P.T. MAGAZIN 02/2014
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Regional | Spezial<br />
58<br />
Per Klick zum Mechatroniker<br />
Die App „Lehrstellenradar“ findet bundesweit Ausbildungsangebote im deutschen<br />
Handwerk. Besonders gefragt: Mechatroniker und Fachverkäufer/in im<br />
Lebensmittelhandwerk<br />
Viele Tausend „Apps“ geistern mittlerweile<br />
durchs Internet. Die Mini-Anwendungen<br />
für Smartphones und Tablets<br />
gibt es inzwischen für alle Lebenslagen,<br />
Kommunikationsformen, für Arbeit<br />
ebenso wie Freizeit und Unterhaltung.<br />
Apps sind keine hochgradig komplexen<br />
Softwareprogramme, sie sind<br />
viel mehr der verlängerte, digitale Arm<br />
unserer mobilen Kultur – gerade für<br />
jüngere Menschen. Im Jahr 2013 waren<br />
88 % aller Jugendlichen zwischen 13 und<br />
19 Jahren im Besitz eines internetfähigen<br />
Handys. Wer bei dieser Zielgruppe<br />
landen möchte, braucht inzwischen<br />
mehr als ein paar Gewinnspiele in den<br />
sozialen Medien. Gefragt sind effektive,<br />
unterhaltsame wie gleichwohl nützliche<br />
Tools, die einen wirklichen Mehrwert<br />
bieten.<br />
Die Straubinger IT-Experten von<br />
ODAV sowie über 20 regionale Handwerkskammern<br />
haben unter dieser<br />
Vorgabe eine App entwickelt, die mit<br />
Relevanz, Aktualität und Design viele<br />
Jugendliche begeistern dürfte. Et voila:<br />
Das Lehrstellenradar 2.0.<br />
Ein klassisches „win-win“ im digitalen<br />
Zeitalter<br />
Im Grunde macht das „Lehrstellenradar“<br />
nichts anderes, als Jugendlichen,<br />
Schulabgängern, Eltern, Lehrern oder<br />
Ausbildungsberatern in ganz Deutschland<br />
freie Lehrstellen vorzustellen und<br />
auf direktem Weg verfügbar zu machen.<br />
Möglich wird das durch den ständig<br />
aktualisierten Zugriff auf den qualifizierten<br />
Datenbestand von derzeit über<br />
20 regional zuständigen Handwerkskammern.<br />
Jugendliche können dank der<br />
App quasi per Tastendruck am Handy<br />
eine freie Lehrstelle in ihrem Traumberuf<br />
sowie ihrem Umkreis finden.<br />
Komfortable Lösungen wie ein persönlicher<br />
Suchassistent, der automatisch<br />
mit dem Profil angelegt wird und<br />
per Push-Benachrichtigung tagesaktuell<br />
über passende Angebote informiert,<br />
sind in der App implementiert. Auf der<br />
anderen Seite profitieren auch die Ausbildungsbetriebe:<br />
In Zeiten, in denen<br />
geeigneter Nachwuchs nicht mehr auf<br />
den Bäumen wächst sondern aufgrund<br />
von Demografie, lauter Studierwilligkeit<br />
und leider auch mangelnder Kompetenz<br />
mühsam gesucht werden muss, ist es<br />
für die Handwerksbetriebe nahezu ideal,<br />
ohne großen Kostenaufwand freie Stellen<br />
für die Jugendlichen direkt auf dem<br />
Smartphone zu offerieren.<br />
Der Erfolg gibt dem Lehrstellenradar<br />
recht: 39.000 Mal wurde es mittlerweile<br />
bereits auf Smartphones und Tablets<br />
installiert. Zudem wurde die App auf der<br />
CeBIT 2013 als die beste VerwaltungsApp<br />
Deutschlands ausgezeichnet. Die Version<br />
2 bietet den Nutzern noch mehr als<br />
die Erstausgabe, etwa eine Vielzahl von<br />
Über 20 regionale Handwerkskammern<br />
liefern derzeit den Input für das Lehrstellenradar.<br />
Die App wurde als beste<br />
Verwaltungs-App Deutschlands ausgezeichnet.<br />
(Bild: Handwerkskammer Reutlingen)<br />
Suchoptionen. Auf Wunsch „alarmiert“<br />
das App den Handy-Nutzer, wenn ein seinem<br />
Suchprofil entsprechendes Ausbildungsangebot<br />
ins Netz gestellt wurde.<br />
Wer berufliche Entscheidungshilfe<br />
benötigt, kann sich vom integrierten<br />
„Berufe-Checker“ sogar helfen lassen,<br />
den eigenen Traumberuf im Handwerk<br />
herauszufiltern. Das Lehrstellenradar 2.0<br />
lässt sich kostenfrei im Apple App Store<br />
oder aus dem Google Play Store herunterladen.<br />
Ab Ende Februar <strong>2014</strong> soll<br />
die Onlinesuche übrigens auch über ein<br />
„normales“ Webportal, also ohne App,<br />
möglich sein.<br />
Über 130 Lehrberufe<br />
Aktuell werden über die Plattform zum<br />
Beispiel im Bezirk der Handwerkskammer<br />
Niederbayern-Oberpfalz fast 5.000<br />
Lehrstellen angeboten. „An Spitzentagen<br />
etwa im letzten September hatten wir<br />
bis zu 1930 Suchanfragen am Tag“, sagte<br />
Karl-Heinz Friedrich, Abteilungsleiter für<br />
