlichen<br />
Konflikte in der Pflegewirtschaft eine Rolle spielen. Im Weiteren soll sie theoretische<br />
Grundlagen vermitteln, auf denen eine allgemeine Haltung zum Thema Wirtschaftsund<br />
Unternehmensethik entwickelt werden kann. Jedes Unternehmen für sich muss<br />
dann entscheiden, in welche Richtung es diese Haltung weiterentwickeln will und kann,<br />
und welche strategischen und operativen Konsequenzen sich daraus ergeben sollen.<br />
Der zweite Teil dieser Arbeit wird ein Beispiel aus der Alltagsrealität eines<br />
Pflegeunternehmens behandeln. Dabei geht es darum, bereits vorhandene<br />
unternehmensethische Ansätze im Unternehmen aufzudecken und sie, im Hinblick auf<br />
mögliche erste Schritte, sinnvoll zu ergänzen.<br />
Dazu werden drei Experteninterviews in einem Unternehmen geführt, dass im Bereich<br />
Wohnen und Pflege im Alter tätig ist. Die Auswertung der Interviews bildet die<br />
Grundlage für ergänzende Überlegungen.<br />
1 Karmasin & Litschka, 2008, S. 18<br />
1!
!<br />
Die Arbeit stellt in diesem Sinne keine Bauanleitung für Unternehmensethik dar. Sie<br />
soll eine ermutigende Anregung sein und Rüstzeug für jene bereitstellen, die sich auf<br />
den Weg machen wollen.<br />
3. Kontext<br />
3.1. System der sozialen Marktwirtschaft<br />
Die soziale Marktwirtschaft versucht, auf der Basis des kapitalistischen Wettbewerbs<br />
den negativen Auswirkungen wirtschaftlicher Freiheit mit einer ordnungspolitischen<br />
Rahmenordnung entgegenzuwirken 2 . Sie ist damit ein „Mittel [...] der gesellschaftlichen<br />
Gestaltung“ 3 .<br />
Unternehmen sind Funktionseinheiten des Wirtschaftssystems in Form von<br />
Organisationen, die den Auftrag zu ökonomischer Wertschöpfung haben. Durch die<br />
Erfüllung dieses Auftrages, erhalten sie Ihre gesellschaftliche Legitimation. 4<br />
Eine weitere Bedingung zum Bestehen von Unternehmen ist deren Finanzierung.<br />
Unternehmen der Privatwirtschaft finanzieren sich mit privatem Kapital. Anders in der<br />
Sozialwirtschaft, deren Unternehmen durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge<br />
von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert werden sollen.<br />
3.2. Krise der sozialen Marktwirtschaft<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Deutschland ein sehr starkes<br />
Wirtschaftswachstum, das es der Politik ermöglichte, der der Marktwirtschaft<br />
innewohnenden Tendenz zur Herstellung von Ungleichheit mit Maßnahmen zur<br />
Umverteilung entgegen zu wirken. Ende der 1970er Jahre brach das starke Wachstum<br />
ein. Der hohen Inflation in den Siebzigern folgte eine hohe Staatsverschuldung in den<br />
achtziger Jahren. Die politische Antwort bestand in der Neoliberalisierung der Märkte.<br />
Das bedeutete Deregulierung und Privatisierung der Märkte, einschließlich hoher<br />
Privatverschuldung, was zum Verlust an Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme auf<br />
das wirtschaftliche Geschehen führte. 5 Wirtschaftsleistungen werden seither weniger<br />
nachfrageorientiert erbracht. Das führt zu Ungerechtigkeiten bei der Verteilung von<br />
Gütern und Dienstleistungen 6 . Die Folge ist auch eine ungerechte Verteilung von Geld,<br />
2 vgl. Schubert & Klein, 2011<br />
3 Goldschmidt in Aßländer, 2011, S. 77<br />
4 vgl. Dietzfelbinger , 2008, S.189 f und Homann, ohne Jahresangabe, S.7f<br />
5 vgl. Streeck, 2013, S. 54 ff.<br />
6 vgl. auch Ahlrichs, 2012, S. 36 f.<br />
2!
!<br />
Bildung und Gesundheit, was unterschiedliche Chancen zur gesellschaftlichen Teilhabe<br />
mit sich bringt.<br />
Zusätzlich sorgt die Globalisierung für eine Entgrenzung der Märkte weltweit und führt<br />
damit zu Unübersichtlichkeit, u. a. in ökonomischen Strukturen. Ihre Auswirkungen<br />
bedingen große Veränderungen in der Lebenssituation von Individuen und verlagern<br />
Reichtum und Risiken zu Ungunsten der meisten von ihnen. 7<br />
Mit dieser Entwicklung geht auch eine zunehmende Zerstörung der Umwelt einher.<br />
Deren Erhalt <strong>als</strong> Lebensressource für nachfolgende Generationen ist unsicher.<br />
Die Banken-Krise mit ihren Auswirkungen hat zuletzt verdeutlicht, wie risikoreich das<br />
kapitalistische Wirtschaften ist, welche sozialen Ungerechtigkeiten es zur Folge hat<br />
und wie wenig die Ordnungsinstrumente einer sozialen Marktwirtschaft im 21.<br />
Jahrhundert dagegen ausrichten können. Die durch die Krise entstandenen Schulden,<br />
führen zu Diskussionen über Gerechtigkeit, wenn es um die Begleichung dieser<br />
Schulden geht. Die Benennung von Schuldigen an der Krise scheint unmöglich. Zu<br />
unüberschaubar sind die Zusammenhänge und zu uneindeutig die<br />
Verantwortlichkeiten. Sind Einzelne dafür in die Pflicht zu nehmen oder ist das System<br />
schuld? 8 Ist dies eine wirtschaftliche Krise oder eine politische?<br />
Lange Zeit galt der Homo Oeconomicus in der Wirtschaftstheorie <strong>als</strong> adäquates Modell<br />
zur Ableitung menschlichen Verhaltens. Es ist das Modell eines Menschen der stets<br />
rational handelt, dabei über vollständige Marktinformationen verfügt, von<br />
Eigeninteresse geleitet eine Maximierung von Nutzen verfolgt und dabei doch zur<br />
Erhöhung des Gesamtwohles der Gemeinschaft beiträgt 9 . Wie von „unsichtbarer<br />
Hand“ 10 , entstehe dabei, so die Theorie, aus den Folgen unmoralischer Handlungen<br />
etwas Gutes. Dies hat sich <strong>als</strong> Trugbild erwiesen. Die gegenwärtige Situation zeigt: die<br />
unsichtbare Hand produziert einen Mangel an Solidarität und Gerechtigkeit, und sie<br />
führt zur Zerstörung der Lebenswelt nachfolgender Generationen.<br />
3.3. Wirtschaftsethik <strong>als</strong> Antwort<br />
Wie sollen sich die Teilnehmer des Wirtschaftssystems auf allen Ebenen verhalten, um<br />
soziale Gerechtigkeit herzustellen und die Vernichtung natürlicher Ressourcen zu<br />
stoppen? Wie kann eine wünschenswerte Wirtschaftsordnung aussehen, welche<br />
Normen und Werte sind nötig, um sie gesellschaftlich einzubetten? Wie können diese<br />
Normen legitimiert werden?<br />
Mit dem Sollen menschlichen Handelns und der Begründung von Normen beschäftigt<br />
sich die Ethik. Deshalb spielen ethische Überlegungen zu wirtschaftlicher Theorie und<br />
7 vgl. Beck, Ulrich, 1986<br />
8 vgl Herold, 2012. 122 f.<br />
9 vgl. Sedlácek, 2012, S.321 ff. sowie Karmasin & Litschka, 2008, S.18 f. und S. 32<br />
10 zum Begriff der unsichtbaren Hand s. Anhang 1, im Anhang, S. A1<br />
3!
!<br />
Praxis zunehmend eine Rolle. Einerseits bleibt die Frage, ob die Krise nicht auch<br />
politischer Natur ist, bestehen, andererseits ist die Bedeutung der Wirtschaft, auch im<br />
politischen Raum, klar zu erkennen. Politik und Wirtschaft lassen sich in diesem<br />
Kontext nicht trennen.<br />
Entstanden ist der Bereich Wirtschaftsethik mit zahlreichen und sehr<br />
unterschiedlichen Ansätzen zur Erforschung von normativen Problemen der<br />
Wirtschaftswissenschaft. Dabei geht es auch um Integration ökonomischer und<br />
ethischer Rationaliät 11 im Spannungsfeld zwischen Ziel- und Wunschvorstellungen<br />
einerseits und realen Möglichkeiten andererseits 12 . Ein Unterbereich der<br />
Wirtschaftsethik ist die Unternehmensethik, die sich entsprechend mit den normativen<br />
Problemen von Unternehmen und den Vorraussetzungen und Möglichkeiten<br />
moralischen Handelns auseinandersetzt. Dabei reflektiert sie interne (im Unternehmen<br />
vorhandene) und externe (von außen an das Unternehmen heran getragene) Werte<br />
und versucht, ihnen entsprechende Regeln abzuleiten 13 . 14 In beiden Bereichen spielt<br />
auch die Individualethik eine Rolle, denn es sind Individuen, die in Organisationen<br />
und auf politischer Ebene tätig sind.<br />
3.4. Besondere Problematik in der Gesundheits- und Pflegewirtschaft<br />
Unternehmen der Gesundheits- und Pflegewirtschaft haben in ihrem Kerngeschäft die<br />
Aufgabe, die Gesundheit der Gesellschaftsmitglieder zu erhalten und zu verbessern<br />
sowie Kranke, Behinderte und Sterbende zu versorgen und zu betreuen. Nach<br />
Einführung der sozialen Marktwirtschaft kamen sie dieser Aufgabe zunächst unter den<br />
Bedingungen einer reinen Sozialwirtschaft nach, die durch Steuern und<br />
Sozialversicherungsbeiträge die Finanzierung des Kerngeschäfts sicher stellen<br />
konnte 15 . Mittlerweile kann mit den finanziellen Mitteln der Sozialversicherungen eine<br />
ausreichende Versorgung nicht mehr geleistet werden. Dieser Trend wird sich<br />
zukünftig fortsetzen. Medizinische und pflegerische Möglichkeiten entwickeln sich<br />
weiter und verursachen dadurch teilweise höhere Kosten. Die demographische<br />
Entwicklung verschärft die Situation zusätzlich. Die Antwort der Politik darauf ist, seit<br />
den 1990er Jahren, der Umbau des Sozi<strong>als</strong>taates mit einer zunehmenden<br />
Ökonomisierung der Sozialwirtschaft. Die leistungserbringenden Unternehmen sind<br />
dadurch gezwungen, betriebswirtschaftlich zu denken und zu handeln 16 , um Gewinne<br />
zu generieren. Dafür müssen sie leistungsorientierter, effizienter und rationeller<br />
11 vgl. Karmasin & Litschka, 2008, S. 22<br />
12 vgl. Homann in Homann (Hrsg), 1992<br />
13 vgl Dietzfelbinger 2008, S. 204<br />
14 Anmerkungen zur Begrifflichkeit siehe Anhang 2, im Anhang, S. A1<br />
15 vgl. Ahlrichs, 2012, S. 58 f.<br />
16 vgl. Ahlrichs, 2012, S. 58 f.<br />
4!
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arbeiten <strong>als</strong> bisher. Leistungen werden dadurch nicht immer bedarfsgerecht erbracht,<br />
teilweise müssen sie rationiert oder gestrichen werden. Dadurch entstehen<br />
Interessenkonflikte mit Mitgliedern der Gesellschaft, die auf diese Leistungen<br />
angewiesen sind oder sie erbringen.<br />
3.5. Rahmenbedingungen und resultierende ethische Herausforderungen<br />
für Unternehmen der Pflegewirtschaft<br />
Unternehmen der Pflegewirtschaft sind Dienstleistungsunternehmen, deren Leistung u.<br />
a. durch das Sozialversicherungssystem finanziert werden. Daraus ergeben sich<br />
folgende Rahmenbedingungen:<br />
• Unternehmen der Pflegewirtschaft arbeiten mit einem anderen „Kunden“-Begriff<br />
<strong>als</strong> private Unternehmen 17 . Der Pflegende bezieht seine Leistung vom<br />
Unternehmen. Bezahlt wird sie ursprünglich aber nicht vom Pflegebedürftigen <strong>als</strong><br />
Leistungsempfänger, sondern von seinem Sozialversicherer <strong>als</strong> Kostenträger. Im<br />
Zuge von Leistungsabbau wegen leerer Kassen der Solidargemeinschaft und<br />
resultierender Ökonomisierung in der Pflegewirtschaft, werden Pflegebedürftige,<br />
je nach ihren Möglichkeiten, zu Selbstzahlern. Wer sich das Selbstzahlen nicht<br />
leisten kann, wird in der Regel vom Kostenträger dorthin geschoben, wo die<br />
Leistung am günstigsten zu haben ist. Je nach finanziellem Vermögen hat der<br />
eine <strong>als</strong>o die Wahl, der andere nicht. Die Qualität der Leistung die ein<br />
pflegebedürftiger Sozialversicherungsnehmer erhält, ist in der Regel von seinen<br />
finanziellen Möglichkeiten abhängig. Leistungen werden auf diese Weise selektiv<br />
rationiert. 18 . Das widerspricht dem Solidaritätsprinzip des Sozi<strong>als</strong>taates und ist<br />
ein Beispiel für die bei Beck beschriebene „Individualisierung sozialer<br />
Ungleichheit“ 19<br />
• In der Pflege ist der Leistungserbringer auf die Mitwirkung des Pflegebedürftigen<br />
<strong>als</strong> Leistungsempfänger angewiesen. Dieser ist damit nicht nur Konsument,<br />
sondern an der Leistungserstellung aktiv beteiligt. Deren Qualität empfindet er<br />
subjektiv. Die ökonomischen Bedingungen unter denen die Leistung erstellt wird,<br />
und die praktischen Folgen dieser Bedingungen im Pflegeprozess selbst können,<br />
aufgrund der Abhängigkeit und der direkten Betroffenheit des Pflegebedürftigen<br />
von dieser Leistung, zu ethischen Problemen, bis hin zur Verletzung der<br />
Menschenwürde, führen.<br />
Die Herausforderungen die sich aus diesen Besonderheiten ergeben, sind folgende:<br />
• Pflegebedürftige bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen Bedürftigkeit<br />
und Selbstverantwortung. Nicht alle Bedürftigen waren und sind in der Lage den<br />
17 vgl. Ahlrichs, 2012 S. 63<br />
18 vgl. auch Bauer, 2007, S. 106<br />
19 Beck, 1986, S. 122 und 205 ff.<br />
5!
!<br />
Schritt von der Solidar- zur Selbstverantwortung mitzugehen. Für<br />
Pflegebedürftige, die nicht in der Lage sind, das nötige Maß an<br />
Selbstverantwortung zu übernehmen, um im Bedarfsfall benötigte Leistung zu<br />
erhalten oder auf entsprechende Unterstützung aus ihrem Umfeld<br />
zurückzugreifen, kommt es zu einer Verletzung der Menschenwürde.<br />
• Auch die Mitarbeiter der Pflegeunternehmen bewegen sich bei der Erfüllung ihrer<br />
Aufgaben in einem Spannungsfeld. Es entstehen Konflikte zwischen der<br />
Erfüllung ihres sozialen Leistungsauftrages unter Beachtung des professionellen<br />
Ethos einerseits und der Notwendigkeit rational ökonomischen Handelns<br />
andererseits. 20 Ihre Situation ist durch ein Zerissen-Sein zwischen diesen<br />
Ansprüchen gekennzeichnet. Dibelius & Uzarewicz belegen für die Altenpflege<br />
den von Pflegenden empfundenen Mangel an Kommunikationszeit sowie Sachund<br />
Pflegehilfsmitteln, der dazu führt, das Pflegende ihrer eigentlichen Aufgabe,<br />
der würdevollen Pflege von Menschen, nicht gerecht werden können. 21 Bauer<br />
beschreibt anhand der Ergebnisse einer empirischen Untersuchung für das<br />
Gesundheitswesen, dass Pflegende in diesem Konflikt nicht in der Lage sind, <strong>als</strong><br />
Gruppe aktiv eine kritische Haltung einzunehmen. Professionell Pflegende lassen<br />
sich, so Bauer, im Gegenteil stark von „dominanten Deutungsmustern“ 22 lenken,<br />
und unterwerfen sich damit ökonomischen Sachzwängen. Die Folgen des an sich<br />
strukturellen Problems werden dadurch individualisiert. Die Mitarbeiter von<br />
Pflegeunternehmen tragen an diesen Folgen persönlich. Personalmangel und die<br />
fehlende Abrechnungsmöglichkeit von psychosozialen<br />
Betreuungsmöglichkeiten 23 sind strukturelle Folgen der Ökonomisierung von<br />
Pflege und führen zu Konflikten für professionell Pflegende und für<br />
Pflegebedürftige.<br />
4. These<br />
Unternehmen der Pflegewirtschaft haben sich unternehmensethisch der besonderen<br />
Herausforderungen im Bezug auf die Gruppen „Pflegebedürftige“ und „professionell<br />
Pflegende“ zu stellen. Für letztere besteht ein hohes ethisches Konfliktpotential im<br />
Spannungsfeld zwischen gesellschaftlich erwünschtem und ökonomisch rationalen<br />
Handeln. Darüber hinaus sind diese Unternehmen, da sie sich immer mehr dem<br />
Bereich der Privatwirtschaft öffnen, in der Verantwortung auch für alle übrigen Aspekte,<br />
mit denen sich ein Unternehmen, das seine gesellschaftliche Legitimation sichern<br />
20 zum folgenden vgl. Bauer, 2007, S. 108 ff.<br />
21 vgl. Dibelius in Dibelius & Uzarewicz, 2006, S. 178<br />
22 Bauer, 2007, S. 112<br />
23 vgl. Dibelius & Uzarewicz, 2006, S. 178<br />
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möchte, auseinandersetzen muss. Theoretische Handlungsgrundlagen können<br />
deshalb aus der bestehenden wirtschaftsethischen Literatur entnommen werden.<br />
5. Anwendung von Ethik in konkreten Bereichen<br />
Während die theoretische Ethik allgemein gültige Prinzipien und Normen findet und<br />
legitimiert, ist es Aufgabe der praktischen Ethik aus diesen Prinzipien konkrete<br />
Forderungen abzuleiten. 24 Der Ausdruck „Anwendung“ von Ethik kann irreführen denn,<br />
wie wir später für den Bereich Wirtschaft sehen werden, gibt es eine Forderung nach<br />
integrativem Denken. Das heißt, dass das ethische Denken dem jeweiligen Bereich<br />
immanent sein und nicht aufgesetzt werden soll. Trotzdem entsteht in der Regel ein<br />
Spannungsfeld zwischen dem reinen ethischen Denken und dem Bereichsdenken, was<br />
daran liegt, dass die Wissenschaft das Sein erklärt und die Ethik das Sollen<br />
formuliert. 25 Aßländer und Schumann zitieren in diesem Zusammenhang Popper:<br />
„Ethik ist keine Wissenschaft.“ 26 Pragmatisch gedacht soll dies hier aber keine Rolle<br />
spielen. Wissenschaft oder nicht: Es besteht eine ethische Relevanz in konkreten<br />
Bereichen. „Aufgrund des wissenschaftlich technischen Fortschritts einerseits sowie<br />
der steigenden Komplexität und Interdependenz gesellschaftlicher und ökonomischer<br />
Prozesse andererseits, ergeben sich neue Herausforderungen im Hinblick auf das<br />
konkrete Handeln (...).“ 27 Spezialisierung und Weiterentwicklung in Wissenschaft und<br />
Praxis generieren ethische Situationen, denen die Normen der allgemeinen Ethik nicht<br />
gerecht werden. Auch die Globalisierung macht es immer schwieriger, ethische<br />
Entscheidungen auf Grund von Normen und Werten zu treffen, denn oft besteht für<br />
diese ein Konsens nur in einer bestimmten Kultur. 28 Herold unterscheidet drei Modelle<br />
der ‚Anwendung‘ von Ethik in konkreten Bereichen. 29<br />
Deduktionismus: Die Prinzipien der allgemeinen Ethik werden unabhängig von ihrer<br />
Eignung für die konkrete Situation angewandt. Sehr speziellen Situationen oder<br />
neuartigen Kontexten wird die Anwendung dieser Methode oft nicht gerecht.<br />
Kontextualismus: Jede spezielle Situation wird nach ihrem Kontext ethisch neu<br />
bewertet. So entsteht eine gewisse Unübersichtlichkeit, denn es gibt keine<br />
Verallgemeinerungsmöglichkeit mehr. Normen haben aber auch die Funktion,<br />
Übersichtlichkeit zu schaffen und Entscheidungen zu erleichtern. Die Methode kann zu<br />
Willkür führen, denn eine Begründung für spezielle Normen lässt sich im Einzelfall<br />
24 vgl. Aßländer und Schumann in Aßländer (Hrsg), 2012, S.177<br />
25 vgl. Aßländer und Schumann in Aßländer (Hrsg), 2012, S. 179<br />
26 Popper in Aßländer und Schumann in Aßländer (Hrsg), 2012, S. 179<br />
27 Aßländer und Schumann in Aßländer (Hrsg), 2012, S. 178<br />
28 vgl. Herold, 2012, S. 10 f.<br />
29 zum Folgenden vgl. Herold, 2012, S. 13 f.<br />
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schnell finden. Das Individuelle und Besondere bekommt durch sie einen hohen<br />
Stellenwert, kann im Umkehrschluss aber den Ruf nach mehr Gleichheit und<br />
Gerechtigkeit provozieren.<br />
Kohärentismus: Beide Herangehensweisen beruhen auf berechtigten Argumenten.<br />
Eine kohärente Anwendung von Ethik soll ihre jeweiligen Schwächen ausgeglichen, die<br />
Methoden werden dabei verknüpft. Das Ziel ist, ein „stimmiges Netz von Argumenten,<br />
Überlegungen und Beispielen zu knüpfen.“ 30 „Da angewandte Ethik nach Lösungen für<br />
reale und gesellschaftlich relevante normative Probleme sucht, müssen diese so<br />
beschaffen sein, dass sie möglichst den Status quo berücksichtigen und an die<br />
geltenden rechtlichen, moralischen oder professionellen Standards anknüpfen.<br />
Kriterien wie Angemessenheit, Machbarkeit, Nachhaltigkeit oder Anschlussfähigkeit<br />
entscheiden über die Qualität der Lösungsvorschläge.“ 31 Auch Aßländer und<br />
Schumann beschreiben <strong>als</strong> zentrale Kennzeichen „angewandter“ Ethik ihre<br />
Kontextabhängigkeit und sehen ihre Aufgabe darin, zustimmungsfähige Lösungen zu<br />
finden. 32<br />
5.1. Anwendungssystematik der Ethik in der Wirtschaftsethik<br />
Für die Wirtschaftsethik unterscheidet Büscher vier Ansatzpunkte nach ihrem<br />
Verhältnis zwischen Ethik und Wirtschaftswissenschaft. 33<br />
Im separativen Ansatz sind Wirtschaft und Ethik unvereinbare Disziplinen. Die<br />
Wirtschaftswissenschaft generiert auf der Anwendungsebene immanente Sachzwänge,<br />
die von den geisteswissenschaftlichen Argumenten der Ethik unberührt bleiben. Es<br />
sind zwei Welten, die methodisch und sachlich nichts miteinander zu tun haben und<br />
strikt getrennt bleiben müssen.<br />
Im funktionalen Ansatz gilt, dass wirtschaftlicher Erfolg von der Beachtung ethischer<br />
Interessen abhängt, und sich deshalb moralisches Verhalten auszahlt. Ethik ist in<br />
diesem Modell der Wirtschaft verfügbar und dient der Senkung von<br />
Transaktionskosten, die bei unmoralischem Verhalten anfallen können.<br />
Der additive oder korrektive Ansatz versucht, moralisch negative Auswirkungen des<br />
ökonomischen Denkens mit den Mitteln der Ethik zu beheben.<br />
In allen drei Ansätzen herrscht die so genannte Zwei-Welten-Theorie vor, in der sich<br />
Wirtschaft und Ethik einander mehr oder weniger unvermittelt gegenüberstehen. Das<br />
muss in der Praxis nicht bedeuten, dass das Ergebnis der Anwendung solcher<br />
Theorien mangelhaft ist. Nicht für alle Situationen sind diese Ansätze aber geeignet.<br />
Vor allem in Dilemma-Situationen versagen sie leicht.<br />
30 Herold, 2012, S. 14<br />
31 Herold, 2012, S. 14<br />
32 vgl. Aßländer und Schumann in Aßländer (Hrsg), 2012, S. 180<br />
33 zum Folgenden vgl. Büscher, 2000, S. 21 ff.<br />
8!
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Im integrativen Ansatz wird die so genannte Zwei-Welten-Theorie zugunsten einer<br />
Integration ethischer Elemente in die Wirtschaftstheorie aufgegeben. Ethik ist damit<br />
„zum Wesen und Gegenstandsbereich der Wirtschaftswissenschaft selbst zu zählen.“ 34<br />
Integrative Wirtschaftsethik wirkt bestimmend auf das wirtschaftswissenschaftliche<br />
Denken, es relativiert das Ökonomische durch kulturelle und soziale Voraussetzungen.<br />
Damit steht die Wirtschaft nicht mehr für sich alleine, sondern ist eingebunden in ihr<br />
soziales, ökologisches, politisches, gesellschaftsrelevantes Umfeld.<br />
Eine ähnliche Einteilung existiert bei Ulrich 35 . Er unterscheidet ebenfalls vier Ansätze,<br />
von denen drei dualistisch sind, und einer integrativ, in denen sich aber auch das<br />
Verhältnis von wirtschaftsethischen Positionen zum Gewinnprinzip abbildet.<br />
Im instrumentalistischen Ansatz wird der Gewinn auf Grundlage der Beachtung<br />
ethischer Normen erwirtschaftet. Ethik gehört zur Geschäftsstrategie und dient der<br />
Gewinnmaximierung. Sie ist der Ökonomie wie in Büschers funktionalem Ansatz<br />
verfügbar.<br />
Im karitativem Ansatz dient die Ethik dem Ausgleich unmoralischer Handlungen, die<br />
aus rein ökonomischem Denken hervorgegangen sind. Hierdurch entsteht ein<br />
Gewinnverzicht, da dieser Ausgleich Kosten verursacht. Im wirtschaftlichen Handeln<br />
selbst bleiben ethische Aspekte aber unbeachtet.<br />
Im korrektiven Ansatz begrenzt ethisches Denken die ökonomische Rationalität und<br />
damit auch das Gewinnprinzip. Das Gewinnprinzip wird grundsätzlich nicht in Frage<br />
gestellt, doch Einschränkungen sind notwendig. Unmoralisches wird ‚weggelassen‘.<br />
Der integrative Ansatz verwirft die Gültigkeit des Gewinnprinzips <strong>als</strong> Maxime. Somit<br />
muss es auch nicht begrenzt werden. Integrativ gedacht, ist Ethik, wie auch bei<br />
Büscher beschrieben, ein konstitutives Moment ökonomischen Denkens und<br />
Handelns. Die Interessen aller Beteiligten begrenzen nicht, sondern begründen<br />
ökonomische Interessen, und zwar theoretisch und praktisch.<br />
5.2. Orte der Moral in der Wirtschaftsethik<br />
Wie im Kapitel „Wirtschaftsethik <strong>als</strong> Antwort“ gesehen, gibt es drei Ebenen der<br />
Wirtschaftsethik, die <strong>als</strong> Orte der Moral in Frage kommen. Die Mikroebene, auf der das<br />
individuelle Handeln stattfindet, die Mesoebene, auf der Unternehmen operieren und<br />
die Makroebene auf der politisch eine Rahmenordnung gestaltet wird. Alle drei Ebenen<br />
nehmen wechselseitigen Einfluss auf einander. 36 , 37 Bei der Einordnung der<br />
theoretischen Ansätze der Wirtschaftsethik spielen Orte der Moral eine Rolle,<br />
34 Büscher, 2000, S. 51<br />
35 Ulrich, 2001, S. 416 ff.<br />
36 vgl. Ahlrichs, 2012, S. 30<br />
37 s. Abb. 1 im Anhang 3, im Anhang, S. A2<br />
9!
!<br />
6. Moderne theoretische Ansätze von Wirtschafts- und<br />
Unternehmensethik<br />
Eine Reihe von unterschiedlichen Kriterien führt in die Systematik allgemeiner Ethik<br />
und Bereichsethik. In der Wirtschaftsethik scheinen folgende Kriterien zur Einordnung<br />
von Theorien sinnvoll.<br />
1. Anwendungsart der Ethik (deduktionistisch, kontextualistisch, kohärentistisch)<br />
2. Ort der Moral in der Gesellschaft (Makro-, Meso- Mikroebene)<br />
3. Grad der Vermittlungstauglichkeit zwischen Ethik und dem Anwendungsbereich<br />
Wirtschaft, sowie Grad der Nähe des Ansatzes zu einem ethischen oder<br />
ökonomischen Primat. 38 Damit ist gemeint, ob, und in wie weit, eher<br />
ökonomische und vom Gewinnprinzip geleitete oder ethische Prinzipien an erster<br />
Stelle stehen, und in wie weit das jeweils andere Prinzip untergeordnet wird.<br />
4. Standpunkt der Moral. Auch wenn die Wirtschaftsethik eher von einer<br />
teleologischen Haltung dominiert zu sein scheint, können auch deontologische<br />
Aspekte eine Rolle spielen 39 .<br />
Im Folgenden soll eine Auswahl moderner Theorien der Wirtschaftsethik vorgestellt<br />
werden. Dies geschieht in verkürzter Form, doch soll dabei die Vielfalt der oben<br />
beschriebenen unterschiedlichen Ansätze aus ethischer und wirtschaftsethischer Sicht<br />
deutlich werden.<br />
6.1. Ordnungsethischer Ansatz (Karl Homann)<br />
Der Philosoph und Ökonom Karl Homann bezeichnet das Wirtschaften <strong>als</strong> Fortsetzung<br />
der Ethik mit besseren Mitteln 40 .<br />
Das klingt zunächst, <strong>als</strong> ob in dieser Theorie die Prinzipien der Ethik für die Ökonomie<br />
bestimmend seien. Allerdings steht Homanns Ansatz, ganz im Gegenteil, unter<br />
ökonomischem Primat. Ethik muss sich in der Wirtschaft ökonomischen Grundsätzen<br />
beugen. Zu diesen gehört, dass der Wettbewerb <strong>als</strong> wesentliches Kennzeichen der<br />
Marktwirtschaft zu Wohlstand führt und deshalb nicht in Frage gestellt werden soll 41 .<br />
Unternehmen, die dem Gewinnprinzip zuwiderhandeln, bewirken damit nicht nur ihr<br />
Ausscheiden aus dem Markt, sondern verhalten sich dabei auch noch unmoralisch,<br />
denn sie schaden mit ihrem Tun dem Allgemeinwohl. „Langfristige Gewinnmaximierung<br />
ist nicht ein Privileg der Unternehmen, sondern ihre sittliche Pflicht.“ 42 Unternehmen<br />
38 vgl. Dierksmeier in Kaatsch & Rosenau (Hrsg.), 2006, S. 170 und Ahlrichs, 2012, S. 52 in<br />
Anlehnung an Karmasin & Litschka, 2008, S. 80<br />
39 zum ergänzenden Verständnis s. Anhang 4, „Grundlagen der Ethik“, im Anhang, S. A2 ff.<br />
40 vgl. Ahlrichs, 2012, S. 38<br />
41 vgl. Aßländer in Aßländer (Hrsg.), 2011, S. 116<br />
42 Homann in Aßländer in Aßländer (Hrsg.), 2011, S. 116<br />
10!
!<br />
müssen sich <strong>als</strong>o in ihrem Handeln an die Regeln und Grundsätze der Ökonomie<br />
halten. Diese gründen auf dem Modell des homo oeconomicus. Das Bild des rein<br />
rational und nutzen-orientiert handelnden Menschen ist bei Homann sehr lebendig.<br />
Damit ökonomisches Handeln keine unmoralischen Folgen hat, fordert er eine starke<br />
Rahmenordnung. Damit ist die Makroebene der Ort der Moral. Auf ihr müssen Normen<br />
und Werte verankert werden, die dazu führen, dass auf anderen Ebenen, <strong>als</strong>o von<br />
Unternehmen und von einzelnen wirtschaftlichen Akteuren, auch in Dilemma-<br />
Situationen moralisch gehandelt wird. Die Regeln müssen dafür so konzipiert sein,<br />
dass aus ihrer Befolgung eine Vorteilserwartung entsteht. 43 Homann arbeitet in seiner<br />
Theorie mit der Spieltheorie. Nach ihr treffen Menschen in Dilemma-Situationen<br />
Entscheidungen zu ihren eigenen Ungunsten, wenn sie nicht wissen können, wie sich<br />
die anderen Beteiligten verhalten, um nicht die Gefahr eines noch ungünstigeren<br />
Ausgangs für sich selbst einzugehen. 44 Erst wenn alle Beteiligten sicher sein können,<br />
dass sich alle an die gleichen Regeln halten, entsteht das für alle günstigste<br />
Ergebnis 45 . Homann sieht deshalb in der „Arbeit an einer sozialen Ordnung für die<br />
Weltgesellschaft die vordringlichste Aufgabe.“ 46 .<br />
Die Unternehmen selbst sind moralisch nicht verantwortlich Sie tragen zwar eine<br />
ordnungspolitische Mitverantwortung, die sie aber nicht aus immanent moralischer<br />
Pflicht, sondern aus Gründen des Selbsterhalts ausüben sollen. Hier wird die<br />
instrumentelle Natur des Homannschen Ansatzes besonders deutlich: „Um der<br />
„Nachhaltigkeit des eigenen Geschäftserfolges willen, sind die Unternehmen gut<br />
beraten, den bislang weltweit Exkludierten zu helfen, eine solche Ordnung zu finden,<br />
die sie zu Interaktionspartnern werden lässt.“ 47<br />
Der Reiz an Homanns Konzept könnte darin liegen, dass er in den herrschenden<br />
Strukturen gut zu vermitteln sein sollte. Für alle, die diese Strukturen hinterfragen,<br />
bleibt aber zweifelhaft, ob das Modell eines rein rational vorteilsbewusst handelnden<br />
Menschen, <strong>als</strong> Grundlage einer wirtschaftsethischen Theorie noch belastbar ist.<br />
6.2. Governance Ethik (Josef Wieland)<br />
Ökonomisch orientiert nähert sich auch Josef Wieland, Ökonom und Philosoph, dem<br />
Feld der Wirtschaftsethik. 48 Die Implementierung einer staatlichen Rahmenordnung<br />
hält er, angesichts der Globalisierung, für moralisch wirkungsarm. Anders <strong>als</strong> Homann,<br />
verortet er die Moral auf der Mesoebene. Moral definiert Wieland <strong>als</strong> geschlossene und<br />
43 vgl. Homann, (o. Jahresangabe), S. 10<br />
44 Vertiefung zur Spieltheorie s. Anhang 5, im Anhang, S. A8<br />
45 vgl. Herold, 2012, S. 129 f.<br />
46 Homann, (o. Jahresangabe), S. 4 (Kursivdruck im Original)<br />
47 Homann, (o. Jahresangabe), S. 4<br />
48 zum Folgenden vgl. Lehmann, 2006, S. 118 ff.<br />
11!
