P.T. MAGAZIN 02/2014
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Personalsuche im Ausland<br />
Auf der Suche nach qualifiziertem Personal sollten Unternehmen nicht an den<br />
Ländergrenzen halt machen. Wie Mittelständler Top-Kräfte aus dem Ausland<br />
gewinnen und binden<br />
Über den Autor<br />
n Chris Pyak ist Geschäftsführer der<br />
Immigrant Spirit GmbH. Er hilft<br />
Unternehmen die Kooperation in<br />
internationalen Teams zu verbessern.<br />
Chris Pyak coacht jährlich<br />
über 100 internationale Fachkräfte<br />
in Einzel-Sitzungen.<br />
Wirtschaft<br />
34<br />
Wenig Resonanz auf Stellenanzeigen<br />
und kaum qualifizierte Bewerber: Der<br />
Fachkräftemangel macht sich immer<br />
stärker bemerkbar. Je spezieller das<br />
Anforderungsprofil, desto länger bleiben<br />
Positionen unbesetzt. Viele Projekte<br />
müssen zurückgestellt werden oder können<br />
gar nicht erst starten. Gerade für<br />
mittelständische Unternehmen wird es<br />
zunehmend schwer, geeignetes Personal<br />
zu finden. Deshalb kommt es darauf<br />
an, alle verfügbaren Potenziale bei der<br />
Personalsuche zu mobilisieren und auch<br />
jenseits der Landesgrenzen zu suchen.<br />
(Foto: Victor1558/Flickr.com)<br />
Internationales Know-how ist gefragt<br />
Mit der richtigen Strategie haben Mittelständler<br />
im Ringen um internationale<br />
Fachkräfte gute Karten. Viele Kandidaten<br />
erleben, dass Unternehmen ihre<br />
beruflichen Erfahrungen im Ausland nur<br />
unzureichend würdigen. Sie suchen nach<br />
Wertschätzung für ihre bisherige Laufbahn<br />
und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Mittelständler die zeigen, dass sie<br />
internationale Erfahrung als Mehrwert<br />
schätzen, haben selbst im Wettbewerb<br />
mit großen Konzernen die Nase vorn.<br />
Nicht nur in Wachstumsbranchen wie<br />
Chemie, Pharma oder Biotechnologie<br />
sind Fachkräfte rar. Vor allem Ingenieure<br />
und IT-Kräfte werden händeringend<br />
gesucht. SAP-Experten etwa sind<br />
kaum zu bekommen. Sie erhalten jede<br />
Woche eine Handvoll neuer Jobangebote.<br />
Obendrein ist branchenübergreifend<br />
internationales Know-how gefragt,<br />
um Positionen in Einkauf und Vertrieb<br />
zu besetzen oder Auslandsfilialen aufzubauen.<br />
Schließlich agieren viele Unternehmen<br />
längst über Ländergrenzen<br />
hinweg. Nur mit multinationalen Teams<br />
können Firmen ausländische Kunden<br />
adäquat betreuen.<br />
Personalbedarf wächst drastisch<br />
Ohne Einwanderer sieht es für den Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland düster<br />
aus. Das Arbeitskräftepotenzial wird bis<br />
2<strong>02</strong>5 um rund 6,5 Millionen Personen<br />
schrumpfen, so die Bundesagentur für<br />
Arbeit. Während die Baby-Boom Generation<br />
aus dem Berufsleben ausscheidet,<br />
rücken zu wenige Nachwuchskräfte<br />
nach. Schon in diesem Jahr gehen<br />
351.000 Menschen mehr in Rente als<br />
ins Arbeitsleben eintreten, Tendenz steigend.<br />
Diese Entwicklung wird besonders<br />
Mittelständler treffen.<br />
Noch steckt das internationale<br />
Recruiting in den Kinderschuhen. Doch<br />
früher oder später müssen alle Unternehmen<br />
länderübergreifend auf Personalsuche<br />
gehen, um ihren Personalbedarf<br />
zu stillen.<br />
Kein Sozialtourismus<br />
Für viele Jobs stehen im Ausland Spitzenkräfte<br />
bereit. Für Bürger der EU,<br />
Mitgliedsstaaten des Europäischen<br />
Wirtschaftsraums (Island, Liechtenstein,<br />
Norwegen) und der Schweiz gilt die volle<br />
