P.T. MAGAZIN 02/2014
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Angst vor Altersarmut<br />
„Die Rente ist sicher!“ verkündete Norbert Blüm.<br />
Heute fragt man: „Wieviel Rente ist sicher?“ Wie<br />
politische Entscheidungen in die Verarmung führen<br />
Gesellschaft<br />
8<br />
oto: Bengt Nyman/Flickr. com)<br />
Altersarmut wird von den Medien immer<br />
häufiger thematisiert. Das Besondere an<br />
diesem Phänomen: Es ist hausgemacht.<br />
Dem Eindruck nach wird es sogar in<br />
Kauf genommen. Schließlich sind es seit<br />
über 20 Jahren laufende politische Entscheidungen<br />
gewesen, die das gesetzliche<br />
Rentenniveau von ehemals durchschnittlich<br />
70% vom Nettogehalt auf<br />
zukünftig teils weniger als die Hälfte<br />
reduziert haben.<br />
Riesterrente als Verlustgeschäft<br />
Albrecht Müller stellte bereits 2004 in<br />
seinem Buch „Die Reformlüge“ fest, dass<br />
die Umstellung vom Umlageverfahren<br />
auf eine kapitalgedeckte Alters ver sor -<br />
gung in Chile zur größten<br />
Altersarmut<br />
geführt hat. Chile wurde<br />
damit ein Vorbild für weitere Staaten,<br />
welche allesamt das Scheitern<br />
kapitalgedeckter Altersversor<br />
gung er lebten. In Deutschland<br />
hat man beispielsweise die<br />
staatlich durch Zulagen geförderte<br />
Riesterrente eingeführt.<br />
Im Durchschnitt tatsächlich ein<br />
Verlustgeschäft, es sei denn<br />
man erreicht das Alter<br />
eines Johannes Heesters<br />
oder Methusalems.<br />
Der Bürger fragt<br />
sich, wo dann<br />
die staatlichen<br />
Zulagen<br />
am Ende landen, und erfährt vom<br />
Fachmann, dass diese Gelder als Sterblichkeitsgewinne<br />
bei den Anbietern verbleiben<br />
oder für Kosten und Provisionen<br />
ausgegeben werden. Bei den Glücklichen,<br />
die durch die Zulagen oberhalb<br />
des Existenzminimums landen, sind diese<br />
als Steuern wieder zurückzuzahlen.<br />
Vom Voll-Juristen zum Bittsteller<br />
Die „Pseudo-Individualisierung durch<br />
Rentenreform“ löst die Aufgabe, das<br />
Real einkommen zwischen den Ge nerationen<br />
zu verteilen, nicht. Immerhin<br />
hat es die Politik verstanden,<br />
den Niedriglohnsektor<br />
von ehemals<br />
weniger als 10% auf<br />
mehr als 25% der<br />
arbeitenden Bevölkerung<br />
zu steigern.<br />
Die Hartz-Reformen<br />
führten dazu, dass<br />
ausgebildete Volljuristen<br />
sich von der ARGE<br />
fürsorglich zum Schweißer<br />
umschulen lassen müssen oder als Leiharbeiter<br />
tätig werden, oder damit leben<br />
müssen, durch Kürzung unter dem Existenzminimum<br />
zu leben. Spiegelbildlich<br />
sind mehr als 25% der Bevölkerung<br />
gar nicht mehr in der Lage, irgendeine<br />
Ersparnis zu bilden, und mehr als 25%<br />
der Bevölkerung zahlen so wenig in die<br />
gesetzliche Rente ein, dass sie beste<br />
Aussichten auf eine Grundsicherungsrente<br />
haben. Wer hohe Mietkosten<br />
über 358 Euro hat, darf diese aus dem<br />
Regelsatz von 382 Euro selbst bezahlen<br />
oder umziehen – oft hilft dabei die<br />
Gemeinde und übernimmt die Maklerkosten,<br />
damit der Bedürftige in die<br />
preiswertere Nachbargemeinde zieht.<br />
Wer sich täglich überlegen muss, ob er<br />
eine Schachtel Zigaretten oder etwas<br />
zu essen kauft, dem bleibt auch nicht<br />
einmal genügend Geld übrig, sich einen<br />
ordentlichen Strick zu kaufen.<br />
Ist die Kapitaldeckung in der Altersversorgung<br />
eine Illusion?<br />
Generell zeigt sich, dass die Umstellung<br />
der größten Volkswirtschaften – ein-<br />