!<br />
autonome Form der Kommunikation, die im Sinne eines binären Codes Achtung, bzw.<br />
Missachtung gegenüber Handlungsweisen vermittelt. Sie ist ein gesellschaftliches Gut,<br />
nicht Mittel zum Zweck für Unternehmen. Unternehmen müssen sie allerdings<br />
beachten, um mit der Gesellschaft, in der sie bestehen müssen, zu kooperieren. Der<br />
Begriff der Kooperation ist in Wielands Theorie prominent. Wieland ist von der<br />
Systemtheorie beeinflusst. Er beschreibt Unternehmen <strong>als</strong> „multi-referentiell“. Das<br />
bedeutet, dass sie in ihrem Handeln nicht nur der eigenen ökonomischen Logik folgen,<br />
sondern innerhalb und zwischen Unternehmen auch die Logiken anderer Systeme eine<br />
Rolle spielen und das unternehmerische Handeln beeinflussen. Hier muss eine intrainter-<br />
und extraorganisationale moralische Kommunikation stattfinden 49 , 50 . Die<br />
Unternehmen tragen die moralische Verantwortung für ihr Tun, sie müssen einen<br />
Prozess in Gang bringen, innerhalb dessen sie selbst für die Schaffung von Normen<br />
und deren Legitimation zuständig sind. Die Regeln, die daraus hervorgehen, müssen<br />
kulturübergreifend wirksam sein und praktikable Lösungen vor allem in<br />
Entscheidungssituationen ermöglichen. Dabei sind „Kooperationsbereitschaft und<br />
Kooperationsfähigkeit <strong>als</strong> Ressourcen und Kompetenzen einer globalen Ökonomie zu<br />
entwickeln.“ 51 Governance Ethik ist vor allem eine unternehmensethische Theorie. Sie<br />
ist zudem sehr praxisbezogen, mit genauen Vorstellungen über Möglichkeiten der<br />
Implementierung von konkreten Instrumenten, denn Wieland hält die Begründung von<br />
Normen in heutigen Gesellschaftsformen für wesentlich leichter <strong>als</strong> die „Anwendung<br />
und Durchsetzung moralischen Handelns“ 52 . Zwar werden „moralische Werte [...] in der<br />
Gesellschaft kommunikativ bevorratet, aber eben nicht in anwendungsspezifischer<br />
Form.“ 53<br />
Auf der operationalen Ebene empfiehlt Wieland deshalb den Einsatz eines so<br />
genannten Ethikmanagementsystems, ein „firmenspezifisches Instrument, welches<br />
dazu beiträgt, die moralische Verfassung einer Organisation und deren spezifische<br />
Leitwerte zu definieren und kontinuierlich mit Leben zu füllen“ 54 . Gesetze und Regeln,<br />
Anreize und Kontrollen, Unternehmenskultur und Kodizes sollen den Mitarbeitern und<br />
dem Unternehmen individuell und kollektiv moralisches Verhalten ermöglichen und<br />
abfordern. In Anwendung seiner Theorie möchte Wieland moralische und<br />
nichtmoralische (<strong>als</strong>o zum Beispiel ökonomische) Überzeugungen integrieren, es geht<br />
ihm, ganz pragmatisch, um akzeptable, angemessene Lösungen. Seine Anwendung<br />
von Ethik ist kohärent 55 . Andererseits sind Wielands Überlegungen immer an die<br />
49 vgl. Beschorner in Aßländer (Hrsg.), 2011, S. 126<br />
50 zur Vertiefung s. Anhang 6, im Anhang S. 9<br />
51 Beschorner in Aßländer (Hrsg.), 2011, S. 127<br />
52 vgl. Karmasin & Litschka, 2008, S. 86<br />
53 Wieland in Beschorner in Aßländer (Hrsg.), 2011, S. 127<br />
54 Lehmann, 2006, S. 129<br />
55 vgl. Karmasin & Litschka, 2008, S. 90<br />
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!<br />
Bedingungen ökonomischer Rationalität gekettet. Das Gewinnprinizip wird nicht<br />
hinterfragt. Eine Lösung soll innerhalb seiner Logik gefunden werden.<br />
Ahlrichs bemerkt, dass die Governance-Ethik besonders für Unternehmen interessant<br />
erscheint, die international agieren 56 . Rein national tätige Unternehmen seien zwar<br />
auch von der Globalisierung betroffen, für sie könne eine staatliche Rahmenordnung<br />
moralisches Verhalten trotzdem vereinfachen. Nach Meinung der Autorin schließt die<br />
Arbeit an der Rahmenordnung den Wielandschen Ansatz auf Unternehmensebene<br />
aber nicht aus.<br />
Karmasin und Litschka beschreiben Wielands Vernachlässigung der Aspekte<br />
Gerechtigkeit und Freiheit. 57 . Beschorner kritisiert, dass Aspekte wie Innovation,<br />
Wandel, Lernen, Kultur und Wissen in der Governance Ethik keine Beachtung finden 58 .<br />
Wieland denkt systemtechnisch, wodurch sein Managementvorschlag bürokratisch<br />
erscheint. Bei aller Kritik weist Wielands Ansatz in einer in sich schlüssigen Theorie,<br />
eine praktische Perspektive auf, die in anderen Theorien eher unklar bleibt.<br />
Trotz ökonomischen Primats und Gewinnmaxime, hat Wielands Theorie einen<br />
integrativen Ansatz. Er funktionalisiert die Ethik nicht, wie bei Homann der Fall,<br />
sondern er definiert sie <strong>als</strong> einen Sprachmodus zur Verständigung über Gut und Böse.<br />
In seiner Theorie sind Unternehmen auf die Kenntnis und Anwendung dieses Modus<br />
angewiesen, um mit der Gesellschaft über deren Vorstellungen wünschenswerter<br />
wirtschaftlicher Handlung zu kommunizieren und kooperieren zu können. Unternehmen<br />
realisieren damit moralische Vorstellungen von Individuen. Die Bereitschaft und die<br />
Fähigkeit dies zu tun definiert Wieland <strong>als</strong> Tugend. Seine Ethik beschreibt er deshalb<br />
<strong>als</strong> starke Form der Tugendethik. 59<br />
6.3. Diskursethik (Habermas/Apel, Steinmann/Löhr)<br />
Die Philosophen Jürgen Habermas und Karl Otto Apel sind die Begründer der<br />
Diskursethik. In ihr geht es um die Begründung von Normen und Werten durch die<br />
Herstellung eines Konsens im machtfreien, rationalen und öffentlichen Diskurs 60 .<br />
Voraussetzung ist die Annahme, dass der Mensch über eine „immanente Sittlichkeit“<br />
verfügt. Nur mit ihr zusammen, lässt sich der Begründungsanspruch für ethische<br />
Normen aus einem solchen Diskurs ableiten. 61 Zwar begründen schon die<br />
Philosophen der Antike ethische Grundhaltungen durch Kommunikation, die Idee einer<br />
Systematisierung des Diskurses zur Begründung von Normen entsteht aber erst in den<br />
56 Ahlrichs, 2012, S. 42<br />
57 vgl. Karmasin & Litschka, 2008, S. 89<br />
58 vgl. Beschorner in Aßländer (Hrsg.), 2011, S. 130<br />
59 vgl. Wieland in Wieland, 2006, S. 7<br />
60 Karmasin & Litschka, 2008, S. 93<br />
61 vgl. Büscher in Aßländer, 2011, S. 103<br />
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1960er Jahren. Die historischen Umstände, dieser Zeit spielen im Anliegen der<br />
Diskursethik mit Sicherheit eine Rolle. Aber nicht nur für das Nachkriegsdeutschland<br />
erscheint die Diskursethik aus heutiger Sicht interessant, sondern auch im Hinblick auf<br />
gesellschaftliche Probleme in Zeiten der Globalisierung.<br />
Der Ökonom Horst Steinmann und der Soziologe Albert Löhr entwickeln ab Mitte der<br />
1980er Jahre eine Unternehmensethik auf Grundlage der Diskursethik. Sie sind der<br />
Überzeugung, dass Unternehmen sich „zunehmend mit Konflikten zwischen<br />
unterschiedlichen Anspruchs- und Interessengruppen konfrontiert sehen, die sich nicht<br />
mehr ausschließlich über die Gestaltung der wirtschaftlichen Rahmenordnung regeln<br />
lassen“ 62 . Dies bedrohe den gesellschaftlichen Frieden. 63 Steinmann und Löhr<br />
entwickeln Regeln für den Diskurs <strong>als</strong> Einigungsverfahren zwischen Unternehmen und<br />
Anspruchs-, bzw. Interessengruppen. Aus dem Ergebnis des Diskurs, dem Konsens,<br />
müssen entsprechende Konsequenzen auf Handlungsebene folgen.<br />
In Anlehnung an Habermas muss der Diskurs machtfrei, rational, öffentlich sein, um<br />
einem Begründungsanspruch für Normen zu behaupten. Dabei ist der Umgang mit<br />
„praktischen Herstellungsbeschränkungen“ 64 zu berücksichtigen. Aus den<br />
verschiedensten Gründen können nicht immer alle Beteiligten am Diskurs teilnehmen.<br />
Es gibt zeitliche und räumliche Hindernisse. Nicht alle können dauernd über alles im<br />
Diskurs sein. Beteiligte können überfordert sein mit der Einhaltung von Diskursregeln,<br />
oder durch deren Missachtung Machtinteressen durchsetzen. In der Praxis muss <strong>als</strong>o<br />
unter den Beteiligten selektiert werden. Andererseits müssen diese befähigt werden,<br />
die Diskursregeln anzuwenden. In manchen Situationen ist ein Stellvertreter-Diskurs zu<br />
führen, in dem die zu erwartenden Argumente der Nichtanwesenden berücksichtigt<br />
werden. Auch bei der praktischen Umsetzung des gefundenen Konsens bestehen<br />
Schwierigkeiten. So kann sich ein Unternehmen zu Schritten gezwungen sehen, die<br />
seine Existenz gefährden. Ethische Überlegungen sind nach Steinmann und Löhr „auf<br />
der Unternehmensebene dem Gewinnprinzip [zwar] systematisch vorgeordnet“ 65 , doch<br />
wird diese Prinzip in ihrer Theorie auch nicht grundsätzlich hinterfragt. Hier können<br />
Entscheidungsdilemmata entstehen. Um solchen Situationen vorzubeugen, schlagen<br />
Steinmann und Löhr die unternehmerische Mitgestaltung der Rahmenordnung durch<br />
Engagement der Unternehmen in der politischen Entscheidungsfindung und<br />
Willensbildung vor (zum Beispiel durch Private Public Partnership). Trotzdem können<br />
Dilemma-Situationen entstehen. Das Rangverhältnis zwischen gesellschaftlichen<br />
Interessen und Gewinnprinzip bleibt unklar. 66 Ein weiterer Kritikpunkt an der Theorie<br />
von Steinmann und Löhr, besteht darin, dass sie zwar ein ethisches Konzept für den<br />
62 Aßländer in Aßländer, 2011, S. 108<br />
63 vgl. Aßländer in Aßländer, 2011, S. 108<br />
64 vgl. auch zum Folgenden Aßländer in Aßländer, 2011, S. 109 ff<br />
65 Steinmann & Löhr, in Aßländer in Aßländer, 2011, S. 112<br />
66 vgl. auch Ulrich, 2001, S. 425 f.<br />
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Prozess von Entscheidungsfindungen anbietet, die Werte, die hinter dessen<br />
Anwendung, und damit hinter einer konkreten Entscheidung stehen, aber keine Rolle<br />
spielen 67 . Dem könnte man entgegnen, dass die Annahme, dass der Diskurs unter<br />
oben beschriebenen Voraussetzungen <strong>als</strong> Garant für ethisch legitime Entscheidungen<br />
gilt, schon ganz bestimmte Werte impliziert, und zwar jene Werte, die hinter dem<br />
Diskurs selbst stehen: Freiheit, Gleichheit. Gerechtigkeit. Es ist dies eine Praxis der<br />
Kant‘schen Theorie. Der kategorische Imperativ <strong>als</strong> Grundlage ethischen Verhaltens<br />
verlangt, eine Norm daraufhin zu überprüfen, ob sie ohne Widerspruch verallgemeinert<br />
werden kann 68 . Diesen Prozess ermöglicht die Diskursethik. Sie ist somit<br />
deontologisch bestimmt. Der Ort der Moral liegt in der Rahmenordnung, die ethische<br />
Entscheidungen ermöglicht und verantwortet.<br />
6.4. Integrative Wirtschaftsethik (Peter Ulrich, ergänzt durch Amartya Sen)<br />
Peter Ulrich, Ökonom und Begründer der Integrativen Wirtschaftsethik, baut seine<br />
Theorie auf der Kritik des reinen Ökonomismus auf. 69 Innerhalb der Logik der<br />
Ökonomie komme es zu Sachzwängen. Beuge man sich ihnen im wirtschaftlichen<br />
Handeln, ginge die „Lebensdienlichkeit“ des Wirtschaftens verloren. Soziale und<br />
ökologische Zustände unserer Gegenwart zeigten, so Ulrich, dass aus rein<br />
ökonomisch vernünftigem, <strong>als</strong>o von Gewinnstreben geleitetem Handeln des Einzelnen,<br />
kein gutes Leben für Alle hervorgehe. Ulrich hat den Begriff der Lebensdienlichkeit <strong>als</strong><br />
normative Forderung an die Wirtschaft geprägt. Die wirtschaftliche Theorie habe sich,<br />
so Ulrich, in ihrer Logik von einem „lebensweltlichen“ Bezug abgelöst. Dorthinein,<br />
versucht er sie zu reintegrieren. Dafür müsse, so Ulrich, ökonomisches Denken und<br />
Handeln aber auf dem „Werteboden“ nicht mehr der ökonomischen, sondern in erster<br />
Linie der sozialen Vernunft, stattfinden. Die „Lebenswelt“ umfasst bei Ulrich, neben der<br />
Sicherung materieller Lebensgrundlagen, auch qualitative Merkmale wie „Sinn“ <strong>als</strong><br />
conditio humana, und „Lebensfülle“, die inhaltlich von soziokulturellen Umständen<br />
abhänge. Materielle Grundsicherung ist die Voraussetzung für das Leben <strong>als</strong> solches.<br />
Wie dieses Leben dann aussehen soll, müssten die Mitglieder einer Gesellschaft<br />
entscheiden. „Letzten Endes geht es nicht um die Systemorganisation, sondern um<br />
unsere Lebensform und den ihr angemessenen Wirtschaftsstil: Wie möchten wir in<br />
Zukunft leben? Dass ist die sozialökonomische Kernfrage der Zeit.“ 70 Gerechtigkeit und<br />
Gleichheit spielen eine große Rolle, um den Entscheidungsprozess zu ermöglichen.<br />
Die normative Grundlage der Wirtschaft soll kommunikativ entwickelt werden. Hierfür<br />
greift Ulrich auf die Diskursethik zurück (s. dort). Die Orte der Moral verteilt Ulrich auf<br />
67 vgl. Ahlrichs, 2012, S. 44<br />
68 vgl. Anhang 3: Grundlagen der Ethik, Deontologie, Anhang, S. A3<br />
69 zum Folgenden vgl. Ulrich, 2001, Kapitel 2,3,4<br />
70 Ulrich in Büscher in Aßländer, 2011, S. 106<br />
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alle gesellschaftlichen Ebenen. Auf der Mikroebene finden freie und mündige<br />
„Wirtschaftsbürger“ einen Konsens für normative Grundlagen. Dies setzt einen<br />
„republikanischen Wirtschaftsbürgersinn“ 71 , d. h. bestimmte Tugenden des<br />
Individuums voraus. Reflexions-, Verständigungs-, und Kompromissbereitschaft<br />
gehören ebenso zu diesen Tugenden wie die Bereitschaft, das eigene Handeln,<br />
öffentlicher Legitimtätsprüfung zu unterstellen 72 . Auf dieser Grundlage kann der<br />
Wirtschaftsbürger ordnungspolitische Mitverantwortung übernehmen. Die Schaffung<br />
und Sicherung der Möglichkeiten für den Diskursprozess und die Befähigung der<br />
Bürger, an ihm teilzunehmen, liegt in der freiheitlich orientierten und gerechten<br />
Rahmenordnung, die auch die nötigen Verfahrensweisen festlegen und sichern muss.<br />
Der dritte Ort der Moral liegt auf der Mesoebene in den Unternehmen. Ulrich fordert,<br />
dass diese die Zumutbarkeit ihrer Strategien gegenüber allen Betroffenen dialogisch<br />
begründen müssen. Wie die Wirtschaftsbürger sind auch die Unternehmen für die<br />
Gestaltung einer Rahmenordnung mitverantwortlich, in der ethisches Handeln möglich<br />
wird. 73<br />
Wie oben beschrieben, baut Ulrichs Ansatz auf der Annahme eines vorhandenen<br />
menschlichen Minimalethos auf. Sein Ansatz ist von größtem Willen zu<br />
gesellschaftlicher Gestaltung geprägt und enthält utopische Elemente.<br />
Amartya Sen, Ökonom und Philosoph, setzt sich in seiner Forschung u. a. mit<br />
ökonomischer und politischer Freiheit auseinander und hat mit seiner Arbeit die<br />
Entwicklung der wirtschaftsethischen Theorie Ulrichs unterstützt. Unter anderem steht<br />
er Ulrich in puncto Minimalethos zur Seite: „ Wir müssen im menschlichen Verstand<br />
nicht erst künstlich Platz schaffen für die Idee der Gerechtigkeit oder der Fairneß, (...)<br />
Der Platz existiert bereits, und die Frage ist, wie wir die allgemeinen Interessen der<br />
Menschen systematisch stringent und effktiv einsetzen können.“ 74<br />
6.5. Zur Diskussion der beschriebenen wirtschaftsethischen Ansätze<br />
Im zusammenfassenden Vergleich der vorgestellten Theorien ergibt sich, in der<br />
dargestellten Reihenfolge der Ansätze, für diese ein abnehmendes Gefälle im Bezug<br />
auf die Gültigkeit ökonomischer Rationalität. Die Bedeutung der Übernahme sozialer<br />
Verantwortung im wirtschaftlichen Handeln nimmt dagegen zu 75 .<br />
Im Sinne der Anwendungssystematik besteht in den methodisch separativen Ansätzen<br />
ein eher kontextuelles Denken. Als Kontext dient die ökonomische Rationalität, der<br />
71 Ulrich, 2001, S. 367<br />
72 Ulrich, 2001, S. 316<br />
73 vgl. Ulrich in Ulrich Wieland (Hrsg), 1999, S. 22 ff.<br />
74 Sen, 2003, S. 312<br />
75 s. Abb. 2 im Anhang 7, S. A10<br />
16!
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ethische Normen angepasst werden, das heißt, ethische Normen, die für das<br />
ökonomische System begründet werden, müssen sich in die Logik des Systems<br />
einordnen. Im integrativen Ansatz ist auch eine deduktive Anwendungsmethode von<br />
Ethik möglich, kann aber nicht immer eingehalten werden, da dies in der Realität<br />
unmöglich wäre. So macht Ulrich Zugeständnisse an die unternehmerische<br />
Wirklichkeit 76 und lässt damit kohärentes Denken zu. Diese Kohärenz findet sich auch<br />
bei Wieland, sowie bei Steinmann und Löhr.<br />
Die Kritik zu den Inhalten der Theorien wurde bereits im vorhergehenden Abschnitt, im<br />
Anschluss an die Vorstellung der einzelnen Schulen, aufgeführt. In der<br />
abschliessenden Bewertung lässt sich feststellen, dass sich die Theorien weniger<br />
durch die ihnen zu Grunde liegenden Werte voneinander unterscheiden. Schlagworte<br />
wie Gleichheit, Gerechtigkeit oder gutes Leben tauchen bei Ulrich (und Sen), wie auch<br />
schon bei Steinmann & Löhr, zwar öfter auf, doch auch Homann und Wieland sind<br />
diese Werte wichtig. Der Glaube an die individuelle Moral ist nicht ausgeschlossen.<br />
Homan beschreibt sich selbst <strong>als</strong> wertkonservativ 77 . In seinem wirtschaftsethischen<br />
Ansatz spielt das methodisch aber keine Rolle.<br />
Unterschiede entstehen vor allem durch verschiedene ethische Grundhaltungen die zu<br />
unterschiedlichen Vorstellungen darüber führen, wie und von wem die Regeln, deren<br />
Einhaltung zu einem guten Leben in einer Gesellschaft führen sollen, aufzustellen sind.<br />
Dabei spielt das Menschenbild und die gesellschaftstheoretische Haltung der Autoren<br />
eine große Rolle. Einzelne Elemente der verschiedenen Theorien überschneiden sich<br />
jedoch, und so scheinen sie inhaltlich zum Teil kombinationsfähig.<br />
7. Gedanken zur Auswahl und Implementierung eines<br />
wirtschaftsethischen Ansatzes für Pflegeunternehmen<br />
Ein Unternehmen dass wirtschaftsethische Verantwortung übernehmen möchte, sollte<br />
sich mit den oben beschriebenen Theorien auseinandersetzen, bevor es sich auf den<br />
Weg macht. Dabei wird es keinen richtigen oder f<strong>als</strong>chen, möglicherweise aber einen<br />
passenden und realisierbaren Weg geben. Passend wird der Weg sein, wenn er die<br />
Umstände, unter denen das Unternehmen existiert, berücksichtigt. Realisierbar kann<br />
ein Weg sein, wenn er auf dem Fundament ethischer Grundhaltungen aller<br />
Unternehmensbeteiligten basiert. Nach Meinung der Autorin muss die Anwendung der<br />
Theorien allerdings auf proaktive Weise stattfinden. Es muss um die Sache gehen, um<br />
nachhaltige gesellschaftliche Gerechtigkeit. Nur dann basiert das Konzept auf den<br />
selben Werten, die es realisieren soll.<br />
76 Ulrich in Ulrich, Wieland (Hrsg.), 1999, S.22<br />
77 vgl. Herold, 2012, S. 127<br />
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!<br />
Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen lassen sich aus der breiten Aufstellung<br />
der vorgestellten wirtschaftsethischen Ansätze, im Hinblick auf wirtschaftliche und<br />
ethische Grundpositionen, theoretische Ansätze für Pflegeunternehmen finden, die<br />
sich, je nach ihren individuellen Umständen, den in Kapitel 3.5. beschriebenen<br />
Herausforderungen zu stellen haben.<br />
Ulrich spricht in diesem Zusammenhang von einem Handlungsspielraum der<br />
Unternehmensleitung für geschäftsethische und -stategische Synthesen. Diese, so<br />
Ulrich, kann man sich <strong>als</strong> mehr oder weniger grosse Schnittmenge vorstellen, deren<br />
Größe wesentlich auch von ordnungspolitischen Rahmenbedingungen abhängt 78 .<br />
Die These, dass Pflegeunternehmen theoretische Handlungsgrundlagen aus den<br />
vorhandenen Theorien ableiten können, soll somit aufrecht erhalten werden.<br />
7.1. Zur Implementierung von Unternehmensethik<br />
Zur Implementierung bedarf es zunächst einer Bestandsaufnahme, die den Ist-Zustand<br />
über die oben beschriebenen externen und internen Bedingungen bewusst macht. 79<br />
Anschließend muss eine Einigung über eine gemeinsam vertretbare<br />
unternehmensethische Haltung erfolgen. Wichtige Fragen in diesem Prozess sind,<br />
welche moralischen Vorstellungen im Unternehmen existieren, welche Menschenbilder<br />
vorherrschen, und welche Ideale verfolgt werden. Eine angemessene, konsensfähige<br />
Grundhaltung basiert auch auf der Beachtung externer Bedingungen. Es muss <strong>als</strong>o<br />
geklärt werden, in welchem politischen, rechtlichen, gesellschaftlichen und kulturellen<br />
Umfeld das Unternehmen agiert. Schließlich sollte eine Rolle spielen, wie groß der<br />
Wille und die Möglichkeit des Unternehmens sind, Verantwortung für die Gestaltung<br />
gesellschaftlichen Zusammenlebens zu übernehmen. So erkennen Bauer et al. im<br />
Rahmen einer Forschungsarbeit zu den Bedingungen ethischen Handelns im<br />
Pflegemanagement: „Ethisch verantwortliches Handeln in Institutionen muss von<br />
gemeinsamen Handlungsdispositionen getragen werden, die beispielsweise innerhalb<br />
einer Institutionsphilosophie verankert sind und sich im gemeinsamen Diskurs immer<br />
wieder einer kritischen Hinterfragung unterziehen.“ 80<br />
Wer weiß wo er steht, kann Pläne schmieden. Nachdem eine Grundhaltung entwickelt<br />
worden ist, müssen konkrete Ziele abgeleitet werden. Das übergeordnete Ziel wird die<br />
Herstellung von Strukturen sein, die dazu führen, dass eine „Reflexion und<br />
Argumentation über ethische Gesichtspunkte des unternehmerischen Handelns in<br />
jedem Bereich und auf allen hierarchischen Ebenen zu einem selbstverständlichen,<br />
«normalen» Moment des Denkens, Redens und Tuns aller Beteiligten werden kann“ 81 .<br />
78 Ulrich, in Ulrich & Wieland (Hrsg.), 1999, S. 22<br />
79 s. dazu Naegler, 2011, S. 197 ff.<br />
80 Bauer et al. in Dibelius & Arndt (Hrsg.), 2003, S.48 f.<br />
81 Ulrich, 2001, S. 456 f.<br />
18!
!<br />
Denn unabhängig davon, welcher theoretische Ansatz <strong>als</strong> Vorlage dient - er muss sich<br />
in der Alltagsrealität unternehmerischen Handelns widerspiegeln, um wirksam zu<br />
werden. Dafür bedarf es einer Unternehmenskultur, in der Offenheit und Transparenz<br />
herrscht. Auch muss die Möglichkeit zu Kritik und Widerspruch bestehen, damit sich<br />
die vom unternehmerischen Handeln Betroffenen gegen die Folgen unmoralischen<br />
Handelns des Unternehmens wehren, konstruktiv an einer Lösung mitarbeiten und sich<br />
unmoralischen Forderungen widersetzen können. Dafür bedarf es hierarchiefreier Orte<br />
innerhalb des Unternehmens, an denen dies sanktionsfrei geschehen kann. 82<br />
In einem zweiten Schritt kann über die praktische Umsetzung der Ziele nachgedacht<br />
werden. Dafür stehen eine Reihe von Strategien, Techniken und Instrumenten zur<br />
Verfügung, die in der unternehmensethischen Fachliteratur beschrieben werden 83 .<br />
7.2. Projektarbeit <strong>als</strong> geeignete Arbeitsorganisation zur Implementierung<br />
von Unternehmensethik<br />
Für den oben beschriebenen Prozess und eine anschließende Implementierung des<br />
Beschlossenen, erscheint die Gründung eines Projektteams sinnvoll.<br />
Unternehmensethik erfordert die Bereitschaft und die Fähigkeit zu<br />
Auseinandersetzung, Diskurs, Konsens, Widerspruch, Veränderung und Erneuerung.<br />
All dies ist der Projektarbeit implizit 84 .<br />
Der grundlegende Nutzen von Projekten besteht darin, die Hierarchie zu ergänzen in<br />
dem sie den Entscheidungsbeauftragten in einer Organisation für Entscheidungen<br />
nötiges Wissen zur Verfügung stellt. Das ist besonders sinnvoll in Situationen, in denen<br />
bereichs- und themenübergreifend entschieden werden muss. Bei der Entwicklung<br />
einer unternehmensethischen Positionierung oder Strategie ist dies der Fall, denn die<br />
Praxis der Unternehmensethik wird in allen Bereichen der Einrichtung zu<br />
Veränderungen führen. Gelungene Projektarbeit zeichnet sich auch dadurch aus, dass<br />
sie einen Widerspruch zur Organisation erzeugen kann. Unternehmensethik impliziert<br />
diesen Widerspruch innerhalb einer Organisation, denn schliesslich geht es um die<br />
Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, die zu berücksichtigen sind, und<br />
die oft im Widerspruch zueinander stehen werden. In diesem Prozess müssen<br />
horizontale und vertikale Entscheidungswege zu Gunsten alternativer Informationsund<br />
Entscheidungsinstanzen aufgehoben werden.<br />
Projektarbeit kann deshalb sowohl eine Übung, <strong>als</strong> auch eine geeignete Arbeitsform für<br />
erste Schritte in die Unternehmensethik darstellen.<br />
82 vgl. Bauer et al. in Dibelius & Arndt (Hrsg.), 2003, S.48<br />
83 siehe dazu Dietzfelbinger, 2008, S. 224 ff. und Noll, 2002, Kapitel 9<br />
84 vgl., auch zum Folgenden, Heintel & Krainz, 2011, für den Bereich Pflege zusätzlich relevant:<br />
Krainz in Ratheiser et al., 2011<br />
19!
!<br />
8. Blick in die Alltagsrealität<br />
Für den empirischen Teil der Arbeit wurden Daten in einer Einrichtung der<br />
vollstationären Pflege erhoben. Die Einrichtung gehört zu einem Unternehmen, das<br />
Pflegewohnanlagen für ältere Menschen betreibt. Dieses Unternehmen ist wiederum<br />
ein Tochterunternehmen eines börsennotierten Konzerns.<br />
8.1. Methodisches Vorgehen<br />
In dem bislang wenig erforschten Gebiet der Unternehmensethik in der<br />
Pflegewirtschaft soll explorativ nach Einstiegsmöglichkeiten für Unternehmen gesucht<br />
werden, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen möchten.<br />
Es geht zunächst um die Entdeckung subjektiver Sichtweisen, folglich muss ein<br />
Zugang über die subjektive Perspektive erfolgen. Es wurde deshalb ein qualitativer<br />
Ansatz gewählt 85 .<br />
Die Form der Experteninterviews erfüllt den Zweck, spezielles Wissen zum Thema zu<br />
generieren, dass nur von Experten, in diesem Falle dem Führungspersonal der<br />
untersuchten Einrichtung, bereitgestellt werden kann. Da in diesem Fall<br />
unternehmenskulturelle Strukturen eine große Rolle spielen, ist nicht nur das Wissen<br />
der Experten von Bedeutung, sondern es können auch deren Meinungen,<br />
Einstellungen und Gefühle eine Rolle spielen. Der explorative Charakter des<br />
Experteninterviews ermöglichte deren Erfassung.<br />
In der kleinen Stichprobe von drei Experten, wurde ein leitfadengestütztes Interview 86<br />
durchgeführt, dass bei vorgegebenen Themen eine flexible, auf den jeweiligen Partner<br />
abgestimmte Interviewführung ermöglichte.<br />
Erfragt wurden Sichtweisen und Praktiken im Unternehmen, die <strong>als</strong> Ansatzpunkte für<br />
die Umsetzungen der wirtschaftsethischen Theorien identifiziert werden sollten.<br />
Die Transkription der Interviews erfolgte vollständig. Nicht-wörtliche Äußerungen, wie<br />
Mimik, Betonung, Gestik, Pausen, Lachen, etc.) wurden nur kommentiert, sofern sie für<br />
die Bedeutung der Aussagen relevant erschienen. Die Daten wurden anonymisiert. Ein<br />
Transkript befindet sich im Anhang. Die anderen Tanskripte sind <strong>als</strong> elektronische<br />
Medien verfügbar.<br />
Es erfolgte eine qualitative Inhaltsanalyse in Anlehnung an Mayring. Dazu wurden<br />
thematische Kategorien gebildet. Sie entstanden in einer Mischung aus Deduktion und<br />
85 Die theoretischen Grundlagen zur Methodik sind entnommen aus: Hug & Poscheschnik,<br />
2010, sowie Kuckartz, 2012<br />
86 Leitfaden im Anhang, Anhang 8, S. A11<br />
20!
!<br />
Induktion. Zunächst wurden Kategorien aus der Theorie abgeleitet. Während der<br />
Datenanalyse wurden im Datenmaterial relevante Themenbereiche <strong>als</strong> zusätzliche<br />
Kategorien identifiziert. Es folgten Einzelfallzusammenfassungen der Interviews<br />
entlang der gebildeten Kategorien und die Zuordnung der Daten zu den Kategorien in<br />
einer Kreuztabelle. Der so strukturierte Inhalt der Interviews wurde in einem weiteren<br />
Schritt entlang der Kategorien zusammenfassend und vergleichend analysiert und<br />
interpretiert. In Rückbezug auf die Theorie wurden zur Beantwortung der<br />
Forschungsfrage taugliche Ansätze für Unternehmensethik identifiziert, um<br />
Handlungsempfehlungen daraus ableiten zu können.<br />
An dieser Stelle soll bereits auf die Begrenztheit der Aussagen dieser Empirie<br />
hingewiesen werden. Als Einzelfall-Forschung mit sehr kleiner Stichprobe können die<br />
Ergebnisse nicht generalisiert werden. Bestimmte Fragen sind offen geblieben, neue<br />
Fragen sind entstanden 87 .<br />
8.2. Kriterien für die Empirie<br />
Folgende Kriterien wurden deduktiv und induktiv gebildet 88 :<br />
Voraussetzung unternehmensethischen Handelns ist die Bereitschaft der<br />
Leitungsebene eines Unternehmens nach ethischen Gesichtspunkten zu handeln.<br />
Durch Festschreibung in offiziellen Führungsstatements, wie zum Beispiel dem Leitbild,<br />
sollte eine Verpflichtung erfolgen, dieser Bereitschaft entsprechend zu handeln. Dieses<br />
formelle Bekenntnis ist eine wirkungsvolle Voraussetzung für erfolgreiche<br />
unternehmensethische Praxis. Eine Kategorie muss deshalb heißen: „Offizielles<br />
Bekenntnis zu Unternehmensethik“.<br />
Da anhand des Datenmateri<strong>als</strong> klar wurde, dass die Pflege der Führungskultur eine<br />
große Rolle im Führungsprozess spielt. die auch den Kommunikationsprozess in der<br />
Einrichtung mit bestimmt, der für die Praxis der Unternehmensethik von großer<br />
Bedeutung ist, soll „Führungskultur“ ein weiteres Kriterium für die Analyse darstellen.<br />
In allen beschriebenen wirtschaftsethischen Theorien geht es um die Wahrung der<br />
Interessen gesellschaftlicher Gruppen. Eine Voraussetzung hierfür ist die<br />
Wahrnehmung dieser Interessen durch das Unternehmen. Voraussetzung hierfür ist<br />
die Kommunikation mit den gesellschaftlichen Gruppen. Daraus ergibt sich die<br />
Kategorie „Kommunikation“<br />
Für Unternehmen der Pflegewirtschaft ist, wie oben beschrieben, die Wahrnehmung<br />
der Interessen von Mitarbeitern und Kunden/Patienten/Klienten unternehmensethisch<br />
87 Der Leitfaden für die Interviews und alle relevanten Aufzeichnungen für die genannten<br />
Auswertungsschritte befinden sich im Anhang<br />
88 Kurzfassung der Übersicht im Anhang 9, im Anhang S. A15<br />
21!