Arbeitnehmerfreizügigkeit. Berufstätige<br />
und ihre direkten Familienangehörigen<br />
benötigen keine spezielle Aufenthaltsgenehmigung.<br />
Seit Jahresbeginn <strong>2014</strong><br />
haben auch rumänische und bulgarische<br />
Staatsangehörige die gleichen Rechte<br />
wie alle anderen EU-Bürger. Auch Fachkräfte<br />
aus Russland, Asien oder Südamerika<br />
sind eine interessante Option.<br />
Die im August 2012 eingeführte<br />
„Blue Card“ erleichtert es Bewerbern aus<br />
Drittstaaten, in EU-Ländern eine Arbeit<br />
aufzunehmen. Eine Blue Card erhält, wer<br />
über einen Hochschulabschluss verfügt<br />
und einen unterschriebenen Arbeitsvertrag<br />
mit einem Bruttogehalt von mindestens<br />
46.400 Euro pro Jahr nachweisen<br />
kann. In Berufen mit einem besonders<br />
hohen Fachkräftebedarf wie Ingenieure<br />
und IT-Kräfte beträgt die Verdienstgrenze<br />
nur 36.192 Euro brutto im Jahr. Laut<br />
Statistischem Bundesamt zogen allein<br />
im 1. Halbjahr 2013 über eine halbe Million<br />
Ausländer nach Deutschland. Während<br />
rund 334.000 Einwanderer aus<br />
EU-Staaten kommen, stammen etwa<br />
167.000 Menschen aus Drittländern.<br />
Die Angst vor Sozialtourismus ist<br />
unbegründet. Laut EU-Kommission<br />
gehen zwei Drittel der EU-Einwanderer<br />
einem Job nach. Zum weiteren Drittel<br />
zählen überwiegend Studenten und<br />
Rentner. Viele Einwanderer sind hochqualifiziert,<br />
teilweise sogar besser als<br />
die einheimische Bevölkerung. Das Institut<br />
der deutschen Wirtschaft hat ermittelt:<br />
19% der Gesamtbevölkerung hierzulande<br />
besitzen einen akademischen<br />
Abschluss, unter den Einwanderern sind<br />
29 % Akademiker.<br />
Teilweise überhöhte Erwartungen<br />
Wie rekrutieren Mittelständler internationales<br />
Personal? Unternehmen steht<br />
hierfür eine Vielzahl von Rekrutierungswegen<br />
offen. Neben der Zentralen Auslands-<br />
und Fachvermittlung (ZAV) der<br />
P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 2/<strong>2014</strong><br />
P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 2/<strong>2014</strong><br />
Bundesagentur für Arbeit, stehen zahlreiche<br />
Online-Jobbörsen, Jobsuchmaschinen<br />
und Business-Netzwerke zur Wahl.<br />
Wer gezielt und systematisch vorgehen<br />
möchte, schaltet einen spezialisierten<br />
Personalvermittler ein. Diese steuern<br />
den gesamten Rekrutierungsprozess und<br />
kombinieren passende Maßnahmen. Sie<br />
selektieren geeignete Kandidaten, koordinieren<br />
auf Wunsch alle Formalitäten und<br />
unterstützen bei der laufenden Personalbetreuung.<br />
Bisweilen stellen Unternehmen<br />
an ausländische Mitarbeiter überhöhte<br />
Erwartungen.<br />
Arbeitgeber sollten nicht nur in Idealprofilen<br />
denken, sondern auch alternativen<br />
Bewerberprofilen eine Chance<br />
geben. Die fachliche Qualifikation muss<br />
stimmen, aber entscheidend ist das<br />
Potenzial. Bringen Jobaspiranten viel<br />
Engagement und gute Soft Skills mit,<br />
lassen sich sprachliche oder fachliche<br />
Lücken häufig schnell mit Schulungsmaßnahmen<br />
schließen.<br />
Culture Coaching<br />
Daneben sollten Unternehmen die kulturellen<br />
Unterschiede nicht unterschätzen.<br />
Interkulturelle Zusammenarbeit bietet<br />
viele Gelegenheiten für Fettnäpfchen.<br />
Schon eine unterschiedliche Kommunikationskultur<br />
kann Konflikte heraufbeschwören.<br />
Während wir hierzulande im<br />
Gespräch schnell zur Sache kommen,<br />
schaffen andere Kulturen zunächst eine<br />
