Fo - UniversitätsVerlagWebler
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<strong>Fo</strong>rschungsentwicklung/-politik<br />
<strong>Fo</strong><br />
Vorgehen, sondern verstößt gegen Basisforderungen der<br />
Objektivität, Reliabilität und Validität, die auch an solche<br />
Verfahren zu stellen sind.<br />
Traditionelle Berufungsverfahren suchten quantitative<br />
und qualitative Aspekte zu kombinieren. Produktivität in<br />
der Wissenschaft stand dabei im Mittelpunkt, gespiegelt<br />
in der Zahl der Publikationen und dem Rang der Publikationsorte<br />
(wiederum gespiegelt in Impactpunkten), in<br />
Zahl und Umfang von <strong>Fo</strong>rschungsprojekten und der<br />
Höhe der eingeworbenen Drittmittel (über die Begutachtungen<br />
jeweils qualitativ abgesichert). Aber diese Dimensionen<br />
reichen nicht für eine Berufungsentscheidung<br />
in eine Professur aus. Auf beiden Ebenen (der Informationsbreite<br />
und -tiefe) muss nachgebessert werden.<br />
Zum einen setzt sich <strong>Fo</strong>rschungskompetenz viel differenzierter<br />
aus Einzelkompetenzen zusammen, als das<br />
bisher gespiegelt wurde. Und zum anderen umfassen die<br />
beruflichen Anforderungen viele andere Dimensionen,<br />
deren Relevanz, aber auch Perfektionsnotwendigkeit<br />
wesentlich gestiegen ist, sodass sie nicht mehr als Nebensache<br />
behandelt werden können. Für diesen Aspekt<br />
der Vielfalt beruflicher Anforderungen folgt nachstehend<br />
noch einmal eine Skizze der Wandlungen des Berufsbildes,<br />
die einer Eignungsprognose zu Grunde zu<br />
legen sind. Und für die Informationstiefe sorgt die<br />
gründlichere, dabei auch reflektierte Zusammenfassung<br />
von Quantität und Qualität in <strong>Fo</strong>rm eines neuen „<strong>Fo</strong>rschungsportfolio”,<br />
das als Instrument hier zum ersten<br />
Mal vorgestellt wird. Dies stellt ein Entwicklungsinstrument<br />
für die jungen <strong>Fo</strong>rscher/innen und eine kommissionsfreundliche<br />
Bündelung von Informationen für Beurteilungsprozesse<br />
dar. Auf das schon länger existierende,<br />
aus Canada stammende und im angelsächsischen Raum<br />
mittlerweile unverzichtbare Instrument der reflektierten<br />
Dokumentation der Lehrkompetenz – das „Lehrportfolio”<br />
– kann hier nur verwiesen werden (z.B. Seldin<br />
1997). Der Verfasser hat sich intensiv damit auseinander<br />
gesetzt (Publikation in Vorbereitung). Der Wissenschaftsrat<br />
hatte so etwas grundsätzlich gefordert, aber in<br />
seiner Operationalisierbarkeit allenfalls angedeutet:<br />
Wenn bekannt, hielt er dieses Instrument seinerzeit<br />
wohl in Deutschland (noch) nicht für durchsetzbar. Das<br />
Lehrportfolio ist für seinen Zweck (reflektierte Dokumentation<br />
der Lehrkompetenz und des Entwicklungsweges<br />
dorthin) wenn richtig angewandt – hervorragend<br />
geeignet, in Deutschland aber noch nicht allgemein bekannt.<br />
In einigen Berufungen hat es bereits sehr geholfen,<br />
seine Einführung kommt aber nur langsam voran.<br />
2. Gewandeltes Berufsbild des<br />
Hochschullehrers<br />
Die Anforderungen an Hochschullehrer haben sich in<br />
den letzten 30 Jahren gravierend verändert (in einigen<br />
Fachgebieten allerdings schon wesentlich länger). Die<br />
Entwicklung hängt eng mit der betriebsförmigen Erzeugung<br />
neuer Erkenntnisse zusammen, die selbst in die Bereiche<br />
vorgedrungen ist, die früher typische Individualleistungen<br />
aufwies. Allerdings wird dem Nachwuchs in<br />
vielen Bereichen ein Bild vorgelebt und verstärkt, das<br />
Aufgaben außerhalb der <strong>Fo</strong>rschung allenfalls als lästige<br />