P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 2/<strong>2014</strong><br />
P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 2/<strong>2014</strong><br />
schließlich China – vom Generationenmodell<br />
auf eine Kapitaldeckung bereits<br />
daran scheitert, dass es weltweit gar keine<br />
ausreichenden realwirtschaftlichen<br />
Investitionsmöglichkeiten für eine solche<br />
Altersversorgung gibt. Ausgenommen<br />
wären Investments in Finanzblasen<br />
oder andere, nur vorübergehend für<br />
wertvoll gehaltene, Kapitalanlagen, welche<br />
man jedoch leider später abschreiben<br />
muss.<br />
Beispiele hierfür wären etwa die<br />
Anleihen der Lehman Brothers Bank oder<br />
viele Derivate und Zertifikate. Auch der<br />
Staat kann das Geld für die anzulegende<br />
Kapitaldeckung in Form von Staatsschulden<br />
annehmen. Damit wären die für die<br />
Renten erforderlichen Zinsen und Tilgungen<br />
aus den Steuermitteln gedeckt,<br />
mit denen künftige Generationen und<br />
Rentner selbst die Staatsschulden verzinsen<br />
und tilgen. Auch Investitionen in<br />
Windkraft und Solarenergie – inklusive<br />
der erforderlichen Stromnetze – bieten<br />
solche Ertragsmöglichkeiten über den<br />
(Foto: Guian Bolisay Instant Vantage/Flickr. com)<br />
Im Zweifel würde nicht einmal dafür das<br />
Geld reichen.<br />
Chile stellte frühzeitig auf eine kapitalgedeckte Altersvorsorge um und diente vielen als<br />
Vorbild. Mit schwerwiegenden Folgen.<br />
Aufpreis auf die Stromrechnung, mit<br />
dem alle – inklusive Rentner – das Geld<br />
für ihre Kapitaldeckung selbst zurückzahlen.<br />
Manche mögen die Vorstellung<br />
haben, bei Kapitaldeckung liege das<br />
Geld für jede Rente schon in Tüten mit<br />
dem Namen des künftigen Rentners<br />
beim Versicherer in einem Regal bereit.<br />
(Foto: Mark Scott Johnson/Flickr.com)<br />
Lohn- und Rentensteigerungen nach<br />
Produktivitätsfortschritt?<br />
Schon immer war die Bevölkerung in der<br />
Lage, allein aufgrund des Produktivitätsfortschritts<br />
sowohl die Kinder als auch<br />
die Alten zu ernähren. Wenn es zutrifft,<br />
dass Löhne und Renten davon seit mehr<br />
als 15 Jahren entkoppelt wurden, so<br />
vergrößert sich die Zahl der Menschen<br />
mit besten Aussichten auf zunehmende<br />
Altersarmut. Ohnehin sehen einige<br />
Politiker es aber als eine angemessene<br />
Versorgung an, wenn im Alter zumindest<br />
keine Sozialhilfe beantragt werden<br />
muss. Gerichte sind dem gefolgt, indem<br />
etwa rund 350 Euro Rentenanwartschaft<br />
im Alter von etwa 50 Jahren trotz Behinderung<br />
noch ausreichend erschienen,<br />
um die bis zum Rentenalter benötigten<br />
ca. 800 Euro zu erreichen.<br />
„Die Grünen fordern eine Garantierente,<br />
die SPD eine Mindestrente<br />
von 850 Euro und Frau von der Leyen<br />
eine Zuschussrente. Das ist vermeintlich<br />
populär, aber auch nicht<br />
mehr.“ Wolfgang Clement, Juni 2013<br />
Von Traumrenditen und Spargroschen<br />
Hinzu kommt, dass kein Politiker<br />
erwähnt, dass allein mit einem Beitragssatz<br />
von 20% für die gesetzliche<br />
Rente der eigene Lebensstandard kaum<br />
zu halten ist. Was Finanzberater selten<br />
zu formulieren wagen, ist die Tatsache,<br />
dass die Renten aus privater Vorsorge<br />
um teils mehr als 50% im Vergleich zu<br />
den früheren Aussichten gesunken sind.<br />
Dies allein aus dem Grund, dass sich<br />
Europa um 1998 einem internationalen<br />
Niedrigzinskartell angeschlossen