Programmheft herunterladen - Münchner Philharmoniker
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14 Igor Strawinsky: „Le Sacre du Printemps“<br />
der Arbeit an „Le Sacre“ nach der „Pétrouchka“<br />
Premiere im Juni 1911. 1912 Beendigung der<br />
Komposition und Partiturreinschrift; 1947 Revision,<br />
1967 Neuedition der Partitur.<br />
Uraufführung<br />
Am 29. Mai 1913 in Paris im Théâtre des Champs<br />
Élysées durch die Compagnie von Sergej Diaghilews<br />
„Ballets russes“ (Dirigent: Pierre Monteux;<br />
Choreographie: Waslaw Nijinsky; Bühnenbild<br />
und Kostüme: Nicolas Roerich).<br />
Der Skandal<br />
„Ich habe den Zuschauerraum verlassen, als bei<br />
den ersten Takten des Vorspiels sogleich Gelächter<br />
und spöttische Zurufe erschallten. Ich war<br />
maßlos empört. Die Kundgebungen, am Anfang<br />
noch vereinzelt, wurden bald allgemein. Sie riefen<br />
Gegenkundgebungen hervor, und so entstand<br />
sehr schnell ein fürchterlicher Lärm. Während<br />
der ganzen Vorstellung hielt ich mich in den Kulissen<br />
neben Nijinskij auf. Er stand auf einem<br />
Stuhl und schrie, so laut er nur konnte, seinen<br />
Tänzern zu: ‚Sechzehn, Siebzehn, Achtzehn‘ –<br />
das war die Art, wie man beim Russischen Ballett<br />
den Takt kommandierte. Natürlich konnten<br />
die armen Tänzer ihn nicht hören, infolge des<br />
Tumults im Zuschauerraum und wegen des Lärms,<br />
den ihre Füße beim Tanzen auf den Bühnenbrettern<br />
machten. Diaghilew wollte dem Toben ein<br />
Ende bereiten und befahl dem Beleuchter, bald<br />
im Zuschauerraum Licht zu machen, bald ihn<br />
wieder zu verdunkeln. Das ist alles, was ich<br />
von dieser Premiere behalten habe...“<br />
Seltsamerweise war die Generalprobe völlig<br />
ruhig verlaufen. „Bei ihr waren, wie gewöhnlich,<br />
zahlreiche Künstler, Maler, Musiker, Schriftsteller<br />
und überhaupt die kultiviertesten Mitglieder<br />
der Gesellschaft zugegen. Ich war daher meilenweit<br />
davon entfernt, den Wutausbruch vorauszusehen,<br />
den die Aufführung auslöste“, versichert<br />
Strawinsky in seinen „Lebenserinnerungen“. Das<br />
Spektakel forderte laut Polizeibericht die in der<br />
Theatergeschichte wohl einmalige Zahl von 27<br />
Verletzten. Was hatte das Premierenpublikum<br />
so erregt ? Was war so neu am „Sacre du Printemps“,<br />
so ungewohnt ? Das Bühnengeschehen ?<br />
Der Tanz ? Die Musik ?<br />
Die Fabel<br />
„,Le Sacre du Printemps‘ ist ein musikalischchoreographisches<br />
Werk. Es sind ‚Bilder aus<br />
dem heidnischen Russland‘, innerlich zusammengehalten<br />
von einer Hauptidee: dem Geheimnis<br />
des großen Impulses der schöpferischen Kräfte<br />
des Frühlings“ – so hat Strawinsky sein Werk<br />
selbst charakterisiert. Des russischen Frühlings,<br />
so muss man ergänzen, der „in einer Stunde zu<br />
beginnen schien und wie ein Aufbrechen der<br />
ganzen Erde war. Das war das wunderbarste Erlebnis<br />
in jedem Jahr meiner Kindheit.“ Aus der<br />
ursprünglichen Idee zum „Sacre“ – Strawinsky<br />
selbst spricht von einer „Vision“, die er während<br />
der Niederschrift des „Feuervogels“ im Jahr 1910<br />
hatte – entwickelte er zusammen mit dem Mythenforscher<br />
und Maler Nicolas Roerich (1874–1947)<br />
eine Fabel, an der er sich bei der Komposition<br />
orientierte, von deren Existenz in der endgültigen<br />
Partitur allerdings nur noch die Satzüberschriften<br />
zeugen.