positive Atmosphäre. Erst dann sind sie<br />
Bei internationalen Talenten punkten<br />
Hochqualifizierten Kräften stehen viele Jobs offen, entsprechend wählerisch sind<br />
sie. Durch persönliche Wertschätzung können Mittelständler auch internationale<br />
Top-Kräfte für ihr Unternehmen begeistern.<br />
1. Laufende Betreuung: Wer in der Fremde arbeitet, muss viele Veränderungen<br />
meistern. Leicht fühlen sich internationale Mitarbeiter überfordert und allein<br />
gelassen. Bewährt hat sich ein Culture Coach, der bei der Umstellung auf die<br />
deutsche Business-Kultur und beim Knüpfen neuer Kontakte hilft. Dadurch sinkt<br />
die Abbruchquote deutlich.<br />
2. Schnelle Entscheidungen: Top-Kräfte können aus einer Vielzahl Arbeitgeber<br />
auswählen. Unternehmen sollten eingehende Bewerbungen zügig sichten und<br />
innerhalb von fünf Werktagen über eine Einladung zum Vorstellungsgespräch<br />
entscheiden. Sonst sind vielversprechende Kandidaten wieder vom Markt.<br />
Hübsch anzuschauen ist Deutschland allemal. Die Gewöhnung an die deutsche<br />
(Arbeits-) Mentalität ist für ausländische Fachkräfte jedoch nicht immer einfach.<br />
zu einer effizienten Informationsaufnahme<br />
bereit. Nur wer diese und andere<br />
kulturelle Besonderheiten berücksichtigt,<br />
erzeugt Teamgeist in internationalen<br />
Arbeitsgruppen. Culture Coaching erhöht<br />
die Chance, ausländische Top-Kräfte zu<br />
gewinnen und zu binden. Gerade Hochqualifizierte<br />
sind motiviert und leiden,<br />
wenn sie in den Anfangsmonaten nicht<br />
so effizient arbeiten wie gewohnt. Im<br />
Extremfall brechen sie den Einsatz ab.<br />
Culture Coaching wirkt dieser Gefahr<br />
entgegen. So fühlen sich Fachkräfte<br />
rundum wohl und können ihr volles<br />
Potenzial entfalten. Mittelständische<br />
Unternehmen sollten sich frühzeitig auf<br />
den Fachkräftemangel einstellen und ihre<br />
Bewerbungsaktivitäten überdenken. Bald<br />
bewerben sich Arbeitgeber bei gefragten<br />
Fachkräften, nicht mehr umgekehrt. Dies<br />
gilt speziell bei hochqualifizierten Kandidaten.<br />
Natürlich sollte die Bezahlung<br />
stimmen. Aber wer allein mit Geld wirbt,<br />
bekommt Mitarbeiter denen es vorrangig<br />
um die Lohntüte geht. Auch vermeintliche<br />
Kleinigkeiten sind bedeutsam. So<br />
können Mittelständler als Arbeitgeber<br />
hervorstechen und Jobkandidaten signalisieren,<br />
dass sie hier bestens aufgehoben<br />
sind (siehe Infokasten). Internationales<br />
Recruiting ist eine Herausforderung, bietet<br />
aber auch attraktive Chancen. Weitsichtige<br />
Arbeitgeber handeln jetzt und<br />
suchen länderübergreifend nach den<br />
besten Talenten. n<br />
Chris Pyak<br />
3. Keine Sprachbarriere: Selbstverständlich sollten internationale Mitarbeiter<br />
Deutsch lernen. Doch viele Positionen erfordern keine perfekten Deutschkenntnisse<br />
vom Start weg. In einer Übergangsphase von rund einem Jahr funktioniert<br />
die Kommunikation meist auch auf Englisch. Zusatznutzen: Stammkräfte können<br />
ihre Englischkenntnisse auffrischen.<br />
4. Verlockende Perspektiven: Wer die talentiertesten Mitarbeiter gewinnen möchte,<br />
sollte mit spannenden Aufgaben und exzellenten Entwicklungsmöglichkeiten<br />
aufwarten. Im Vergleich zu Großunternehmen können mittelständische<br />
Unternehmen mit flachen Hierarchien und schnellen Entscheidungswegen<br />
trumpfen. Dies gilt es offensiv zu kommunizieren.<br />
(Quelle: Immigrant Spirit GmbH,<br />
Weitere Informationen unter: www.immigrantspirit.de)<br />
(Foto: David Schiersner/Flickr.com)