!<br />
besonders brisant. Es ergeben sich deshalb die Unterkategorien „Kommunikation mit<br />
Mitarbeitern“, „Kommunikation mit Kunden“, „Kommunikation mit anderen<br />
gesellschaftlichen Gruppen“.<br />
Die Qualität der Kommunikation ist im Zusammenhang mit Unternehmensethik<br />
abhängig von ihrer gerechten Gestaltung. In Bezug auf die Wahrnehmung und<br />
Wahrung von Interessen gesellschaftlicher Gruppen, ist Diskurs eine angestrebte Form<br />
der Kommunikation, durch die eine Möglichkeit zur sanktionsfreien Ausübung von Kritik<br />
und Mitgestaltung entsteht. Daraus ergibt sich die Kategorie „Diskurs“.<br />
Unterkategorien hierzu sollten zunächst „Bereitschaft zum Diskurs“ und „Befähigung<br />
zum Diskurs“ sein. Wegen mangelnden Hinweisen auf Diskurs in den Daten, wurden<br />
die Unterkategorien verworfen.<br />
Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Gruppen und mit deren Interessen ist in<br />
ihrer unternehmensethischen Qualität abhängig davon, wie viel Widerspruch zur<br />
Hierarchie in einem Unternehmen möglich ist. Wegen der beschriebenen besonderen<br />
ethischen Herausforderung, die Unternehmen der Pflegewirtschaft gegenüber Kunden<br />
und Mitarbeitern haben, sollen hier die Widerspruchsmöglichkeiten von Kunden und<br />
Mitarbeitern gegenüber dem Unternehmen herausgefiltert werden. Die übergeordnete<br />
Kategorie hierzu heißt „Hierarchie“.<br />
Die Öffnung eines Unternehmens gegenüber den Interessen gesellschaftlicher<br />
Gruppen ist eine strategische Veränderung und wird in seiner Konsequenz<br />
Veränderungen nötig machen. Sie erfordert deshalb die Fähigkeit des Unternehmens<br />
Erneuerungsprozesse zu ermöglichen und zu gestalten. Hieraus ergibt sich die<br />
Kategorie „Erneuerungs- und Veränderungsmanagement“<br />
Zur Einordnung im theoretischen Feld der Wirtschaftsethik in eine ökonomisch<br />
orientierte oder integrative Richtung ergibt sich die Kategorie „Primat der Ethik oder<br />
der Ökonomie in Entscheidungssituationen“.<br />
Aus der Theorie geht hervor, dass es ein Spannungsfeld zwischen den Polen Ethik und<br />
Ökonomie gibt. Es ist zu erwarten, dass Entscheidungen in diesem Spannungsfeld zur<br />
Herausforderung werden und systematische Unterstützung in solchen<br />
Entscheidungssituationen angebracht ist. Deshalb wird die Kategorie „Strukturen, die<br />
ethische Entscheidungen in Dilemmasituationen erleichtern“ gebildet.<br />
Der Bedeutung des Engagements von Unternehmen in Bezug auf eine<br />
Rahmenordnung, die ethisches Handeln ermöglicht, soll die Kategorie „Engagement<br />
für die Rahmenordnung“ gerecht werden.<br />
Schließlich entsteht auf induktivem Wege während der Analyse der Eindruck, dass es<br />
das Bemühen um Projektarbeit in der Einrichtung gibt. Diese wurde in der Theorie <strong>als</strong><br />
für die Praxis der Unternehmensethik wichtige Arbeitsform identifiziert. Induktiv entsteht<br />
deshalb die Kategorie „Projektarbeit“.<br />
22!
!<br />
8.3. Vergleichende Analyse und Interpretation der Daten<br />
Die Analyse folgt in ihrer Gliederung im Wesentlichen den zur Auswertung der<br />
Interviews gebildeten Kategorien. Der Quellennachweis befindet sich in Klammern und<br />
bezieht sich auf den jeweiligen Absatz in der Kreuztabelle (K) im Anhang.<br />
Offizielles Bekenntnis zur Unternehmensethik<br />
Es gibt in der Einrichtung kein offizielles Bekenntnis zur Unternehmensethik. Es gibt<br />
aber ein Leitbild, in dem der Aspekt der Wertschätzung hervorgehoben wird (K 1,3,4).<br />
Wertschätzung gegenüber verschiedenen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen muss<br />
<strong>als</strong> Voraussetzung für die Bereitschaft zu der in der Theorie geforderten Übernahme<br />
gesellschaftlicher Verantwortung gelten und ist somit ein wichtiger Ansatzpunkt für die<br />
Einrichtung auf dem Weg in die Unternehmensethik. Geteilte Werte spielen ebenfalls<br />
ein Rolle im Leitbild. (K 3) Nur auf ihrer Grundlage können sich Mitarbeiter eines<br />
Unternehmens, wie bei Wieland beschrieben, kollektiv und individuell moralisch<br />
verhalten. Außerdem ist im Leitbild das Vorhaben beschrieben, zu den Besten der<br />
Branche zu gehören (K 1). Dies muss für ein Unternehmen der Pflegewirtschaft mit der<br />
ethische Reflexion über das unternehmerische Handeln einhergehen. Angesprochen<br />
ist hier die Qualität der Leistung, die aufgrund des Kerngeschäfts „Pflege“, eng mit<br />
moralischem Verhalten gegenüber Kunden und Mitarbeitern gekoppelt ist. Mit diesen<br />
drei Aspekten - Wertschätzung, geteilte Werte und Reflexion über ethisches Verhalten<br />
gegenüber Mitarbeitern und Kunden - sind wichtige Voraussetzungen erfüllt, um ein<br />
Bekenntnis zur Unternehmensethik in das Leitbild zu integrieren und damit eine<br />
offizielle und verbindliche Handlungsgrundlage für unternehmensethisches Handeln zu<br />
schaffen.<br />
Die Aufnahme des Aspekts der Nachhaltigkeit in die Unternehmensvision wird<br />
momentan auf Ebene des Gesamtunternehmens vorbereitet. Außerdem gibt es im<br />
Mutterkonzern einen Standard zur Verhinderung von Korruption (K 2).<br />
Dies spricht für die Bereitschaft, über die Bedeutung von Verantwortungsübernahme<br />
für das eigene Handeln nachzudenken. Für die unternehmensethische Bestrebung der<br />
einzelnen Einrichtung kann das günstig sein.<br />
Führungskultur:<br />
Die Werte und Vorsätze aus dem Leitbild werden u. a. durch die Führungskultur, in die<br />
Alltagsrealität des Unternehmens integriert. Die Leitung nimmt sich Zeit und zeigt sich<br />
offen für die Wahrnehmung der Bedürfnisse von Mitarbeitern und Kunden. Sie bemüht<br />
sich, diesen Bedürfnissen durch ihr Handeln gerecht zu werden (K 5). Die<br />
Führungskultur basiert offenbar auf einem Menschenbild, das von der Überzeugung<br />
der Entwicklungsfähigkeit des Menschen geprägt ist. Mitarbeiter erhalten<br />
Weiterbildungen, das Unternehmen kümmert sich um interne berufliche<br />
Weiterentwicklung und fördert selbstständiges, eigenverantwortliches Handeln soweit<br />
23!
!<br />
das möglich ist (K 7). Zur Positionierung, gegenüber der aus unternehmensethischer<br />
Sicht in der Pflegewirtschaft besonders beachtenswerten Gruppe der Mitarbeiter,<br />
scheint dies ein sinnvoller Ansatz, denn offenes, wertschätzendes Verhalten der<br />
Führung den Mitarbeitern gegenüber muss <strong>als</strong> Voraussetzung dafür gelten, dass die<br />
Kommunikation zwischen Einrichtungsleitung und Mitarbeitern gelingen kann.<br />
Kommunikation<br />
Die Interviewten beschreiben eine rege Kommunikationskultur in der Einrichtung.<br />
Dabei verläuft die Kommunikationsrichtung hauptsächlich entlang der hierarchischen<br />
Strukturen. Dies gilt besonders für die Kommunikation mit den Mitarbeitern . Die<br />
Ausprägung der Kommunikation gegenüber den verschiedenen gesellschaftlichen<br />
Gruppen ist unterschiedlich stark. Der Schwerpunkt liegt bei Kunden (K 19-23) und<br />
Mitarbeitern (K 8-18). In geringerem Umfang wird mit Kooperationspartnern<br />
kommuniziert (K 24-25). Andere Gruppen spielen in der Kommunikation eine<br />
untergeordnete Rolle.<br />
Kommunikation mit Mitarbeitern<br />
Kommunikation wird <strong>als</strong> Mittel zur Wertschätzung der Leitung gegenüber den<br />
Mitarbeitern beschrieben (K 14). Hierzu existiert in der Einrichtung ein Maßnahmen-<br />
Katalog. Wertschätzende Kommunikation soll durch Maßnahmen nicht nur verbal<br />
sondern auch auf Erlebnisebene stattfinden. (K 9)<br />
„Wir haben einen Katalog von - ich glaube da sind 30 Massnahmen darauf, die man<br />
reflektieren kann, was man Mitarbeitern im Rahmen von weichen Faktoren mal schenken<br />
kann. Dass das nicht nur so vage immer ist. Wir loben halt mal hier und da - sondern<br />
ganz konkret wie zum Beispiel mal ein Eis ausgeben, oder auch mal zur Teamsitzung<br />
gehen.“ (K 9)<br />
Hier geschieht Informationsweitergabe entlang der hierarchischen Linie, einseitig von<br />
Oben nach Unten. Es findet <strong>als</strong>o kein Austausch und somit keine Kommunikation statt.<br />
An anderen Stellen wird durchaus im Sinne des Wortes kommuniziert. Der Impuls geht<br />
zwar häufig von der Leitung aus, der Informationsaustausch erfolgt dann aber in<br />
beiden Richtungen (K 10). Die Führungskräfte sind den Belangen aller Mitarbeiter<br />
gegenüber aufgeschlossen (K 9 und 11). So werden die Mitarbeiter nach ihren<br />
Wünschen und Vorschlägen, etwa in Bezug auf Fortbildungen (K 9) befragt. Es besteht<br />
Offenheit gegenüber Mitarbeiterinteressen und das ehrliche Anliegen, sie zu<br />
befriedigen (K 11).<br />
Diese Art der Kommunikation mit den Mitarbeitern gehört zur Unternehmenskultur. Sie<br />
ist aber unsystematisch. Ihre Art und Ausprägung ist themenabhängig und wird von der<br />
Leitung bestimmt. Es gibt Themen, die von der Führung bearbeitet werden, ohne<br />
Mitarbeiter zu involvieren, bei anderen Themen sind die Meinungen der Mitarbeiter<br />
gefragt (K10).<br />
24!
!<br />
„... Es gibt Themen die jede Führungskraft auf jeder Ebene natürlich ganz klar steuern<br />
muss, wo es dann um Informationen geht. Aber es gibt auch immer viele Themen, [...] ,<br />
oder ob ich vorher sage, ich fördere hier auch etwas, eine Diskussion. In dem ich sage,<br />
ich würde gerne in die und die Richtung gehen, dieses Projekt haben wir vor, was habt ihr<br />
für Ideen?“ (K10)<br />
Die Kommunikationswege verlaufen sehr stark entlang hierarchischer Strukturen. Das<br />
ist von der Leitung gewollt (K 13)<br />
Aus unternehmensethischer Sicht ist es ein guter Ansatz, dass die Einrichtungsleitung<br />
offenbar die ehrliche Sorge um das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter antreibt. Allerdings<br />
sind die Mitarbeiter der Willkür der Leitung ausgesetzt. Aufgrund der hierarchischen<br />
Wege und der fehlenden Systematik zur Kommunikation, sind die Chancen zur<br />
Durchsetzung von Interessen für Leitung und der Mitarbeiter ungleich verteilt.<br />
Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter kein offizielles Organ haben. Es existiert keine<br />
Mitarbeitervertretung. Die Mitarbeiter werden zur Bildung einer solchen auch nicht<br />
ermutigt oder dabei unterstützt. Im Gegenteil, man ist froh, dass es keine Vertretung<br />
gibt, denn es besteht die Sorge vor zu viel Unruhe, die sonst entstehen könnte (K 17).<br />
„Aber es kann natürlich auch sein, dass dann Leute, die gewählt werden womöglich, die<br />
vielleicht gar nicht so konstruktiv auf die Sache zu gehen. Also MA-Vertretung muss ja<br />
nicht immer heißen wohlwollendes Miteinander. Ich will‘s nicht Schwarzmalen oder so.<br />
Aber es kann natürlich auch sein, dass persönliche Unzufriedenheiten dazu führen, dass<br />
es da eine kleine Verschwörung oder Zusammenballung gibt, und dass es womöglich für<br />
die Leitung des Hauses äußerst beschwerlich werden kann.“ (K 18)<br />
Dieses Zitat deutet auf ein tradiertes, herrschaftliches Konzept von<br />
Unternehmensführung hin. Das unternehmensethische Potenzial einer systematischen<br />
Vertretung von MA-Interessen zur Beteiligung dieser wichtigen gesellschaftlichen<br />
Anspruchsgruppe an der Legitimation unternehmerischer Ziele, Strategien und<br />
Handlungen durch Kommunikation und Diskurs, bleibt ungenutzt.<br />
Karrieregespräche sollen der Einrichtung und den Mitarbeitern bei der<br />
Weiterentwicklung helfen (K 14).<br />
„Karrieregespräche finden statt, die ja auch sehr wichtig sind. Dass ich MA erkenne, die<br />
Potential haben, die sich einbringen wollen, die ich halten möchte. Dass ich mit denen ein<br />
Gespräch führe: Was stellst du dir vor, wo siehst du dich in drei Jahren, was sind deine<br />
Ziele. Dass man <strong>als</strong> Unternehmer zeigt, ich sehe und wertschätze dich, ich kann dir was<br />
anbieten.“ (K 14)<br />
25!
!<br />
An der Systematik der Mitarbeitergespräche im Unternehmen wird derzeit gearbeitet,<br />
nicht zuletzt aus Gründen der Mitarbeiter-Bindung in Zeiten des Fachkräftemangels in<br />
der Pflege (K 15).<br />
„Da ist jetzt eine zunehmende Systematik erwünscht. Das ist ein wichtiger Bereich<br />
geworden. Im Rahmen des ganzen Pflegenotstands muss man auch erkennen, das gute<br />
Fachkräfte auch gehalten werden wollen.“ (K 15)<br />
Diese Gespräche sollten im Zuge der Beachtung von Mitarbeiterinteressen fester<br />
Bestandteil der Kommunikation zwischen der Einrichtung und ihren Mitarbeitern sein.<br />
Hier besteht ein Ansatz zur systematischen und transparenten Kommunikation mit<br />
Mitarbeitern, der weiterentwickelt werden muss.<br />
Zusammenfassend zeigt die Auswertung der Interviews in diesem Punkt, dass eine<br />
große Herausforderung für die Einrichtung darin bestehen wird, die Qualität der<br />
Kommunikation mit den Mitarbeitern zu verbessern. Mitarbeiter sind eine wichtige<br />
gesellschaftliche Interessengruppe für das Unternehmen. Diese Erkenntnis zieht sich<br />
durch alle neueren wirtschaftsethischen Theorien, und sie ist, wie beschrieben eine<br />
besondere Herausforderung für die Pflegewirtschaft. Insofern verwundert es auch<br />
nicht, dass im Rahmen der Empirie ein Defizit in diesem Bereich zu Tage tritt.<br />
Die Mitarbeiter müssen Rechte erhalten, die es ihnen ermöglichen, das<br />
Kommunikationsverfahren zu beeinflussen. Dazu brauchen sie zunächst eine<br />
Vertretung. Ein systematisiertes, transparentes Verfahren muss entwickelt werden, in<br />
dem die Anliegen von Mitarbeitern kommunikativ bearbeitet werden können.<br />
Voraussetzung hierfür ist, dass Kommunikationswege geschaffen werden, die sich<br />
nicht an der Hierarchie orientieren, damit machtfreier Raum für den Diskurs entstehen<br />
kann. Eine Willkür der Einrichtungsleitung in der Beachtung von Mitarbeiterinteressen<br />
wird so vermieden, und ein erster Schritt ist getan, um die Mitarbeiter in die Lage zu<br />
versetzen, die Beachtung ihrer Interessen selber zu beeinflussen.<br />
Kommunikation mit Kunden<br />
Das größte und erfolgreichste, Bemühen um Kommunikation besteht offenbar<br />
gegenüber der Gruppe der Kunden. Die Wahrung der Interessen der Bewohner ist<br />
eines der wichtigsten Anliegen der Einrichtung (K 19 und 21). Voraussetzung dafür, ist<br />
die Kommunikation mit den Bewohnern. Als Kunden werden die Bewohner, und im<br />
weiteren Sinne auch deren Angehörige betrachtet (K 20, 21)).<br />
Die Kommunikation mit Bewohnern wird <strong>als</strong> gut und systematisch beschrieben (K 21<br />
und 23).<br />
Es gibt ein Beschwerde- und Hinweismanagement, mit dem die Weitergabe und<br />
Bearbeitung von Informationen gesteuert wird (K 20).<br />
Zwei mal jährlich, erhalten auch die Angehörigen der Bewohner die Chance zur<br />
direkten Kommunikation bei den Angehörigen-Abenden (K 20).<br />
26!
!<br />
Die Bewohner vertreten ihre Interessen durch den Heimbeirat. Sie werden von der<br />
Leitung zu Aktivität im Kommunikationsprozess aufgefordert und dabei unterstützt (K<br />
20).<br />
„Also wir haben einen Heimbeirat, den müssen wir auch haben, aber mir ist es auch ein<br />
Anliegen, den wirklich auch wach zu rütteln, zu fördern, zu sagen, kommen Sie doch<br />
dazu, dass es kein geschlossener Kreis ist, sondern jeder Bewohner der Lust hat, kann<br />
dazu kommen.“ (K 20)<br />
Abgesehen davon, bestehen informelle Wege der Kommunikation. So gibt es keine<br />
Kunden-Sprechzeiten der Leitung, denn diese ist jederzeit ansprechbar (K 21).<br />
Die Einrichtung sieht ihren Auftrag in erster Linie darin, Kundeninteressen zu<br />
befriedigen. Den Bewohnern gegenüber besteht deshalb Offenheit zur Kommunikation.<br />
Die Strukturen für die Kommunikation in diesem Bereich zeigen, dass die Einrichtung<br />
gute Voraussetzungen entwickelt hat, um ihrer kommunikativen Aufgabe gegenüber<br />
der Gruppe der Kunden aus unternehmensethischer Sicht gerecht zu werden. Hier<br />
liegt Potential und Anregung, um Strategien auch für die vernachlässigte<br />
Kommunikation mit den Mitarbeitern zu entwickeln.<br />
Kommunikation mit anderen gesellschaftlichen Gruppen<br />
In den Interviews finden sich wenige Hinweise auf Zusammenarbeit und<br />
Kommunikation mit anderen gesellschaftlichen Gruppen <strong>als</strong> denen der Kunden und<br />
Mitarbeiter.<br />
Es gibt aber den Hinweis auf gute Kommunikation mit Kooperationspartnern. Dazu<br />
zählen zum Beispiel Hausärzte, die offenbar gut in die fachliche Arbeit im Unternehmen<br />
eingebunden sind, und die <strong>als</strong> grosse Unterstützung geschätzt werden (K 58).<br />
Außerdem gibt es eine rege Kommunikation mit der Forschung. Auch hier bestehen<br />
Kooperationen K 39). Kooperationspartner werden <strong>als</strong> Multiplikatoren verstanden, die<br />
für die Außenwirkung eine wichtige Rolle spielen. Durch gute Kommunikation soll die<br />
Wahrung von Interessen der Kooperationspartner möglich werden, denn deren Gunst<br />
ist von Bedeutung für den Erfolg der Einrichtung (K 25).<br />
„Also, Zufriedenheit der Partner steht ganz oben. Dass es ein Geben und Nehmen ist,<br />
weil Partner, Kooperationspartner auch immer <strong>als</strong> Multiplikatoren begriffen werden. Wer<br />
mit uns zufrieden ist, wird auch gut über uns sprechen. Und das kann uns ja wiederum<br />
nutzen.“ (K 25)<br />
Im Zuge unternehmensethischer Entwicklung sollten weitere relevante Gruppen<br />
identifiziert werden, die von den Auswirkungen des Handelns der Einrichtung betroffen<br />
sind. Schon im Interview wurde herausgearbeitet, dass die Gruppe der Lieferanten und<br />
Kooperationspartner kommunikativ bislang vernachlässigt wurde (K 24A).<br />
27!
!<br />
„...ist mir jetzt im Interview aufgefallen, mal zu schauen, wie sind die Lieferanten und<br />
Kooperationspartner aufgestellt. Das muss ich sagen ist ein ganz neuer Gedanke,der<br />
kam bis jetzt noch nicht, da ist noch Luft nach oben, das ist `ne spannende Sache. Weil<br />
das ja auch ein Gebot der Stunde ist, Da sind wir beim Anfang wieder, da geht es um<br />
Nachhaltigkeit. Das interessiert mich. Da könnte sich noch was entwickeln.“ (K 24A)<br />
Auch die Kommunikation mit Investoren könnte unternehmensethisch zielführend sein,<br />
denn diese bilden eine Interessengruppe die wegen der Börsennotierung des<br />
Mutterkonzerns der Einrichtung, überproportional bestimmend auf das<br />
unternehmerische Handeln einwirkt. Zunächst hat die Einrichtung keinen Einfluss auf<br />
die Kommunikation mit den Investoren (K24), doch im Zuge des Engagements für eine<br />
Unternehmensordnung die moralisches Verhalten erleichtert, könnte die Leitung die<br />
Kommunikation über unternehmensethische Themen anregen und somit Einfluss auf<br />
die Voraussetzungen für die moralische Güte eigenen Handelns nehmen.<br />
Diskurs<br />
Die Aussagen der Interviewten sprechen dafür, dass die Kommunikation der<br />
Einrichtungsleitung mit den Bewohnern und ihren Angehörigen diskursiven Charakter<br />
hat. Zumindest besteht gegenüber der Kritik und den Wünschen dieser Gruppe die<br />
größte Offenheit, und Hierarchie spielt gegenüber den Bewohnern keine Rolle.<br />
Mitarbeiter und Leitung sind für jeden Bewohner ansprechbar, es gibt die<br />
Voraussetzungen für eine zwanglose, machtfreie Kommunikation in der sich die<br />
Beteiligten um Konsens bemühen können (K 19-23).<br />
Die Bereitschaft zum Diskurs wird durch die Tatsache unterstrichen, dass die Leitung<br />
die Bewohner ermutigt, ihre Interessen zu vertreten (K 20). In der Einrichtung herrscht<br />
<strong>als</strong>o eine gewisse Erfahrung im Diskurs, der nun auf andere Gruppen ausgeweitet, und<br />
in der Systematik entsprechend weiterentwickelt werden muss.<br />
Wie theoretisch beschrieben und im Punkt Kommunikation nachvollzogen, sind die<br />
Mitarbeiter eine kommunikativ und damit diskursiv bislang vernachlässigte Gruppe, die,<br />
aufgrund der unternehmensethischen Herausforderungen für die Pflegewirtschaft,<br />
besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Gerade die Kommunikation mit den Mitarbeitern<br />
ist in ihren Abläufen stark von der Hierarchie beeinflusst. Es gibt für Äußerungen der<br />
Mitarbeiter offiziell keine sanktionsfreien Räume (K 10, 13, 17). Damit ist kein Diskurs<br />
möglich.<br />
Aus unternehmensethischer Sicht sollte sich die Einrichtung auch für die Befähigung<br />
von Diskursteilnehmern zum Diskurs einsetzen. Auch hier wäre an erster Stelle an die<br />
Befähigung der Mitarbeiter <strong>als</strong> besonders relevante Interessengruppe zu denken<br />
Hierarchie<br />
Die Unternehmenskultur ist stark von der bestehenden Hierarchie geprägt. Das wird<br />
von allen Interviewpartnern übereinstimmend <strong>als</strong> gewollt beschrieben. So verlaufen<br />
28!
!<br />
formell alle Kommunikations- und Entscheidungsprozesse entlang der hierarchischen<br />
Linie (K 10, 13, 28, 29, 54).<br />
„Wir sagen, Entscheidungen sind hierarchisch aufgebaut, und zwar von unten nach oben.<br />
Wir versuchen das so genannte Vier-Augen-Prinzip durchzuhalten. Das heißt<br />
Entscheidungen werden immer im Vier-Augen-Prinzip gefällt. Was heißt: Die Ebene auf<br />
der eine Entscheidung gefällt oder vorbereitet werden muss, trägt den Lösungsansatz,<br />
nicht das Problem, zur nächsthöheren Ebene. Zusammen mit der nächsthöheren Ebene<br />
wird dann im Vier-Augen-Prinzip gemeinsam beschlossen, ja oder nein, [...]“ (K 54)<br />
Den Mitarbeitern wird Eigenverantwortlichkeit in ihrem jeweiligen Arbeitsbereich<br />
ermöglicht, diese wird aber hierarchisch kontrolliert (K 29).<br />
„Auch Selbstständigkeit, Verantwortung. Zutrauen. Eigenverantwortung. Dass jeder seine<br />
Aufgaben kennt, seinen Bereich kennt. [...] klar regelmäßigen Austausch,<br />
Kommunikation. Man muss die Ziele des Unternehmens ja auch weitergeben, Aufgaben<br />
weitergeben, im Sinne des grossen Ganzen, für den Einzelbereich. Aber das dann jeder<br />
doch schon seinen Bereich in Eigenverantwortung führt.“ (K 29)<br />
Wie im Punkt „Diskurs“ beschrieben, verhindert die ausgeprägte Hierarchie den<br />
Diskurs. Die angeführten Zitate verdeutlichen, dass die Hierarchie in dieser Einrichtung<br />
dazu führt, dass Entscheidungen gemäss den Interessen der Leitungsebene, ohne<br />
Beteiligung der Mitarbeiter getroffen werden. Aus unternehmensethischer Sicht, sollte<br />
der Verlauf der Prozesse zur Entscheidungsfindung die Berücksichtigung der<br />
Interessen möglichst vieler vom unternehmerischen Handeln der Einrichtung<br />
betroffener Gruppen gewährleisten. Dafür sind flache Hierarchien nötig, in denen es<br />
aufgrund geringerer Machtunterschiede und höherer Transparenz eine gerechtere<br />
Chancenverteilung für die Durchsetzung von Interessen und die Legitimation von<br />
Normen <strong>als</strong> Entscheidungsgrundlagen gibt.<br />
Erneuerungs- und Veränderungsmanagement<br />
Veränderung hat einen hohen Stellenwert im Arbeitsalltag der Einrichtung und ist Teil<br />
der Strategie (K 30, 37).<br />
„Also ich würde schon davon ausgehen, dass unser Haus, unser Betrieb, sich <strong>als</strong><br />
lernende Organisation versteht, dieses Stichwort, wo es wichtig ist, dass Veränderung<br />
dazu gehört.“ (K 30)<br />
Die Impulse zu Veränderungen kommen oft von der Leitung K 31, 38), aber auch<br />
Mitarbeiter können Veränderungsimpulse setzen, und sollen dann, je nach Dafürhalten<br />
der Leitung, die Veränderung umsetzen (K 32,33). Die Veränderungsprozesse werden<br />
von der Leitung gesteuert (K 33). Kommunikation und Transparenz sind wichtige<br />
Aspekte in diesen Prozessen K 35). Die Leitung hat eine streng kontrollierende<br />
Funktion bei der Auswahl von Ideen, die umgesetzt werden (K 33). Viele<br />
29!
!<br />
Veränderungsprozesse werden auch im Rahmen des Qualitätsmanagements<br />
erarbeitet und umgesetzt, zum Teil in projektartiger Form (K 41, 61, 63). Notwendig<br />
werden Veränderungen vor allem im Rahmen von Kooperationen, fachlicher<br />
Weiterentwicklung und im Bereich Unternehmenskultur (K 39).<br />
Sollte die Einrichtung unternehmensethische Ziele in ihr Leitbild aufnehmen, läge hier<br />
ein guter Ansatz zur Operationalisierung. Veränderungen, die nach einem solchen<br />
Schritt notwendig werden, müssen systematisch und gesteuert verlaufen. Die<br />
Erfahrung mit und die Bereitschaft zu Veränderungen und dazugehörigen Prozessen<br />
scheint in der Einrichtung vorhanden zu sein. Diese gute Voraussetzung für die<br />
Implementierung von Unternehmensethik kann durch ein verstärktes Bemühen um<br />
Projektarbeit, die zur Implementierung empfohlen wird, ausgebaut werden.<br />
Primat der Ethik oder der Ökonomie<br />
Grundsätzlich steht das unternehmerische Handeln in der Einrichtung unter dem<br />
Primat der Ökonomie. Entscheidungen, die unter diesem Primat getroffen werden,<br />
entsprechen nicht immer den Werten aus dem Leitbild. Da für diese aber auch eine<br />
gewisse Verbindlichkeit gilt, entsteht formal eine Unklarheit.<br />
„ Natürlich ist das Primat der Ökonomie sehr deutlich. [...] Aber, das immer wieder unter<br />
einen Hut zu kriegen... Dass wir zu den besten der Branche gehören, das heißt ja eben<br />
nicht nur, wir wollen die Reichsten werden, sondern das heißt, der Betrieb soll gut,<br />
vorbildlich laufen.““<br />
Im Zuge einer unternehmensethischen Entwicklung der Einrichtung muss diese<br />
Unklarheit reflektiert und ein Weg, mit ihr umzugehen, erarbeitet werden. Da die<br />
Einrichtung zu einem übergeordneten Unternehmen und dieses wiederum zu einem<br />
börsennotierten Konzern gehört, wird sich am ökonomischen Vorrang so bald nichts<br />
ändern. Auf dem Weg der Einrichtung in die Unternehmensethik wird diese Unklarheit<br />
immer wieder zur Herausforderung werden.<br />
Die Reflexion über und die Arbeit an dem Thema sollte mit anderen zum Konzern<br />
gehörigen Einrichtungen erfolgen. Ethische Grundhaltungen und Menschenbilder<br />
müssen dabei reflektiert werden.<br />
Ziel der Kommunikation der zum Konzern gehörenden Einrichtungen wird es sein, an<br />
einer unternehmensinternen Rahmenordnung zu arbeiten, die moralisches Verhalten<br />
vereinfacht.<br />
Dies kann <strong>als</strong> analoge Handlung zu Ulrichs Theorie von der unternehmensethischen<br />
Aufgabe eines Engagements auf der Makroebene verstanden werden, dessen Ziel es<br />
ist, eine Rahmenordnung zu schaffen, die moralisches Verhalten für Unternehmen<br />
ermöglicht.<br />
Die Konsequenzen von Entscheidungen, die unter dem Primat der Ökonomie getroffen<br />
werden, müssen diejenigen tragen, die diese Entscheidungen nicht fällen. Die<br />
30!
