Sachsenwald aktuell - Geesthachter Anzeiger
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Text und Foto: Stephanie Rutke<br />
Schon zweimal konnte ich über die<br />
umfangreichen Ermittlungen zum<br />
Schicksal des vermissten Aumühler<br />
Soldaten Rudolf Schumacher, geb.<br />
6.7.1923 in Aumühle, berichten.<br />
Schritt für Schritt ging es weiter bei<br />
der Aufklärung, auch 64 Jahre nach<br />
den Rückzugskämpfen aus Russland.<br />
Rückblick:<br />
Der Soldat wird seit Ende Juni<br />
1944, nach Beginn der russischen<br />
Sommeroffensive, bei den Kämpfen<br />
südwestlich von Minsk vermisst.<br />
Das letzte Lebenszeichen, per<br />
Feldpost, datiert mit dem<br />
18.6.1944, erreichte dessen Mutter<br />
hier in Aumühle. Kurz zuvor war<br />
der Soldat aus dem Heimaturlaub<br />
an die Ostfront befohlen worden.<br />
Im August 1944 stellte die Feldgendarmerie<br />
im Ort Ermittlungen nach<br />
dem Soldaten an. Dieser war von<br />
seiner Einheit erstmals vermisst gemeldet<br />
worden. Gerüchte, dass sich<br />
der Soldat damals von seiner Einheit<br />
abgesetzt hatte beziehungsweise<br />
dort nie angekommen war,<br />
konnten nun endgültig ausgeschlossen<br />
werden. Die Feldpostnummer<br />
gehörte zu der Einheit des<br />
Werferregimentes 53, wo der vermisste<br />
Schumacher angegliedert<br />
war. Es steht eindeutig fest, dass der<br />
Mann in diesem Frontabschnitt<br />
war. Der selbst geschriebene Brief<br />
mit der Feldpostnummer 41435<br />
wurde von der Ostfront nach Aumühle<br />
transportiert.<br />
Somit war der junge Mann an der<br />
Ostfront und hat an den besagten,<br />
mit vielen Verlusten verbundenen<br />
Kämpfen teilgenommen. Eine Gefangenschaft<br />
kam von Anfang an<br />
nicht in Frage. Der Mann steht weiterhin<br />
auf der <strong>aktuell</strong>en Suchliste<br />
62 AKTUELL | 12 | 08<br />
Martinsspiel in der Aumühler Kirche<br />
Laternenumzug<br />
Das Martinsspiel ist eine Tradition, auf die in Aumühle niemand verzichten<br />
möchte. Deshalb kamen in diesem Jahr auch wieder jede Menge Kinder<br />
mit Eltern und Geschwistern zum gemeinsamen Laternenumzug. Sankt<br />
Martin ritt auf seinem Pferd vorweg, viele bunte Laternen folgten ihm bis<br />
zum Bismarckturm. Dort gab es in diesem Jahr zum ersten Mal eine kleine<br />
Überraschung: Von der Turmspitze erklang Musik. Dann ging es weiter in<br />
die Kirche, wo die Konfirmanden die Geschichte von Sankt Martin sangen<br />
und spielten. Regie hatte in diesem Jahr zum ersten Mal Michaela Klötzner,<br />
für die es einen wohlverdienten Applaus gab. Nur die beliebten Martinsgans-Kekse<br />
waren in diesem Jahr etwas knapp bemessen. Denn auch an<br />
dieser Tradition halten besonders die Kinder gerne fest.<br />
des DRK. Ein Gutachten des DRK<br />
damals ( 1971 ) ergab, dass der junge<br />
Soldat bei diesen Kämpfen gefallen<br />
sein muss. Zeugen dafür gab es<br />
allerdings nicht. Wenige Heimkehrer<br />
des Regimentes berichteten von<br />
chaotischen Kämpfen und Rückzugsbemühungen,<br />
um lebend dem<br />
Einsatzraum des Regimentes zu entkommen.<br />
Keiner der wenigen<br />
Heimkehrer konnte etwas über das<br />
Schicksal des Soldaten berichten.<br />
Das war bisher der Stand der Dinge,<br />
zusammengesucht aus verschiedenen<br />
Berichten seit 1944. Eine weitere<br />
Klärung durch Behörden oder die<br />
noch vorhandene Wehrmachtsdienststelle<br />
in Berlin ist nicht mehr<br />
möglich.<br />
Neueste Erkenntnisse:<br />
Durch Zufall fand ich im Internet<br />
eine Kameradschaft der Nebelwerfer<br />
und ABC–Abwehr. Hier haben<br />
sich »alte Soldaten« der ehemaligen<br />
Wehrmacht zusammengeschlossen.<br />
Man glaubt es kaum, aber der<br />
Vorstand teilte mir auf meine Anfrage<br />
mit, dass es noch etwa zehn<br />
Überlebende des Werferregiments<br />
53 gibt. Das sind natürlich alles<br />
Herrschaften um die 83 bis zum hohen<br />
Alter von 95 Lebensjahren. Eine<br />
Kontaktaufnahme mit den alten<br />
