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Jahrgang 81 Nr. 2 - Reformierte Siebenten-Tags-Adventisten in ...

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„Es ist so leicht, jemandem e<strong>in</strong>e<br />

Freude zu machen!“. Das wird gern<br />

behauptet. Doch irgendwie mag ich<br />

es nicht glauben, denn ich habe ganz<br />

anderes erlebt. Vielleicht s<strong>in</strong>d eure<br />

Versuche, andere zu erfreuen, auch<br />

schon danebengegangen. Warum ist<br />

das so?<br />

14<br />

Konnten sich die K<strong>in</strong>der<br />

früher mehr freuen?<br />

Welch e<strong>in</strong>e merkwürdige Frage. Ihr<br />

wisst sicher, wie arm die Menschen<br />

früher waren und wie entbehrungsreich<br />

das Leben war. Wenn me<strong>in</strong>e<br />

Großmutter von ihrer K<strong>in</strong>dheit erzählte,<br />

sprach sie davon, wie sie heimlich<br />

aus der Speisekammer der Stiefmutter<br />

etwas Essbares mauste und dann<br />

entsprechend bestraft wurde. Das war<br />

zu Anfang des 20. Jahrhunderts.<br />

Me<strong>in</strong>e Mutter verbrachte ihre K<strong>in</strong>dheit<br />

<strong>in</strong> den Kriegs- und Nachkriegsjahren<br />

des Zweiten Weltkrieges. Sie<br />

kann sich gar nicht er<strong>in</strong>nern, als<br />

kle<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>d Spielzeug gehabt zu haben.<br />

Die K<strong>in</strong>der spielten mit dem, was<br />

Liebe K<strong>in</strong>der und liebe Jugend!<br />

Das Geheimnis der Freude<br />

Die K<strong>in</strong>der von l<strong>in</strong>ks:<br />

me<strong>in</strong>e Mutter mit vier Jahren<br />

ca. 1943, ihre Freund<strong>in</strong><br />

und ihr kle<strong>in</strong>er Bruder.<br />

die Natur ihnen bot. So wurden gern<br />

Bunker <strong>in</strong> die Erde gegraben und auf<br />

e<strong>in</strong>er Feuerstelle e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Mahlzeit<br />

zubereitet. Me<strong>in</strong>e Mutter weiß<br />

noch, dass sie aus e<strong>in</strong>er Puppenbadewanne<br />

Kohlrüben aß. Als sie ungefähr<br />

10 Jahre alt war, brachten ihr die Eltern<br />

Puppenmöbel aus Berl<strong>in</strong> mit. Das<br />

war ca. 1949. Nach dem Krieg sahen<br />

die Geschenkwünsche der K<strong>in</strong>der so<br />

aus: alle bekamen ger<strong>in</strong>gelte, selbst<br />

gestrickte Socken und Handschuhe.<br />

Die Farben der R<strong>in</strong>gel durften sich die<br />

K<strong>in</strong>der aussuchen.<br />

Me<strong>in</strong>e Mutter hatte e<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong>,<br />