!<br />
Interviews belegen, dass es vor allem die Mitarbeiter sind, für die sich ungünstige<br />
Konsequenzen ergeben. Zwei Beispiele verdeutlichen das:<br />
Beim so genannten therapeutischen Essen werden Pausen der Mitarbeiter zur<br />
Betreuung der Bewohner eingesetzt. Bewohner und Mitarbeiter nehmen dann in den<br />
Wohngruppen gemeinsame Mahlzeiten ein. (K 51)<br />
„Ja, wir haben noch zum Beispiel eingeführt, dass Mitarbeiter zusammen mit Bewohner<br />
essen darf. Wir nennen das therapeutisches Essen, und das ist irgendwie auch MA-<br />
Pflege. Nimm dir Zeit, setz dich zusammen. Das nutzt dem Bewohner sehr viel, aber<br />
auch mir, <strong>als</strong> Mitarbeiter. Ich komme zum Austausch mit dem Bewohner, das gibt mir viel<br />
für meine Tätigkeit, <strong>als</strong> Krankenschwester. Ich hab alles zwar unter Kontrolle, dabei, aber<br />
ich kann auch dabei essen, mich entspannen, ne, Gespräche anregen.“ (K 51)<br />
Mitunter leisten Mitarbeiter unentgeltliche Mehrarbeit bei Personalmangel, wenn<br />
Bewohner im Sterben liegen. (K 52)<br />
„Also wie Sie jetzt beschrieben haben, jemand liegt im Sterben. Ich müsste dafür<br />
zwanzig Stunden vor Ort sein. Vielleicht ist das noch nicht zu gewährleisten, weil die<br />
finanziellen Mittel vielleicht noch nicht geregelt sind. Aber dann haben wir für uns hier<br />
einen Weg gefunden. Dass wir tatsächlich untereinander uns gut absprechen. Mal ist das<br />
schon ehrenamtliche Lösung. Aber Lösung, die trotzdem uns viel gibt.“ (K 52)<br />
Hier werden Situationen <strong>als</strong> für die Mitarbeiter günstig beschrieben, die aus objektiver<br />
Sichtweise gegen deren Interessen verstossen. Mitarbeitern werden die Pausen<br />
entzogen, Überstunden werden nicht bezahlt. Die Mitarbeiter scheinen nicht in der<br />
Lage zu sein, für sie ungünstige Situationen zu verändern. Dies liegt sowohl an der<br />
Hierarchie, an fehlenden Möglichkeiten zu Diskurs, <strong>als</strong> auch an der von Bauer<br />
beschriebenen Übernahme dominanter Deutungsmuster durch Mitarbeiter der Pflege,<br />
die ihrerseits durch die starke Hierarchie gefestigt werden. Um diesem circulus vitiosus<br />
entgegenzuwirken, ist es wichtig, alle Mitarbeiter in die Reflexion und Kommunikation<br />
über die oben beschriebene Unklarheit des Verhältnisses zwischen Ökonomie und<br />
Ethik in Entscheidungssituationen einzubinden.<br />
Strukturen, die Entscheidungen in ethischen Dilemmasituationen erleichtern<br />
Für schwierige unternehmerische Entscheidungen ist systematisch eine Hilfe durch<br />
das in diesem Kapitel unter dem Punkt „Hierarchie“ beschriebene Vier-Augen-Prinzip<br />
vorgesehen. Entscheidungen werden <strong>als</strong>o von der jeweils nächsthöheren Ebene<br />
mitbestimmt und -getragen.<br />
Dies gilt auch für fachethische Entscheidungen. Stellen sich diese <strong>als</strong> besonders<br />
schwierig dar, finden mitunter interdisziplinäre Fallbesprechungen statt . Andere<br />
Hilfestrukturen stehen nicht zur Verfügung. Eine Einrichtung die sich<br />
unternehmensethischen Herausforderungen stellen möchte, sollte ein System<br />
entwickeln, das in Entscheidungsprozessen, die ethische Aspekte beinhalten,<br />
unterstützend wirkt. Eine Einrichtung der Pflegewirtschaft könnte ein Ethik-Komitee<br />
31!
!<br />
einrichten, das systematische Hilfestellung bei fachethischen Entscheidungen leistet.<br />
Auch andere, unternehmerische Entscheidungen in denen ethische Aspekte zukünftig<br />
eine größere Rolle spielen sollen, könnten auf diese Art unterstützt und systematisch<br />
begleitet werden, z. Bsp. in Form eines Arbeitskreises, und durch Tätigkeit eines<br />
unternehmensethisch ausgebildeten Mitarbeiters der in entsprechende<br />
Entscheidungen eingebunden wird. Die Fallbesprechungen bei pflegeethischen<br />
Entscheidungen, die in der gegenwärtigen Arbeitspraxis der Einrichtung stattfinden,<br />
können hierfür ein Ansatzpunkt sein.<br />
Engagement in der Rahmenordnung<br />
Ein Engagement für eine Rahmenordnung die den Unternehmen moralisches<br />
Verhalten ermöglicht, findet in der Einrichtung nicht statt.<br />
Wie auch im Zusammenhang mit anderen Kategorien beschrieben, besteht die<br />
Möglichkeit des Engagements auf Unternehmensebene.<br />
Zusammen mit den Leitungen anderer, zum gleichen Unternehmen gehörenden<br />
Einrichtungen, sollte sich die Einrichtungsleitung dort für eine<br />
Unternehmensphilosophie und, in Anlehnung an den Begriff der Rahmenordnung, für<br />
die Gestaltung einer „Unternehmensordnung“ engagieren, die das moralische Handeln<br />
für die einzelne Einrichtung erleichtert. Das langfristige Ziel wäre der Einsatz des<br />
übergeordneten Unternehmens auf der Ebene der Rahmenordnung. Operationaler<br />
Ansatzpunkt hierfür kann die Kommunikation und Zusammenarbeit der Einrichtungen<br />
im Rahmen übergreifender Projekte sein, die bereits stattfinden. (K 60)<br />
Projektarbeit<br />
Aufgrund der steilen Hierarchie in dieser Einrichtung (K 27-29), ist Projektarbeit nur<br />
begrenzt möglich. Im theoretischen Teil dieser Arbeit wurde sie aber bereits <strong>als</strong><br />
sinnvolle Arbeitsform auf dem Weg in die unternehmensethische Praxis beschrieben<br />
und begründet. Im Rahmen des Qualitätsmanagements finden gegenwärtig<br />
Qualitätszirkel und Workshops statt (K 61-63). Über Prozessoptimierung in der Pflege<br />
wird in Teamsitzungen gesprochen. Gesteuert wird dies durch die Leitung (K 16). Auch<br />
auf Leitungsebene gibt es unternehmensübergreifende Gruppenarbeit (K 61). All dies<br />
sind Ansatzpunkte für Projektarbeit. Die Erfahrung mit Gruppen- und Teamarbeit, die<br />
bereits zur Verfügung steht, sollte durch externe Beratung ergänzt und zu einer echten<br />
Projektarbeit weiterentwickelt werden.<br />
32!
!<br />
Im Gesamteindruck der Analyse fällt auf, wie sehr die einzelnen Kriterien miteinander<br />
verwoben sind. Für einige Kategorien wird das durch die Auswertung der Daten<br />
besonders deutlich: Das Leitbild wirkt sich auf die Führungskultur aus, diese hat<br />
Einfluss auf die interne Kommunikation. Kommunikationsstrukturen beeinflussen die<br />
Möglichkeiten zum Diskurs, dessen Qualität seinerseits bestimmt wird, durch<br />
Engagement<br />
Rahmenordnung<br />
Leitbild<br />
Führungskultur<br />
Kommunikation<br />
Primat<br />
von E/Ö<br />
Projekte<br />
Hierarchie<br />
Diskurs<br />
Abbild 1:<br />
Alle in der Grafik gezeigten Aspekte sind untereinander wirkungsvoll vernetzt.<br />
(eigene Darstellung<br />
Ausformung und Grad der Hierarchie. Dies alles wirkt sich auf die Möglichkeit zur<br />
Projektarbeit aus, welche wiederum Folgen für die Hierarchie und die Möglichkeit zum<br />
Diskurs hat. Der Diskurs beeinflusst Inhalte des Leitbildes und bestimmende Werte der<br />
Führungskultur. Gemeinsam beeinflussen alle Aspekte die Haltung in der Einrichtung<br />
zu einem zentralen Punkt der Unternehmensethik, der Stellung von Ethik und<br />
Ökonomie zueinander. Auch das Engagement für die Rahmenordnung wird von allen<br />
genannten Aspekten beeinflusst und beeinflusst in seinem Ergebnis wiederum die<br />
einzelnen Aspekte.<br />
33!
!<br />
9. Fazit<br />
Wenn Pflege unter Wettbewerbsbedingungen stattfindet, dann bringt das für die<br />
Pflegewirtschaft ethische Probleme besonders im Bereich Kunden und Mitarbeiter<br />
hervor. Moderne Ansätze der Wirtschaftsethik liefern Ideen dazu, was Unternehmen<br />
tun können, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Unternehmen agieren auf<br />
der Mesoebene. Ihre Handlungen haben aber Auswirkungen auch auf die Mikroebene,<br />
auf der sie das Verhalten von Individuen beeinflussen. Zusätzlich vollzieht sich das<br />
Verhalten der Unternehmen durch Individuen. Individualethik spielt deshalb eine Rolle.<br />
Das Verhalten auf der Mesoebene kann außerdem Auswirkungen auf die Makroebene<br />
haben, wodurch Einflussnahme auf die Rahmenordnung möglich ist, von der die<br />
Möglichkeiten der Unternehmen zu moralischem Handeln wiederum abhängen. In den<br />
verschiedenen Ansätzen moderner Wirtschaftsethik ist strittig, welche gesellschaftliche<br />
Ebene den größten Einfluss auf die Moral des Marktes hat. Einige Schulen fordern ein<br />
gleichzeitiges Handeln von Unternehmen auf mehreren Ebenen. Am deutlichsten wird<br />
dies in Peter Ulrichs integrativem Ansatz. Angesichts der Ergebnisse der vorgestellten<br />
Empirie hält die Autorin dieser Arbeit den Ansatz Ulrichs für Unternehmen der<br />
Pflegewirtschaft für geeignet. Da verschiedene gesellschaftliche Ebenen an der<br />
Entstehung und Manifestation ethischer Probleme in der Pflegewirtschaft beteiligt sind,<br />
müssen Veränderungsimpulse zur Verbesserung des Status Quo auf mehreren<br />
Ebenen gleichzeitig gesetzt werden, um wirksam zu werden. Pflegeunternehmen<br />
müssen ihre Handlungsstrategien auf alle gesellschaftlichen Ebenen hin ausrichten.<br />
Individuen in den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, die vom<br />
unternehmerischen Handeln betroffen sind, müssen in ihren Möglichkeiten zur<br />
Verantwortungsübernahme für das was im Unternehmen geschieht, gefördert werden.<br />
Der Mitverantwortung dieser Gruppen müssen sich die Unternehmen öffnen. Um mit<br />
dieser Strategie wirtschaftlich überleben zu können, müssen sich Unternehmen der<br />
Pflegewirtschaft gleichzeitig für eine Änderung der Rahmenordnung einsetzen.<br />
Dies ist die utopische Erkenntnis dieser Forschungsarbeit. Pflege ist ein Bedarf im<br />
sozialen Kontext. Die Möglichkeiten die Pflege den Interessen der Pflegebedürftigen<br />
gemäß zu gestalten sind auch von der Gesellschaftsordnung abhängig. Damit ist das<br />
utopische Element bedeutsam.<br />
Praktisch und realistisch können Unternehmen interne Strukturen schaffen, die ihnen<br />
selbst und ihren Mitarbeitern moralisches Verhalten ermöglichen. In der Einrichtung,<br />
die in dieser Arbeit beschrieben wird, ist die Gruppe mit dem größten Förderbedarf die<br />
Gruppe der Mitarbeiter. Das Potential eines Erstarkens dieser Gruppe zur Entfaltung<br />
unternehmensethischer Möglichkeiten scheint bisher unerkannt. Die proaktive<br />
Entwicklung einer unternehmensethischen Strategie mit resultierender Einführung<br />
eines Ethik-Management-Systems, das sich an den in der Empirie genannten<br />
34!
!<br />
Schwerpunkten Leitbild, Führungskultur, Kommunikation, Diskurs, Hierarchie,<br />
Projektarbeit und Engagement für die Rahmenordnung orientiert, wäre zu empfehlen.<br />
Dadurch könnten strukturelle Veränderungen angestoßen werden, die der Einrichtung,<br />
angesichts der für die Pflegewirtschaft benannten Herausforderungen für die nähere<br />
Zukunft, eine stabile Grundposition verschaffen würde.<br />
Beim Blick in eine mögliche Zukunft, in der die Mitarbeiter der untersuchten<br />
Einrichtung, in der Vertretung ihrer Interessen und der Beteiligung an der Begründung<br />
von Normen, die <strong>als</strong> Grundlage unternehmerischer Entscheidungen dienen sollen,<br />
beteiligt sind, könnte sich ein neues Forschungsfeld zum Thema der Befähigung von<br />
Mitarbeitern ergeben. Dabei könnte es um die Frage gehen, in wie weit die Gruppe der<br />
Mitarbeiter in der Pflege, deren Mitglieder bislang aufgrund der beschriebenen Muster<br />
nicht immer gelernt haben ihre Interessen autonom wahrzunehmen und zu vertreten,<br />
bereit sind, oben beschriebene Aufgaben und die dazugehörige Verantwortung zu<br />
übernehmen. Eine anschliessende Frage könnte sein, in wie fern die Mitarbeiter in<br />
diesem Prozess der Übernahme von Aufgaben und Verantwortung durch Befähigung<br />
unterstützt werden könnten.<br />
In der vorliegenden Empirie fällt auf, dass in der untersuchten Einrichtung die<br />
Interessen der Gruppe der Pflegebedürftigen verhältnismässig stark berücksichtigt<br />
werden. Das ist sehr erfreulich. Unter anderem mag es daran liegen, dass es sich bei<br />
diesen Kunden um eine relative solvente Untergruppe in der Gesamtgruppe der<br />
Pflegebedürftigen handelt, die in der Lage zu sein scheint finanzielle<br />
Eigenverantwortung zu übernehmen, und deshalb ihre Interessen unter dem Primat<br />
der Ökonomie, das in dieser Einrichtung herrscht, durchsetzen kann. Ein Teil der<br />
Interessenwahrung von Kunden geschieht, wie gezeigt, trotzdem auf Kosten der<br />
Mitarbeiter. Zum Vergleich wäre eine weitere Empirie nötig, in einem Unternehmen,<br />
das eine weniger solvente Gruppe von Pflegebedürftigen <strong>als</strong> Kunden anspricht.<br />
Der Fokus in dieser Arbeit wurde auf soziale Aspekte der Wirtschafts- und<br />
Unternehmensethik gelegt. Dies geschah aufgrund der benannten dringenden<br />
Herausforderungen speziell für die Pflegewirtschaft. Wenn es um die Interessen von<br />
Kunden und Mitarbeitern von Pflegeunternehmen geht, ist hinsichtlich der<br />
Unternehmensethik auch die Pflegeethik relevant. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die<br />
Beachtung ökologischer Aspekte. Eine Vertiefung in diesen Bereichen war im<br />
begrenzten Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht möglich.<br />
35!
A1<br />
Anhang<br />
Anhang 1<br />
Der Begriff der „unsichtbaren Hand“ geht auf den Moralphilosophen Adam Smith<br />
zurück. Mittlerweile ist die unsichtbare Hand zum geflügelten Wort geworden, und<br />
Smiths Schriften werden mitunter auf verkürzte theoretische Hintergründe des<br />
Terminus reduziert. Wie Sedlácek belegt, taucht die „unsichtbare Hand“ jedoch im<br />
gesamten Werk Smiths nur drei mal auf. Smith betrachtete den Menschen <strong>als</strong> ein<br />
vorwiegend soziales Wesen. Im Gegensatz zu rational-ökonomischen Theoretikern<br />
ging er davon aus, dass das Gefühl von Verbundenheit mit anderen Menschen eine<br />
tragende Rolle in dessen Entscheidungsprozessen spiele. (Vgl. dazu Sedlácek, 2012,<br />
S. 247 ff.)<br />
Anhang 2<br />
Zur Begrifflichkeit: Oft ist in der Unternehmensethik die Rede von der Übernahme<br />
sozialer Verantwortung. Diese Wendung wird mitunter fast synonym für eine<br />
unternehmensethische Praxis benutzt. Dies ergibt sich aus der beschriebenen<br />
Grundhaltung, dass Individuen und Organisationen ihre gesellschaftliche Legitimation<br />
durch die Übernahme von Aufgaben und Verantwortung erhalten. Im Hinblick auf die<br />
Wirtschaft beschreibt der Sozialethiker Arthur Rich 1 das „Verantwortlichsein des<br />
Menschen im Umgang mit dem Menschen, sei es der ‚eigene‘ oder sei es der ‚andere‘<br />
Mensch, sowie mit allem, was zum Menschsein gehört“ <strong>als</strong> Gegenstand der Ethik.<br />
Auch das Wort Nachhaltigkeit findet sich oft in unternehmensethischen<br />
Überlegungen. Hierbei geht es auch um Verantwortung, und zwar um die<br />
Verantwortung für den Erhalt von Umwelt- und Wirtschaftsressourcen für zukünftige<br />
Generationen.<br />
Der Begriff Nachhaltigkeit wird nicht nur inflationär, sondern oft ungenau benutzt.<br />
Nachhaltigkeit wird oft auf (vermeintlichen) Umweltschutz reduziert. Requate 2 stellt im<br />
Übrigen dar, wie schwierig es ist, die Nachhaltigkeit zur Norm zu erheben, weil die<br />
Interessen zukünftiger Generationen unbekannt und schwer vertretbar, sowie die<br />
ethische Haltung zum Erhalt von Ressourcen doch abhängig von den Präferenzen der<br />
gegenwärtigen Generation sei.<br />
1 Rich, 1984, S. 41<br />
2 vgl. Requate in Kaatsch und Rosenau, S. 155f.
A2<br />
Anhang 3<br />
Anhang 4<br />
Grundlagen der Ethik<br />
Moderne Wirtschafts- und Unternehmensethiker bauen ihre Theorien auf dem<br />
Fundament der Philosophie der letzten zweieinhalbtausend Jahre auf. Manche<br />
Theorien und Ansätze aus dieser Zeit sind dabei besonders einflussreich. Ihr<br />
Verständnis ist für die Entwicklung eines wirtschafts- oder unternehmensethischen<br />
Standpunktes hilfreich. Sie sollen deshalb im Folgenden kurz vorgestellt werden.<br />
Begriffsklärung<br />
Ethik ist ein Teilgebiet der Philosophie. Ethos ist das griechische Wort für Sitte. Ethik ist<br />
<strong>als</strong>o Sittenlehre. Sie erforscht die Qualität menschlichen Handelns und ist deshalb der<br />
praktischen Philosophie zugeordnet. Ethik beobachtet, beschreibt und interpretiert das<br />
Handeln (deskriptiver Ansatz) und sie sucht nach Begründungen und Legitimation für<br />
das richtige Handeln (normativer Ansatz), um Normen und Regeln daraus ableiten zu<br />
können. 3<br />
3 Karmasin & Litschka, 2008, S. 14
A3<br />
In der modernen Ethik herrscht die Auffassung vor, dass der Mensch vernünftigen<br />
Argumenten zugänglich ist, und die Fähigkeit zur Reflexion besitzt. Mit diesen<br />
Voraussetzungen beeinflusst und gestaltet er die Regeln seines eigenen Handelns.<br />
Religion, Tradition oder politische Autoritäten gelten in der modernen Ethik dagegen<br />
nicht <strong>als</strong> letzte Instanzen der Moral. 4<br />
In Abgrenzung zur Ethik sprechen wir von Moral, wenn ethische Überlegungen auf der<br />
Handlungsebene Anwendung finden.<br />
Werte und Normen spielen eine grundlegende Rolle in der Ethik. Werte sind<br />
handlungsleitende Auffassungen über die Wirklichkeit, die mit wünschenswerten Zielen<br />
verbunden sind 5 . Dazu gehören große Ziele wie Gerechtigkeit, Freiheit, Fairness und<br />
Gleichheit 6 , die auch in der Wirtschaftsethik Bedeutung haben. Normen sind<br />
Handlungsanleitungen, Regeln, die sich aus Wertvorstellungen ergeben 7 . Sie geben<br />
darüber Auskunft, was zu tun oder zu lassen ist 8 .<br />
Der moralische Standpunkt<br />
Es gibt unterschiedliche Systematiken, zur Einteilung der Ethik nach bestimmten<br />
Grundhaltungen. Sie unterscheiden sich durch die Kriterien, die zur Bestimmung des<br />
moralisch Richtigen und Guten führen.<br />
Eine wichtige Unterscheidung ist die zwischen Deontologie und Teleologie.<br />
Unterschieden wird hier, ob der moralische Fokus, der „moral point of view“ 9 auf der<br />
Handlung <strong>als</strong> solcher (Deontologie), oder auf den Folgen der Handlung (Teleologie)<br />
liegt.<br />
Deontologie<br />
Das Wort Dentologie stammt vom griechischen to deon , zu deutsch die Pflicht, das<br />
Nötige. Nach Ansicht der Deontologen, ist das wichtigste Kriterium für moralisches<br />
Handeln, ob das Handeln <strong>als</strong> solches moralisch ist. 10 So kann eine Handlung aus<br />
deontologischer Sicht richtig sein, auch wenn ihre absehbare Konsequenz <strong>als</strong> nicht<br />
wünschenswert erscheint. In den philosophischen Ideen der alten Griechen, sind es<br />
4 vgl Herold, 2012, S. 9<br />
5 vgl. Karmasin und Litschka, S. 13, Noll, 2002, S. 8, und Müller, Halder (Hrsg), 1976, S. 302<br />
6 ebd., S. 54<br />
7 ebd., S. 13 und Dietzfelbinger, 2008, S. 67<br />
8 Ahlrichs, 2012, S.28<br />
9 vgl. Herold, 2012, S. 79<br />
10 vgl. Herold, 2012, S. 52
A4<br />
die Stoiker, die diese Haltung vertreten. 11 Die Moral einer Handlung hing bei ihnen<br />
ausschließlich von der Handlung selbst ab. Die Auswirkungen unterstanden dem<br />
Einfluss des Schicks<strong>als</strong>. In der neuzeitlichen Philosophie ist Immanuel Kant<br />
(1724-1804) der bedeutendste Vertreter dieser Strömung. Sein Denken bestimmt die<br />
europäische Aufklärung. Kant beschreibt den verstandesgeleiteten Willen <strong>als</strong><br />
wichtigstes Instrument der Moral 12 . Mit dem Verstand ist der Mensch in der Lage,<br />
seinen Willen zu steuern. Das macht ihn zum autonomen Wesen. Die Qualität des<br />
Willens entscheidet dabei über die moralische Güte einer Handlung. Sie ist davon<br />
abhängig, ob dem Willen eine (natürliche) Neigung zu Grunde liegt - dann wäre er<br />
moralisch wertlos, oder ob der Wille vom Verstand gesteuert ist. Nur der Wille, der<br />
unabhängig von unseren Neigungen oder Fähigkeiten ist, hat die Qualität, die zu<br />
moralischer Handlung führt. So ist der Mensch gehalten, seine Vernunft zu benutzen.<br />
Das moralische Gebot, dass sich aus dieser Haltung ergibt hat die Form des so<br />
genannten kategorischen Imperativs, der dafür sorgt, dass die Regel die zu<br />
moralischem Verhalten führt, bedingungslos ist. Sie besagt, dass die Maximen unseres<br />
Handelns daraufhin zu überprüfen sind, ob sie <strong>als</strong> allgemeines Gesetz taugen. Damit<br />
kann jede Norm moralisch überprüft werden. Nur diejenige Verhaltensregel kann<br />
moralisch bestehen, die in keiner anderen denkbaren Situation unmoralisch erscheinen<br />
könnte. Der große Einfluss Kants auf das aufgeklärte Denken, erklärt sich aus der<br />
Chance, die für den Menschen aus dieser Theorie entsteht: Die Freiheit und die<br />
Würde, sich selbst Gesetze zu geben, und die Tatsache, dass ihm Beides nicht<br />
genommen werden kann 13 .<br />
In der praktischen Philosophie unterscheidet man die Handlungs- von der<br />
Regeldeontologie. Die Handlungsdeontologen betonen die Einmaligkeit von<br />
Situationen. Damit sind die Pflichten die der moralischen Handlung zu Grunde liegen<br />
von Fall zu Fall unterschiedlich. Dadurch entsteht ein Handlungsspielraum, der<br />
Entscheidungen erfordert. Allerdings lassen sich die meisten Situationen untereinander<br />
vergleichen und nach Kriterien in Gruppen zusammenfassen. Regeldeontologen sehen<br />
Pflichten <strong>als</strong> Norm für Handlungen situationsunabhängig. 14<br />
Teleologie<br />
Die Teleologen gehen davon aus, dass die Folgen einer Handlung bestimmen, ob die<br />
Handlung <strong>als</strong> solche moralisch ist. Die Herkunft des Wortes Teleologie stammt<br />
ebenfalls aus dem griechischen. Dort bedeutet télos soviel wie Zweck und auch Ziel.<br />
Das Augenmerk liegt <strong>als</strong>o auf der Konsequenz einer Handlung, weshalb diese Haltung<br />
11 vgl. Sedlácek, 2012. S.163 f<br />
12 vgl. Großklaus-Seidel 2002, S. 45 ff, Norman E. Bowie in Aßländer (Hrsg.), S. 137ff.<br />
13 vgl. Herold, 2012. S. 60<br />
14 Herold, 2012, S. 53
A5<br />
<strong>als</strong> konsequentialistisch bezeichnet wird. Anders <strong>als</strong> in der Deontologie, kann eine<br />
unmoralisch motivierte Handlung eine moralisch wünschenswerte Folge zeigen.<br />
Egoismus zum Beispiel, der <strong>als</strong> solcher in unserem Kulturkreis moralisch keinen hohen<br />
Stellenwert geniesst, kann in der einzelnen Handlung eine positive Wirkung haben, die<br />
diese aus teleologischer Sicht moralisch legitimieren würde. Im alten Griechenland<br />
waren es die Hedonisten, die so dachten. 15 Der Nutzen einer Handlung bestimmte für<br />
sie deren Moralität. Wobei die Nutzeneinschätzung vom persönlichen Urteil des<br />
Individuums abhing. Nutzen war dabei gleichgesetzt mit Lust, die körperlich oder<br />
intellektuell empfunden werden konnte. Dahinter stand u. a. die Auffassung, dass<br />
sowieso niemand die Folgen seines Handelns vollständig einschätzen könnte.<br />
Allerdings hatten die Hedonisten dabei die Vorstellung von einem rational handelnden<br />
Menschen, der bedenkt, dass seine Taten auch auf längere Sicht einen Nutzen bringen<br />
sollten.<br />
Im aufgeklärten Europa sind es die Utilitaristen, die die teleologische Tradition wieder<br />
beleben. Der Begriff Utilitarismus leitet sich vom lateinischen utilitas ab, das so viel<br />
bedeutet wie Nutzen und Vorteil. Jeremy Bentham (1748-1832) gilt <strong>als</strong> Begründer<br />
dieser Schule. „By the principle of utility is meant that principle which approves or<br />
disapproves of every action whatsoever, according to the tendency which it appear to<br />
have to augment or diminish the happiness of the party whose interest is in question.<br />
[ ...]By utility is meant that property in any object, whereby it tends to produce benefit,<br />
advantage, pleasure, good or happiness.“ 16 „Das größte Glück, der größten Zahl“ 17<br />
war für ihn ausschlaggebend, wenn es um die Bestimmung der moralischen Qualität<br />
einer Handlung, sprich deren Folgen ging. Aber wie lassen sich die Folgen einer<br />
Handlung in Einheiten messen? Und wer bestimmt, was Glück und Wohlergehen<br />
bedeutet? Diese Fragen werden auch von John Stuart Mill (1806-1873) nicht<br />
beantwortet, der den quantitativen Ansatz Benthams qualitativ erweitert, vor allem in<br />
dem er zwischen sinnlichen und geistigen Freuden unterscheidet 18 .<br />
Interessanter erscheint es, zu unterscheiden um wessen Nutzen es geht. So steht<br />
beim Individualutilitarismus das Wohl des Einzelnen, beim Sozialutilitarismus das Wohl<br />
der Allgemeinheit im Vordergrund 19 . Herold 20 bezeichnet den Individualutilitarismus <strong>als</strong><br />
15 Vgl. Sedlácek, 2012, s.164 f.<br />
16 Bentham in Burns & Hart (Hrsg), 1982, S. 2 f. (Mit dem Prinzip des Nutzens ist jenes Prinzip<br />
gemeint, das jede beliebige Handlung befürwortet oder ablehnt, entsprechend ihrer Tendenz, mit der sie<br />
das Glück derjenigen Gruppe um deren Interessen es geht zu vermehren oder zu vermindern scheint […]<br />
Mit ‚Nutzen‘ ist diejenige Eigenschaft eines Objekts gemeint, durch die es dazu neigt, Wohlergehen,<br />
Vorteil, Freude, Gutes oder Glück zu schaffen.)<br />
17 Karmasin und Litschka, 2008, S. 62<br />
18 vgl, Keul & Schumann in Aßländer (Hrsg.), 2011, S.15<br />
19 Karmasin und Litschka, 2008, S. 63<br />
20 Herold, 2012. S. 66 ff.
A6<br />
rationalen Egoismus. „Er [der rationale Egoist] ist klug genug zu erkennen, dass er die<br />
Interessen anderer einkalkulieren muss“ 21 . Moralisches Handeln in Foge persönlicher<br />
Nutzenerwägung entsteht <strong>als</strong>o nur unter der Voraussetzungen von Rationalität.<br />
Setzen wir das Wohl den Interessen der Allgemeinheit gleich, dann finden sich<br />
sozialutilitaristische Gedanken bei den Kommunitaristen wieder. Diese abstrahieren,<br />
bei der Gestaltung von Normen vom Handeln und Wollen des Individuums zu Gunsten<br />
des Wollens der Gemeinschaft. Individuelle Entfaltung muss in Abstimmung mit den<br />
Interessen der Allgemeinheit erfolgen, das heißt mit der sozialen Gruppe, in die der<br />
Einzelne hineingeboren, und von der er abhängig ist. 22 Einzelne dürfen in ihren<br />
Interessen dabei geschädigt werden.<br />
Diskussion von Deontologie und Teleologie<br />
Vergleicht man beide Modelle, hat das teleologische zunächst den Reiz des<br />
Machbaren. Die Erfahrung zeigt, dass der Mensch egoistisch ist, und seinen Vorteil<br />
sucht. Einige Menschen behaupten sogar, noch jeder altruistische Funke sei egoistisch<br />
bedingt. Um dem moralisch zu begegnen, fordert Kant einen mächtigen Verstand vom<br />
Menschen. Dieser Verstand gibt ihm die Freiheit, sein Handeln zu gestalten. Freiheit<br />
wollen alle. Aber ist der Mensch in der Lage sie zu erfahren, in dem er seinen Verstand<br />
so benutzt wie Kant es fordert? Entspricht das dem Menschsein? Schon der<br />
hedonistische Epikur (ca. 341-270 v. Chr.) hat erkannt, dass kein Mensch in der Lage<br />
ist, die Folgen seines Handelns vollständig abzusehen. Was spricht <strong>als</strong>o dagegen, den<br />
Fokus auf die Handlungsfolgen zu legen? Was ist unmoralisch an einem moralischen<br />
Ergebnis; an Nutzen, Lust, Glück und Wohlergehen? Offensichtlich gar nichts. Doch<br />
wer definiert den Nutzen? „Was dem einen sein‘ Freud, ist dem anderen sein Leid“,<br />
weiß der Volksmund. Was ist das Gute, dass durch eine Tat entstehen soll? Und wie<br />
viel Gutes ist ein Nutzen? Wenn Interessen kollidieren: Wessen Nutzen hat Vorrang?<br />
Und endlich: was entspricht dem Menschsein? Gibt es wirklich nur den egoistisch<br />
motivierten Antrieb? Haben Menschen nicht auch andere Beweggründe?<br />
Weder Teleologie noch Deontologie können den Anspruch auf Alleingültigkeit erheben.<br />
Je nach persönlicher Disposition und Situation, wird die eine oder die andere Theorie<br />
überzeugender wirken. Für die Praxis scheint es wichtig, sich mit beiden Ansätzen<br />
beschäftigt zu haben, um einen Standpunkt entwickeln und vertreten zu können.<br />
Tugendethik<br />
Die Tugendethik ist ein eigenständiger ethischer Ansatz. Gleichzeitig schafft sie eine<br />
Verbindung zwischen Deontologie und Teleologie. Auch Sie hat ihren Ursprung im alten<br />