Pflichten und „Ablenkung vom Wesentlichen“ ansieht.<br />
Diese Weigerung, die Wandlung des Berufsbildes selbstverständlich<br />
zu nehmen (obwohl einer unwiderbringlichen<br />
Vergangenheit nachzuhängen sinnlos und Widerstand<br />
gegen die Tatsachen der Gegenwart zwecklos ist),<br />
führt nicht nur zu ständiger Unzufriedenheit (und damit<br />
Verschleiß von Energien), sondern auch zu der Weigerung,<br />
sich adäquat – d.h. auf einem professionellen Niveau<br />
– mit den weit gefächerten Aufgaben moderner<br />
Hochschullehrer auseinander zu setzen und sich die notwendigen<br />
Fähigkeiten auf dem gleichen Niveau anzueignen,<br />
das für die <strong>Fo</strong>rschung als selbstverständlich gilt. Da<br />
sich in diesem Hang zur Vergangenheit noch immer zu<br />
viele Kollegen einig sind, kommt eine breitere Vorbereitung<br />
des Nachwuchses nur gefährlich langsam voran.<br />
Gefährlich deshalb, weil sich das deutsche Wissenschaftssystem<br />
einen solches Hinterher-Hinken nicht länger<br />
leisten kann.<br />
Die Anforderungen werden nicht nur in die Rahmenbedingungen<br />
für <strong>Fo</strong>rschung und Lehre (einschließlich Weiterbildung)<br />
hinein erweitert, sondern auch innerhalb der<br />
<strong>Fo</strong>rschungsgebiete selbst. Infolgedessen richtet sich der<br />
Widerstand auch deshalb gegen eine ständige Ausweitung<br />
der Aufgaben, weil allein im engeren eigenen <strong>Fo</strong>rschungsgebiet<br />
der Erkenntniszuwachs sich so beschleunigt<br />
hat, dass er kaum mehr kontinuierlich verfolgt werden<br />
kann. Nicht nur eine adäquate, steigende Spezialisierung<br />
im eigenen <strong>Fo</strong>rschungsgebiet, die den Kompetenzbereich<br />
in einem bearbeit- und beherrschbaren <strong>Fo</strong>rmat<br />
halten soll, ist kaum im erforderlichen Maß möglich,<br />
sondern gleichzeitig werden wachsende Erwartungen an<br />
interdisziplinäre, interinstitutionelle und internationale<br />
Zusammenarbeit gerichtet, sodass der Erwartungs- und<br />
Arbeitsdruck zunimmt. Dann ist immerhin nachvollziehbar,<br />
dass weitere Aufgaben außerhalb der unmittelbaren<br />
<strong>Fo</strong>rschung eher zurückgewiesen als angenommen werden.<br />
Trotzdem muss man sich den Tatsachen stellen.<br />
Eine professionelle Ausübung der gewachsenen Aufgaben<br />
reduziert – nach der Phase des Erwerbs – den Aufwand<br />
bei der Ausübung erheblich – Auffrischungen und<br />
Erweiterungen eingeschlossen.<br />
Der vorliegende Artikel beschäftigt sich zwar schwerpunktmäßig<br />
mit <strong>Fo</strong>rschungsaspekten, bettet sie aber in<br />
das gesamte Berufsbild ein. Um neue Einseitigkeiten zu<br />
verhindern: Der Verfasser vertritt eine Balance zwischen<br />
<strong>Fo</strong>rschung und Lehre, eine erheblich engere Verknüpfung<br />
von beiden im forschenden Lernen der Studierenden<br />
(möglichst früh im Studium beginnend, z.B. von<br />
einem Erstsemester-Projekt an) eine ausreichende Vorbereitung<br />
auf die Aufgaben des Wissenschaftsmanagements<br />
und derr akademischen Selbstverwaltung, sodass<br />
sie möglichst professionell wahrgenommen werden<br />
kann. <strong>Fo</strong>rschung soll nicht in seiner Bedeutung relativiert<br />
werden – im Gegenteil, sogar qualitativ gesteigert<br />
werden – aber die anderen Aufgaben der Hochschulen<br />
sind gesellschaftlich nicht minder bedeutungsvoll. Eine<br />
professionelle Vorbereitung auf dieses Aufgabenspektrum<br />
enthält heute noch erhebliche Einsparungs- und<br />
Effektivierungspotentiale, sodass eine Überlastung des<br />
Nachwuchses ausgeschlossen werden kann.<br />
68 <strong>Fo</strong> 2+3/2010