Soldaten war relativ einfach. Alle erklärten<br />
sich bereit, bei der Aufklärung<br />
des Vermisstenfalles zu helfen.<br />
Alle Überlebenden habe ich persönlich<br />
gesprochen, teils telefonisch,<br />
weil sie im gesamten Bundesgebiet<br />
wohnhaft sind. Sogar bei<br />
dem ältesten (95 Jahre) kamen bei<br />
dem Gespräch alte Erinnerungen<br />
und präzise Schilderungen der<br />
Rückzugskämpfe zu Tage.<br />
Die intensiven Gespräche mit den<br />
älteren Herren waren alle interes-<br />
und eine<br />
Überraschung<br />
Hans und Till Heinrich empfingen die Gäste mit einer Schachtel voller Kekse.<br />
sant. Jeder fühlte sich in die Zeit<br />
von 1944 zurückversetzt. Alle bestätigten<br />
die chaotischen Zustände bei<br />
den Rückzugskämpfen, dass viele<br />
Soldaten gefallen sind, und dass es<br />
keiner aus der Einheit bemerkt hatte.<br />
Keiner der überlebenden Soldaten<br />
konnte allerdings bestätigen,<br />
dass Verwundete einfach hilflos zurückgelassen<br />
wurden. Bei diesem<br />
Thema traf man auf die Ehre von<br />
Frontsoldaten. Letztendlich konnte<br />
bisher keiner der Überlebenden mit<br />
dem Soldatenbild des Rudolf Schumacher<br />
etwas anfangen. Dabei<br />
muss man berücksichtigen, dass so<br />
ein Regiment aus etwa 1.000 Soldaten<br />
bestand. Ein Überlebender aus<br />
dem unmittelbaren Heimatkreis<br />
kannte den Familiennamen. Das<br />
hing aber mit der ehemaligen Autowerkstatt<br />
von Heinrich Schumacher<br />
und der Gaststätte Schumacher<br />
(Onkel Willi) zusammen. Persönlich<br />
kannte dieser den Soldaten leider<br />
nicht.<br />
Die hier befragten Männer haben<br />
die Kämpfe überlebt, weil sie sich<br />
kurz vor der Sommeroffensive im<br />
Juni 1944 auf Urlaub, bei Lehrgängen<br />
und in Lazaretten befunden haben.<br />
Heute könnte man meinen,<br />
die Sommeroffensive der russischen<br />
Armee sei völlig überraschend<br />
gekommen. Erst auf deutschem<br />
Gebiet, im Raume Koblenz/<br />
Rhein kamen die hier überlebenden<br />
Soldaten wieder zur Einheit des<br />
Regimentes 53.<br />
Mittlerweile hat die Kriegsgräberfürsorge<br />
geklärt, ob der beerdigte<br />
Soldat auf dem Soldatenfriedhof<br />
Opava in der Tschechischen Republik<br />
mit dem Aumühler Vermissten<br />
identisch ist. Hier ist ein Oberkanonier<br />
Schuhmacher, Rudolf mit un-<br />
bekanntem Geburtsdatum bestattet.<br />
Die Schreibweise des Namens<br />
mit – h – konnte damals ein<br />
schlichter Fehler bei der Aufnahme<br />
der Daten sein. Die Fluchtrichtung<br />
nach Westen und ebenfalls der<br />
»Dienstgrad« Oberkanonier stimmen<br />
mit dem Aumühler Soldaten<br />
überein. Die Recherche ergab, dass<br />
es sich hierbei um einen ehemaligen<br />
SS–Soldaten handelte, der in einem<br />
Lazarett verstorben war. Somit<br />
Vermisster Soldat Rudolf Schumacher ...<br />
ist diese Spur eindeutig negativ abgeklärt<br />
worden. Beide Personen<br />
sind nicht identisch.<br />
Bei Gesprächen mit der Kriegsgräberfürsorge<br />
wurde mir mitgeteilt,<br />
dass es keine Bergungen, Pflege<br />
oder geplante Anlagen von Soldatengräbern<br />
im Raume Minsk<br />
gibt. Eine Zusammenarbeit der russischen<br />
und deutschen Behörden<br />
existiert nicht und das ist mit Sicherheit<br />
auf unbestimmte Zeit bindend.<br />
Gerade in diesem Gebiet hätte<br />
die Kriegsgräberfürsorge noch<br />
Jahre zu tun.<br />
Die Recherchen der letzten vier Jahre<br />
lassen den Schluss zu, dass das<br />
Schicksal des Vermissten Rudolf<br />
Schumacher nach dem heutigen<br />
Stand nicht mehr geklärt werden<br />
kann.<br />
Kriminalisten würden nach Abschluss<br />
dieser Ermittlungen zu der<br />
Erkenntnis kommen, das der junge<br />
Soldat spurlos im Raum Minsk verschollen<br />
ist. Der Soldat wurde als<br />
einer von vielen vermissten Soldaten<br />
im virtuellen Gedenkbuch<br />
der Kriegsgräberfürsorge eingetragen.<br />
Das Schicksal gilt weiterhin als ungeklärt.<br />
Burkhard Bortz