21 Herold, 2012. S. 67<br />
22 Karmasin & Litschka, 2008, S.90 f.
A7<br />
Griechenland. Platon war ihr Begründer und Aristoteles verhalf ihr in seiner praktischen<br />
Lehre vom guten Leben zum Durchbruch 23 .<br />
Auch für Aristoteles, ist der Nutzen einer Handlung von großem Interesse. Der Nutzen<br />
ist ein Nebenprodukt auf dem Weg zum Ziel einer Handlung. Das Gute liegt im Ziel<br />
selbst. Dieses wird durch den Einsatz von Tugend erreicht. Eine der Grundideen von<br />
Tugend ist für Aristoteles die Mäßigung. „...das Schlechte gehört ja zum<br />
Unbegrenzten ... das Gute aber zum Begrenzten. ... Auch aus diesem Grunde gehört<br />
demnach das Übermaß und der Mangel dem Laster an, die Mitte aber der Tugend“ 24 .<br />
Aristoteles definiert die Tugend <strong>als</strong> „eine Haltung, die der Einzelne seinen<br />
Leidenschaften gegenüber einnimmt, eine Einstellung, die sich zwar auf seine<br />
Begierden und Affekte bezieht, jedoch durch Übung, Erziehung und Gewöhnung zum<br />
Bestandteil seines Charakters geformt wird, aus dem heraus er lebt und handelt.“ 25<br />
Klugheit, Tapferkeit, Besonnenheit und Gerechtigkeit galten Aristoteles <strong>als</strong><br />
Kardinaltugenden. 26 Tugendhaftigkeit ist in diesem Sinne ein aktiver Vorgang. Man<br />
muss sich bemühen, um das gute Leben.<br />
Unsere Gegenwart ist von großer Unübersichtlichkeit und hohem Veränderungstempo<br />
geprägt. In diesem Zustand können feste Regeln in ihrer moralischen Wirkung<br />
versagen. Herold bescheinigt der Tugendethik, die sich an die Verantwortung und an<br />
die Vernunft des Einzelnen wendet, deshalb eine Renaissance 27 . „Unabhängig von der<br />
favorisierten Lebensform gilt, dass wir bestimmte Tugenden brauchen, um unser<br />
Lebensziel zu verwirklichen und um die Werte zu realisieren, die das Leben zu einem<br />
guten Leben machen sollen.“ 28 Die Tugendethik verzichtet auf die Kriterien<br />
deontologischer und teleologischer Modelle. Sie stellt aber die Möglichkeit eines<br />
angemessenen Handelns in unterschiedlichen Situationen mit unterschiedlichen<br />
ethischen Herausforderungen in Aussicht. 29 Der Gebrauch von Tugenden führt zu<br />
moralischem Handeln. Tugenden sind Haltungen und Charaktereigenschaften, die<br />
tauglich sind (Tugend stammt vom deutschen Wort taugen ab). Welche Tugend in einer<br />
Situation tauglich, und damit erforderlich ist, hängt nicht nur von der Situation ab,<br />
sondern auch von den gesellschaftlichen und kulturellen Umständen. Die Tugendethik<br />
ist methodisch kohärent und sie verbindet den kontextuellen Aspekt der Teleologie mit<br />
der deontologisch begründeten Pflicht, die aber in der Tugendethik nicht für sich steht,<br />
23 vgl. Sedlácek, 2012, S. 154 f.<br />
24 Aristoteles in Nikomachische Ethik, zitiert von Sedlácek, 2012, S. 161<br />
25 Keul & Schumann in Aßländer (Hrsg.), 2011, S.12<br />
26 vgl. Herold, 2012, S. 47<br />
27 vgl. Herold, 2012 S. 50 f.<br />
28 Herold, 2012, S. 47<br />
29 vgl. Herold, 2012, S. 47
A8<br />
sondern flexibler und handhabbarer wird. Ihre Zielorientierung fordert zu<br />
Entscheidungen auf, die sowohl dem Handelnden, <strong>als</strong> auch der Situation gegenüber<br />
angemessen sein sollen. Herold beschreibt eine „Affinität der Tugendethik zum Bereich<br />
der Wirtschaft“. Sie setze bei „unserem Alltagsverständnis von Moral“ an, erhebe nicht<br />
„abstrakte moralische Forderungen“, sondern knüpfe „bei den Maßstäben, gängigen<br />
Standards und Erwartungen in der gegenwärtigen Gesellschaft an.“ 30<br />
Anhang 5<br />
Das bekannteste Beispiel der Spieltheorie ist das Gefangenendilemma:<br />
Zwei Verbrecher, A und B, sitzen im Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft schlägt ihnen<br />
vor ihrer Gerichtsverhandlung folgenden Handel vor: Wenn einer gesteht und<br />
zusätzlich seinen Komplizen belastet, dann erhält derjenige <strong>als</strong> Strafe ein Jahr Haft,<br />
und sein Komplize 5 Jahre. Verraten sich A und B gegenseitig, dann erhalten beide<br />
eine Haftstrafe von je vier Jahren. Schweigen beide, wird jeder von ihnen mit zwei<br />
Jahren Haft bestraft.<br />
B verrät A nicht<br />
B verrät A<br />
A verrät B nicht A: 2 Jahre, B: 2 Jahre A: 5 Jahre, B: 1 Jahr<br />
A verrät B A: 1 Jahr, B: 5 Jahre A: 4 Jahre, B: 4 Jahre<br />
A weiß zwar, dass beide am besten beraten wären, wenn sie dicht hielten. Er weiß<br />
aber erstens nicht, ob B schlau genug ist, um das zu erkennen und sich<br />
dementsprechend zu verhalten, und zweitens vertraut er B auch nicht. Denn A weiß: B<br />
könnte versuchen A‘s Kooperationsbereitschaft mit B auszunutzen. B könnte A<br />
verraten. Wenn A dann vorher geschwiegen hätte, dann würde das mit 5 Haftjahren<br />
den für ihn ungünstigsten Ausgang bedeuten. A wird B deshalb verraten. Die gleichen<br />
Überlegungen wird B über A anstellen. B wird deshalb A auch verraten. So erhalten<br />
beide vier Jahre Haft, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätten, mit jeweils zwei Jahren<br />
davonzukommen.<br />
Das bedeutet: Jeder einzelne von den beiden hat das günstigste Ergebnis verfehlt.<br />
Darüber hinaus haben sie gemeinsam gesehen, das ungünstigste Ergebnis erhalten,<br />
das möglich war. Zusammen gerechnet sitzen sie acht Jahre im Gefängnis, doppelt so<br />
lange, wie es nötig gewesen wäre.<br />
30 Herold, 2012, S. 50
A9<br />
Anhang 6<br />
Kooperationen der Unternehmen unterteilt Wieland in Intra-Team-, Inter-Team und<br />
Extra-Team-Kooperationen. Intra- und Inter-Team-Kooperationen sind marktbezogen.<br />
Extra-Team-Kooperationen sind nicht marktbezogen. Intra-Team-Kooperationen<br />
verlaufen innerhalb der Organisationsstrukturen eines Unternehmens, Inter-Team-<br />
Kooperationen verlaufen zwischen Unternehmen. Die folgende Tabelle enthält<br />
Stichworte zu den jeweiligen Themen der drei Kooperationsformen und ist in leicht<br />
gekürzter Form abgebildet 31 .<br />
Intra-Team<br />
Organisation/ Markt<br />
Inter-Team<br />
Markt/Organisation<br />
Extra-Team<br />
Gemeinde/Welt<br />
Leistungser<br />
-stellung<br />
• Produktion<br />
Sicherheit,<br />
Umwelt, Medien)<br />
• Produkt<br />
(Sicherheit,<br />
Information)<br />
• Kapital<br />
(Information,<br />
Kontrolle)<br />
• Personal<br />
(Kompetenz,<br />
Diversity,<br />
Kontrolle,<br />
Temporalisierung)<br />
• Netzwerke<br />
(Vertrauen,<br />
Integrität)<br />
• Strategi-sche<br />
Allianzen<br />
• Joint Ventures<br />
• Lizenzver-träge<br />
• Legitimierung<br />
moralisch<br />
sensibler<br />
Produkte<br />
(Zigaretten,<br />
Alkohol,<br />
Rüstung)<br />
• Legitimie-rung<br />
moralisch<br />
sensibler<br />
Produktionstechno-lgien<br />
(Risiko,<br />
Ökologie)<br />
Beschaffung/<br />
Absatz<br />
• Netzwerke<br />
• Strategische<br />
Allianzen<br />
• Joint Ventures<br />
• Franchising<br />
• Lizenzver-träge<br />
• Mitarbeiterorientierung<br />
• Kundenorientierung<br />
(Qualität,<br />
Serviceversprechu-ngen,<br />
Garantieversprechu-ngen)<br />
• Partnerorientierung<br />
(Just in<br />
time)<br />
• Wettbewerb<br />
(Korruption,<br />
Fairness)<br />
• Legitimierung<br />
moralisch<br />
sensibler<br />
Transaktio-nen<br />
(Menschenrechte,<br />
Entwicklungsrechte,<br />
Ökologie)<br />
• Legitimie-rung<br />
moralisch<br />
sensibler<br />
Standortentschei-dungen<br />
(Regionalisierung,<br />
Globalisie-rung<br />
31 Tabelle entnommen aus: Wieland in Ulrich & Wieland, 1999, S. 35
Anhang 7<br />
A10
A11<br />
Anhang 8<br />
Interviewleitfaden<br />
Einleitung<br />
Thema der BA-Arbeit: Wege in die Unternehmensethik. Ethische/Wirtschaftsethische<br />
Theorie. Als Blick in die Wirklichkeit und <strong>als</strong> Anregung für Unternehmen: Beispielhaft:<br />
Wo gibt es im Unternehmen Ansatzpunkte für Unternehmensethik.<br />
Ziel des Interviews: Herausfinden, wo Ethik in diesem Unternehmen in der Praxis ein<br />
Rolle spielt, ob Themen der Unternehmensethik schon bearbeitet werden, ohne dass<br />
es „Unternehmensethik“ genannt wird. Herausfinden, welche Situationen im<br />
Unternehmensalltag ethisch herausfordernd sind.<br />
Anonymisierung<br />
Zustimmung zur Aufzeichnung<br />
Einstimmung<br />
Seit wann arbeiten Sie im Unternehmen<br />
Was ist Ihre Aufgabe im Unternehmen<br />
Wie viele MA gehören zu Ihrem Verantwortungsbereich<br />
Hauptteil<br />
1: formeller Umgang mit Ethik<br />
gibt es einen Bezug zum Thema Unternehmensethik / Übernahme gesellschaftlicher<br />
Verantwortung / Nachhaltigkeit<br />
in der U-Vision<br />
im Leitbild<br />
Unternehmenskultur<br />
! formell festgeschrieben.<br />
2: Übertragung in die Wirklichkeit der Mitarbeiter im Unternehmen allgemein<br />
Wissen die MA davon?<br />
Haben Sie das Gefühl, diese Werte werden von den MA gelebt?
Gibt es ein Bemühen ethische Kompetenzen im Unternehmen zu fördern (Schulung,<br />
Training, Vorleben der Führungskräfte)<br />
A12<br />
3: Ethische Herausforderungen und Umgang mit Situationen in denen ethische<br />
Herausforderungen eine Rolle spielen in Ihrem persönlichen Arbeitsbereich<br />
Wo kommen Sie selbst in Ihrem Arbeitsgebiet mit ethischen Themen in Berührung?<br />
Welche Strukturen und Ressourcen stehen Ihnen zur Verfügung um mit diesen<br />
Konflikten umzugehen?<br />
• Gibt es kommunikative Strukturen, zuständige Mitarbeiter, zeitliche und<br />
finanzielle Ressourcen?<br />
•<br />
• Gibt es Standards zum Umgang mit ethischen Themen?<br />
• Werden Standards eingehalten?<br />
• Wird die Einhaltung von Standards kontrolliert?<br />
In wie weit sind die in 1 genannten formellen Werte in der täglichen Arbeit und für<br />
übergeordnete Entscheidungen bindend?<br />
Wurde eine Ethik-Komitee, Ethik-Café o. ä implementiert?<br />
4: Unternehmensethik: Beachtung von Interessen von Menschen die auf<br />
unterschiedliche Art und Weise von der Aktivität des Unternehmens betroffen<br />
sind. Auswirkungen unternehmensethischen Handelns für gesellschaftliche<br />
Gruppen.<br />
Welche Rolle spielen die Interessen folgender Gruppen in Ihrem Unternehmen?<br />
• Mitarbeiter (was tun Sie für Ihre MA, Ausbildung, Familienfreundlichkeit,<br />
Gesundheit, Anerkennung, Möglichkeiten zur Beteiligung an der<br />
Entwicklung des Unternehmens, Ideen, Umgang mit Kritik)<br />
• Kunden (Leistungsqualität, Einbeziehung von Erwartungen und Bewertung<br />
der Bewohner und deren Angehöriger)<br />
! externe Kunden:<br />
• Soziales (Engagement, Spenden, Regelungen für soziale Härtefälle?)<br />
• Umwelt (umweltfreundliche Produkte zur Leistungserstellung)
A13<br />
• Lieferanten (Kontrolle von/Hilfe bei der Beachtung sozialer und ökologischer<br />
Aspekte)<br />
• Kooperationspartner<br />
• Geschäftspartner<br />
• (Verbände (Schaffung einer Rahmenordnung, freiwillige Selbstverpflichtungen))<br />
s. Punkt 5<br />
5: Verhältnis Ethik und Ökonomie<br />
!Manchmal möchte man sich ethisch verantwortungsvoll verhalten, aber es scheint<br />
ökonomisch nicht möglich. Dilemma-Situationen. Welchen Stellenwert hat in solchen<br />
Dilemmasituationen die Ethik, bzw. die Ökonomie?<br />
Gibt es Situationen in denen Sie einen ökonomischen Spielraum haben, wenn es um<br />
ethische Entscheidungen geht?<br />
In wie weit sind Sie in der Lage ökonomisch ungünstige Entscheidungen zu treffen,<br />
wenn dies ethisch notwendig scheint?<br />
6: Veränderungsprozesse:<br />
!Unternehmen die auf der Suche nach einem Weg zur Übernahme<br />
unternehmensethischer Verantwortung sind, wollen ja offenbar etwas anders machen<br />
<strong>als</strong> bisher, und müssen auch in der Lage sein, auf Bedürfnisse der Gesellschaft<br />
einzugehen. Das erfordert, dass diese Unternehmen Veränderungen initiieren und<br />
umsetzen können müssen.<br />
Welche Rolle spielen Veränderungen in Ihrer Arbeit,<br />
Welchen Stellenwert messen Sie Veränderungen zu?<br />
Woher bezieht das Unternehmen Impulse zur Veränderung?<br />
Oder Sie selbst: woher beziehen Sie diese Impulse in Ihrer Arbeit?<br />
Gibt es vorgesehene Strukturen für den Umgang mit Veränderung?<br />
Welche?<br />
Welche Rolle spielt dabei die Hierarchie?<br />
7:Engagement für unternehmerische Rahmenordnung<br />
! um eine Rahmenordnung zu schaffen, in der es überhaupt möglich ist, sich<br />
moralisch zu Verhalten <strong>als</strong> Unternehmen ohne seine Existenz aufs Spiel zu setzen, ist<br />
die Rahmenordnung von Bedeutung. Es gibt die Möglichkeit für Unternehmen sich<br />
dahingehend zu engagieren.
A14<br />
Engagiert sich Ihr Unternehmen für die Gestaltung einer Rahmenordnung?<br />
Verbandsarbeit? Lobbyarbeit?<br />
Gibt es dazu Diskussionen hausintern oder mit der nächst höheren Ebene?<br />
8: persönliche Wünsche für den Bereich Übernahme unternehmensethischer<br />
Verantwortung<br />
In welchen Bereichen würden Sie gerne mehr ethische Verantwortung übernehmen?<br />
In welchen Bereichen wäre das Ihrer Ansicht nach besonders nötig?<br />
9:<br />
Möchten Sie noch etwas hinzufügen?<br />
Abschluss<br />
Fragen des Interviewpartners an mich?<br />
Dokumente zum Thema?<br />
Dank.
A15<br />
Anhang 9<br />
Die Kriterien in der Übersicht:<br />
1.Offizielles Bekenntnis zu Unternehmensethik<br />
2.Führungskultur<br />
3.Kommunikation<br />
3.1. Kommunikation mit Mitarbeitern<br />
3.2. Kommunikation mit Kunden<br />
3.3. Kommunikation mit anderen gesellschaftlichen Gruppen<br />
4.Diskurs<br />
4.1. Bereitschaft zum Diskurs<br />
4.2. Befähigung zum Diskurs<br />
5. Hierarchie<br />
6. Erneuerungs- und Veränderungsmanagement<br />
7. Primat der Ethik oder der Ökonomie in Entscheidungssituationen<br />
8. Strukturen, die ethische Entscheidungen in Dilemmasituationen erleichtern<br />
9. Engagement für die Rahmenordnung<br />
10. Projektarbeit
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Metzler‘sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, 2011<br />
Aßländer Michael S., Ordnungstheoretischer Ansatz (Karl Homann), in Aßländer,<br />
Michael S. (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsethik, Metzler‘sche Verlagsbuchhandlung,<br />
Stuttgart, 2011<br />
Aßländer, Michael S., Republikanischer Ansatz (Horst Steinmann und Albert Löhr), in<br />
Aßländer, Michael S. (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsethik, Metzler‘sche<br />
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Dibelius, Olivia und Uzarewicz, Charlotte, Pflege von Menschen höherer Lebensalter,<br />
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Dierksmeier, Klaus, Zur theoretischen Begründung der Wirtschaftsethik - ein Rück- und<br />
Ausblick, in Kaatsch, Hans-Jürgen & Rosenau, Hartmut (Hrsg.), Ethik Interdisziplinär,<br />
Bd. 6, Gesammelte Vorträge zur Ringvorlesung Wirtschaftsethik 1/2, Lit Verlag, Berlin<br />
2006<br />
Dietzfelbinger, Daniel, Praxisleitfaden Unternehmensethik. Kennzahlen, Instrumente,<br />
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Goldschmidt, Nils, Ethische Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft, in Aßländer,<br />
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Ulrich, Peter, Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen<br />
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Governance, Metropolis Verlag, Marburg, 2006<br />
Wieland, Josef, Wie kann Unternehmensethik praktiziert werden? Aufgabenfelder und<br />
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der Praxis. Impulse aus den USA, Deutschland und der Schweiz, 2. Auflage, Verlag<br />
Paul Haupt, 1999<br />
Ulrich, Peter, Worauf kommt es in der ethikbewussten Unternehmensführung an?<br />
Integrative Unternehmensethik in fünf Thesen, in Ulrich, P. und Wieland, J.,<br />
Unternehmensethik in der Praxis. Impulse aus den USA, Deutschland und der<br />
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in Bundeszentrale für politische Bildung, Soziale Marktwirtschaft,<br />
http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/18224/soziale-marktwirtschaft<br />
Letzter Zugriff 3. Juni 2013
T1<br />
Transkript des Interviews mit dem Einrichtungsleiter<br />
B: Befragende<br />
E: Einrichtungsleiter MA=Mitarbeiter<br />
(Die Nummern vor den einzelnen Absätzen dienen der Zuordnung von Inhalten und Zitaten in den<br />
weiteren Auswertungsschritten.)<br />
1B: Seit wann arbeiten Sie im Unternehmen?<br />
2E: Seit dreieinhalb Jahren:<br />
3B: Was ist Ihre Aufgabe im Unternehmen?<br />
4E: Ich bin der Einrichtungsleiter. Ich habe die Gesamtverantwortung für das ganze<br />
Haus - Budgetverantwortung, Personalverantwortung, Qualitätsverantwortung,<br />
Prozessverantwortung, Verantwortung für die ganze Betriebsführung des Hauses.<br />
5B: Wie viele Mitarbeiter gehören zu Ihrem Verantwortungsbereich?<br />
6E: ca. Hundert.<br />
7B: Im ersten Fragenblock geht es um den formellen Umgang mit Unternehmensethik.<br />
Ich würde gerne wissen, ob Sie das Thema Unternehmensethik in ihrem Haus an<br />
irgendeiner Stelle formell verankert haben. Also in der Unternehmensvision, im<br />
Leitbild, ... gibt es irgendwelche Kodizes?<br />
8E: Ich kenne keine Stelle im Unternehmen, formal, wo wir das Wort Ethik <strong>als</strong> solches<br />
gebrauchen. Das nicht, aber dennoch glaube ich, dass wir ganz viele<br />
unternehmensethische Ansätze implementiert haben, ohne es vielleicht <strong>als</strong> solches zu<br />
benennen. Also zum Beispiel, anfänglich in der Unternehmensvision. Die wird gerade<br />
aktuell bearbeitet. Wir sind ja Tochter eines börsennotierten Unternehmens, und dieses<br />
Unternehmen hat auch für seine Stakeholder kurzfristig eine Befragung gemacht, und<br />
eine Vision entwickelt gerade in Richtung auf Nachhaltigkeit. Davon abgeleitet gab es<br />
im Oktober letzten Jahres eine Strategietagung von unserem Gesamtbetrieb, wo wir<br />
uns einer Unternehmensvision annähern. Und Ziel dieser Unternehmensvision ist auch<br />
ganz klar, die Nachhaltigkeit unserer Betriebsführungen in allen Betrieben zu betonen.<br />
Insofern ist aktuell eine Unternehmensvision in Arbeit aber die ist noch nicht<br />
verschriftlicht. Auf Geschäftsführungsebene wird das gerade implementiert. Der<br />
Mutterkonzern, die AG, hat schon eine nachhaltige Unternehmensvision, jetzt wird für<br />
die Tochter, der wir angehören, eine Unternehmensvision erarbeitet, die auch den<br />
Aspekt der Nachhaltigkeit betonen will.
T2<br />
Unabhängig davon aber, auf der 2. Ebene des Unternehmensleitbildes, haben wir seit<br />
Jahren schon, ein Unternehmensleitbild, und in diesem Leitbild, denke ich, haben wir<br />
auch ganz klar unternehmensethische Ansätze... in allen vier Punkten, das Leitbild<br />
kennen Sie ja, oder können Sie sich auch noch mal angucken. Wir sagen zum einen,<br />
wir wollen zu den Besten der Branche gehören. Damit ist nicht gemeint, die<br />
wirtschaftlich Besten, sondern damit ist gemeint wirklich die Besten, <strong>als</strong>o im Sinne von<br />
qualitativ, von wirklich gut, wirklich gut auch für die Bewohner. Zweitens sagen wir, wir<br />
begegnen unseren Kunden auf einer Brücke der Wertschätzung. Es ist wichtig, dass<br />
wir eine Beziehung zum Kunden aufbauen. Drittens sagen wir, dass wir uns <strong>als</strong><br />
Gemeinschaft verstehen, gemeinsame Werte leben, dass wir uns gegenseitig<br />
respektieren. Und viertens sagen wir, dass wir glauben, dass jeder Bewohner der in<br />
unseren Häusern lebt, Entwicklungspotenzial in sich hat, und an Lebensqualität<br />
gewinnen kann. Wir zielen <strong>als</strong>o auf den Gewinn an Lebensqualität der Bewohner. Da<br />
werden <strong>als</strong>o vier ethische Aspekte gestreift, wo vielleicht keiner sich dessen bewusst<br />
ist, dass das jetzt Ethik ist, <strong>als</strong>o wir sprechen nicht davon, aber es sind ethische<br />
Ansätze.<br />
Dann denke ich, wir leben eine gewisse Führungsethik, da kommen wir vielleicht<br />
später noch mal dazu. Aber darüber hinaus - weil sie nach Ethikkodizes fragten, solche<br />
haben wir nicht.<br />
1B: Wenn es jetzt um die Übertragung ins Unternehmen geht - das eine ist ja, dass<br />
man es sich aufgeschrieben hat und vornimmt, aber wie werden die Werte und<br />
Vorsätze aus dem Leitbild ins Unternehmen transportiert? Was wissen die MA von<br />
diesen von Ihnen beschriebenen Bestrebungen, Bemühungen, Gedanken, und wie<br />
weit können Sie das leben?<br />
2E: Also der Begriff der Nachhaltigkeit ist bei den MA noch nicht angekommen, weil<br />
das eine ganz aktuelle Entwicklung ist. Das ist jetzt auf der aller obersten Ebene und<br />
das muss noch runter gebrochen werden. Also dieser Begriff ist sicherlich den MA noch<br />
nicht so bekannt. Das Unternehmensleitbild ist den MA bekannt. Es wird den MA auch<br />
vorgestellt bei der Einarbeitung. Ich denke, dass Sie es im praktischen Alltag erfahren.<br />
Dass sie erfahren, wie wir auf der Führungsebene das auch vorbildlich vorleben.<br />
Kundenorientierung, zum Beispiel, Wertschätzung. Ich hoffe, dass sie auch spüren,<br />
dass wir eine wertschätzende, verbindliche Führungsethik vorleben. In dem Sinne<br />
denke ich, dass die MA das auf der praktischen Erfahrungsebene mitbekommen. In<br />
wie weit sie das für sich reflektieren oder formal gefasst sehen, das weiß ich nicht.<br />
3B: Also könnten Sie sagen, dass das Vorleben von Verhalten durch die Führung<br />
systematisch geschieht und Bestandteil ihres Führungsstils ist?
T3<br />
1E: Ja. Soll so sein!<br />
2B: Schulungen oder Trainings zu diesem Thema gibt es aber momentan nicht?<br />
3E: Na ja, auf der Führungsebene schon. Wir haben zum Beispiel so genannte<br />
Führungs- und Entwicklungsworkschops, die von der Geschäftsführung mit den<br />
Einrichtungsleitern und den Führungskräften zusammen durchgeführt werden - zwei im<br />
Jahr, zu Führungsthemen, zu Themen wie Motivation, Wertschätzung, aber auch<br />
Mitarbeiterführung. So auf der Ebene schon. In-House Schulungen sind das schon.<br />
4B: Im nächsten Frageblock geht es darum, in wie weit Ihr Arbeitsalltag mit ethischen<br />
Dingen zu tun hat. Ich wüsste gerne in welchen Situationen Sie in Ihrem Arbeitsalltag<br />
mit ethischen Themen in Berührung kommen.<br />
5E: Ja das ist sicherlich nahezu fast täglich. Weil ich ja die absolute<br />
Budgetverantwortung habe, und zum einen natürlich den Auftrag einer wirtschaftlich<br />
guten Betriebsführung, und da stellt sich natürlich immer wieder die Frage: was heißt<br />
das? Das ist immer wieder der Spagat. Also jeder Betrieb ist verpflichtet aus der Logik<br />
heraus Gewinn zu erwirtschaften, das muss er ja auch, und das ist ja letztendlich<br />
ethisch, auch den MA gegenüber, das man dafür sorgt, dass der Betrieb funktioniert.<br />
Und im Prinzip funktioniert er nur, wenn auch ein gewisser Gewinn da ist. Und<br />
deswegen bin ich natürlich täglich im Spagat zwischen der Sicherung des Gewinns auf<br />
der einen Seite - Sicherung des Betriebes, und auf der anderen Seite der<br />
Fragestellung: Wie stelle ich das sicher? Wie kann ich das gewährleisten, ohne am<br />
f<strong>als</strong>chen Ende zu sparen? Zum Beispiel ist es ja immer naheliegend, oder es könnte<br />
naheliegend sein, im Personalbereich zu sparen. Die größten Kosten, gerade in<br />
Dienstleistungsbetrieben, - da machen die Personalkosten ja 60 bis 70, teilweise bis 80<br />
Prozent aus. Also ist es eigentlich sehr naheliegend zu sagen, ich spare im<br />
Personalkostenbereich. Das wäre aber fast vielleicht auch wieder unethisch, weil ich<br />
dann wiederum die Qualität nicht aufrecht erhalten kann, bzw. das, was ich Eingangs<br />
gesagt habe, das Lebensgefühl der Bewohner nicht gewährleisten kann. Also das ist<br />
fast ein täglicher Spagat zwischen ökonomischen Interessen und qualitativen<br />
Interessen. Wobei die sich nicht ausschliessen. Aber das immer wieder unter einen Hut<br />
zu kriegen... Das wir zu den besten der Branche gehören, das heißt ja eben nicht nur<br />
wir wollen die Reichsten werden, sondern das heißt, der Betrieb soll gut, vorbildlich<br />
laufen.<br />
Um zur Frage zurück zu kommen ist das fast ein täglicher Spagat in allen finanziellen<br />
Fragen, und zweitens dann natürlich auch im Bereich der Personalführung.
T4<br />
1B: Das heißt, dass der Hauptteil der Dilemmata im Bereich Personal auftaucht. Wenn<br />
Sie Entscheidungen treffen müssen zwischen: ‚Folge ich eher dem Ökonomischen<br />
oder dem Ethischen‘, geht es da oft um das Personal?<br />
2E: Ja. Das kann man so sagen.<br />
3B: Gibt es irgendwelche Hilfen bei solchen Entscheidungen? Gibt es Strukturen in<br />
denen solche Entscheidungen ablaufen, Menschen mit denen Sie reden,<br />
vorgesehenes Personal das in solchen Situationen zur Seite steht?<br />
4E: Wir haben im Unternehmen eine relativ klare Kommunikationsstruktur. Wir sagen,<br />
Entscheidungen sind hierarchisch aufgebaut, und zwar von unten nach oben. Wir<br />
versuchen das so genannte Vier-Augen-Prinzip durchzuhalten. Das heißt<br />
Entscheidungen werden immer im Vier-Augen-Prinzip gefällt. Was heißt: Die Ebene<br />
auf der eine Entscheidung gefällt oder vorbereitet werden muss, trägt den<br />
Lösungsansatz, nicht das Problem, zur nächsthöheren Ebene. Zusammen mit der<br />
nächsthöheren Ebene wird dann im Vier-Augen-Prinzip gemeinsam beschlossen, ja<br />
oder nein, wir folgen diesem Lösungsansatz oder die übergeordnete Stelle sagt ‚ich<br />
habe eine Alternative zu diesem Lösungsansatz‘. Das heißt, ich bekomme vorbereite<br />
Entscheidungen, ich bekomme Lösungsansätze vorgelegt, konkret jetzt von meiner<br />
untergeordneten Stelle, der Pflegedienstleitung. Die sagt dann zum Beispiel: Mein<br />
Vorschlag ist, wir stellen jetzt den und den ein, und ich sage dann ja oder nein. Also wir<br />
treffen diese Entscheidung gemeinsam. Und genauso was mir hilft, dass ich über mir<br />
einen Geschäftsführer habe, dem ich dann auch, auf einer anderen Ebene sagen<br />
kann, ich habe jetzt dieses und dieses Dilemma, und würde das so lösen, eigentlich<br />
muss ich sparen, aber, um die Qualität zu halten, müssen wir jetzt mal alle Flure<br />
streichen. Das erhöht unseren Budgeteinsatz, aber ist mittelfristig auch gewinnträchtig.<br />
Mit diesem Lösungsvorschlag gehe ich dann auch zum Geschäftsführer und wir treffen<br />
die Entscheidung gemeinsam. Insofern ist diese klare Struktur sehr hilfreich. Ich fühle<br />
mich nicht alleine mit meinen Entscheidungen. Nicht alle Entscheidungen müssen bis<br />
nach ganz oben gehen. Wenn zum Beispiel Wohnbereichsleitung und<br />
Pflegedienstleitung zusammen sich einig sind, und es in deren<br />
Entscheidungskompetenzbereich liegt, dann brauchen sie mich nicht fragen. Wenn die<br />
Pflegedientstleitung dann aber auch nicht weiß, oder Hilfe braucht, dann kann sie zu<br />
mir gehen. Es gibt diese Möglichkeit.<br />
5B: Gibt es Standards, ausser Pflegestandards, die mit Ethik zu tun haben?<br />
6E: Bin ich mir nicht sicher. Standards, insofern dass es formulierte Standards sind,<br />
gibt es nicht. Das heißt doch ........ Es gibt seitens des Mutterkonzerns einen Standard,
T5<br />
der sich darauf bezieht, wie wir mit Kunden umgehen. Zum Beispiel<br />
Kundengeschenke, Umgang mit Kunden. Diesen Standard gibt es auf der<br />
Führungsebene. Aber nur bis zu meiner Ebene, die PDL hat ihn schon nicht. Wobei<br />
doch. Sie merken ich bin im Schwanken, und das ist auch dann ehrlich und die<br />
Wahrheit, das gab‘s mal, das wurde dann doch auch der PDL vorgelegt, ich erinnere<br />
mich jetzt wieder daran, aber zum Beispiel aktuell die PDL hat das nicht. Das scheint<br />
auch nicht wirklich weitertransportiert worden zu sein. Also es gibt da was, aber wenn<br />
ich ehrlich bin, das lebt nicht wirklich.<br />
Ansonsten gibt es Standards in dem Sinne vielleicht wie dieses Vier-Augen-Prinzip der<br />
Kommunikation, im Bereich von Führung. Bestimmte verbindliche<br />
Führungsinstrumente, die Alle anwenden sollten. Aber darüber hinausgehend<br />
Standards nicht.<br />
Ich merke daran, ich weiß dass es da was gibt, aber das gibt es nicht von der Tochter,<br />
das gibt‘s von der Mutter.<br />
1B: Bei Unternehmensethik geht es ja um die Übernahme von Verantwortung, um die<br />
Wahrnehmung von Interessen gesellschaftlicher Gruppen die davon betroffen sind, wie<br />
das Unternehmen handelt. Das sind die so genannten Stakeholder. Ich wüsste gerne,<br />
in wie fern die Interessen dieser Gruppen in ihrem Unternehmen eine Rolle spielen und<br />
beachtet werden. Angefangen mit den Mitarbeitern...<br />
2E: Die MA sind uns sehr wichtig. Uns ist bewusst, dass wir faktisch nur mit den MA<br />
und von den MA leben. Daher versuchen wir schon für die MA ein angenehmes<br />
Arbeitsklima zu schaffen, sie durch Wertschätzung und Motivation sie zu unterstützen,<br />
durch so genannte weiche Faktoren die ja auch ganz wichtig sind, durch eine gewisse<br />
Gesprächskultur, wie gehen wir miteinander um, durch Lob. Da stehen die MA schon<br />
deutlich im Interesse (gemeint „Fokus“?) unserer Bemühungen.<br />
3B: Die Kunden?<br />
4E: Unsere Bewohnerkunden ohnehin. Das ist unser Auftrag. Sie stehen an erster<br />
Stelle. Alle Bemühungen, alle Prozesse, sie drehen sich natürlich um den<br />
Bewohnerkunden und auch die Angehörigen <strong>als</strong> erweiterte Kunden. Das sollte so sein,<br />
die stehen natürlich absolut im Mittelpunkt.<br />
5B: Noch mal zu den MA: gibt es bestimmte Strukturen, innerhalb derer Sie sich<br />
gegenüber den MA verhalten?<br />
6E: Es ist zum Beispiel das. Das wir darüber ganz klar reflektieren. Also wenn man<br />
sich überlegt, welche Bedürfnisse hat ein Mensch und ein MA, dann kann man, wenn
T6<br />
man die Bedürfnis-Pyramide sieht, geht es erstmal um die soziale Sicherheit, die<br />
Sicherung. Dafür machen wir Verträge, dafür gibt es Lohn und Gehalt, damit<br />
finanzielle, existenzielle Bedürfnisse befriedigt sind. Darüber hinaus hat ein Mensch ja<br />
auch noch weitere Bedürfnisse. Wie Anerkennung, Wertschätzung, Selbstwertgefühl,<br />
Entwicklungsmöglichkeiten. Darüber tauschen wir uns schon aus. Da reflektieren wir,<br />
das es eben nicht reicht, MA nur gut zu bezahlen. Weil da wird es immer welche<br />
geben, die besser zahlen. MA, davon bin ich überzeugt, bindet man nur, wenn zu der<br />
Bezahlung auch noch die so genannten weichen Faktoren kommen. Und da tauschen<br />
wir uns im Unternehmen darüber aus. Da haben wir auch einen Katalog erstellt, einen<br />
internen Katalog, was es für Möglichkeiten gibt. Wir haben einen Katalog von - ich<br />
glaube da sind 30 Massnahmen darauf, die man reflektieren kann, was man MA im<br />
Rahmen von weichen Faktoren mal schenken kann. Dass das nicht nur so vage immer<br />
ist. Wir loben halt mal hier und da - sondern ganz konkret wie zum Beispiel mal ein Eis<br />
ausgeben, oder auch mal zur Teamsitzung gehen. Wenn ich unvorbereitet einfach mal<br />
zur Teamsitzung gehe - ich bin heute mal Gast, ich höre einfach mal zu. Also da gibt es<br />
einen ganzen Katalog von Massnahmen wie man MA auch wertschätzend begegnen<br />
kann und das ist jetzt keine Liste die wir abhaken, aber wir tauschen uns schon<br />
darüber aus. Und jede Führungskraft für sich reflektiert das auch. Habe ich, bin ich mal<br />
wieder durchs Haus gegangen. Was kann ich mehr machen. Also in so fern arbeiten<br />
wir schon daran, diese Wertschätzung zu leben.<br />
1B: Das ist ja jetzt etwas, das von Ihnen an die MA geht, gibt es umgekehrt etwas wo<br />
die MA involviert und beteiligt sind, Ideen einbringen können für Neuerungen,<br />
Veränderungen?<br />
2E: Das geht auch wieder von uns aus. Also das vorzuleben, immer wieder<br />
einzuladen, immer wieder die MA ins Boot holen. Das geht von uns aus, und wir wollen<br />
schon eine Kultur, wo das möglich ist. Für Ideen offen sein, für Anregungen, für<br />
Wünsche. Wir fragen immer wieder auch nach Fortbildungswünschen. Oder bei<br />
bestimmten Themen. Es gibt Themen die jede Führungskraft auf jeder Ebene natürlich<br />
ganz klar steuern muss, wo es dann um Informationen geht. Aber es gibt auch immer<br />
viele Themen, und das differenzieren wir, <strong>als</strong>o wir legen uns immer vorher, ist das jetzt<br />
ein Thema was ich einfach nur steuere, und sage, Leute. das ist jetzt so, nehmen Sie<br />
das bitte zur Kenntnis, oder ob ich vorher sage, ich fördere hier auch etwas, eine<br />
Diskussion. In dem ich sage, ich würde gerne in die und die Richtung gehen, dieses<br />
Projekt haben wir vor, was habt ihr für Ideen?<br />
Das versuchen wir einzusetzen, die MA immer wieder einzuladen. Ideen zu äußern, in<br />
Qualitätszirkeln zum Beispiel. In Fortbildungen.<br />
3B: Gibt es so etwas auch für die Kunden, für die Bewohner und ihre Angehörigen?
