Fo - UniversitätsVerlagWebler
Fo - UniversitätsVerlagWebler
Fo - UniversitätsVerlagWebler
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Fo</strong>-Gespräch<br />
<strong>Fo</strong><br />
entfernten und kontinentalen Kontexte afrikanischer<br />
oder lateinamerikanischer Länder und Gesellschaften so<br />
gut verstehen, als dass wir zielgerichtet von uns aus Projekte<br />
aufgleisen können. Hier, auf unbekanntem Terrain,<br />
hier, wo die einfache Übertragung gesicherten Wissens<br />
in unseren Kontexten auf eben diese anderen nicht gelingen<br />
kann, hier muss man viel mehr in die Vorphase<br />
der Projektkonzipierung investieren: In Expertenrunden,<br />
inhaltliche und organisatorische Findungsprozesse, Bestimmungsrunden<br />
erwartbarer Resultate – und das<br />
immer weiter und intensiver unter Einbezug lokaler erfahrener<br />
Partner, die ja auch nicht so einfach einer<br />
Schweizer Stiftung in den Schoss fallen. Dann, wenn ein<br />
Erwartungs- und Erkenntnisrahmen steht, eine begrenzte<br />
programmatische Ausschreibung, an der operative<br />
Partner sich mit ihren eigenen, ich betone, eigenen Projektvorstellungen<br />
sich bewerben können. Dies gibt uns<br />
Überblick und, weil wir in einer Initiative mehrere Projekte<br />
in unterschiedlichen Räumen einer Region fördern,<br />
die einzigartige Möglichkeit der Vernetzung eben dieser<br />
kompetitiv ausgewählten Partner. Und letztlich: Eine extrem<br />
intensive Moderation und Begleitung über die gesamte<br />
Projektlaufzeit, um auf der operativen Ebene und<br />
der zentralen Förderebene Lernerfahrungen zu bündeln<br />
und Nachsteuerungen zu ermöglichen.<br />
<strong>Fo</strong>: Wie alle Initiativen, die sich die Änderung sozialer<br />
Verhältnisse zum Ziel setzen, stellen sich Fragen der Änderungsstrategien<br />
– nicht zuletzt auch Fragen, ob die<br />
etablierte Macht solche Projekte zulässt bzw. wie hoch<br />
der „Wegezoll” ist, den diese Mächtigen erheben, wenn<br />
das Projekt schon nicht ihnen direkt zugute kommt<br />
(Stichwort bribery). Eine Steigerung der Wirtschaftskraft,<br />
mehr und zahlungskräftigere Steuerzahler sind<br />
zwar auch im Europa des 18. Jahrhunderts eine starke<br />
Änderungskraft gewesen. Aber das ist zunächst ein sehr<br />
abstrakter Vorteil, der sich u.U. erst in Jahrzehnten ausmünzt.<br />
In 60 Jahren Entwicklungshilfe ist deutlich geworden,<br />
dass Maßnahmen verpuffen, wenn sie wie<br />
punktuelle Geschenke über die Bevölkerung kommen.<br />
Mit „verpuffen” ist gemeint, dass Geld oder geldwerte<br />
Vorteile in den Bevorteilungsstrukturen der betreffenden<br />
Gesellschaft verschwinden. Investition in Menschen,<br />
deren Bewusstsein und Fähigkeiten ist aussichtsreicher,<br />
weil es schwerer enteignet werden kann. Stellt<br />
sich die Frage, ob die Hilfe schon durch die Personalauswahl<br />
der begünstigten Personen überhaupt bei der breiten<br />
Bevölkerung ankommt oder nicht schon wieder nur<br />
denen zugute kommt, die bereits Teil des Macht- und<br />
Vorteilssystems sind. Solche Umstände habe ich in mehreren<br />
Ländern beobachten können, insbesondere im<br />
Osten und im Süden. Ich habe kürzlich in einem Projekt<br />
in Äthiopien gearbeitet. Das Projekt als solches war von<br />
Zielen und Maßnahmen her sinnvoll, hatte hohe Multiplikatorwerte<br />
(ließ also Nachhaltigkeit erwarten) – und<br />
war doch in seiner potentiellen Wirkung stark eingeschränkt,<br />
