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<strong>Fo</strong><br />
W.-D. Webler • Neue Grundlagen für Berufungen in Professorenämter<br />
Wolff-Dietrich Webler<br />
Neue Grundlagen für Berufungen in Professorenämter:<br />
Das <strong>Fo</strong>rschungsportfolio (und daneben das Lehrportfolio)<br />
Wolff-Dietrich<br />
Webler<br />
I. Zur Notwendigkeit des Wandels der<br />
Berufungen in Professorenämter<br />
1. Einleitung<br />
Die Personalauswahl für Spitzenpositionen gehört zu<br />
den riskantesten Entscheidungen, die eine Organisation<br />
treffen kann. Auf Hochschulen als Berufsfeld zugespitzt,<br />
steht diesem Risiko und dieser Bedeutung nach wie vor<br />
– ungeachtet der einschlägigen Erkenntnisse der entsprechenden<br />
Subdisziplinen der Psychologie, Betriebswirtschaft<br />
und Soziologie – ein erstaunlich unprofessioneller<br />
Auswahl- und Entscheidungsmodus gegenüber.<br />
Zwar wird immer wieder – oft als Günstlingswirtschaft<br />
missverstanden (und nur in wenigen Fällen wirklich zutreffend)<br />
– der Versuch gemacht, das Risiko einer Fehlentscheidung<br />
zu reduzieren, indem von der Auswahlkommission<br />
ihr bereits bekannte Personen ausgewählt<br />
werden, aber dieser Vorteil wird dadurch reduziert, dass<br />
damit nicht gewährleistet ist, die beste verfügbare Person<br />
zu berufen. Wären die angewandten Auswahlmethoden<br />
besser, könnte der Kreis stärker geöffnet werden,<br />
in dem gesucht wird. Das Problem ist bekannt und<br />
oft beschrieben. Unprofessionell sind viele Verfahren vor<br />
allem aus zwei Gründen: a) wegen völlig unzureichender<br />
Auswahlkriterien, die die wirklichen späteren Berufsanforderungen<br />
nicht annähernd abbilden, sodass eine Prognose<br />
über den Berufserfolg nach einer Berufung einseitig<br />
und spekulativ bleibt (Problem der Informationsbreite).<br />
b) Wegen unzureichend gründlicher Informationen<br />
über die zur Auswahl stehenden Personen (Problem<br />
der Informationstiefe). Das Problem mangelnder Informationsbreite<br />
besteht darin, dass die angewandten Kriterien<br />
nicht nur unvollständig sind; sie bilden oft ein<br />
falsches, weil einseitiges Berufsbild ab. Damit ist zum<br />
einen die bekannte einseitige <strong>Fo</strong>rschungsorientierung<br />
gemeint; aber selbst die ist meistens auf Individualleistungen<br />
bezogen und vernachlässigt die Fähigkeit, <strong>Fo</strong>rschungsteams<br />
zu bilden und erfolgreich zu leiten, und<br />
viele mit <strong>Fo</strong>rschungsmanagement zusammenhängenden<br />
Kompetenzen sind an den Publikationen kaum ablesbar.<br />
Zum anderen ist die mangelnde Einbeziehung aller anderen<br />
Anforderungen dieses Berufes in Lehre, Weiterbildung,<br />
Förderung des Nachwuchses, in der akademischen<br />
Selbstverwaltung, im Transfer und bei öffentlichen<br />
Beratungs- und Popularisierungsleistungen und nicht<br />
zuletzt – zu Unrecht immer wieder vergessen – als Vorgesetzter<br />
des wissenschaftlichen, technischen und Verwaltungspersonals<br />
zu beobachten, die sich oft rächt.<br />
Eine Reform der Berufungsverfahren betrifft also einerseits<br />
die Akzeptanz eines zeitgemäßen Berufsbildes und<br />
infolgedessen eine Erweiterung (und Neugewichtung)<br />
der Auswahlkriterien. Professionalisierung betrifft in diesem<br />
Zusammenhang auch das Ende abenteuerlicher<br />
(weil nie geprüfter) Alltagstheorien von der Art: „Gute<br />
<strong>Fo</strong>rscher sind auch gute Lehrer” oder „Man kann nicht<br />
beides gleichzeitig sein; wer gut forscht, muss nicht<br />
auch noch gut lehren können”.oder „zur Lehre muss<br />
man geboren sein; man kann´s oder auch nicht”. Aber<br />
das zweite Problem betrifft die mangelnde Informationstiefe.<br />
Die üblicherweise in Berufungsverfahren angeforderten<br />
Unterlagen sind nicht aussagekräftig genug.<br />
An diesen beiden Problemfeldern setzt der nachstehende<br />
Aufsatz an und entwickelt Lösungsvorschläge. Dabei<br />
wird nicht verkannt, dass jede verbreitete Anwendung<br />
von Auswahlkriterien selbstverständlich das Darstellungs-<br />
und schließlich das Qualifizierungsverhalten potentieller<br />
Kandidat/innen verändert. Wenn damit einige<br />
unterschätzte Aspekte des Berufsbildes größere Aufmerksamkeit<br />
erhielten, wäre das erwünscht.<br />
Die Empfehlungen, die der Wissenschaftsrat 2005 zur<br />
Ausgestaltung von Berufungsverfahren vorgelegt hat<br />
(WR 2005), gingen zwar in die richtige Richtung; aber<br />
etwa mit einer Empfehlung an Berufungskommissionen,<br />
wesentlich mehr Zeit im Gespräch mit den Kandidat/innen<br />
in der engsten Wahl zu verbringen – etwa 1-2 Tage<br />
– wird die mangelnde Informationsgrundlage und mangelnde<br />
Orientierung der Berufungskriterien an den<br />
tatsächlichen beruflichen Anforderungen durch bloße<br />
Erweiterung mündlicher, ad hoc gegebener Auskünfte<br />
nicht gelöst. Da sie sich auch nicht schriftlich niederschlagen,<br />
können sie weder verläßlich in die Listenentscheidung<br />
des Fachbereichsrates, noch aktenmäßig dokumentiert<br />
in die Berufungsentscheidung der Hochschulleitung<br />
eingehen; damit finden sie keinen verlässlichen<br />
Eingang in die Auswahlentscheidung oberhalb der<br />
Berufungskommission. Obendrein bleibt viel zu viel dem<br />
Zufall und der jeweiligen momentanen Eingebung und<br />
Improvisationsfähigkeit der Kommissionsmitglieder<br />
überlassen, welche Fragen überhaupt gestellt werden<br />
und ob zumindest die gleichen Hauptfragen an alle Kandidaten<br />
gestellt werden – das ist kein professionelles<br />
<strong>Fo</strong> 2+3/2010<br />
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