T7<br />
1E: Da gibt es das so genannte Beschwerdemanagement, Hinweismanagement, das<br />
wir Anregungen aufnehmen. Dann leben wir das vor, oder versuchen immer wieder zu<br />
definieren, zu kommunizieren, das wir ansprechbar sind. Wir haben ganz bewusst<br />
keine festen Sprechzeiten, Pflegedienstleitung, Wohnbereichsleitung, sondern sagen<br />
ganz klar: Sprechen Sie uns an, machen Sie Termine, wir nehmen uns für Sie Zeit, wir<br />
sind für Sie da. Für Angehörige haben wir zwei mal im Jahr Angehörigenabende extra,<br />
wir haben Feste, wo wir die Angehörigen einladen. Also wir versuchen schon ganz viel<br />
für die Angehörigen zu machen. Und Heimbeirat fällt mir noch ein, ganz wichtig. Also<br />
wir haben einen Heimbeirat, den müssen wir auch haben, aber mir ist es auch ein<br />
Anliegen, den wirklich auch wach zu rütteln, zu fördern, zu sagen, kommen Sie doch<br />
dazu, dass es kein geschlossener Kreis ist, sondern jeder Bewohner der Lust hat, kann<br />
dazu kommen. Der Heimbeirat ist zum Beispiel auch so ein Organ für die Bewohner.<br />
2B: Was die externen Kunden angeht. Da fällt mir die Lieferkette ein, ich weiß aber<br />
nicht in wie fern Sie die selber bestimmen.<br />
3E: Ja das machen wir schon selbst, das ist sehr dezentral bei uns im Unternehmen.<br />
Dafür sind dann die Bereiche zuständig. Also Lieferungen im Bereich der Küche, im<br />
Bereich der Haustechnik, im Bereich der medizinischen Pflegeartikel, Apotheke.<br />
4B: In wie weit berücksichtigen Sie deren Interessen und wie, nach welchen<br />
Gesichtspunkten wählen Sie die aus?<br />
5E: ....<br />
6B: Sie haben mir zum Beispiel erzählt, dass es eine Wäscherei gibt, die extern ist, da<br />
könnte man ja jetzt auf der einen Seite sagen, wir gucken mal wie die Arbeiten, auf der<br />
anderen Seite könnte man sagen, wir gucken auch mal, zum Beispiel, unter welchen<br />
Bedingungen deren Angestellte arbeiten.<br />
7E: Also wenn ich da ganz ehrlich bin, spielt das eine untergeordnete Rolle, aktuell.<br />
Die Auswahl erfolgt nach Qualitäts- und Kostenkriterien. Das klassische, das man auf<br />
das Preis-Leistungs-Verhältnis guckt, wie ist das Kostenangebot und wie ist die<br />
laufende Zusammenarbeit. Aber nein, das denke ich haben wir noch nicht.<br />
8B: Gibt es sonst irgendwo im Haus irgendwelche Ansatzpunkte wo Ihnen etwas<br />
einfällt, zum Beispiel in der Küche, in der Pflege, wenn Materialien bestellt werden, um<br />
das Haus herum oder in den Wohnbereichen an baulichen Materialien die Sie<br />
verwenden?
T8<br />
1E: Wenn ich ganz ehrlich bin: fällt mir nichts ein. Nein.<br />
2B: Im nächsten Punkt geht es um das Verhältnis zwischen Ethik und Ökonomie bei<br />
Entscheidungen. Unternehmensethische Theorien lassen anordnen an einem Strahl<br />
zwischen dem Primat der Ökonomie und dem Primat der Ethik. Die einen sagen, Ethik<br />
muss auch immer unter wirtschaftlichen Aspekten funktionieren, die stehen bei<br />
Entscheidungen oben drüber, anders geht es nicht. Die anderen sagen, die ethische<br />
Entscheidung muss oben drüber stehen und die ökonomische muss sich dann auch<br />
mal unterordnen, aber letztendlich funktioniert es trotzdem. Das spiegelt wieder, dass<br />
es dieses Dilemma immer gibt, in der Unternehmensethik, und das haben wir ja auch<br />
vorhin schon angesprochen. Können Sie dazu noch mal was sagen, gibt es dazu eine<br />
Haltung von Ihnen oder vom Unternehmen, wie sind Ihre Erfahrungen im Alltag?<br />
3E: Wir versuchen das schon gut unter einen Hut zu bekommen. Natürlich ist das<br />
Primat der Ökonomie sehr deutlich. Ich hatte ja eingangs gesagt, jeder Betrieb ist<br />
verpflichtet, wirtschaftlich gut zu arbeiten. Darüber hinaus ist es bei uns natürlich schon<br />
noch mal besonders dadurch, dass wir eben nicht gemeinnützig sind sondern zu einem<br />
börsennotierten Unternehmen gehören, denke ich ist das schon auch noch mal ein<br />
starker Ansatz. Der ökonomische Ansatz. Unabhängig davon aber, haben wir innerhalb<br />
dieses Gerüsts, dieser Zielvorgabe, schon ganz klare ethische Haltung, dass wir<br />
zumindest in Einzelfragen versuchen, alles mögliche auszuloten, was auszuloten ist.<br />
Also ganz konkret gibt es Einzelfälle wo man sich sagt, gut, ich verzichte jetzt auch mal<br />
konkret auf Einnahmen. Wir haben da Einzelfälle wo ich auch ganz konkret verzichte,<br />
weil ich mich anders entschieden habe. Wir haben jetzt zum Beispiel eine<br />
hundertjährige Frau, die hat nicht damit gerechnet, dass sie so alt wird, und die<br />
Ersparnisse sind verbraucht. Die kann hier nicht mehr volles Entgelt bezahlen. Aber<br />
dieser Frau werde ich nicht kündigen. Da verzichte ich dann auf Einnahmen. Das<br />
könnte ich aber natürlich nicht bei 120 Einwohnern machen. Und das wird von der<br />
Unternehmensleitung auch mit getragen.<br />
4B: Das heißt, dass Sie sich in Einzelfällen auch gegen das Ökonomische, zu Gunsten<br />
des Gesamthandelns entscheiden können.<br />
5E: Das ist ja dieser Kreis. Das ist ja auch ökonomisch langfristig. Man muss immer<br />
zwischen ökonomisch kurzfristig und langfristig unterscheiden. Vielleicht verzichte ich<br />
kurzfristig auf Einnahmen. Aber ich behalte dadurch einen zutiefst zufriedenen Kunden,<br />
der das wiederum anderen weitererzählt. Das spricht sich rum im Angehörigen-<br />
Netzwerk. Und das trägt zur Zufriedenheit und zu Image-Steigerung bei, und führt<br />
darum auch mittelfristig zum Erfolg. Anders herum, wenn ich es jetzt nicht machen
T9<br />
würde, das könnte sogar zu Schaden, zu Image-Schaden führen. Stellen sie sich vor,<br />
das geht in die Zeitungen: Ein Heim kündigt einer hundertjährigen, setzt sie auf die<br />
Strasse.<br />
1B: Ganz schlechte Presse.<br />
2E: Und deshalb kann ich gar nicht sagen, hat hier die Ethik über die Ökonomik<br />
gesiegt, sondern auch das ist eine ökonomische Entscheidung, kurzfristig auf Gewinn<br />
zu verzichten, um ihn langfristig zu bekommen.<br />
3B: Sie sagten ja vorhin auch selber schon, dass es sich nicht immer widersprechen<br />
muss. - Es ist nur die Frage, in wie weit man im Alltag solche Entscheidungen treffen<br />
kann.<br />
4E: Deshalb habe ich gesagt, dass die ökonomische Sorge bei uns stark ausgeprägt<br />
ist, muss auch so sein, von der ganzen Unternehmenslogik her. Weil die Investoren<br />
natürlich nur investieren, wenn sie auch eine größere Rendite bekommen. Sonst<br />
würden sie zur Bank gehen, dort das Geld hinbringen. Da können sie sicher sein. Da<br />
kriegen sie zwar nur zwei Prozent aber die kriegen sie sicher. Bei uns tragen sie das<br />
Risiko. Kann auch sein, dass sie keine Rendite bekommen. Also so von der ganzen<br />
Logik her, muss das ja auch so sein, dass die ökonomische Sorge groß ist, aber im<br />
Alltag in Einzelfällen, habe ich Entscheidungsfreiheit.<br />
5B: Investoren sind ja wichtig und haben Macht. In wie weit sind Sie mit denen im<br />
Gespräch, <strong>als</strong>o auch über Unternehmensethik im weitesten Sinne, Nachhaltigkeit,<br />
soziale Verantwortung?<br />
6E: Das bin ich gar nicht. Das ist dann die höhere Ebene. Die Geschäftsführung, die<br />
dann wiederum dem Aufsichtsrat rechenschaftspflichtig ist. Also ganz persönlich habe<br />
ich da keinen Kontakt und bin auch in keine Gespräche involviert.<br />
7B: Wissen Sie, ob es solche Gespräche gibt? Über diese Themen?<br />
8E: Ich weiß es nicht, die Inhalte kenne ich nicht, aber ich gehe davon aus, dass auch<br />
das thematisiert wird, vor dem Hintergrund, wenn man nicht vergisst, dass wir in der<br />
Gesundheitswirtschaft sind. Das ist ja noch mal was anderes. Es geht hier immer auch<br />
um gewisse Nöte, Sorgen, und das denke ich, wird auch dem Aufsichtsrat transportiert,<br />
das man hier natürlich Budgets auch anders planen muss. <strong>als</strong> vielleicht in der reinen<br />
Wohnungswirtschaft.
T10<br />
1B: Zu Veränderungsprozessen haben Sie vorhin ja schon etwas gesagt.<br />
Veränderungsmanagement, Change-Management, möchten Sie dazu noch etwas<br />
sagen?<br />
2E: Na ja, aktuell ist das ja so, dass wir auch vier neue Einrichtungen aufgekauft<br />
haben in (Ortsangabe), zu unserem Unternehmen dazu. Und das ist ja ein<br />
Veränderungsprozess der ganz ernst genommen wird, wo wir uns auch gegenseitig<br />
unterstützen, wo auch klar ist, dass es nicht damit getan ist, zu sagen, so, ihr seid jetzt<br />
auch das XXXX (Name des Unternehmens), sondern dass wir sagen, dieser Prozess<br />
wird begleitet, da tauschen wir uns gegenseitig aus. Das ist schon im Bewusstsein<br />
drin, dass Veränderungen gut begleitet werden müssen. Und das findet auch statt.<br />
3B: Die Impulse zu diesen Veränderungen, woher kommen Sie? Gibt es auch Impulse,<br />
die Sie aufnehmen, die aus dem Unternehmen selber kommen? Mehr von Unten?<br />
4E: Generell versuchen wir uns in allen Bereichen einem Qualitätsdenken zu<br />
unterwerfen. Das wir immer wieder überdenken, wie zufrieden sind (unverständlich).<br />
Das ist ja Qualitätsdenken, <strong>als</strong>o dieser PDCA-Zyklus. Und in dem Rahmen werden<br />
aber auch die MA involviert und wenn da Vorschläge kommen, seitens der MA, wird<br />
das aufgenommen.<br />
Also ich würde schon davon ausgehen, dass unser Haus, unser Betrieb, sich <strong>als</strong><br />
lernende Organisation versteht, dieses Stichwort, wo es wichtig ist, das Veränderung<br />
dazu gehört. Das ist das A und O. Dass man nie stehen bleibt, sondern immer bereit ist<br />
für Neues.<br />
5B: Projektarbeit könnte wichtig sein, wenn man solche Dinge angehen will....<br />
6E: Ja, wir haben dreimal im Jahr Qualitätszirkel mit den MA, wo wir gemeinsam, das<br />
ist letztendlich Projektarbeit. Es gibt übergeordnete Projekte auch, die auf<br />
Einrichtungsleiter-Ebene initiiert werden und die wir runter tragen.<br />
Zum Beispiel zum Thema MA, Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung. Das ist ein<br />
ganz großes Thema. Das haben wir gemeinsam verabschiedet im gesamten<br />
Unternehmen, das uns das wichtig ist und das wir dieses Jahr daran arbeiten wollen.<br />
Jeder Einrichtungsleiter hat ein Projekt übernommen. Ich habe jetzt zum Beispiel ein<br />
Projekt Karrieregespräche. Ich entwickele hier gerade ein Leitfaden-Modell zum Thema<br />
Karrieregespräche und mache dann ein Pilotprojekt zusammen mit einer<br />
Arbeitsgruppe.<br />
Projektarbeit gibt es und Qualitätszirkel.
1B: Dass so was wie Widerspruch den so eine Projektarbeit ja auch mit sich bringt <strong>als</strong>o<br />
auch möglich ist und ausgehalten werden kann?<br />
T11<br />
2E: Ja.<br />
3B: Unter dem Primat der Ökonomie muss man sich ja oft unmoralischer Verhalten <strong>als</strong><br />
man selber das gerne möchte, weil die Konkurrenz es auch macht, und man sonst<br />
einen ökonomischen Nachteil hätte. Es wäre vorstellbar dass auch die Unternehmen<br />
selber aktiv werden, um die Rahmenordnung in der sie agieren, so zu verändern, dass<br />
sie sich ethischer Verhalten können. Gibt es da Bestrebungen wie Verbandsarbeit,<br />
Lobby-Arbeit, sich zusammen zu tun, aktiv zu werden, um die Rahmenordnung so zu<br />
verändern dass man sich moralisch verhalten kann?<br />
4E: Nun, wir sind Mitglieder in einem Berufsverband privater Anbieter, und innerhalb<br />
dessen sind wir dort auf Geschäftsführungsebene präsent, aber darüber hinaus nicht.<br />
Ich speziell für mein Haus - na gut- doch, ich bin auch Mitglied in zwei Arbeitskreisen<br />
vernetzt. Ja. aber das Ziel ist nicht ethische Rahmenbedingungen zu schaffen, sondern<br />
das Thema ist eher die Qualität. Das wir versuchen, die Qualität zu verbessern. Aber<br />
es ist weniger politische Lobby-Arbeit. Also abschließend: ansatzweise findet das statt.<br />
5B: Gibt es persönliche Wünsche von Ihnen für den Bereich Unternehmensethik in<br />
Ihrem Unternehmen, etwas wo sie denken: das würde ich gerne machen, das brennt<br />
mir unter den Nägeln?<br />
6E: ist mir jetzt im Interview aufgefallen, mal zu schauen, wie sind die Lieferanten und<br />
Kooperationspartner aufgestellt. Das muss ich sagen ist ein ganz neuer Gedanke,der<br />
kam bis jetzt noch nicht, da ist noch Luft nach oben, das ist ne spannende Sache. Weil<br />
das ja auch ein Gebot der Stunde ist, Da sind wir beim Anfang wieder, da geht es um<br />
Nachhaltigkeit. Das interessiert mich. Da könnte sich noch was entwickeln.<br />
7B: Gibt es noch etwas was Sie hinzufügen wollen, oder Fragen, die Sie an mich<br />
haben?<br />
8E: Spontan nicht.<br />
9B: Dann herzlichen Dank für das Gespräch!
Zusammenfassende Darstellung: Interview Einrichtungsleiter<br />
Motto: „Ich glaube, dass wir gute Ansätze haben“<br />
(Die Quellenangaben aus dem Transkript sind in Klammern angegeben. T steht für<br />
Transkript des Interviews mit dem Einrichtungsleiter, es folgt die Seitenzahl, und hinter<br />
dem Querstrich der jeweilige Absatz auf den sich der Text bezieht, bzw. dem das<br />
entsprechende Zitat entnommen ist.) MA steht für Mitarbeiter.<br />
1 EL seit dreieinhalb Jahren im Unternehmen. Trägt Gesamtverantwortung für die<br />
Einrichtung mit ca. einhundert MA. (T, S. 1/1-6)<br />
2 Im Unternehmen existiert kein offizielles Bekenntnis zur Unternehmensethik. Es gibt<br />
aber Aspekte im Leitbild, die auf den Vorsatz ethischen Verhaltens hinweisen. Das<br />
Unternehmen möchte zu den Besten der Branche gehören, womit beste Qualität und<br />
nicht finanzieller Erfolg gemeint ist. Wertschätzung und gegenseitiger Respekt, sowie<br />
Steigerung der Lebensqualität für den Kunden ist ein weiterer Ansatz im Leitbild (T, S.<br />
1f./8)<br />
3 Der Aspekt der Nachhaltigkeit unternehmerischen Handelns soll zukünftig in die<br />
Unternehmensvision aufgenommen werden. Dies wird auf nächst höherer Ebene<br />
gerade erarbeitet. (T, S. 1/8)<br />
4 Interne Regelungen zum Thema Ethik in Form von Standards, gibt es in der<br />
Einrichtung nicht. Allerdings gibt es im Mutterkonzern einen Standard zur Bekämpfung<br />
von Korruption. Er regelt die Entgegennahme von Geschenken u. ä. (T, S. 4f./6) Man<br />
könnte überlegen, welche Standards auf Einrichtungsebene sinnvoll sein könnten, und<br />
ob es sich lohnen würde sie zu implementieren und zu kontrollieren.<br />
5 Die Kommunikation mit Kunden, sprich mit den Bewohnern, scheint im Vergleich<br />
zu der Kommunikation mit anderen Interessengruppen der Einrichtung am besten<br />
ausgebaut.<br />
6 Das Unternehmen versucht eine „Beziehung zum Kunden“ aufzubauen.<br />
Es gibt eine Systematik in der Kommunikation zum Kunden. Es gibt ein Beschwerdeund<br />
Hinweismanagement. Ausserdem vermittelt die Einrichtung ständige<br />
Ansprechbarkeit für Bewohner und deren Angehörige. Es finden zweimal jährlich<br />
Angehörigenabende statt. Die Einrichtungsleitung versucht aktivierend auf den<br />
Heimbeirat einzuwirken. Zitat: „Also wir haben einen Heimbeirat, den müssen wir auch<br />
haben, aber mir ist es auch ein Anliegen, den wirklich auch wach zu rütteln, zu fördern,<br />
zu sagen, kommen Sie doch dazu, dass es kein geschlossener Kreis ist, sondern jeder<br />
Bewohner der Lust hat, kann dazu kommen.“ Hier besteht eine grosse Offenheit und<br />
Diskurs-Bereitschaft, die auch an anderer Stelle wünschenswert wäre. (Von der<br />
Offenheit gegenüber den Interessen der Kunden verspricht sich das Unternehmen
estimmt finanziellen Erfolg????darf ich nicht vermuten). Es sollte über größere<br />
Offenheit gegenüber MA und anderen Interessengruppen nachgedacht werden.<br />
Bestehen Befürchtungen dass sich eine solche ökonomisch ungünstig auswirken<br />
könnte. Das sollte zumindest reflektiert werden. Vielleicht bestehen Möglichkeiten in<br />
Richtung Offenheit, die einer unternehmensethischen Strategie entgegenkommen.<br />
(T, S. 7/1)<br />
7 Kommunikation mit MA: Kommunikation des Leitbildes an die MA über Vorleben.<br />
Es herrscht eine „gewisse Gesprächskultur“ (Umgang miteinander, Lob) (T, S. 5/2)<br />
Wertschätzung und Motivation sind oft gebrauchte Wörter des EL im Verlauf des<br />
Interviews.<br />
8 Kommunikation läuft auch über Wertschätzung, Anerkennung, oder der Frage nach<br />
Wünschen, wie zum Beispiel Fortbildungswünschen. (S. 6/2) Es gibt einen<br />
Massnahmenkatalog zur Wertschätzung und Anerkennung von MA. („Da haben wir<br />
auch einen Katalog erstellt, einen internen Katalog, was es für Möglichkeiten gibt. Wir<br />
haben einen Katalog von - ich glaube da sind 30 Massnahmen darauf, die man<br />
reflektieren kann, was man MA im Rahmen von weichen Faktoren mal schenken kann.<br />
Dass das nicht nur so vage immer ist. Wir loben halt mal hier und da - sondern ganz<br />
konkret wie zum Beispiel mal ein Eis ausgeben, oder auch mal zur Teamsitzung<br />
gehen“). Hier findet aber kein Austausch statt. Die Kommunikationsrichtung ist hier<br />
einseitig, verläuft von der Leitung Richtung MA. (S. 5f/6)<br />
9 Die Kommunikation in der Einrichtung verläuft ansonsten hierarchisch gesehen in<br />
beide Richtungen. Sie ist aber nicht diskursiv. Impulse von Seiten der MA werden <strong>als</strong><br />
Vorschläge und Ideen gewürdigt aber die Leitung fühlt sich nicht verpflichtet, ihnen<br />
nachzugehen, sie zu diskutieren, sondern nimmt sie lediglich dankbar auf. Das ist aber<br />
ausbaufähig: Zitat: „Aber es gibt auch immer viele Themen (...) [wo] ich vorher sage,<br />
ich würde gerne in die und die Richtung gehen, diese Projekt haben wir vor, was habt<br />
ihr für Ideen?“ (T, S. 6/2)<br />
Systematische Karrieregespräche sind derzeit in der Entwicklungsphase. (T, S. 10/6)<br />
10 Schulungen und Trainings zum Thema Ethik gibt es für die MA nur auf<br />
Leitungsebene. Da geht es dann um Führungsthemen wie Motivation,<br />
Mitarbeiterführung und Wertschätzung. (T, S. 3/3)<br />
11 Kommunikation mit Investoren findet auf Einrichtungsebene nicht statt, wohl aber<br />
auf höherer Ebene des Unternehmens. Art und Inhalt der Kommunikation sind dem EL<br />
nicht bekannt. (T, S.9/5-8)<br />
12 Keine Hinweise auf Diskurs (gibt es nicht, auch keine Bemühungen zu<br />
Befähigung und Strukturen für einen)
13 Die Unternehmenskultur ist stark von der bestehenden hierarchischen Ordnung<br />
geprägt. So werden Entscheidungen im Zweifelsfall von der nächsthöheren<br />
Entscheidungsebene abgelehnt oder befürwortet. „Wir haben im Unternehmen eine<br />
relativ klare Kommunikationsstruktur. Wir sagen, Entscheidungen sind hierarchisch<br />
aufgebaut, und zwar von unten nach oben. Wir versuchen das so genannte Vier-<br />
Augen-Prinzip durchzuhalten. Das heißt Entscheidungen werden immer im Vier-<br />
Augen-Prinzip gefällt. Was heißt: Die Ebene auf der eine Entscheidung gefällt oder<br />
vorbereitet werden muss, trägt den Lösungsansatz, nicht das Problem, zur<br />
nächsthöheren Ebene. Zusammen mit der nächsthöheren Ebene wird dann im Vier-<br />
Augen-Prinzip gemeinsam beschlossen, ja oder nein, [...]“ (T, S.4/4)<br />
14 Veränderungen wird ein grosser Stellenwert beigemessen. „Also ich würde schon<br />
davon ausgehen, dass unser Haus, unser Betrieb, sich <strong>als</strong> lernende Organisation<br />
versteht, dieses Stichwort, wo es wichtig ist, dass Veränderung dazu gehört. Das ist<br />
das A und O. Dass man nie stehen bleibt, sondern immer bereit ist für Neues.“ (T, S.<br />
10/4) Es gibt das Bewusstsein dafür, dass Veränderungen begleitet werden müssen.<br />
Die Begleitung geschieht durch kommunikativen, unternehmensinternen Austausch<br />
und durch den Einsatz von Instrumenten des Qualtiätsmanagements. (T, S. 10/2) Man<br />
kann insofern im Ansatz von einem systematischen Management für Veränderungen<br />
sprechen.<br />
15 Impulse zu Veränderungen gehen in erster Linie von der Leitung aus. Andererseits<br />
besteht die Offenheit für Anregungen zum Beispiel durch die Mitarbeiter. Diese wird<br />
aber nicht systematisch gelebt. (T, S. 10/4)<br />
16 In ethisch-ökonomischen Dilemma-Situationen besteht einerseits eine<br />
eindeutige Vorrangstellung der Ökonomie gegenüber der Ethik. „ Natürlich ist das<br />
Primat der Ökonomie sehr deutlich.“ (T, S. 8/3) Das bedingt einen täglichen „Spagat“<br />
bei unternehmerischen Entscheidungen, in denen neben ökonomischen<br />
Notwendigkeiten, gleichzeitig die ethischen Vorsätze aus dem Leitbild berücksichtigt<br />
werden sollen. (T, S. 3/5) Hier besteht formal eine Unklarheit. „Aber das immer wieder<br />
unter einen Hut zu kriegen... Dass wir zu den besten der Branche gehören, das heißt<br />
ja eben nicht nur, wir wollen die Reichsten werden, sondern das heißt, der Betrieb soll<br />
gut, vorbildlich laufen.“ (T, S. 3/5)<br />
17 Vom ökonomischen Handlungsprinzip wird in Einzelfällen abgewichen. „Wir haben<br />
da Einzelfälle wo ich auch ganz konkret verzichte, weil ich mich anders entschieden<br />
habe. Wir haben jetzt zum Beispiel eine hundertjährige Frau, die hat nicht damit<br />
gerechnet, dass sie so alt wird, und die Ersparnisse sind verbraucht. Die kann hier<br />
nicht mehr volles Entgelt bezahlen. Aber dieser Frau werde ich nicht kündigen. Da<br />
verzichte ich dann auf Einnahmen. Das könnte ich aber natürlich nicht bei 120
Einwohnern machen. Und das wird von der Unternehmensleitung auch mit<br />
getragen.“ (T, S. 8/3)<br />
18 Das zeigt die Bereitschaft zu ethischem Verhalten, und deutet auf ein<br />
instrumentelles Verständnis von Unternehmensethik hin, denn man verspricht sich<br />
von einem Verhalten dass im Ausnahmefall gegen ökonomische Interessen verstößt,<br />
dafür aber ethisch erforderlich ist, eine langfristig positive ökonomische Wirkung. „Man<br />
muss immer zwischen ökonomisch kurzfristig und langfristig unterscheiden. Vielleicht<br />
verzichte ich kurzfristig auf Einnahmen. Aber ich behalte dadurch einen zutiefst<br />
zufriedenen Kunden, der das wiederum anderen weitererzählt. Das spricht sich rum im<br />
Angehörigen-Netzwerk. Und das trägt zur Zufriedenheit und zu Image-Steigerung bei,<br />
und führt darum auch mittelfristig zum Erfolg. (...) Und deshalb kann ich gar nicht<br />
sagen, hat hier die Ethik über die Ökonomik gesiegt, sondern auch das ist eine<br />
ökonomische Entscheidung, kurzfristig auf Gewinn zu verzichten, um ihn langfristig zu<br />
bekommen.“ (T, S. 8/5 und S. 9/2)<br />
19 Es gibt eine allgemeine Systematik für die Handhabung von Situationen, in denen<br />
Entscheidungen schwer fallen. Sie gilt auch für Dilemma-Situationen die ethische<br />
Aspekte beinhalten. Eine Lösung wird auf der vorgesehenen Ebene vorbereitet und<br />
vom Entscheidungs-Verantwortlichen dem Verantwortlichen auf der nächsthöheren<br />
Hierarchieebene vorgeschlagen. Im so genannten Vier-Augen-Prinzip wird die Lösung<br />
befürwortet oder abgelehnt. Eine Entscheidung wird auf diese Art gemeinsam<br />
getroffen. „ Ich fühle mich nicht alleine mit meinen Entscheidungen.“ (T, S. 4/4)<br />
20 Projektarbeit und damit eine Arbeitsform die auch das kreative Potenzial der<br />
Widerspruchsmöglichkeit gegenüber der Hierarchie zugänglich macht, findet in<br />
schwacher Form statt. Es gibt Qualtitätszirkel die in Projektform arbeiten, und im<br />
Unternehmen werden Projekte initiiert, die von den jeweiligen Einrichtungsleitern<br />
geleitet, in deren Häusern durchgeführt werden. In dieser Einrichtung existiert eine<br />
Arbeitsgruppe zum Thema Karrieregespräche.<br />
„Es gibt übergeordnete Projekte auch, die auf Einrichtungsleiter-Ebene initiiert werden<br />
und die wir runter tragen. Zum Beispiel zum Thema MA, Mitarbeitergewinnung,<br />
Mitarbeiterbindung. Das ist ein ganz großes Thema. Das haben wir gemeinsam<br />
verabschiedet im gesamten Unternehmen, das uns das wichtig ist und das wir dieses<br />
Jahr daran arbeiten wollen. Jeder Einrichtungsleiter hat ein Projekt übernommen. Ich<br />
habe jetzt zum Beispiel ein Projekt Karrieregespräche. Ich entwickele hier gerade ein<br />
Leitfaden-Modell zum Thema Karrieregespräche und mache dann ein Pilotprojekt<br />
zusammen mit einer Arbeitsgruppe.“<br />
(T, S. 10/6)
21 Ein Engagement auf der Makroebene, zur Schaffung einer Rahmenordnung die<br />
unternehmensethischem Verhalten Vorschub leistet, findet durch die<br />
Einrichtungsleitung nicht statt. (T, S. 11/4)<br />
22 Der EL würde gerne bei der Auswahl der Lieferanten- und Kooperationspartner<br />
berücksichtigen, wie nachhaltig sich diese Verhalten.<br />
Die Lieferkette im Unternehmen ist dezentral organisiert. Die Einrichtung kümmern sich<br />
<strong>als</strong>o selber darum, woher sie Lieferungen für Küche, Haustechnik, medizinische Pflege<br />
oder Apotheke bezieht, oder wo sie zum Beispiel ihre Wäsche waschen lässt. „...ist mir<br />
jetzt im Interview aufgefallen, mal zu schauen, wie sind die Lieferanten und<br />
Kooperationspartner aufgestellt. Das muss ich sagen ist ein ganz neuer Gedanke,der kam bis<br />
jetzt noch nicht, da ist noch Luft nach oben, das ist ne spannende Sache. Weil das ja auch ein<br />
Gebot der Stunde ist, Da sind wir beim Anfang wieder, da geht es um Nachhaltigkeit. Das<br />
interessiert mich. Da könnte sich noch was entwickeln.“ (Transkript des Interviews mit dem<br />
Einrichtungsleiter, S. 11, Absatz 6)<br />
(T, S.11/6)<br />
23 Erwähnt Führungsethik.( T, S. 1f./8 und S. 2/2) „Ich hoffe, dass sie (die MA) auch<br />
spüren, dass wir eine wertschätzende, verbindliche Führungsethik vorleben“ (T, S. 2/2)
Zusammenfassende Darstellung: Interview Pflegedienstleitung (PDL)<br />
Motto: Wir müssen uns verändern<br />
(Die Quellenangaben aus dem Transkript sind in Klammern angegeben. TP steht für<br />
Transkript des Interviews mit der Pflegedienstleitung), es folgt die Seitenzahl, und<br />
hinter dem Querstrich der jeweilige Absatz auf den sich der Text bezieht, bzw. dem das<br />
entsprechende Zitat entnommen ist.)<br />
MA steht für Mitarbeiter<br />
1 Die Interviewpartnerin ist seit elf Jahren im Unternehmen und seit ca. zwei Jahren<br />
dort <strong>als</strong> PDL tätig. Gleichzeitig ist sie die stellvertretende Einrichtungsleiterin. Als PDL<br />
ist sie für ca. sechzig MA der Pflege, <strong>als</strong> stellvertretende Einrichtungsleiterin für<br />
insgesamt ca. einhundert MA verantwortlich. (TP, S. 1/2 und 4)<br />
2 Es existiert ein Leitbild, dass das Leben gemeinsamer Werte und die gegenseitige<br />
Wertschätzung betont. (TP, S. 2/1)<br />
3 In der Einrichtung wird eine Unternehmens- und Führungskultur gepflegt, unter<br />
deren Wirkung eine Integration der Gedanken aus dem Leitbild in die<br />
Unternehmenswirklichkeit stattfindet. Die Unternehmenskultur beinhaltet, dass die<br />
Leitung immer Zeit hat, um sich um die Belange von MA, Bewohnern und Angehörigen<br />
zu kümmern. „Ich denke, Leitung spielt hier schon eine sehr, sehr, sehr grosse Rolle.<br />
Wie wir Führung verstehen, ne, mit Führung beginnt das schon. (...) Wir machen das<br />
so, für MA, Angehörigen, Bewohner wir haben immer Zeit. Immer.“.<br />
(TP, S. 2/3)<br />
4 Die Wertschätzung der MA geschieht über den Kontakt zu ihnen auf verschiedenen<br />
Ebenen: über eine ausgeprägte Gesprächskultur, in der Authentizität eine grosse Rolle<br />
spielt (TP, S.2/5 und S. 3/2) und gemeinsame Unternehmungen. „Dass wir gemeinsam<br />
auch feiern, dass wir gemeinsam Ausflüge machen. Dass wir eben zum Gespräch<br />
kommen, dass wir uns nicht verlaufen: nur unsere Abläufe, nur unsere Sorgen, nur<br />
unsere Termine. Dass wir auch viel Raum suchen, so dass der MA auch das Gefühl<br />
hat, auf verschiedenen Ebenen Kontakt zu uns zu haben. .“ (TP, S. 6f./8)<br />
5 Die Führung begegnet den MA mit grosser Offenheit für Ihre Wünsche und<br />
Probleme. (TP, S. 2/f./5 und S. 3/2) Es gibt Teamsitzungen, in denen darüber<br />
gesprochen wird, und auch im Alltag ist Platz für diese Themen. Dies wird an vielen<br />
Stellen des Textes deutlich. Bsp: „Es gibt bestimmte Instrumente wie Teamsitzungen,<br />
wie kommunizieren wir untereinander? Hat ein MA eine Sorge, ist das Geld, ist das<br />
Freizeit, betrifft das... ja, gesundheitliche Sorgen, u.s.w.? Dann schauen wir mal immer<br />
gemeinsam nach einer Lösung.“ (TP, S. 2/3) Die MA werden auch ermutigt, ihre<br />