den Bereich Nachwuchs im Handwerk.<br />
Unter den gefragtesten Handwerksberufen<br />
der ostbayerischen Jugendlichen<br />
sind aus der Vielfalt von 130 angebotenen<br />
Lehrberufen laut Handwerksammer<br />
Elektroniker, Maurer, Kraftfahrzeugmechatroniker,<br />
Fachverkäuferinnen im<br />
Lebensmittelhandwerk und Feinmechaniker.<br />
Während die Ausbildungspalette so<br />
vielseitig wie noch nie ist, wird aber auch<br />
etwas anders deutlich: Gürtler, Seifensieder<br />
und Sattler sind aus den Handwerksrollen<br />
verschwunden. Stattdessen baut<br />
das Handwerk jetzt Zukunftsberufe auf<br />
wie den Mechatroniker. Es entstehen<br />
immer neue Handwerksberufe, die es<br />
gestern noch nicht gab. Den „Meister<br />
Eder“, der in seiner Werkstatt in fahlem<br />
Licht und mit spartanischer Werkzeug-<br />
Ausstattung vor sich hin bastelt und<br />
kaputte Stuhlbeine anklebt, gibt es<br />
allenfalls noch in Kindersendungen des<br />
Fernsehens.<br />
P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 2/<strong>2014</strong> (Grafik:OPS Netzwerk GmbH/F. Enge)<br />
Zudem haben viele klassische Berufsbilder<br />
im Handwerk – so wie das des<br />
Schreinermeisters – ihr Gesicht in den<br />
letzten Jahren grundlegend gewandelt.<br />
Das Handwerk hat auf die elektronische<br />
Revolution in der Wirtschaft reagiert:<br />
mit ganz neuen Berufsbildern, damit<br />
Deutschlands Handwerk nicht nur „goldenen<br />
Boden“, sondern auch glänzende<br />
Zukunftsperspektiven hat.<br />
(Bild: expired)<br />
Wo viel Neues entsteht, verschwindet<br />
Altes: Traditionelle Handwerksberufe wie<br />
der des Glockengießers oder Köhlers sind<br />
am Aussterben.<br />
Die Top Ten der beliebtesten Ausbildungsberufe<br />
heute ist eine Mischung<br />
aus neuen und klassischen Berufsbildern:<br />
Kraftfahrzeugmechatroniker, Elektroniker,<br />
Verkäufer im Handel. Es folgt<br />
der Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs-<br />
und Klimatechnik, ein Beruf, der<br />
vor allem durch die Energiewende und<br />
die wachsende Nachfrage nach Solar-<br />
und Wärmepumpentechnik enormen<br />
Aufschwung erlebt, heißt es seitens der<br />
Handwerksammer Niederbayern-Oberpfalz.<br />
Bei Jugendlichen weiterhin sehr<br />
beliebt: der Beruf des Metallbauers, Friseure,<br />
Bürokaufleute, Maurer, Feinmechaniker<br />
und Schreiner.<br />
Andere Berufe gibt es zwar noch auf<br />
dem Papier, doch kaum einer der alten<br />
Meister bildet noch Nachwuchs aus. Das<br />
gilt zum Beispiel für die Ausbildung zum<br />
Gerber.<br />
Spiegelbild der Moderne: Mechatroniker<br />
Als typisches Beispiel für den Wandel<br />
im Handwerk sehen die Experten der<br />
Kammer die dreieinhalbjährige Lehre<br />
zum Kfz-Mechatroniker. Die Ausbildung<br />
vereint Elemente aus Elektrik, Mechanik<br />
und Automatisierungstechnik. „Dieser<br />
Beruf hat Zukunft, weil im Berufsleben<br />
immer mehr Flexibilität gefragt ist. Der<br />
Mechatroniker ist die Antwort des Handwerks<br />
auf diese Herausforderungen“, so<br />
ein Sprecher. Innerhalb der letzten drei<br />
Jahre hat sich der Kraftfahrzeugmechatroniker<br />
mit deutschlandweit rund<br />
70.000 Ausbildungsverhältnissen – das<br />
ist mehr als jeder achte Azubi im Handwerk<br />
– zu Deutschlands beliebtestem<br />
Handwerksberuf entwickelt. Neu entstanden<br />
sind in den letzten Jahren auch<br />
Berufe wie der Kfz-Servicemechaniker<br />
und der Fahrradmonteur.<br />
„Seit 1998 wurden fast alle der rund<br />
124 Ausbildungsberufe neu geordnet und<br />
an den aktuellen technischen Standards<br />
und Anforderungen am Arbeitsmarkt<br />
ausgerichtet“, erklärte eine Sprecherin<br />
des Zentralverbands Deutschen Handwerks<br />
in Berlin. Viele Traditionsgewerke<br />
bekamen auch einen neuen Namen:<br />
So wurde beispielsweise aus dem<br />
Schriftsetzer ein „Mediengestalter für<br />
Digital- und Printmedien“, der Bürokaufmann<br />
bzw. Kaufmann für Bürokommunikation<br />
ist seit diesem Jahr<br />
ein vereinheitlichter „Kaufmann für<br />
Büromanagement“. Nur der Müller<br />
bleibt auch zukünftig ein Müller. Die<br />
Umbenennung des Getreideexperten in<br />
„Verfahrenskraft in der Getreide- und<br />
Futtermittelwirtschaft“ hat das Bundeswirtschaftsministerium<br />
sinnvollerweise<br />
abgelehnt. n