weil es an den strukturellen und politischen<br />
Rahmenbedingungen des Landes zu scheitern drohte,<br />
die das Projekt selbst nicht ändern konnte.<br />
B.E.: Sie liefern inhaltlich die Begründung für unsere Jacobs<br />
<strong>Fo</strong>undation Initiative nach, die ich nicht besser<br />
hätte beschreiben können.<br />
<strong>Fo</strong>: Wenn ich mir die Projekte der Jacobs <strong>Fo</strong>undation<br />
anschaue, die direkt vor Ort an sozialen Brennpunkten<br />
praktische Hilfe leisten, dann wirken solche Projekte<br />
zunächst uneingeschränkt attraktiv, weil sie reale, wenn<br />
auch punktuelle Hilfe bringen, weil sie die Helfer immer<br />
neu motivieren und ihnen die Sinnhaftigkeit ihres Tuns<br />
vor Augen führen. Ich denke, nicht nur nach außen, sondern<br />
auch in einer Stiftungsdynamik nach innen sind solche<br />
Projekte notwendig. Aber sowohl bei der Nachhaltigkeit<br />
nach Auslaufen der Sondermaßnahme, als auch<br />
bei der Frage der Systemwirksamkeit, d.h. dem Veränderungspotential<br />
für die Rahmenbedingungen, bleiben<br />
viele Fragen offen, die die Kosten-Nutzen-Relation in<br />
Frage stellen.<br />
B.E.: Das ist eine recht destruktiv-fatalistische Sicht, die,<br />
wenn Sie sie auf ein Individuum beziehen würden, ihm<br />
jeden Handlungsmut raubte, so auch dem Stiftungshandeln.<br />
Ich denke hier eher in Richtung kompetenzgestützte<br />
Optimierung der eigenen Vorhaben, vom Design,<br />
Instrumentenauswahl, Prozesssteuerung bis hin zu<br />
realistischen Ergebniserwartungen. Nur weil die Aufgabe<br />
eine schwierige ist, die zumeist nur durch vielfältige Ansätze<br />
und Akteure bewältigt werden kann, heißt dies<br />
doch nicht, dass die Kosten immer höher sein müssen<br />
als der erzeugte Nutzen. Multikausalität in der Problemverursachung<br />
und in der Problemlösung darf doch nicht<br />
dazu führen, dass der je einzelne Teil nicht beigesteuert<br />
werden muss. Wie immer ich gegen zu hohe oder unrealistische<br />
Ansprüche, gegen die Architekten potemkinscher<br />
Dörfer im Stiftungswesen anrede, so wenig kann<br />
ich der These etwas abgewinnen, Stiftungshandeln im<br />
Bereich sozialer Intervention könne nicht effizient sein<br />
und begründen nur Einzelfallhilfen mit der Nachhaltigkeit<br />
von Tropfen auf den heißen Stein. Im Gegenteilund<br />
es gibt mannigfach bewundernswerte Beispiele<br />
nachhaltigen Erfolges.<br />
<strong>Fo</strong>: Wir wollen noch einmal insistieren: Wenn die Missstände<br />
so allgegenwärtig sind, dass Eingriffe etwas Beliebiges<br />
bekommen (weil überall dringender Interventionsbedarf<br />
herrscht), dann scheinen Initiativen nur in zwei<br />
Kontexten sinnvoll: a) zur Ursachenbekämpfung und<br />
(damit kommen wir uns näher) b) als modellhafte Lösungen<br />
für verbreitete Probleme, an denen gezeigt werden<br />
kann, wie Übertragungen auf Tausende andere Fälle<br />
und eine dortige Problemlösung gelingen können. Aber<br />
dann muss das Exemplarische herausgearbeitet werden:<br />
Für welche Klasse von Erscheinungen steht das Exempel?<br />
Welche Art Defizite betrifft das Projekt genau? Wie<br />
ist der Geltungsraum (zeitlich, geographisch, von (z.B.<br />
kulturellen) Merkmalen eingegrenzt). Diese Merkmale<br />
und Bedingungen habe ich in den öffentlich zugänglichen<br />
Projektbeschreibungen so explizit nicht finden<br />
können. Wäre das eine Zukunftsperspektive der Förderpraxis?<br />
36 <strong>Fo</strong> 2+3/2010