Anliegen gegenüber der Leitung auszusprechen. Dies geschieht auch durch Vorleben:
„Und ich sage, Leute, heute kann ich nicht mehr, es tut mir sehr leid. So, damit gebe<br />
ich das Gefühl, wenn du die Grenze auch erreichst, komm auf mich zu, sag einfach,<br />
heute kann ich nicht mehr, das ist doch nicht schlimm. Das ist keine Schwäche,<br />
sondern eher versuche ich mitzuteilen, dass das auch eine Stärke sein kann.“ (TP, S.<br />
3/2)<br />
6 Die Sorge um die MA ist ausgeprägt und ehrlich. Authentizität ist dabei gewünscht<br />
und wird gelebt. „Das beginnt schon bei Bewerbungsgespräch. Ich gehe nicht nach<br />
bestimmte Schema, so wie man vielleicht so kennt. Frage A und dann warte ich die<br />
Antwort. Ne, ich versuche authentisch zu bleiben. Gebe jemanden auch das Gefühl,<br />
das darfst du auch, das kannst du auch. Und ich habe auch meine Sorgen. Wo treffen<br />
wir uns und wie sprechen wir zukünftig miteinander?“ (TP, S. 2f/5)<br />
7 Die Bearbeitung der Inhalte der Kommunikation mit den MA ist geprägt von der<br />
Hierarchie. In erster Linie versuchen wir, ist uns die Hierarchie schon sehr sehr wichtig.<br />
So dass der MA weiß, erster Ansprechpartner ist die Wohnbereichsleiterin. Sie muss<br />
mir helfen, wenn ich eine Sorge habe. Wenn sie nicht weiterhelfen kann wendet sie<br />
sich weiter an mich. [PDL meint damit sich selbst]“ (TP, S. 6/6) Die Hierarchie ist das<br />
System, innerhalb dessen Kommunikationswege für die MA vorgesehen sind.<br />
8 In schwierigen Situationen findet aber auch Kommunikation im größeren Kreis statt.<br />
„Es gibt aber schon mal Situationen wo wir uns gemeinsam treffen müssen“. (TP, S.<br />
6/6)<br />
9 Die Bedürfnisse und Interessen der Bewohner sind sehr wichtig. Die<br />
Kommunikation ist systematisch. Sie findet über tägliche Ansprechbarkeit der MA,<br />
über regelmässige Sitzungen mit Bewohnern und Angehörigen, über Befragungen und<br />
das regelmäßige Gespräch mit dem Heimbeirat statt. Bewohnerinteressen zu<br />
befriedigen ist erste und selbstverständliche Aufgabe aller Beteiligten. Der Prozess<br />
dazu läuft systematisch ab. Es gibt klare Informations- und Arbeitswege dazu. (TP, S.<br />
8/2 bis 6)<br />
10 Manchmal entsteht die Situation, dass Bewohnerinteressen nicht vollständig<br />
befriedigt werden können, weil zu wenig Geld vorhanden ist. Oft findet sich aber durch<br />
Kreativität trotzdem eine Lösung. (TP, S. 9/2) Falls die Bewohnerinteressen nicht<br />
erfüllt werden können, empfindet die PDL das <strong>als</strong> belastend. „...aber ist was anderes<br />
wenn ich vertrete Interesse von Dritten, Interesse unserer Bewohner. Damit habe ich<br />
schon Schwierigkeiten. Das fällt mir schwer. Darauf zu verzichten, wenn ich höre, dafür<br />
haben wir kein Geld. Weil, ich denke damit kann man viel erreichen. Das ist nicht nur<br />
Qualität, sondern Bewohnerzufriedenheit, man möchte auch zeigen, das man was<br />
Gutes tut.“ (TP, S. 8f./8)<br />
11 Entscheidungen sind in zwei Bereichen herausfordernd:
Pflegeethische Entscheidungen: Dilemma-Situationen wird systematisch vorgebeugt,<br />
z. Bsp., in dem im Vorfeld die Frage nach Patientenverfügungen gestellt wird. (TP, S.<br />
4f./4) In schwierigen Akut-Situationen, ist der systematisch vorgesehene Weg zur<br />
Erleichterung von Entscheidungen, das Zusammenkommen aller Beteiligten, und für<br />
die PDL das Gespräch mit ihrem Vorgesetzten, dem EL. (TP, S. 4f./4)<br />
12 Die Entscheidungssituation wird trotzdem <strong>als</strong> belastend und einsam erlebt: „Das<br />
sind Momente, in Minuten, treffen wir über Leben, über Sterben, müssen wir, sind wir<br />
dazu gezwungen Entscheidungen zu treffen. Das sind schwierige Entscheidungen.<br />
Weil es bleibt immer die Frage: War die Entscheidung, die ich getroffen habe richtig?<br />
Und die Frage kann mir niemand, niemand beantworten. Das ist nun mein Gewissen.<br />
Das Problem liegt daran, wenn ich auch zu der Erkenntnis komme, das war f<strong>als</strong>che<br />
Entscheidung, ich kann sowieso nichts mehr daran ändern. Ich muss nur gucken, wie<br />
ich damit zurecht komme, wie die MA damit zurecht kommen.“ (TP, S. 4/2)<br />
13 Ein anderes Dilemma entsteht manchmal in der Unvereinbarkeit von Interessen der<br />
Bewohner, mit Interessen der MA. Bedürfnisse der Bewohner müssen befriedigt<br />
werden, MA haben aber zu wenig Zeit dafür, müssen unter grossem Zeitdruck arbeiten.<br />
„Wenn ich durch Etagen gehe, gucken, und das ist manchmal mein Dilemma. Also ich<br />
merke, der MA steht unter so einem Zeitdruck, dass er vielleicht selber noch nicht<br />
gegessen hat, dass er noch nicht getrunken hat. Ich hab auch die Sorge zu wissen, der<br />
MA muss sich auch hinsetzen und essen. Es gibt Situationen, ja es steht auf dem<br />
Dienstplan, aber das die Zeit heute vielleicht gerade nicht gegeben ist.“ (TP, S. 3f./4)<br />
14 Das Problem wird <strong>als</strong> strukturell erkannt. Die Problematik der Struktur wird aber<br />
hingenommen. „Dass in Pflege immer alles zu wenig ist das ist ja anderes Thema. Das<br />
ist ja aber schon von Struktur her vorgegeben.“ (TP, S. 4f. /4) Das strukturelle Problem<br />
wird im Folgenden auf die individuelle Ebene verlagert. „Die Dilemma die wir haben,<br />
verstehe ich <strong>als</strong> selbstverständlich. Die gehören halt zu meinem Leben, die gehören zu<br />
uns.“ (TP, S. 11/2) Innerhalb dieser Logik wird die Lösung auf die Ebene persönlicher<br />
Verantwortlichkeit aller MA verschoben. Diese müssen durch kluge Einschätzung Zeit<br />
sparen, in dem sie nur die „wirklichen“, nicht die schematisch erwarteten Bedürfnisse<br />
der Bewohner befriedigen. „Aber vielleicht möchte er gar nicht, dass ich ihm tagtäglich<br />
die Füsse wasche, er hat früher vielleicht auch gar nicht gemacht. Schaue in die Augen<br />
und erkenne was der Mensch braucht“ (TP, S. 10/2) (...) „Wir <strong>als</strong> Familie, ist das so, ne,<br />
wenn Mutter fünf Kinder hat, ist das so, dass sie alle schafft gleichzeitig, nee, auch<br />
nicht.“ (TP, S. 10f. 6)<br />
15 Damit sind die MA nun individuell dafür verantwortlich und dazu angehalten, dafür<br />
zu sorgen, dass sich die Auswirkungen des strukturell bedingten Zeitmangels nicht<br />
negativ auf ihre Arbeit, die Pflege der ihnen anvertrauten Bewohner, auswirkt. „So und<br />
deswegen, es ist schon eine Kunst, aber wir müssen an uns selbst arbeiten: Was<br />
brauche ich, wo gebe ich und wie erkenne ich den Bedarf. Damit hat man weniger<br />
Dilemma und weniger Konflikte.“ [lacht] (TP, S. 10f/6)
16 Ein weiteres Beispiel hierfür ist der Umgang mit der Schwierigkeit, die Pausen für<br />
die MA zu garantieren. Das so genannte therapeutische Essen ermöglicht die Pausen<br />
des MA zur Betreuung der Bewohner einzusetzen, in dem Bewohner und MA in den<br />
Wohngruppen gemeinsame Mahlzeiten einnehmen. „Ja, wir haben noch zum Beispiel<br />
eingeführt, dass MA zusammen mit Bewohner essen darf. Wir nennen das<br />
therapeutisches Essen und das ist irgendwie auch MA-Pflege. Nimm dir Zeit, setz dich<br />
zusammen. Das nutzt dem Bewohner sehr viel, aber auch mir, <strong>als</strong> MA. Ich komme zum<br />
Austausch mit dem Bewohner, das gibt mir viel für meine Tätigkeit, <strong>als</strong><br />
Krankenschwester. Ich hab alles zwar unter Kontrolle, dabei, aber ich kann auch dabei<br />
essen, mich entspannen, ne, Gespräche anregen.“ (TP, S. 4f. 4)<br />
17 Auch bei zeitintensiven Aufgaben wie der Betreuung von Bewohnern in der<br />
Sterbephase, wird eine ausreichende Versorgung nur durch den zusätzlich<br />
persönlichen und individuellen Einsatz der MA gewährleistet. Die PDL beschreibt dies<br />
<strong>als</strong> Bereicherung: „Also wie Sie jetzt beschrieben haben, jemand liegt im Sterben. Ich<br />
müsste dafür zwanzig Stunden vor Ort sein. Vielleicht ist das noch nicht zu<br />
gewährleisten, weil die finanziellen Mittel vielleicht noch nicht geregelt sind. Aber dann<br />
haben wir für uns hier einen Weg gefunden. Das wir tatsächlich untereinander uns gut<br />
absprechen. Mal ist das schon ehrenamtliche Lösung. Aber Lösung, die trotzdem uns<br />
viel gibt.“ (TP, S. 10/2)<br />
Die Frage ist nur, wem das „etwas gibt“. Wiederum sind es die MA, die sich die<br />
Bewältigung eines strukturellen Problems zur individuellen Aufgabe machen, und eine<br />
Führung, die dieses Konzept unterstützt.<br />
18 Impulse zur Veränderung gehen von MA, von Kunden und von der Leitung aus.<br />
Daraus folgende Veränderungen werden in jedem Fall systematisch umgesetzt. (TP, S.<br />
7f./2 und S. 8/2)<br />
19 Wenn die MA sich in Ihren Veränderungsvorschlägen einig sind, und die Leitung<br />
durch Argumente überzeugen können, bekommen sie die Möglichkeit ihre Vorschläge<br />
im Arbeitsablauf auszuprobieren. Gesteuert wird das von der Leitung. Das Ergebnis<br />
des Versuchs wird evaluiert und je nach Ergebnis dauerhaft umgesetzt. (TP, S. 7/2)<br />
20 Bei Veränderungen, die durch die Leitung initiiert werden, gibt es einen ebenso klar<br />
vorgegebenen Weg. Von Veränderungen betroffene MA sind in den Prozess<br />
einbezogen und haben ein - allerdings geringes - Recht zur Mitgestaltung. „Wir sind<br />
uns erstmal einig, nach Absprache mit Geschäftsführung, was wir wollen. Dann geht<br />
das die gleiche Linie nach zum Bereichsleiter runter. Das wird vorgestellt, wir hören<br />
uns Meinungen an, sind aber bereit auch noch was Kleines zu verändern. Wir wissen,<br />
was wir wollen, aber wir geben auch Freiräume.“ (TP, S. 8f. 2)<br />
21 Kommunikation und Transparenz spielen bei den Veränderungsprozessen eine<br />
grosse Rolle. (TP, S. 7f./2)
Zusammenfassende Darstellung: Interview Qualitätsbeauftragte) (QB)<br />
Motto „Veränderung ist die Basis.“<br />
(Die Quellenangaben aus dem Transkript sind in Klammern angegeben. T steht für<br />
Transkript des Interviews mit der Qualitätsbeauftragten, es folgt die Seitenzahl, und<br />
hinter dem Querstrich der jeweilige Absatz auf den sich der Text bezieht, bzw. dem das<br />
entsprechende Zitat entnommen ist.)<br />
MA steht für Mitarbeiter<br />
1 Die QB arbeitet seit eineinhalb Jahren in der Einrichtung. Sie ist der PDL unterstellt,<br />
und für den Erhalt und die Fortentwicklung der Qualität im Hause verantwortlich, und<br />
zwar in erster Linie für die Qualität der Pflege. Für diese Aufgabe ist sie alleine<br />
zuständig. Sie arbeitet eng mit der Führung zusammen. (T S. 1/1-10)<br />
2 Das Leitbild enthält den Hinweis auf Wertschätzung, mit der sich die MA des<br />
Unternehmens untereinander und den Kunden gegenüber begegnen.<br />
In der Praxis verbindet die QB mit dem Begriff der Wertschätzung Respekt<br />
voreinander und die Möglichkeit zu Eigenständigkeit und Selbstbestimmung für die<br />
Bewohner. Für diese soll größtmögliche Zufriedenheit und größtmögliches<br />
Wohlbefinden entstehen. (T S. 2/2)<br />
3 Die Werte aus dem Leitbild werden auch von der Führung vorgelebt, und damit in<br />
die Praxis des Arbeitsalltags vermittelt. Von jedem MA wird erwartet, dass er sich<br />
das vorbildhafte Verhalten zu eigen macht. (T S. 4/5)<br />
4 Im Bezug auf die MA heißt Wertschätzung auch die Bedürfnisse der MA zu<br />
beachten. Konkret gemeint ist damit: Wahrnehmung, Weiterbildung, berufliche<br />
Entwicklung im Unternehmen (T S. 2/4) und, soweit möglich, selbstständiges und<br />
eigenverantwortliches Arbeiten. T S. 3/4)<br />
5 Zur Wahrnehmung von MA -Interessen werden den MA systematisch Fortbildungen<br />
und Kurse angeboten, mit dem Ziel, MA in ihrer Arbeit und in belastenden Situationen<br />
die im Zusammenhang mit der Arbeit entstehen, zu unterstützen. Dabei geht die<br />
Einrichtung auf die Wünsche der MA ein. So werden z. Bsp. Kurse zu<br />
rückenfreundlichem Arbeiten und Work-Life-Balance angeboten. (T S. 6/2)<br />
6 Eine MA-Vertretung gibt es nicht. Sie wird auch nicht gewünscht, weder von der<br />
Leitung noch von den MA selber (auch wenn klar ist, dass die MA jederzeit dazu befugt<br />
wären, eine Vertretung einzurichten). Die QB hält das für ein gutes Zeichen: „Es spricht<br />
ja eigentlich für das Haus und für das Unternehmen, wenn sich MA noch nicht<br />
zusammengetan haben, um zu sagen, wir brauchen hier eine starke Vertretung, die für<br />
unsere Interessen eintritt“. (T S. 9/5)
7 Auszug aus dem Interview:<br />
B: Und es gibt umgekehrt vom Unternehmen aber auch nicht den Wunsch an die MA,<br />
sich zu organisieren?<br />
Q: (erschrocken) Um Gottes Willen!<br />
B: ... um...<br />
Q: Aber nein.<br />
B: Das muss ja nicht negativ sein, ne? Das kann doch auch positiv sein.<br />
Q: Das kann natürlich auch... gut, es kann positiv sein. Aber es kann natürlich auch<br />
sein, dass dann Leute, die gewählt werden womöglich, die vielleicht gar nicht so<br />
konstruktiv auf die Sache zu gehen. Also MA-Vertretung muss ja nicht immer heißen<br />
wohlwollendes Miteinander. Ich will‘s nicht Schwarzmalen oder so. Aber es kann<br />
natürlich auch sein, dass persönliche Unzufriedenheiten dazu führen, dass es da eine<br />
kleine Verschwörung oder Zusammenballung gibt, und dass es womöglich für die<br />
Leitung des Hauses äusserst beschwerlich werden kann. (T S. 9f./6 - 11)<br />
8 Es findet eine regelmäßige Kommunikation im Unternehmen statt, um MA Ziele zu<br />
vermitteln und Aufgaben zuzuteilen. Es gibt Personalgespräche, „wenn Sachen nicht<br />
gut laufen“ (T S. 4/1), und Karrieregespräche, die Unternehmen und MA bei der<br />
Weiterentwicklung helfen sollen. „Karrieregespräche finden statt, die ja auch sehr<br />
wichtig sind. Dass ich MA erkenne, die Potential haben, die sich einbringen wollen, die<br />
ich halten möchte. Dass ich mit denen ein Gespräch führe: Was stellst du dir vor, wo<br />
siehst du dich in drei Jahren, was sind deine Ziele. Dass man <strong>als</strong> Unternehmer zeigt,<br />
ich sehe und wertschätze dich, ich kann dir was anbieten.“ (T S. 16/1)<br />
9 Am Thema MA-Gespräche wird gearbeitet. In Zeiten des Fachkräftemangels in der<br />
Pflege werden Sie <strong>als</strong> wichtiges Instrument der MA-Gewinnung und -Bindung<br />
angesehen. „Da ist jetzt eine zunehmende Systematik erwünscht. Das ist ein wichtiger<br />
Bereich geworden. Im Rahmen des ganzen Pflegenotstands muss man auch<br />
erkennen, das gute Fachkräfte auch gehalten werden wollen.“ (T S. 16/3)<br />
In diesem Zusammenhang ist die Leitung offen für Kritik aus den Reihen der MA, und<br />
bereit zur Kommunikation mit den MA. (T S. 16/5)<br />
10 In Teamsitzungen wird bei Bedarf über verbesserungswürdige Prozesse in der<br />
Pflege kommuniziert. Die Leitung steuert das systematisch. (T S. 5/2)<br />
11 Die Bewohner vertreten Ihre Interessen durch den Heimbeirat. Die<br />
Kommunikation ist gut und systematisch. Es finden regelmäßige Sitzungen des<br />
Heimbeirats statt und das Besprochene wird nötigenfalls an die Zuständigen Stellen<br />
der Einrichtung kommuniziert. (T S. 9/3)
12 Interessen der Kooperationspartner werden ernst genommen.<br />
Kooperationspartner werden <strong>als</strong> Multiplikatoren verstanden, die in der Öffentlichkeit<br />
und damit bei potentiellen Kunden, MA, Partnern positiv über Qualität und<br />
Zusammenarbeit berichten. „Also, Zufriedenheit der Partner steht ganz oben. Dass es<br />
ein Geben und Nehmen ist, weil Partner, Kooperationspartner auch immer <strong>als</strong><br />
Multiplikatoren begriffen werden. Wer mit uns zufrieden ist, wird auch gut über uns<br />
sprechen. Und das kann uns ja wiederum nutzen.“ (T S. 10/4)<br />
13 Veränderungen sind ein Kernpunkt der Arbeit in der Einrichtung. „Veränderung, im<br />
Sinne von Weiterentwicklung? Das ist quasi die Basis des ganzen.“ (T S. 11/4)<br />
14 Der Impuls zu Veränderungen geht in der Regel vom EL aus, und dient der<br />
Etablierung des Unternehmens. (T S. 11/6)<br />
15 Themen der Veränderung sind: Unternehmenskultur (hier geht es darum, die<br />
Unternehmenskultur im Arbeitsalltag zu pflegen, damit das was auf dem Papier an<br />
Unternehmenskultur beschrieben wird, auch gelebt wird) und fachliche<br />
Weiterentwicklung durch Orientierung an neuen Erkenntnissen und Zusammenarbeit<br />
mit anderen Organisationen (Forschung, Hospize, etc). Veränderung wird <strong>als</strong><br />
Voraussetzung für Qualität erkannt. (T S. 11/8)<br />
16 Nachdem die Vorgaben zum Thema der Veränderung von der Leitung gekommen<br />
sind, werden u. a. Workshops zur Umsetzung organisiert. (T S. 12/4)<br />
17 In den Workshops arbeiten alle MA zusammen, die mit dem Bereich, in dem die<br />
Veränderung stattfinden soll zu tun haben. „Wie so ein Projekt. Dass man einfach<br />
sagt, jeder sagt mal wie er zufrieden ist. Oder was er für Vorstellungen hat zu den<br />
Arbeitsabläufen, zu den Prozessen. Erst mal gibt es eine Art Brainstorming, eine<br />
Sammlung, und dann wird das zugeordnet. Schwerpunktsetzung, Prioritäten-<br />
Setzung.“ (T S. 12/6)<br />
18 Auch wenn viele Impulse zur Veränderung von der Leitung ausgehen, ist diese doch<br />
genauso offen und interessiert gegenüber den Impulsen die von den MA ausgehen.<br />
Die Leitung fördert es, dass MA Ideen zur Veränderung einbringen und ist dankbar,<br />
wenn das passiert. Ideen werden geprüft und falls sie nicht sofort aufgenommen<br />
werden können, werden sie nicht vergessen, sondern vielleicht etwas später noch<br />
einmal aufgegriffen. Dies soll auch eine Art von Wertschätzung der MA durch die<br />
Leitung zu sein. (T S. 13/5 und S. 13f./9)<br />
19 Für die QB gibt es keine Situationen in denen sie in ein Dilemma zwischen Ethik<br />
und Ökonomie gerät. Offensichtlich hat sie solche Entscheidungen nicht zu treffen.<br />
Sie sieht allerdings durchaus dass die Konsequenzen solcher Entscheidungen in ihrem
Arbeitsalltag. Zum Bsp. entsteht für die MA der Pflege ein hoher Zeitdruck unter dem<br />
sie ihre Arbeit erledigen müssen. Nicht alle MA scheinen damit gut umgehen zu<br />
können. „Na gut, wir fordern natürlich eine 1A Qualität, dass es manchmal zeitlich<br />
schwer zu schaffen ist für die Pfleger, das umzusetzen. Natürlich ist das Unternehmen<br />
so aufgestellt, dass der Stundenumfang voll ausgeschöpft wird, und man muss sich<br />
super organisieren, um das richtig gut hinzukriegen. Wenn dann noch Zusatzaufgaben<br />
kommen, muss ich mich noch besser organisieren. Der eine schafft das sehr gut,<br />
andere schaffen es nicht so gut. Das ist schon ein Dilemma, dass man<br />
unterschiedliche MA erlebt, die das große Ziel verfolgen, es vielleicht aber nicht so gut<br />
umsetzen können.“ (T S. 7/1)<br />
20 Auch die Schlagworte Burnout und Depression fallen. Es existiert offenbar das<br />
Problem in der Einrichtung, zumindest werden Kurse und Vorträge zu den Themen<br />
angeboten. „Sonst ethisch, hab ich es nur mit MA zu tun und ihren Sorgen. Ethisch<br />
wäre ja auch Thema Burnout zum Beispiel. Und Depressionen. Wenn ich<br />
Fortbildungen mache, und Wünsche der MA erfülle, dass ich da einfach drauf<br />
eingehe.“ (T. S. 6/2)<br />
21 Ethische Entscheidungen finden für die QB nicht im ökonomischen, sondern im<br />
fachlichen Bereich statt (T S. 6/3 bis S. 7/1); Momentan wird dem Thema Palliativ-<br />
Pflege große Aufmerksamkeit gewidmet. Hier liegt deshalb gerade ein Schwerpunkt in<br />
der Arbeit des Qualtitätsmanagements. Es wurde ein Qualitätszirkel zum Thema<br />
Sterbebegleitung gegründet, in dem neue Verfahrensweisen und eine Form der<br />
Zusammenarbeit mit einem Hospiz entwickelt werden. Ziel ist es, den Bewohnern ein<br />
würdevolles Sterben, nach Möglichkeit in der Einrichtung, zu ermöglichen. (T S. 5/5)<br />
22 Für schwierige ethische Entscheidungen in der Pflege, stehen keine ausgeprägten<br />
Hilfestrukturen zur Verfügung. Es gibt kein Ethik-Komitee oder ähnliches. Allerdings<br />
existiert eine gute Zusammenarbeit mit den Hausärzten, die offenbar unterstützend<br />
wirkt. (T S. 7/5)<br />
23 Unterstützend können auch Fallbesprechungen wirken, die in Einzelfällen<br />
durchgeführt werden, zum Beispiel bei aggressiven Bewohnern oder in Situationen, in<br />
denen über den Einsatz lebensverlängernder Massnahmen entschieden werden muss.<br />
Dort wird interprofessionell überlegt, welche Handlungsmöglichkeiten bestehen, die<br />
dem Wohle des Bewohners und der MA dienen. (T S. 7/6 - S. 9/7) „Es gibt<br />
Fallbesprechungen wo von verschiedenen Berufsgruppen gemeinsam überlegt wird,<br />
wie können wir das am besten zum Wohle des Bewohners und der MA besprechen.<br />
Ich glaube nicht, dass da jemand von ausserhalb so hilfreich wäre. Die Berufsgruppen<br />
die an dem Fall beteiligt sind, sollten besprechen - da sollte auch der Krankengymnast<br />
dazu kommen, die Ergotherapeutin. der Arzt, idealer weise. Dass man auch überlegt,<br />
wie können wir biografiebezogen mit gewissen Verhaltensweisen umgehen?“ (T S. 8/3)
24 Für ihren persönlichen Bereich wünscht sich die QB mehr Aufmerksamkeit für ihre<br />
Arbeit und ihr Wohlergehen bei ihrer Arbeit durch die Leitung, besonders in Situationen<br />
in denen offenbar zu wenig Zeit dafür ist, weil gerade eine besondere Herausforderung<br />
zu bewältigen ist, wie zum Beispiel die eine anstehende Prüfung durch den MDK.
Kreuztabelle: Zuordnung relevanter Inhalte der Interviews zu den identifizierten<br />
Kategorien.<br />
(Die Quellenangaben aus den Zusammenfassenden Darstellungen der Interviews sind<br />
in Klammern angegeben. Z steht für Zusammenfassende Darstellung, E für Interview<br />
mit dem Einrichtungsleiter, P für Interview mit der Pflegedienstleitung, Q für Interview<br />
mit der Qualitätsbeauftragten. Es folgen die Absatznummern aus dem jeweiligen Text.<br />
Bsp: ZE 2 = Zusammenfassende Darstellung des Interviews mit der<br />
Einrichtungsleitung, Absatz Nummer 2)<br />
Zusätzliche Quellenangaben in Klammern beziehen sich direkt auf das Transkript. T<br />
steht dabei für Transkript, der zweite Buchstabe, wie oben für den jeweiligen<br />
Interviewten. Bsp: TE S. 3/4 = Transkript mit Einrichtungsleitung, S. 3, Absatz 4)<br />
Im nachfolgenden Text bestehen folgende (fettgedruckte) Abkürzungen:<br />
EL = Einrichtungsleiter, PDL = Pflegedienstleitung, QB = Qualitätsbeauftragte<br />
Kategorie 1: „Offizielles Bekenntnis zu Unternehmensethik“.<br />
EL:<br />
1 Im Unternehmen existiert kein offizielles Bekenntnis zur Unternehmensethik. Es gibt<br />
aber Aspekte im Leitbild, die auf den Vorsatz ethischen Verhaltens hinweisen. Das<br />
Unternehmen möchte zu den Besten der Branche gehören, womit beste Qualität und<br />
nicht finanzieller Erfolg gemeint ist. Wertschätzung und gegenseitiger Respekt, sowie<br />
Steigerung der Lebensqualität für den Kunden ist ein weiterer Ansatz im Leitbild (ZE 2)<br />
2 Der Aspekt der Nachhaltigkeit unternehmerischen Handelns soll zukünftig in die<br />
Unternehmensvision aufgenommen werden. Dies wird auf nächst höherer Ebene<br />
gerade erarbeitet. (ZE 3)<br />
Interne Regelungen zum Thema Ethik in Form von Standards, gibt es in der<br />
Einrichtung nicht. Allerdings gibt es im Mutterkonzern einen Standard zur Bekämpfung<br />
von Korruption. Er regelt die Entgegennahme von Geschenken u. ä. (ZE 4)<br />
PDL:<br />
3 Es existiert ein Leitbild, dass das Leben gemeinsamer Werte und die gegenseitige<br />
Wertschätzung betont. (ZP 2)<br />
Die Wertschätzung der MA geschieht über den Kontakt zu ihnen auf verschiedenen<br />
Ebenen: über eine ausgeprägte Gesprächskultur und gemeinsame Unternehmungen.<br />
„Dass wir eben zum Gespräch kommen, dass wir uns nicht verlaufen: nur unsere
Abläufe, nur unsere Sorgen, nur unsere Termine. Dass wir auch viel Raum suchen, so<br />
dass der MA auch das Gefühl hat, auf verschiedenen Ebenen Kontakt zu uns zu<br />
haben.“ (ZP 4)<br />
QB:<br />
4 Das Leitbild enthält den Hinweis auf Wertschätzung, mit der sich die MA des<br />
Unternehmens untereinander und den Kunden gegenüber begegnen.<br />
In der Praxis verbindet die QB mit dem Begriff der Wertschätzung Respekt<br />
voreinander und die Möglichkeit zu Eigenständigkeit und Selbstbestimmung für die<br />
Bewohner. Für diese soll größtmögliche Zufriedenheit und größtmögliches<br />
Wohlbefinden entstehen. (ZQ 2)<br />
Kategorie 2: „Führungskultur“:<br />
PDL:<br />
5 In der Einrichtung wird eine Unternehmens- und Führungskultur gepflegt, unter<br />
deren Wirkung eine Integration der Gedanken aus dem Leitbild in die<br />
Unternehmenswirklichkeit stattfindet. Es wird eine Führungskultur gepflegt, in der die<br />
Leitung immer Zeit hat, um sich um die Belange von MA, Bewohnern und Angehörigen<br />
zu kümmern. „Ich denke, Leitung spielt hier schon eine sehr, sehr, sehr grosse Rolle.<br />
Wie wir Führung verstehen, ne, mit Führung beginnt das schon. (...) Wir machen das<br />
so, für MA, Angehörigen, Bewohner wir haben immer Zeit. Immer.“. (ZP 3)<br />
QB:<br />
6 Die Werte aus dem Leitbild werden auch von der Führung vorgelebt, und damit in<br />
die Praxis des Arbeitsalltags vermittelt. Von jedem MA wird erwartet, dass er sich<br />
das vorbildhafte Verhalten zu eigen macht. (ZQ 3)<br />
7 Im Bezug auf die MA heißt Wertschätzung auch die Bedürfnisse der MA zu<br />
beachten. Konkret gemeint ist damit: Wahrnehmung, Weiterbildung, berufliche<br />
Entwicklung im Unternehmen (ZQ 4) und, soweit möglich, selbstständiges und<br />
eigenverantwortliches Arbeiten. (ZQ 4)
Kategorie 3: „Kommunikation“<br />
Kategorie 3.1. „Kommunikation mit Mitarbeitern“<br />
EL:<br />
8 Kommunikation des Leitbildes an die MA geschieht über Vorleben.<br />
Es herrscht eine „gewisse Gesprächskultur“ (Umgang miteinander, Lob) (ZE 7)<br />
Wertschätzung und Motivation sind oft gebrauchte Wörter des EL.<br />
9 Kommunikation läuft auch über Wertschätzung, Anerkennung, oder die Frage nach<br />
Wünschen, wie zum Beispiel Fortbildungswünschen. (ZE 8) Es gibt einen<br />
Massnahmenkatalog zur Wertschätzung und Anerkennung von MA. „Da haben wir<br />
auch einen Katalog erstellt, einen internen Katalog, was es für Möglichkeiten gibt. Wir<br />
haben einen Katalog von - ich glaube da sind 30 Massnahmen darauf, die man<br />
reflektieren kann, was man MA im Rahmen von weichen Faktoren mal schenken kann.<br />
Dass das nicht nur so vage immer ist. Wir loben halt mal hier und da - sondern ganz<br />
konkret wie zum Beispiel mal ein Eis ausgeben, oder auch mal zur Teamsitzung<br />
gehen“. Hier findet aber kein Austausch statt. Die Kommunikationsrichtung ist einseitig,<br />
verläuft von der Leitung Richtung MA. (ZE 8)<br />
10 Die Kommunikation in der Einrichtung verläuft ansonsten hierarchisch gesehen in<br />
beide Richtungen. Sie ist aber nicht diskursiv. Impulse von Seiten der MA werden <strong>als</strong><br />
Vorschläge und Ideen gewürdigt aber die Leitung fühlt sich nicht verpflichtet, ihnen<br />
nachzugehen, sie zu diskutieren, sondern nimmt sie lediglich dankbar auf. Das ist aber<br />
ausbaufähig: Zitat: „Aber es gibt auch immer viele Themen (...) [wo] ich vorher sage,<br />
ich würde gerne in die und die Richtung gehen, diese Projekt haben wir vor, was habt<br />
ihr für Ideen?“ (ZE 9) Systematische Karrieregespräche sind derzeit in der<br />
Entwicklungsphase. (ZE 9)<br />
PDL:<br />
11 Die Führung begegnet den MA mit grosser Offenheit für Ihre Wünsche und<br />
Probleme. Es gibt Teamsitzungen, in denen darüber gesprochen wird, und auch im<br />
Alltag ist Platz für diese Themen. Dies wird an vielen Stellen des Textes deutlich. „Es<br />
gibt bestimmte Instrumente wie Teamsitzungen, wie kommunizieren wir untereinander?<br />
Hat ein MA eine Sorge, ist das Geld, ist das Freizeit, betrifft das... ja, gesundheitliche<br />
Sorgen, u.s.w.? Dann schauen wir mal immer gemeinsam nach einer Lösung.“ Die MA<br />
werden auch ermutigt, ihre Anliegen gegenüber der Leitung auszusprechen. Dies<br />
geschieht auch durch Vorleben: „Und ich sage, Leute, heute kann ich nicht mehr, es tut<br />
mir sehr leid. So, damit gebe ich das Gefühl, wenn du die Grenze auch erreichst,<br />
komm auf mich zu, sag einfach, heute kann ich nicht mehr, das ist doch nicht schlimm.
