Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
mohhuten auf den K8pfen, die ich aus den USA. Als sie freigelassen wurde, waren wir<br />
Femsehberichten Uber Vietnam kannte. Die stolz und meinten, ganz wesentlich daran<br />
ersten Auslhder, mit denen ich beteiligt m sein. In meiner Klasse waren<br />
in Kontakt kam, waren junge Leute aus sie neidisch, weil ich Angela sogar gese-<br />
Nordvietnam, die in der DDR lernten und hen hatte: Zwar aus gut hundert Metern<br />
studierten. Unsere Klasse hatte dann auch Entfernung, aber immerhin! Dank der Vereinen<br />
vietnamesischen Paten, den wir Ÿbe wandten in der Näh Berlins konnte ich<br />
alles liebten und fiir <strong>des</strong>sen kleines Kind ntimlich die X. Weltfestspiele miterleben,<br />
wir unser Spielzeug hergaben ... Doch vor- wo sie Gast war. Und wenn heute Yassir<br />
erst stand ich mit offenem Mund auf dem Arafat im Fernsehen erscheint, dann den-<br />
Dresdner Attmarkt und die vietnamesi- ken meine Mutter und ich manchmal darschen<br />
Feen Wnschten sich, da ich ihnen an, da wir damals neben ihm auf dem<br />
etwas vorsänge Als der Mund wieder zu- Alex auf einer Bank gesessen haben.<br />
ging, fiel mir nur die ,,Kleine weiß Frie- Ein Jahr späte zogen wir nach Berlin.<br />
denstaubc" ein. Der Ssngerlohn war ein Neue Schule, neue Freunde, neue Priori-<br />
StrauI3 Birkengrü mit einer roten Nelke tgten. Ich interessierte mich fast ausdran,<br />
der erst beim Umzug nach Berlin schließlic ftlr Pferde und fŸ Chile. Denn<br />
verloren ging. Aber dieser Tag hielt noch jetzt kampflen wir fiir die Freilassung von<br />
Nßer lJberraschungen bereit. Luis Corvalan. Irgendwann 1977 oder 1978<br />
BeimEssen im Hotel Astoria bat uns der lief ich auf der Straß an einem StŸc Zei-<br />
Kellner <strong>des</strong> vollbesetzten Restaurants, an tung vorbei. Etwas bewog mich, die vielunserem<br />
Tisch eine junge Frau aufzuneh- feicht zwanzig Schritte mckzugehen und<br />
men, Azza war 19 Jahre, hatte endlos lan- das Blatt aufzuheben. ES war ein Titelblatt<br />
ge schwarze Haare und groß Augen. Der der NBI. und zu sehen war ein<br />
Name ihrer Heimat sagte uns nichts. Wer Pal&tinersertuch, das nur ein Augenpaar<br />
kannte damals schon Libanon? Dort war freiließ das mich an etwas erinnerte. Eine<br />
kein Befreiungskampf und keine Revolu- Schrift im Bild verkhdete: Azzawird wie-<br />
. . * -- .. .... .-<br />
tion. Als ich mich vor SchŸchternhei und der lauten. Wir waren in heiler Aufregung.<br />
Aufregung verschluckte, klopfte sie mir Mit viel MŸh gelang es, die Zeitung noch<br />
auf den Racken und gab mir Saft zu bin- zu beschaffen. Sie enthielt eine Reportage<br />
ken. Das war der Beginn einer Farnilien- Ÿbe ein Rehabiiitationssanatorium in<br />
freundschaff, die einen Umzug, einen Altenberg, und eine der dort zur Zeit be-<br />
Krieg und die deutsche Einheit (Iberdau- handelten Patientinnen war unsere Bekannerte<br />
und uns alle spstestens im Sommer te aus dem Dresdner Hotelrestaurant. Un-<br />
1996 in Libanon zusamrnenfŸhre wird. ter irgendeinem Verwand bekam ich eine<br />
Insch'a alIah, so Gott will.<br />
Schulbefieiung und wir fuhren nach Alten-<br />
Azza war zu einer Heilbehandlung in der berg. Von da ab schaffte es auch kein Krieg<br />
DDR. Mehrere Monate besuchten wir uns mehr, die Verbindung vMig abreiflen zu<br />
smdig, ich freute mich immer, wenn mei- lassen. Azza fuhr irgendwann wieder zune<br />
Eltern mich Hotei ablieferten und erst rüc in ihr Land, das sich durch den Krieg<br />
abends wieder abholten. An meine ersten Siingst dauernder MedienprSsenz erfreute.<br />
Begegnungen mit einer anderen Lebens- Irgendwie fand ich immer ein Weg zur<br />
weise erinnere ich mich mit große Ver- Kommunikation, und sei es nur einmal im<br />
