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P.T. MAGAZIN 02/2014

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#aufklärung<br />

(Foto: Ludovic Bertron / GEW Baden-Württemberg)<br />

P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 2/<strong>2014</strong><br />

„Ich sehe die größte Gefahr eigentlich<br />

im Pessimismus, das heißt in dem dauernden<br />

Versuch, den jungen Menschen<br />

zu sagen, dass sie in einer schlechten<br />

Welt leben. Das sehe ich als die größte<br />

Gefahr unserer Zeit, größer noch als<br />

die Atombomben. … Es kann keine vollkommene<br />

Gesellschaft geben.“ (Karl R.<br />

Popper, 1983). Wer eine vollkommene<br />

Gesellschaft anstrebt, wird sich früher<br />

oder später gegen die Demokratie wenden.<br />

Den größten Schaden richten dabei<br />

immer die größten Weltverbesserer an.<br />

Sie brauchen Pessimismus, um andere<br />

Menschen zu motivieren, die eigenen<br />

Ziele verfolgen zu können. Zu Lasten<br />

Dritter. Notfalls mit Gewalt.<br />

Vor 80 Jahren wollte der Russe Lyssenko<br />

Mendel und Darwin widerlegen. Nur zu<br />

gern glaubten Stalin und Mao, mit kommunistischen<br />

Getreide-Neuzüchtungen<br />

den Hunger der Welt zu bekämpfen.<br />

Sieben Mal erhielt Lyssenko den Leninorden.<br />

Bevor sein Scheitern eingestanden<br />

wurde, waren Millionen Menschen<br />

in Russland und China verhungert, statt<br />

satt zu werden. Sie waren Stalins Experimentiermasse<br />

in einer dunklen Zeit.<br />

Kann der baden-württembergische Kultusminister<br />

Andreas Stoch vor diesem<br />

Hintergrund wirklich rechtfertigen, ab<br />

2015 den Biologie-Unterricht abschaffen<br />

zu wollen? In Deutschland?<br />

Der Grieche Sokrates prüfte jede Nachricht<br />

mit den „drei Sieben“: Ist die Nachricht<br />

wahr? Wenn das nicht sicher ist: Ist<br />

sie wenigstens gut? Und wenn auch das<br />

nicht klar ist: Ist es wirklich notwendig,<br />

sie weiter zu erzählen? Sokrates belastete<br />

niemanden mit einer Nachricht,<br />

deren Wahrheit nicht erwiesen war, die<br />

vielleicht nichts Gutes, sondern Böses<br />

stiften würde, wenn sie nicht unbedingt<br />

notwendig war. Das sollten Journalisten<br />

und Politiker, Lehrer und Blogger<br />

beherzigen. Uns bliebe viel Unheil<br />

erspart. Lyssenko hätte keine Leninorden<br />

bekommen. Denn seiner Theorie<br />

mangelte es an Wahrheit. Millionen<br />

hätten nicht verhungern müssen. Der<br />

60.000mal benutzte Twitter-Hashtag<br />

#aufschrei hätte 2013 keinen Grimme-<br />

Preis bekommen dürfen. Denn dieser<br />

Diskussion mangelt es an Güte. Güte<br />

gegenüber dem bereits weißhaarigen<br />

Rainer Brüderle und seinem völlig missglückten<br />

Versuch eines Dirndl-Kompliments.<br />

Güte aber vor allem gegenüber<br />

Millionen begeisterter Dirndl-Trägerinnen<br />

in Bayern.<br />

Und es war weder richtig noch gut noch<br />

notwendig, die Online-Petition von<br />

fast 200.000 Eltern in Baden-Württemberg<br />

gegen die Sexualisierung des<br />

Grundschulunterrichts als „umstritten“<br />

zu deklarieren. Diese Eltern fordern<br />

ihr grundgesetzlich garantiertes<br />

Erziehungsrecht für ihre Kinder ein. Was<br />

ist daran schlecht? Ein Fragebogen der<br />

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft,<br />

ausdrücklich als Unterrichtsmaterial<br />

für Lehrer/innen in Baden-Württemberg<br />

deklariert, fragt 13jährige: „Eine<br />

ungleich starke Mehrheit der Kinderbelästiger<br />

ist heterosexuell. Kannst Du es<br />

verantworten, deine Kinder heterosexuellen<br />

Lehrer/innen auszusetzen?“ Was<br />

ist an dieser Frage gut?<br />

Was ist richtig, gut, oder notwendig<br />

an dem Widerspruch, dass nach GEW-<br />

Vorstellungen 10jährige Viertklässler<br />

zwar Regenbogenfamilie spielen müssen,<br />

aber gleichzeitig Musliminnen<br />

getrenntgeschlechtlich Sportunterricht<br />

haben dürfen? Die wichtigste Lehre der<br />

Geschichte ist vielleicht: Nicht automatisch<br />

hat Mainstreaming Recht. Auch<br />

Gender Mainstreaming nicht. n<br />

Dr. Helfried Schmidt

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