Das ist keine Schwäche, sondern eher versuche ich mitzuteilen, dass das auch eine<br />
Stärke sein kann.“ (ZP 5)<br />
12 Die Sorge um die MA ist ausgeprägt und ehrlich. Authentizität ist dabei gewünscht<br />
und wird gelebt. „Das beginnt schon bei Bewerbungsgespräch. Ich gehe nicht nach<br />
bestimmte Schema, so wie man vielleicht so kennt. Frage A und dann warte ich die<br />
Antwort. Ne, ich versuche authentisch zu bleiben. Gebe jemanden auch das Gefühl,<br />
das darfst du auch, das kannst du auch. Und ich habe auch meine Sorgen. Wo treffen<br />
wir uns und wie sprechen wir zukünftig miteinander? Ich denke so ungefähr.“ (ZP 6)<br />
13 Die Bearbeitung der Inhalte der Kommunikation mit den MA ist geprägt von der<br />
Hierarchie. In erster Linie versuchen wir, ist uns die Hierarchie schon sehr sehr wichtig.<br />
So dass der MA weiß, erster Ansprechpartner ist die Wohnbereichsleiterin. Sie muss<br />
mir helfen, wenn ich eine Sorge habe. Wenn sie nicht weiterhelfen kann wendet sie<br />
sich weiter an mich. [PDL meint damit sich selbst]“ Die Hierarchie ist das System,<br />
innerhalb dessen Kommunikationswege für die MA vorgesehen sind. (ZP 7)<br />
In schwierigen Situationen findet aber auch ein Treffen im größeren Kreis statt. „Es gibt<br />
aber schon mal Situationen wo wir uns gemeinsam treffen müssen“. (ZP 8)<br />
QB:<br />
14 Es findet eine regelmäßige Kommunikation im Unternehmen statt, um MA Ziele zu<br />
vermitteln und Aufgaben zuzuteilen. Es gibt Personalgespräche, „wenn Sachen nicht<br />
gut laufen“ (ZQ 8), und Karrieregespräche, die Unternehmen und MA bei der<br />
Weiterentwicklung helfen sollen. „Karrieregespräche finden statt, die ja auch sehr<br />
wichtig sind. Dass ich MA erkenne, die Potential haben, die sich einbringen wollen, die<br />
ich halten möchte. Dass ich mit denen ein Gespräch führe: Was stellst du dir vor, wo<br />
siehst du dich in drei Jahren, was sind deine Ziele. Dass man <strong>als</strong> Unternehmer zeigt,<br />
ich sehe und wertschätze dich, ich kann dir was anbieten.“ (ZQ 8)<br />
15 Am Thema MA-Gespräche wird gearbeitet. In Zeiten des Fachkräftemangels in der<br />
Pflege werden Sie <strong>als</strong> wichtiges Instrument der MA-Gewinnung und -Bindung<br />
angesehen. „Da ist jetzt eine zunehmende Systematik erwünscht. Das ist ein wichtiger<br />
Bereich geworden. Im Rahmen des ganzen Pflegenotstands muss man auch<br />
erkennen, das gute Fachkräfte auch gehalten werden wollen.“ (ZQ 9)<br />
In diesem Zusammenhang ist die Leitung offen für Kritik aus den Reihen der MA, und<br />
bereit zur Kommunikation mit den MA. (ZQ 9)<br />
16 In Teamsitzungen wird bei Bedarf über verbesserungswürdige Prozesse in der<br />
Pflege kommuniziert. Die Leitung steuert das systematisch. (ZQ 10)<br />
17 Eine MA-Vertretung gibt es nicht. Sie wird auch nicht gewünscht, weder von der<br />
Leitung noch von den MA selber (auch wenn klar ist, dass die MA jederzeit dazu befugt<br />
wären, eine Vertretung einzurichten). Die QB hält das für ein gutes Zeichen: „Es spricht
ja eigentlich für das Haus und für das Unternehmen, wenn sich MA noch nicht<br />
zusammengetan haben, um zu sagen, wir brauchen hier eine starke Vertretung, die für<br />
unsere Interessen eintritt“. (ZQ 6)<br />
18 Auszug aus dem Interview:<br />
B: Und es gibt umgekehrt vom Unternehmen aber auch nicht den Wunsch an die MA,<br />
sich zu organisieren?<br />
Q: (erschrocken) Um Gottes Willen!<br />
B: ... um...<br />
Q: Aber nein.<br />
B: Das muss ja nicht negativ sein, ne? Das kann doch auch positiv sein.<br />
Q: Das kann natürlich auch... gut, es kann positiv sein. Aber es kann natürlich auch<br />
sein, dass dann Leute, die gewählt werden womöglich, die vielleicht gar nicht so<br />
konstruktiv auf die Sache zu gehen. Also MA-Vertretung muss ja nicht immer heißen<br />
wohlwollendes Miteinander. Ich will‘s nicht Schwarzmalen oder so. Aber es kann<br />
natürlich auch sein, dass persönliche Unzufriedenheiten dazu führen, dass es da eine<br />
kleine Verschwörung oder Zusammenballung gibt, und dass es womöglich für die<br />
Leitung des Hauses äusserst beschwerlich werden kann. (ZQ 7)<br />
Kategorie 3.2 „Kommunikation mit Kunden“<br />
EL:<br />
19 Die Kommunikation mit Kunden, sprich mit den Bewohnern, scheint im Vergleich zu<br />
der Kommunikation mit anderen Interessengruppen der Einrichtung am besten<br />
ausgebaut.<br />
20 Das Unternehmen versucht eine „Beziehung zum Kunden“ aufzubauen.<br />
Es gibt eine Systematik in der Kommunikation zum Kunden. Es gibt ein Beschwerdeund<br />
Hinweismanagement. Ausserdem vermittelt die Einrichtung den Bewohnern und<br />
ihren Angehörigen, dass sie ständig für sie ansprechbar ist. Es finden zweimal jährlich<br />
Angehörigenabende statt. Die Einrichtungsleitung versucht aktivierend auf den<br />
Heimbeirat einzuwirken. Zitat: „Also wir haben einen Heimbeirat, den müssen wir auch<br />
haben, aber mir ist es auch ein Anliegen, den wirklich auch wach zu rütteln, zu fördern,<br />
zu sagen, kommen Sie doch dazu, dass es kein geschlossener Kreis ist, sondern jeder<br />
Bewohner der Lust hat, kann dazu kommen.“ (ZE 6)<br />
PDL:<br />
21 Die Bedürfnisse und Interessen der Bewohner sind sehr wichtig. Die<br />
Kommunikation ist systematisch. Die MA sind für die Bewohner immer ansprechbar.<br />
Regelmässig finden Sitzungen mit Bewohnern und Angehörigen statt, Befragungen zur
Zufriedenheit werden durchgeführt und es gibt regelmäßige Gespräche der Leitung<br />
mit dem Heimbeirat. Bewohnerinteressen zu befriedigen ist erste und<br />
selbstverständliche Aufgabe aller Beteiligten. Der Prozess dazu läuft systematisch ab.<br />
Es gibt klare Informations- und Arbeitswege dazu. (ZP 9)<br />
22 Manchmal entsteht die Situation, dass Bewohnerinteressen nicht vollständig<br />
befriedigt werden können, weil zu wenig Geld vorhanden ist. Oft findet sich aber durch<br />
Kreativität trotzdem eine Lösung. (ZP 10) Falls die Bewohnerinteressen nicht erfüllt<br />
werden können, empfindet die PDL das <strong>als</strong> belastend. „...aber ist was anderes wenn<br />
ich vertrete Interesse von Dritten, Interesse unserer Bewohner. Damit habe ich schon<br />
Schwierigkeiten. Das fällt mir schwer. Darauf zu verzichten, wenn ich höre, dafür<br />
haben wir kein Geld. Weil, ich denke damit kann man viel erreichen. Das ist nicht nur<br />
Qualität, sondern Bewohnerzufriedenheit, man möchte auch zeigen, das man was<br />
Gutes tut.“ (ZP 10)<br />
QB:<br />
23 Die Bewohner vertreten Ihre Interessen durch den Heimbeirat. Die<br />
Kommunikation ist gut und systematisch. Es finden regelmäßige Sitzungen des<br />
Heimbeirats statt und das Besprochene wird nötigenfalls an die Zuständigen Stellen<br />
der Einrichtung kommuniziert. (ZQ 11)<br />
Kategorie 3.3. „Kommunikation mit anderen gesellschaftlichen Gruppen“.<br />
EL:<br />
24 Kommunikation mit Investoren findet auf Einrichtungsebene nicht statt, wohl aber<br />
auf höherer Ebene des Unternehmens. Art und Inhalt der Kommunikation sind dem EL<br />
nicht bekannt. (ZE 11)<br />
24A Der EL würde gerne bei der Auswahl der Lieferanten- und Kooperationspartner<br />
berücksichtigen, wie nachhaltig sich diese Verhalten.<br />
Die Lieferkette im Unternehmen ist dezentral organisiert. Die Einrichtung kümmern sich<br />
<strong>als</strong>o selber darum, woher sie Lieferungen für Küche, Haustechnik, medizinische Pflege<br />
oder Apotheke bezieht, oder wo sie zum Beispiel ihre Wäsche waschen lässt. (T, S.<br />
11/6) „...ist mir jetzt im Interview aufgefallen, mal zu schauen, wie sind die Lieferanten und<br />
Kooperationspartner aufgestellt. Das muss ich sagen ist ein ganz neuer Gedanke,der kam bis<br />
jetzt noch nicht, da ist noch Luft nach oben, das ist ne spannende Sache. Weil das ja auch ein<br />
Gebot der Stunde ist, Da sind wir beim Anfang wieder, da geht es um Nachhaltigkeit. Das<br />
interessiert mich. Da könnte sich noch was entwickeln.“ (Transkript des Interviews mit dem<br />
Einrichtungsleiter, S. 11, Absatz 6)<br />
(EZ 21,22)
QB:<br />
25 Interessen der Kooperationspartner werden ernst genommen.<br />
Kooperationspartner werden <strong>als</strong> Multiplikatoren verstanden, die in der Öffentlichkeit<br />
und damit bei potentiellen Kunden, MA, Partnern positiv über Qualität und<br />
Zusammenarbeit berichten. „Also, Zufriedenheit der Partner steht ganz oben. Dass es<br />
ein Geben und Nehmen ist, weil Partner, Kooperationspartner auch immer <strong>als</strong><br />
Multiplikatoren begriffen werden. Wer mit uns zufrieden ist, wird auch gut über uns<br />
sprechen. Und das kann uns ja wiederum nutzen.“ (ZQ12)<br />
Kategorie 4. „Diskurs“<br />
4.1 „Bereitschaft zum Diskurs“<br />
4.2 „Befähigung zum Diskurs“.<br />
26 Keine Hinweise auf Diskurs in den Interviews<br />
Kategorie 5. „Hierarchie“<br />
EL:<br />
27 Die Unternehmenskultur ist stark von der bestehenden hierarchischen Ordnung<br />
geprägt. So werden Entscheidungen im Zweifelsfall von der nächsthöheren<br />
Entscheidungsebene abgelehnt oder befürwortet. (s. auch 6.1 „Strukturen die ethische<br />
Enstscheidungen, z. B. in Dilemmasituationen, erleichtern“ ) (ZE 13)<br />
PDL:<br />
28 Die Bearbeitung der Inhalte der Kommunikation mit den MA ist geprägt von der<br />
Hierarchie. In erster Linie versuchen wir, ist uns die Hierarchie schon sehr sehr wichtig.<br />
So dass der MA weiß, erster Ansprechpartner ist die Wohnbereichsleiterin. Sie muss<br />
mir helfen, wenn ich eine Sorge habe. Wenn sie nicht weiterhelfen kann wendet sie<br />
sich weiter an mich. [PDL meint damit sich selbst]“ (ZP 7) Die Hierarchie ist das<br />
System, innerhalb dessen Kommunikationswege für die MA vorgesehen sind.<br />
In schwierigen Situationen findet aber auch ein Treffen im größeren Kreis statt. „Es gibt<br />
aber schon mal Situationen wo wir uns gemeinsam treffen müssen“. (ZP 8)<br />
QB:<br />
29 Den Mitarbeitern soll trotzdem Eigenverantwortung für ihren Arbeitsbereich<br />
ermöglicht werden.
„Auch Selbstständigkeit, Verantwortung. Zutrauen. Eigenverantwortung. Dass jeder<br />
seine Aufgaben kennt, seinen Bereich kennt. Und es ist wirklich von der Leitung so<br />
gewünscht, dass es dann einfach ... klar regelmäßigen Austausch, Kommunikation.<br />
Man muss die Ziele des Unternehmens ja auch weitergeben, Aufgaben weitergeben,<br />
im Sinne des grossen Ganzen, für den Einzelbereich. Aber das dann jeder doch schon<br />
seinen Bereich in Eigenverantwortung führt. Das ist schon so gewünscht. Und ich<br />
glaube, nur so funktioniert es.“ (Quelle: Transkript mit QB, S. 3, Absatz 4)<br />
Kategorie 6. „Erneuerungs- und Veränderungsmanagement“<br />
EL:<br />
30 Veränderungen wird ein grosser Stellenwert beigemessen. „Also ich würde schon<br />
davon ausgehen, dass unser Haus, unser Betrieb, sich <strong>als</strong> lernende Organisation<br />
versteht, dieses Stichwort, wo es wichtig ist, dass Veränderung dazu gehört. Das ist<br />
das A und O. Dass man nie stehen bleibt, sondern immer bereit ist für Neues.“ (ZE 14)<br />
Es gibt das Bewusstsein dafür, dass Veränderungen begleitet werden müssen. Die<br />
Begleitung geschieht durch kommunikativen, unternehmensinternen Austausch und<br />
durch den Einsatz von Instrumenten des Qualitätsmanagements. (T, S. 10/2) Man kann<br />
insofern im Ansatz von einem systematischen Management für Veränderungen<br />
sprechen.<br />
31 Impulse zu Veränderungen gehen in erster Linie von der Leitung aus. Andererseits<br />
besteht die Offenheit für Anregungen zum Beispiel durch die Mitarbeiter. Diese wird<br />
aber nicht systematisch gelebt. (ZE 15)<br />
PDL:<br />
32 Impulse zur Veränderung gehen von MA und von der Leitung aus. Daraus folgende<br />
Veränderungen werden in jedem Fall systematisch umgesetzt. (ZP 18)<br />
33 Wenn die MA sich in Ihren Veränderungsvorschlägen einig sind, und die Leitung<br />
durch Argumente überzeugen können, bekommen sie die Möglichkeit ihre Vorschläge<br />
im Arbeitsablauf auszuprobieren. Gesteuert wird das von der Leitung. Das Ergebnis<br />
des Versuchs wird evaluiert und je nach Ergebnis dauerhaft umgesetzt. (ZP 19)<br />
34 Bei Veränderungen, die durch die Leitung initiiert werden, gibt es einen ebenso klar<br />
vorgegebenen Weg. Von Veränderungen betroffene MA sind in den Prozess<br />
einbezogen und haben ein - allerdings geringes - Recht zur Mitgestaltung. „Wir sind<br />
uns erstmal einig, nach Absprache mit Geschäftsführung, was wir wollen. Dann geht<br />
das die gleiche Linie nach zum Bereichsleiter runter. Das wird vorgestellt, wir hören<br />
uns Meinungen an, sind aber bereit auch noch was Kleines zu verändern. Wir wissen,<br />
was wir wollen, aber wir geben auch Freiräume.“ (ZP 20)
35 Kommunikation und Transparenz spielen bei den Veränderungsprozessen eine<br />
grosse Rolle. (ZP 21)<br />
36 Auch von Bewohnern, können Impulse zu Veränderungen ausgehen. (ZP 9)<br />
QB:<br />
37 Veränderungen sind ein Kernpunkt der Arbeit in der Einrichtung. „Veränderung, im<br />
Sinne von Weiterentwicklung? Das ist quasi die Basis des ganzen.“ (ZQ 13)<br />
38 Der Impuls zu Veränderungen geht in der Regel vom EL aus, und dient der<br />
Etablierung des Unternehmens. (ZQ 14)<br />
39 Themen der Veränderung sind: Unternehmenskultur (es geht darum sie im<br />
Arbeitsalltag zu pflegen, damit das was auf dem Papier an Unternehmenskultur<br />
beschrieben wird, auch gelebt wird) und fachliche Weiterentwicklung (Orientierung an<br />
neuen Erkenntnissen und Zusammenarbeit mit anderen Organisationen (Forschung,<br />
Hospize, etc). Veränderung wird <strong>als</strong> Voraussetzung für Qualität erkannt. (ZQ 15)<br />
40 Nachdem die Vorgaben zum Thema der Veränderung von der Leitung gekommen<br />
sind, werden Workshops zur Umsetzung organisiert. (ZQ 16)<br />
41 In den Workshops arbeiten alle MA zusammen, die mit dem Bereich, in dem die<br />
Veränderung stattfinden soll zu tun haben. „Wie so ein Projekt. Dass man einfach sagt,<br />
jeder sagt mal wie er zufrieden ist. Oder was er für Vorstellungen hat zu den<br />
Arbeitsabläufen, zu den Prozessen. Erst mal gibt es eine Art Brainstorming, eine<br />
Sammlung, und dann wird das zugeordnet. Schwerpunktsetzung, Prioritäten-<br />
Setzung.“ (ZQ 17)<br />
42 Auch wenn viele Impulse zur Veränderung von der Leitung ausgehen, ist diese doch<br />
genauso offen und interessiert gegenüber den Impulsen die von den MA ausgehen.<br />
Die Leitung fördert es, dass MA Ideen zur Veränderung einbringen und ist dankbar,<br />
wenn das passiert. Ideen werden geprüft und falls sie nicht sofort aufgenommen<br />
werden können, werden sie nicht vergessen, sondern vielleicht etwas später noch<br />
einmal aufgegriffen. Dies soll auch eine Art von Wertschätzung der MA durch die<br />
Leitung zu sein. (ZQ 18)<br />
Kategorie 7. „Primat der Ethik oder Ökonomie in Entscheidungssituationen“<br />
EL:<br />
43 In ethisch-ökonomischen Dilemma-Situationen besteht einerseits eine eindeutige<br />
Vorrangstellung der Ökonomie gegenüber der Ethik. „ Natürlich ist das Primat der<br />
Ökonomie sehr deutlich.“ (ZE 16) Das bedingt einen täglichen „Spagat“ bei<br />
unternehmerischen Entscheidungen, in denen neben ökonomischen Notwendigkeiten,
gleichzeitig die Werte aus dem Leitbild berücksichtigt werden sollen. (ZE 16) Hier<br />
besteht formal eine Unklarheit. „Aber das immer wieder unter einen Hut zu kriegen...<br />
Dass wir zu den besten der Branche gehören, das heißt ja eben nicht nur, wir wollen<br />
die Reichsten werden, sondern das heißt, der Betrieb soll gut, vorbildlich laufen.“ (ZE<br />
16)<br />
44 Vom ökonomischen Handlungsprinzip wird in Einzelfällen abgewichen. „Wir haben<br />
da Einzelfälle wo ich auch ganz konkret verzichte, weil ich mich anders entschieden<br />
habe. Wir haben jetzt zum Beispiel eine hundertjährige Frau, die hat nicht damit<br />
gerechnet, dass sie so alt wird, und die Ersparnisse sind verbraucht. Die kann hier<br />
nicht mehr volles Entgelt bezahlen. Aber dieser Frau werde ich nicht kündigen. Da<br />
verzichte ich dann auf Einnahmen. Das könnte ich aber natürlich nicht bei 120<br />
Einwohnern machen. Und das wird von der Unternehmensleitung auch mit<br />
getragen.“ (ZE 17)<br />
45 Das zeigt einerseits die Bereitschaft zu ethischem Verhalten, andererseits deutet es<br />
auf ein instrumentelles Verständnis von Unternehmensethik hin, denn man verspricht<br />
sich von einem Verhalten dass im Ausnahmefall gegen ökonomische Interessen<br />
verstößt, dafür aber ethisch erforderlich ist, eine langfristig positive ökonomische<br />
Wirkung. „Man muss immer zwischen ökonomisch kurzfristig und langfristig<br />
unterscheiden. Vielleicht verzichte ich kurzfristig auf Einnahmen. Aber ich behalte<br />
dadurch einen zutiefst zufriedenen Kunden, der das wiederum anderen weitererzählt.<br />
Das spricht sich rum im Angehörigen-Netzwerk. Und das trägt zur Zufriedenheit und zu<br />
Image-Steigerung bei, und führt darum auch mittelfristig zum Erfolg. (...) Und deshalb<br />
kann ich gar nicht sagen, hat hier die Ethik über die Ökonomik gesiegt, sondern auch<br />
das ist eine ökonomische Entscheidung, kurzfristig auf Gewinn zu verzichten, um ihn<br />
langfristig zu bekommen.“ (ZE 18)<br />
QB<br />
46 Für die QB gibt es keine Situationen in denen sie in ein Dilemma zwischen Ethik<br />
und Ökonomie gerät. Offensichtlich hat sie solche Entscheidungen nicht zu treffen. Sie<br />
sieht allerdings durchaus dass die Konsequenzen solcher Entscheidungen in ihrem<br />
Arbeitsalltag. Zum Bsp. entsteht für die MA der Pflege ein hoher Zeitdruck unter dem<br />
sie ihre Arbeit erledigen müssen. Nicht alle MA scheinen damit gut umgehen zu<br />
können. „Na gut, wir fordern natürlich eine 1A Qualität, dass es manchmal zeitlich<br />
schwer zu schaffen ist für die Pfleger, das umzusetzen. Natürlich ist das Unternehmen<br />
so aufgestellt, dass der Stundenumfang voll ausgeschöpft wird, und man muss sich<br />
super organisieren, um das richtig gut hinzukriegen. Wenn dann noch Zusatzaufgaben<br />
kommen, muss ich mich noch besser organisieren. Der eine schafft das sehr gut,<br />
andere schaffen es nicht so gut. Das ist schon ein Dilemma, dass man
unterschiedliche MA erlebt, die das große Ziel verfolgen, es vielleicht aber nicht so gut<br />
umsetzen können.“ (ZQ 19)<br />
47 Auch die Schlagworte Burnout und Depression fallen. Es existiert offenbar das<br />
Problem in der Einrichtung, zumindest werden Kurse und Vorträge zu den Themen<br />
angeboten. „Sonst ethisch, hab ich es nur mit MA zu tun und ihren Sorgen. Ethisch<br />
wäre ja auch Thema Burnout zum Beispiel. Und Depressionen. Wenn ich<br />
Fortbildungen mache, und Wünsche der MA erfülle, dass ich da einfach drauf<br />
eingehe.“ (ZQ 20)<br />
PDL:<br />
48 Ein anderes Dilemma entsteht manchmal in der Unvereinbarkeit von Interessen der<br />
Bewohner, mit Interessen der MA. Bedürfnisse der Bewohner müssen befriedigt<br />
werden, MA haben aber zu wenig Zeit dafür, müssen unter grossem Zeitdruck arbeiten.<br />
„Wenn ich durch Etagen gehe, gucken, und das ist manchmal mein Dilemma. Also ich<br />
merke, der MA steht unter so einem Zeitdruck, dass er vielleicht selber noch nicht<br />
gegessen hat, dass er noch nicht getrunken hat. Ich hab auch die Sorge zu wissen, der<br />
MA muss sich auch hinsetzen und essen. Es gibt Situationen, ja es steht auf dem<br />
Dienstplan, aber das die Zeit heute vielleicht gerade nicht gegeben ist.“ (ZP 13)<br />
49 Das Problem wird <strong>als</strong> strukturell erkannt. Die Problematik der Struktur wird aber<br />
hingenommen. „Dass in Pflege immer alles zu wenig ist das ist ja anderes Thema. Das<br />
ist ja aber schon von Struktur her vorgegeben.“ Das strukturelle Problem wird im<br />
Folgenden auf die individuelle Ebene verlagert. „Die Dilemma die wir haben, verstehe<br />
ich <strong>als</strong> selbstverständlich. Die gehören halt zu meinem Leben, die gehören zu uns.“<br />
Innerhalb dieser Logik wird die Lösung auf die Ebene persönlicher Verantwortlichkeit<br />
aller MA verschoben. Diese müssen durch kluge Einschätzung Zeit sparen, in dem sie<br />
nur die „wirklichen“, nicht die schematisch erwarteten Bedürfnisse der Bewohner<br />
befriedigen. „Aber vielleicht möchte er gar nicht, dass ich ihm tagtäglich die Füsse<br />
wasche, er hat früher vielleicht auch gar nicht gemacht. Schaue in die Augen und<br />
erkenne was der Mensch braucht“ (...) „Wir <strong>als</strong> Familie, ist das so, ne, wenn Mutter fünf<br />
Kinder hat, ist das so, dass sie alle schafft gleichzeitig, nee, auch nicht.“ (ZP 14)<br />
50 Damit sind die MA nun individuell dafür verantwortlich und dazu angehalten, dafür<br />
zu sorgen, dass sich die Auswirkungen des strukturell bedingten Zeitmangels nicht<br />
negativ auf ihre Arbeit, die Pflege der ihnen anvertrauten Bewohner, auswirkt. „So und<br />
deswegen, es ist schon eine Kunst, aber wir müssen an uns selbst arbeiten: Was<br />
brauche ich, wo gebe ich und wie erkenne ich den Bedarf. Damit hat man weniger<br />
Dilemma und weniger Konflikte.“ [lacht] (ZP 15)<br />
51 Ein weiteres Beispiel hierfür ist der Umgang mit der Schwierigkeit, die Pausen für<br />
die MA zu garantieren. Das so genannte therapeutische Essen ermöglicht die Pausen
des MA zur Betreuung der Bewohner einzusetzen, in dem Bewohner und MA in den<br />
Wohngruppen gemeinsame Mahlzeiten einnehmen. „Ja, wir haben noch zum Beispiel<br />
eingeführt, dass MA zusammen mit Bewohner essen darf. Wir nennen das<br />
therapeutisches Essen und das ist irgendwie auch MA-Pflege. Nimm dir Zeit, setz dich<br />
zusammen. Das nutzt dem Bewohner sehr viel, aber auch mir, <strong>als</strong> MA. Ich komme zum<br />
Austausch mit dem Bewohner, das gibt mir viel für meine Tätigkeit, <strong>als</strong><br />
Krankenschwester. Ich hab alles zwar unter Kontrolle, dabei, aber ich kann auch dabei<br />
essen, mich entspannen, ne, Gespräche anregen.“ (ZP 16)<br />
52 Auch bei zeitintensiven Aufgaben wie der Betreuung von Bewohnern in der<br />
Sterbephase, wird eine ausreichende Versorgung nur durch den zusätzlich<br />
persönlichen und individuellen Einsatz der MA gewährleistet. Die PDL beschreibt dies<br />
<strong>als</strong> Bereicherung: „Also wie Sie jetzt beschrieben haben, jemand liegt im Sterben. Ich<br />
müsste dafür zwanzig Stunden vor Ort sein. Vielleicht ist das noch nicht zu<br />
gewährleisten, weil die finanziellen Mittel vielleicht noch nicht geregelt sind. Aber dann<br />
haben wir für uns hier einen Weg gefunden. Das wir tatsächlich untereinander uns gut<br />
absprechen. Mal ist das schon ehrenamtliche Lösung. Aber Lösung, die trotzdem uns<br />
viel gibt.“ (ZP 17)<br />
53 Die Frage ist nur, wem das „etwas gibt“. Wiederum sind es die MA, die sich die<br />
Bewältigung eines strukturellen Problems zur individuellen Aufgabe machen, und eine<br />
Führung, die dieses Konzept unterstützt.<br />
Kategorie 8. „Strukturen die ethische Entscheidungen in Dilemmasituationen,<br />
erleichtern“<br />
EL:<br />
54 Es gibt eine allgemeine Systematik für die Handhabung von Situationen, in denen<br />
Entscheidungen schwer fallen. Sie gilt auch für Dilemma-Situationen die ethische<br />
Aspekte beinhalten. Eine Lösung wird auf der vorgesehenen Ebene vorbereitet und<br />
vom Entscheidungs-Verantwortlichen dem Verantwortlichen auf der nächsthöheren<br />
Hierarchieebene vorgeschlagen. Im so genannten Vier-Augen-Prinzip wird die Lösung<br />
befürwortet oder abgelehnt. Eine Entscheidung wird auf diese Art gemeinsam<br />
getroffen. „Wir haben im Unternehmen eine relativ klare Kommunikationsstruktur. Wir<br />
sagen, Entscheidungen sind hierarchisch aufgebaut, und zwar von unten nach oben.<br />
Wir versuchen das so genannte Vier-Augen-Prinzip durchzuhalten. Das heißt<br />
Entscheidungen werden immer im Vier-Augen-Prinzip gefällt. Was heißt: Die Ebene<br />
auf der eine Entscheidung gefällt oder vorbereitet werden muss, trägt den<br />
Lösungsansatz, nicht das Problem, zur nächsthöheren Ebene. Zusammen mit der<br />
nächsthöheren Ebene wird dann im Vier-Augen-Prinzip gemeinsam beschlossen, ja<br />
oder nein“... „ Ich fühle mich nicht alleine mit meinen Entscheidungen.“ (ZE 19)
PDL:<br />
55 Pflegeethische Entscheidungen: Dilemma-Situationen wird systematisch<br />
vorgebeugt, in dem im Vorfeld die Frage nach Patientenverfügungen gestellt wird.<br />
56 In schwierigen Akut-Situationen, ist der systematisch vorgesehene Weg zur<br />
Erleichterung von Entscheidungen, das Zusammenkommen aller Beteiligten, und für<br />
die PDL das Gespräch mit ihrem Vorgesetzten, dem EL. (TP 11)<br />
57 Die Entscheidungssituation wird trotzdem <strong>als</strong> belastend und einsam erlebt: „Das<br />
sind Momente, in Minuten, treffen wir über Leben, über Sterben, müssen wir, sind wir<br />
dazu gezwungen Entscheidungen zu treffen. Das sind schwierige Entscheidungen.<br />
Weil es bleibt immer die Frage: War die Entscheidung, die ich getroffen habe richtig?<br />
Und die Frage kann mir niemand, niemand beantworten. Das ist nun mein Gewissen.<br />
Das Problem liegt daran, wenn ich auch zu der Erkenntnis komme, das war f<strong>als</strong>che<br />
Entscheidung, ich kann sowieso nichts mehr daran ändern. Ich muss nur gucken, wie<br />
ich damit zurecht komme, wie die MA damit zurecht kommen.“ (ZP 12)<br />
QB:<br />
58 Für schwierige ethische Entscheidungen in der Pflege, stehen keine ausgeprägten<br />
Hilfestrukturen zur Verfügung. Es gibt kein Ethik-Komitee oder ähnliches. Allerdings<br />
existiert eine gute Zusammenarbeit mit den Hausärzten, die offenbar unterstützend<br />
wirkt. (ZQ 22)<br />
59 Unterstützend können auch Fallbesprechungen wirken, die in Einzelfällen<br />
durchgeführt werden, zum Beispiel bei aggressiven Bewohnern oder in Situationen, in<br />
denen über den Einsatz lebensverlängernder Massnahmen entschieden werden muss.<br />
Dort wird interdisziplinär überlegt, welche Handlungsmöglichkeiten bestehen, die dem<br />
Wohle des Bewohners und der MA dienen. (ZQ 23) „Es gibt Fallbesprechungen wo von<br />
verschiedenen Berufsgruppen gemeinsam überlegt wird, wie können wir das am<br />
besten zum Wohle des Bewohners und der MA besprechen. Ich glaube nicht, dass da<br />
jemand von ausserhalb so hilfreich wäre. Die Berufsgruppen die an dem Fall beteiligt<br />
sind, sollten besprechen - da sollte auch der Krankengymnast dazu kommen, die<br />
Ergotherapeutin. der Arzt, idealer weise. Dass man auch überlegt, wie können wir<br />
biografiebezogen mit gewissen Verhaltensweisen umgehen?“ ((ZQ 23)
Kategorie 9. „Engagement für die Rahmenordnung“<br />
EL:<br />
60 Ein Engagement auf der Makroebene, zur Schaffung einer Rahmenordnung die<br />
unternehmensethischem Verhalten Vorschub leistet, findet nicht statt. (ZE 21)<br />
Kategorie 10. „Projektarbeit“<br />
EL:<br />
61 Projektarbeit und damit eine Arbeitsform die auch das kreative Potenzial der<br />
Widerspruchsmöglichkeit gegenüber der Hierarchie zugänglich macht, findet in<br />
schwacher Form statt. Es gibt Qualtitätszirkel die in Projektform arbeiten, und im<br />
Unternehmen werden Projekte initiiert, die von den jeweiligen Einrichtungsleitern<br />
geleitet, in deren Häusern durchgeführt werden. In dieser Einrichtung existiert eine<br />
Arbeitsgruppe zum Thema Karrieregespräche. (ZE 20)<br />
QB:<br />
62 Veränderungen werden mit Hilfe von Workshops gesteuert.<br />
In den Workshops arbeiten alle MA zusammen, die mit dem Bereich, in dem die<br />
Veränderung stattfinden soll zu tun haben. „Wie so ein Projekt. Dass man einfach sagt,<br />
jeder sagt mal wie er zufrieden ist. Oder was er für Vorstellungen hat zu den<br />
Arbeitsabläufen, zu den Prozessen. Erst mal gibt es eine Art Brainstorming, eine<br />
Sammlung, und dann wird das zugeordnet. Schwerpunktsetzung, Prioritäten-<br />
Setzung.“ (ZQ 17)<br />
63 Momentan wird dem Thema Palliativ-Pflege große Aufmerksamkeit gewidmet. Hier<br />
liegt deshalb gerade ein Schwerpunkt in der Arbeit des Qualtitätsmanagements. Es<br />
wurde ein Qualitätszirkel zum Thema Sterbebegleitung gegründet, in dem neue<br />
Verfahrensweisen und eine Form der Zusammenarbeit mit einem Hospiz entwickelt<br />
werden. Ziel ist es, den Bewohnern ein würdevolles Sterben, nach Möglichkeit in der<br />
Einrichtung, zu ermöglichen. (ZQ 21)<br />
Verschiedenes:<br />
64 Schulungen und Trainings zum Thema Ethik gibt es für die MA nur auf<br />
Leitungsebene. Da geht es dann um Führungsthemen wie Motivation,<br />
Mitarbeiterführung und Wertschätzung. (ZE 10)