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Beurteilung der Kreditwürdigkeit<br />
Ob mit quantitativ-statistischen Scor<strong>in</strong>g-Modellen tatsächlich e<strong>in</strong>e derartige<br />
Exaktheit und Objektivierung erreicht werden kann, ist jedoch fragwürdig.<br />
Letztlich erfolgt auch im Fall statistischer Verfahren e<strong>in</strong>e Übertragung von<br />
subjektiven Ansichten und Erfahrungswerten der verantwortlichen Programmierer<br />
und Entwickler, wobei sich diese zum Beispiel <strong>in</strong> der Gewichtungen<br />
e<strong>in</strong>zelner Variablen oder <strong>in</strong> der Festlegung entscheidender Parameter und<br />
Schwellenwerte äußert. Grundsätzlich sollte auch stets der mechanische<br />
Charakter derartiger Modelle bedacht werden. Eigentlich bestätigt bereits<br />
der oben signalisierte Bedarf an ständiger Validierung und Reparametrisierung,<br />
die tendenzielle Fehleranfälligkeit der verschiedenen Scor<strong>in</strong>g- und<br />
Rat<strong>in</strong>g-Verfahren. Auch die Tatsache, dass es e<strong>in</strong>e ganze Reihe an Verfahren<br />
gibt und nicht jedes Modell <strong>in</strong> jeder Situation auch adäquate Ergebnisse<br />
liefert, bedeutet, dass die Methode nicht per se ideal ist. Man könnte<br />
auch sagen, dass jede Weiterentwicklung und Spezifizierung der Scor<strong>in</strong>g-<br />
Modelle impliziert, dass die Güte und Aussagekraft zuvor noch ungenügend<br />
war.<br />
Statistik ist nicht<br />
objektiv<br />
Qualität und Aussagekraft e<strong>in</strong>es derartigen Rat<strong>in</strong>g- bzw. Scor<strong>in</strong>g-Verfahrens<br />
hängen auch ganz wesentlich von der Zuverlässigkeit der verwendeten<br />
Daten ab. Als besonders anschauliches Beispiel sei hier auf das Phänomen<br />
sogenannter Datenzwill<strong>in</strong>gen h<strong>in</strong>gewiesen. So gibt es <strong>in</strong> Österreich<br />
laut Wirtschaftsauskunfteien etwa 600 bis 2.000 derartiger Fälle mit gleichem<br />
Vor- und Nachnamen sowie identischem Geburtsdatum. Die genaue<br />
Zahl hängt letztlich von der jeweiligen Datenbank ab. Fakt ist jedoch, dass<br />
derartige Phänomene zu Verwechslungen führen können und die Gültigkeit<br />
von Bonitätsbewertungen grundsätzlich untergräbt.<br />
Weitere potentielle Fehlerquellen s<strong>in</strong>d alte und unvollständige Daten, Zahlen-<br />
und Namensdreher (Verwechslung von Zahlenstellen oder Vor- und<br />
Nachnamen), die oben bereits besprochene Repräsentativität <strong>in</strong> den Untergruppen<br />
sowie e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es Verletzen statistischer Grundvoraussetzung<br />
und Prämissen (Skalenniveau, Normalverteilung der Variablen usw.)<br />
(vgl. Backhaus et al. 2003; vgl. Schulte-Mattler & Daun 2004).<br />
von Datenzwill<strong>in</strong>gen<br />
und Zahlendrehern<br />
Fehler treten also nicht erst bei der Analyse auf, sondern schleichen sich<br />
meist bereits bei der Erfassung, Speicherung und Zusammenführung der<br />
Daten e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e deutsche Studie von Korczak & Wilken (2009), <strong>in</strong> der die<br />
Datenqualität von Wirtschaftsauskunfteien über Selbstauskünfte von Testpersonen<br />
(n = 100) analysiert wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass rund<br />
45 % der Auskünfte fehlerhafte, unvollständige oder falsche E<strong>in</strong>tragungen<br />
aufweisen. Mit Bezug auf die SCHUFA wurden rund 26 % an falschen<br />
oder veralteten Speicherungen festgestellt. Bei der CEG Creditreform Consumer<br />
GmbH konnte <strong>in</strong> rund 5 % der Fälle sogenannte Zahlen- oder Buchstabendreher<br />
bei Geburtsdaten und Adressen, sowie falsch gespeicherte<br />
Unternehmensbeteiligungen gefunden werden (vgl. Korczak & Wilken 2009).<br />
Auch <strong>in</strong> der Leitfadenreihe zum Kreditrisiko der OeNB & FMA wird klar<br />
ausgeführt, dass sich Fehler (<strong>in</strong>sbesondere bei dezentraler Datenerhebung)<br />
nicht vermeiden lassen (vgl. Thonabauer et al. 2004a: 72).<br />
ITA-Projektbericht Nr.: A66 | Wien, April 2014 57