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Elternbrief für Eltern von Kindern mit Behinderung - Familienberatung

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wertewandel<br />

Was zählt<br />

wirklich im<br />

Leben?<br />

1. Die Phase des „Nicht-wahrhaben-Wollens“<br />

In dieser Phase wird die <strong>Behinderung</strong> des Kindes<br />

nicht wahrgenommen. Betroffene sind<br />

<strong>von</strong> einem Gefühlsschock überwältigt, der sie<br />

erstarren lässt. „Ich fühlte mich wie in einem<br />

Nebel, ich konnte die Diagnose nicht glauben,“<br />

beschreibt eine betroffene Mutter diesen<br />

Zustand. Das ist völlig normal. Nehmen<br />

Sie diese Reaktionsweise als Selbstschutz Ihrer<br />

Psyche an, es darf sein.<br />

Herauszufinden, was<br />

Ihnen im Leben<br />

wirklich wichtig ist,<br />

kann eine spannende<br />

Reise sein.<br />

„Schon nach der Geburt unseres ersten Kindes<br />

hatten wir oft das Gefühl, unser Leben würde<br />

gelegentlich auf dem Kopf stehen. Wenig war<br />

wie bisher. Wie wichtig uns plötzlich ein gemütliches<br />

zu Hause war. Gesunde Ernährung<br />

wurde ein Thema. Nachdem bei unserer zweiten<br />

Tochter das Rett-Syndrom (siehe Kapitel<br />

11) diagnostiziert wurde, führte das nochmals<br />

zu einem Wertewandel,“ erzählen Claudia<br />

und Stefan auf die Frage, wie sich ihr Leben<br />

durch diese Diagnose verändert hat.<br />

Ein Leben <strong>mit</strong> einem Kind <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong><br />

wird oft zum Prüfstein seiner eigenen Werte.<br />

Wenn der ganz normale Lauf des Lebens (falls<br />

es so etwas gibt) ins Stocken gerät, ist es oft<br />

Zeit, seine Werte, die das Leben tragen und<br />

bestimmen, neu zu überprüfen, eventuell zu<br />

verändern und an neue Lebensbedingungen<br />

anzupassen.<br />

Wertewandel hat auch immer etwas <strong>mit</strong> Loslassen<br />

und sich etwas Neuem zuwenden zu<br />

tun. Sich <strong>von</strong> alten Werten lösen zu müssen,<br />

kann schmerzhaft sein und kann Sie in eine<br />

tiefe Trauer führen.<br />

Verena Kast, eine sehr bekannte Trauerforscherin,<br />

beschreibt vier Phasen der Trauer,<br />

die alle Trauernden durchleben. Trauern kann<br />

man auch um ein verlorenes Idealbild seines<br />

Lebens. Trauern ist ein sehr individueller, natürlicher<br />

Vorgang. Jeder Mensch darf sich die Zeit<br />

nehmen, die er da<strong>für</strong> braucht. Die Phasen lassen<br />

sich nicht klar abgrenzen, überschneiden<br />

sich und wirken ineinander. Wenn Sie sich <strong>mit</strong><br />

diesen Phasen vertraut machen, verstehen Sie<br />

vielleicht Ihre eigenen Gefühle besser.<br />

2. Die Phase der aufbrechenden Emotionen<br />

Schmerz, Wut, Angst, Zorn, Gefühle der Sinnlosigkeit<br />

und Ohnmacht, feindliche Gefühle<br />

gegen die Umwelt, Gefühle der Demütigung<br />

und Wertlosigkeit können sich breit machen.<br />

Auch diese Gefühle dürfen sein und sind normal.<br />

Sie sind Weggefährten auf dem Weg der<br />

Neuorientierung.<br />

Versuchen Sie, diese heftigen Gefühle auszuhalten<br />

und auch auszudrücken, das kann sehr<br />

hilfreich sein. Verena Kast sagt dazu: „Das<br />

Emotions-Chaos ist ein Bild <strong>für</strong> das Chaos<br />

ganz allgemein, in dem Altes verschwindet<br />

und Neues sich bilden kann.“<br />

3. Die Phase des Suchens, Findens<br />

und Sich-Trennens<br />

In dieser Phase kann das Idealbild des Kindes<br />

los gelassen werden. Das Kind kann immer<br />

besser wahrgenommen werden, so wie es ist.<br />

Trauernde sollten die Möglichkeit haben, ihre<br />

Fantasien immer wieder erzählen zu können,<br />

um ihre Emotionen zu wecken und auch ausdrücken<br />

zu dürfen. Betroffene erzählen auch<br />

<strong>von</strong> inneren Zwiegesprächen, die ihnen helfen,<br />

sich der Realität zuzuwenden.<br />

4. Die Phase des neuen Selbst- und Weltbezugs<br />

Nachdem man seinen Schmerz herausweinen<br />

und herausschreien durfte, kehrt vorsichtig<br />

Friede in die Seele ein, man kann sich der Zukunft<br />

hoffnungsvoll zuwenden. Erstmals gelingt<br />

es, die <strong>Behinderung</strong> zu akzeptieren. Es<br />

werden neue Pläne geschmiedet, das Leben<br />

geht weiter. „Je besser der Trauernde sich in<br />

die neuen Rollen hineinfindet, die das Leben<br />

<strong>von</strong> ihm verlangt, je besser er sieht, auch in Zusammenhang<br />

<strong>mit</strong> diesen neuen Rollen, welche<br />

Eigenschaften er als Mensch entwickeln kann,<br />

um so eher gewinnt er sein Selbstvertrauen<br />

und seine Selbstachtung wieder“, schreibt Verena<br />

Kast.<br />

Können Sie diesen Phasen etwas abgewinnen?<br />

Können Sie sich <strong>mit</strong> der einen oder anderen<br />

Idee darin identifizieren?•<br />

10

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