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Thema Transitional Justice - juridikum, zeitschrift für kritik | recht ...

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echt & gesellschaft<br />

und dritte Frage zeigt die Lücken und<br />

Unklarheiten des geltenden Parteien<strong>recht</strong>s.<br />

Das freie Mandat in einer<br />

Parteiendemokratie<br />

In der aktuellen Diskussion um die Gründung<br />

des BZÖ und deren politischen wie<br />

<strong>recht</strong>lichen Konsequenzen werden Lobgesänge<br />

auf das freie Mandat gehalten.<br />

Das freie Mandat ist unbestritten ein<br />

Eckpfeiler einer parlamentarischen Demokratie<br />

– gerade auch einer Parteiendemokratie.<br />

Der in Art 56 B‐VG verankerte<br />

Grundsatz setzt einer zu engen Bindung<br />

der Abgeordneten an ihre Partei und ihren<br />

Klub verfassungs<strong>recht</strong>liche Grenzen.<br />

Er schützt sie vor zu scharfen Disziplinierungsmaßnahmen<br />

und garantiert, dass<br />

auch der/dem parteiunabhängigen Abgeordneten<br />

die grundlegenden parlamentarischen<br />

Rechte zukommen.<br />

Doch zwischen freiem Mandat und<br />

Parteiendemokratie besteht auch ein<br />

Spannungsverhältnis. Die Verfassungs<strong>recht</strong>sordnung<br />

betont einerseits die Freiheit<br />

und Selbständigkeit jeder/jedes einzelnen<br />

Abgeordneten – auch und gerade<br />

gegenüber ihrer/seiner Partei und Fraktion.<br />

Andererseits weist sie den Parteien<br />

und Fraktionen eine wichtige Rolle im<br />

politischen Willensbildungsprozess zu<br />

und knüpft die Ausübung parlamentarischer<br />

Rechte und die finanzielle Förderung<br />

an Klubs und Parteien.<br />

Mit diesem Spannungsverhältnis<br />

muss die Verfassungswirklichkeit umgehen.<br />

Das heißt dann eben, dass „Klubdisziplin“<br />

zwar zulässig und in einer Parteiendemokratie<br />

auch ein wesentlicher<br />

Faktor ist; <strong>recht</strong>lich einklagbaren „Klubzwang“<br />

gibt es aber nicht. Das heißt auch,<br />

dass ein Parteiausschluss einer/eines Abgeordneten<br />

nicht zum Mandatsverlust<br />

führt und dass die in der Vergangenheit<br />

von den Parteispitzen gern verwendeten<br />

„Blankoverzichtserklärungen“ der Abgeordneten<br />

<strong>recht</strong>lich unwirksam sind.<br />

Das heißt aber auch, dass finanzielle Förderungen<br />

und parlamentarische Rechte<br />

eng an die Klubs gebunden sind; ein/e<br />

parteiunabhängige/r Abgeordnete/r daher<br />

einen sehr engen parlamentarischen<br />

und finanziellen Handlungsspielraum<br />

besitzt.<br />

Gegen die Klubbildung des LIF<br />

wurde vor allem eingewendet, dass Abgeordnete<br />

derselben wahlwerbenden<br />

Partei nur einen einzigen Klub gründen<br />

dürften und die LIF-Abgeordneten<br />

dieses Recht bereits mit dem Beitritt<br />

zum freiheitlichen Parlamentsklub<br />

konsumiert hätten. Das Mandat gehöre<br />

eben nicht nur der/dem einzelnen Abgeordneten,<br />

sondern auch ihrer/seiner<br />

Wahlpartei 7 . Ist eine Gründung eines<br />

eigenen Klubs innerhalb der laufenden<br />

Legislaturperiode nicht ein „Betrug“<br />

an den WählerInnen, die doch die<br />

FPÖ gewählt haben? Dem wurde vor<br />

allem das freie Mandat entgegengehalten<br />

sowie die Tatsache, dass sich nach<br />

§ 7 GoGNR auch Abgeordnete unterschiedlicher<br />

Wahlparteien mit Zustimmung<br />

des Nationalrats zu einem Klub<br />

zusammenschließen können und dies<br />

aus gleichheits<strong>recht</strong>lichen Erwägungen<br />

daher auch für Abgeordnete derselben<br />

Wahlpartei, aus der man ja bis zum<br />

Ende der Legislaturperiode nicht austreten<br />

kann, möglich sein muss 8 .<br />

Auch beim BZÖ stellen sich abgesehen<br />

von der demokratiepolitischen<br />

Diskussion ähnliche <strong>recht</strong>liche Fragen:<br />

Die Gründung einer eigenen politischen<br />

Partei BZÖ ist unbestritten zulässig.<br />

Auch dass die nunmehrigen BZÖ-Abgeordneten<br />

weiterhin als „freiheitlicher<br />

Parlamentsklub“ agieren, ist <strong>recht</strong>lich<br />