gnflgen. Irgendwann reiste unsere neue Jahr.<br />
Freundin wieder ab. Briefe gingen hin und Ich hatte mich inzwischen v6llig umher,<br />
ich wurde um die unglaublich bunten orientiert. Pferde und anderes Getier ver-<br />
Briefmarken beneidet und um die Postkar- loren unmerktich an Bedeutung. Viel inten<br />
mit dem blauen Meer und den exoti- teressanter erschienen mir die Vorgange in<br />
schen Gebhden. Dann hbrten wir jahre- sogenannten Entwicklungsltindern. Ich<br />
lang gar nichts mehr. Im fernen Libanon hatte zeitweise eine Klassenkameradin aus<br />
war inzwischen ein Krieg ausgebrochen, Pakistan, meine 'Nachbarin im<br />
<strong>des</strong>sen Sinn sich uns nie erschloß Von Franzbsischkurs war die Tochter brasiliaunserer<br />
Azza sprachen wir noch manch- nischer Emigranten. Lateinamerikanische<br />
mal, aber andere Dinge drxngten sich in Folklore war das Grollte; und Libanon war<br />
den Vordergrund. In der Schule malten wir wieder niihergeriickt. Es sollte doch nun<br />
inzwischen Rosen und schickten sie an ein Beruf sein, in dem ich etwas mit die-<br />
Angela Davis in ihrem Gehgnis in den sen Teilen der Welt zu tun haben wŸrden<br />
So landete die verhinderte Tierarztin oder<br />
Pferdeziichterin als Volont3rin bei der<br />
Jungen Welt" und als Studentin der Journalistik<br />
in Leipzig, Die H6rsaaibiinke teilten<br />
wir mit ! 5 Mänrter aus Afghanistan,<br />
den ersten aus diesem Land, die in der<br />
DDR ein Studium begannen sowie mit<br />
Kommilitonen vom ANC, aus Tansania,<br />
Sambia, der Mongolei und einigen europäische<br />
Ludern. In dieser Zeit tauchte<br />
unsere Freundin Azza mit Familie in Ber-<br />
!in auf, um knapp drei Jahre hiermbleiben,<br />
als Mitarbeiterin der Internationalen<br />
Demokratischen FrauenfBrderation. Die<br />
Tochter wuchs im Wesentlichen bei uns zu<br />
Hause auf, lernte in unserem Garten laufen,<br />
wŸnscht meinen Opa als sthdigen<br />
Spielgefihrten und lieà in unbeobachteten<br />
Mornen ten die Hunde an ihrer Mi lchsuppe<br />
teilhaben. Ein Machtwechsel in Libanon<br />
brachte es mit sich, da sie vorzeitig zurŸ<br />
muhten. Das war so, als wurde unsere<br />
Familie auseinandergerissen. Dank der<br />
Nachfolgerinnen auf dem Posten bei der<br />
IDFF gab es ami Gluck immer einen Weg,<br />
Briefe und Geschenke hin und her zu schikken.<br />
Und schlieBlich war unser Bekanntenkreis<br />
enorm gewachsen. Pltitzlich<br />
schien es viele Libanesen in der DDR m<br />
geben, und wir hatten das GefŸhl nunmehr<br />
in einer große Gemeinschaft zu leben.<br />
Nach Vollzug der deutschen Einheit begegnete<br />
mir in einem Arbeitszusammenhang<br />
ein Landsmann unserer Freunde, der<br />
natŸrlic jemanden aus deren gro§e Familie<br />
kannte. Nach angemessener Zeit beschlossen<br />
wir, zusammenzubleiben. Ich<br />
hatte sowieso vor, in jenem Sommer '92<br />
Libanon zu besuchen, wenigstens einige<br />
der vielen alten Freundinnen und Freunde<br />
wiederzusehen. So geriet ich also in dieses<br />
Süidtche in der Bekaa, in das Haus<br />
einer schiitischen Familie, die mich mit<br />
offenen Armen empfing und traurig war,<br />
das neue Familienmitglied mit so viel anderen<br />
Leuten teilen zu rnbsen.<br />
Seit gut einem Jahr bin ich bei der Gesellschaft<br />
fŸ solidarische Entwicklungszusammenarbeit<br />
als Koordinatorin fü<br />
entwicklungspolitische Bildungsarbeit angestellt.<br />
Ais wir in der Nachwendeaufbmchsstimmung<br />
diesen Verein grŸndeten<br />
hatten wir hochfliegende Plane, die<br />
Entwicklungspolhik der DDR mitzugestalten.<br />
Nunmehr smÅ die liiusionen<br />
verschwunden; aber die Ideale von einer<br />
gerechten Wett versuchen wir, den Kindern