e<strong>in</strong>e reiche Bauerntochter. Natürlich<br />

hatte sie viel mehr an Spielzeug,<br />

Kleidung und auch Essen<br />

als die Tagelöhnerfamilie me<strong>in</strong>er<br />

Mutter, zu der <strong>in</strong>sgesamt sechs<br />

Geschwister gehörten. Es war<br />

nicht e<strong>in</strong>fach für me<strong>in</strong>e Mutter,<br />

den großen Unterschied <strong>in</strong> den<br />

Besitzverhältnissen zu sehen.<br />

Mit die schlimmste Erzählung<br />

stammt von 1945 als die ganze<br />

Familie mit e<strong>in</strong>em Treck vor der<br />

russischen Armee fliehen musste.<br />

Wie furchtbar das alles war,<br />

haben die K<strong>in</strong>der damals gar<br />

nicht verstanden. Für die Jüngeren<br />

war es fast e<strong>in</strong> Abenteuer.<br />

Me<strong>in</strong>e Mutter fand damals e<strong>in</strong>e<br />

riesige, wunderschöne Puppe<br />

im Straßengraben. Tagelang<br />

schleppte sie diese Kostbarkeit<br />

mit – bis sie die große Puppe<br />

nicht mehr tragen konnte. Dann<br />

musste sie ihre geliebte Puppe<br />

am Wegesrand zurücklassen. Es<br />

war e<strong>in</strong>fach nicht möglich, für e<strong>in</strong><br />

Spielzeug Platz auf dem Wagen zu<br />

machen. Wenn me<strong>in</strong>e Mutter heute<br />

diese Geschichte erzählt, kommen<br />

ihr immer noch die Tränen – weniger<br />

wegen der Puppe, sondern überhaupt<br />

wegen der schlimmen Zeit damals.<br />

Zur Konfirmation bekam me<strong>in</strong>e Mutter<br />

von ihrer Freund<strong>in</strong> etwas ganz besonderes<br />

geschenkt: drei weiße Taschentücher<br />

aus Berl<strong>in</strong>! In die Ecken<br />

waren kle<strong>in</strong>e Blumensträuße gestickt.<br />

Die Freude darüber war riesig!<br />

Konnten sich die K<strong>in</strong>der früher mehr<br />

freuen? Ne<strong>in</strong>. Aber sie konnten sich<br />

viel mehr über kle<strong>in</strong>e und wenige D<strong>in</strong>ge<br />

freuen!<br />

E<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dheit vor 30 Jahren<br />

Das kann ich bei ke<strong>in</strong>em besser<br />

e<strong>in</strong>schätzen als bei mir. Ich hatte eigentlich<br />

alles, was man braucht – und<br />

trotzdem natürlich noch viele Wünsche.<br />

Aus heutiger Sicht waren me<strong>in</strong>e<br />

Wünsche allerd<strong>in</strong>gs lächerlich. Ich<br />

weiß noch, dass ich mir lange Zeit Filzstifte<br />

wünschte, denn für mich gab es<br />

nur Buntstifte. Es musste doch himmlisch<br />

se<strong>in</strong>, mit so kräftigen Farben zu<br />

malen! Filzstifte waren <strong>in</strong> der DDR<br />

nicht nur teuer, sie taugten auch nicht<br />

viel. Wer also ke<strong>in</strong>e Westbeziehungen<br />

hatte, war arm dran. Wenn mir unsere<br />

Pfarrersfamilie zu Weihnachten e<strong>in</strong>e<br />

Packung mit vier Stiften schenkte,<br />

war das riesig für mich. Später habe<br />

ich mir die leeren Filzstifte „aus dem<br />

Westen“, die me<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong>nen<br />

wegwerfen wollten, erbettelt und mit<br />

bunter T<strong>in</strong>te nachgefüllt. Das war mir<br />

schon Freude genug.<br />

Me<strong>in</strong>e Eltern haben mir viele Wünsche<br />

erfüllt und als e<strong>in</strong>zige Tochter<br />

wohl auch e<strong>in</strong> bisschen verwöhnt.<br />

Ich weiß aber, wie me<strong>in</strong> Vater darunter<br />

gelitten hat, dass er trotz allen<br />

Fleißes mir nicht die D<strong>in</strong>ge kaufen<br />

konnte, die andere aus den Westpaketen<br />

auspackten. Als mir me<strong>in</strong>e Mutter<br />

e<strong>in</strong>en modernen Pullover stricken<br />

ließ und ihn die anderen Mädchen<br />

<strong>in</strong> der Schule lobten, freute ich mich<br />

sehr. E<strong>in</strong> Lexikon <strong>in</strong> vier Bänden habe<br />

ich <strong>in</strong> Etappen geschenkt bekommen,<br />

immer so wie me<strong>in</strong>e Eltern es durch<br />

gute Beziehungen zur Buchhändler<strong>in</strong><br />

kaufen konnten.<br />

War ich leichter zu erfreuen als heutige<br />

K<strong>in</strong>der? Vielleicht. Auf jeden Fall<br />

musste ich auf viele Freuden länger<br />

warten. Das hatte unter anderem zur<br />

Folge, dass ich die Freuden länger<br />

schätzte als es heute üblich ist. Bunte<br />

Stifte haben bei mir immer noch e<strong>in</strong>en<br />

besonderen Wert und das vierbändige<br />

Lexikon steht natürlich <strong>in</strong> unserem<br />

Bücherregal.<br />

Der Sabbatwächter

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