nicht zu beanstanden. Doch welche<br />

Konsequenzen hat dies?<br />

Offene Fragen im Parteien<strong>recht</strong><br />

Klar ist jedenfalls: die <strong>recht</strong>lichen Bestimmungen<br />

sind in einigen wichtigen<br />

Punkten unklar. Die Fragen werden in<br />

der Praxis zwar gelöst: die Klubbildung<br />

des LIF wurde anerkannt; es erhielt die<br />

Klubförderung, nicht jedoch die Parteien-<br />

und Akademieförderung, da es<br />

bei den letzten Wahlen nicht kandidiert<br />

hatte und daher nicht als „im Nationalrat<br />

vertretene politische Partei“ angesehen<br />

wurde. Höchstgerichtlich entschieden<br />

wurde diese Frage jedoch nie 9 . Und<br />

auch beim BZÖ fand man eine salomonische<br />

Lösung: das BZÖ erhält aus<br />

denselben Gründen wie das LIF weder<br />

Parteien- noch Akademieförderung und<br />

kann nur für parlamentarische Zwecke<br />

auf die Klubförderung des freiheitlichen<br />

Parlamentsklubs greifen.<br />

Das Parteien<strong>recht</strong> sollte hier klarer<br />

formuliert werden. Dies betrifft nicht nur<br />

§ 7 GoGNR, die Rechtsgrundlage für<br />

die Bildung von Parlamentsklubs, sondern<br />

auch all diejenigen Bestimmungen,<br />

die die politische Partei und den parlamentarischen<br />

Klub fälschlicherweise<br />

als <strong>recht</strong>lich ident ansehen und damit<br />

in Situationen, in denen einmal nicht<br />

der Regelfall sondern der – <strong>recht</strong>lich<br />

zulässige – Ausnahmefall eintritt, dass<br />

nämlich politische Partei, Wahlpartei<br />

und Klub keine Einheit bilden, zu <strong>recht</strong>lichen<br />

Unklarheiten führen.<br />

Die Forderung nach Bereinigung dieser<br />

Unklarheiten ist nicht nur der Wunsch<br />

nach mehr Klarheit und „Ästhetik“ im<br />

Parteien<strong>recht</strong>, sondern eine dringende<br />

Notwendigkeit. Die Parteienlandschaft<br />

wird beweglicher. Fragen, wie sie schon<br />

beim LIF und nun wieder beim BZÖ aufgetreten<br />

sind, und die sich auf Landesebene<br />

potenzieren, werden sich in Zukunft<br />

noch häufiger stellen. Hier sollten die<br />

<strong>recht</strong>lichen Regelungen eindeutig sein.<br />

Und wenn der Gesetzgeber schon<br />

dabei ist, könnte er auch gleich an die<br />

Verbesserung der mangelhaften Transparenz-<br />

und Finanzkontrollregelungen<br />

für politische Parteien gehen und sich<br />

auch Gedanken um ein innerparteiliches<br />

Demokratiegebot machen. Nicht jede<br />

Diskussion sollte mit dem Argument, das<br />

Parteien<strong>recht</strong> sei eine besonders sensible<br />

Materie und die Parteienfreiheit würde<br />

keine Änderungen erlauben, im Keim<br />

erstickt werden. Ja, das Parteien<strong>recht</strong> ist<br />

eine sensible Materie. Reformen in diesem<br />

Bereich sollten von einer möglichst<br />

breiten Mehrheit getragen werden und<br />

müssen auf dem Grundsatz der Parteienfreiheit<br />

basieren. Parteien<strong>recht</strong> ist aber<br />

auch insofern eine sensible Materie, als<br />

es um die Spielregeln des parlamentarischen<br />

Lebens geht und hier der Gesetzgeber<br />

daran gemessen wird, welche<br />

Regeln er sich selbst gibt.<br />

Univ.-Ass. Dr in . Patricia Heindl,<br />

Institut für Verfassungs- und<br />

Verwaltungs<strong>recht</strong> der Wirtschaftsuniversität<br />

Wien;<br />

patricia.heindl@wu-wien.ac.at.<br />

7) Winkler, Rechtsfragen der Bildung<br />

eines Klubs im Nationalrat,<br />

JBl 1993, 279.<br />

8) Fischer, JRP 1993, 3.<br />

9) Der VfGH entschied inhaltlich<br />

nur über die verminderte Klubfinanzierung<br />

der FPÖ wegen des<br />

Austritts der 5 Abgeordneten. Die<br />

gegen die Entscheidung des Nationalrats-Präsidenten,<br />

dass die<br />

Klubbildung anerkannt wird, eingebrachten<br />

Beschwerden wies der<br />

VfGH mangels Bescheidcharakter<br />

zurück; VfSlg 13.640, 13.641 und<br />

13.642.<br />

<strong>juridikum</strong> 2005 / 2 Seite 79

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