Elternbrief für Eltern von Kindern mit Behinderung - Familienberatung
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Mutter Vom Leben & Vater der Geschwister<br />
Wer spielt die<br />
erste Geige?<br />
Das Wichtigste <strong>für</strong><br />
Geschwister <strong>von</strong> <strong>Kindern</strong><br />
<strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> ist,<br />
dass sie die Möglichkeit<br />
bekommen, sich offen <strong>mit</strong><br />
ihrer Lebenssituation<br />
auseinanderzusetzen.<br />
Die elfjährige Sophie sitzt traurig in ihrem<br />
Baumhaus. Als ihre beste Freundin Hanna<br />
endlich kommt, bricht Sophie in Tränen aus.<br />
Sie erzählt, dass ihre Mutter <strong>mit</strong> Georg,<br />
Sophies autistischem Bruder (siehe Kapitel 11),<br />
zur Hippotherapie gefahren sei. „Ich soll zu<br />
meiner Oma rüber gehen, wenn ich etwas<br />
brauche, hat Mama gesagt.“ Sophie weint bitterlich.<br />
„Immer kümmern sich alle um Georg,<br />
<strong>für</strong> mich hat niemand Zeit,“ schluchzt sie. „Ich<br />
möchte auch <strong>mit</strong> Mama reiten gehen und so<br />
gelobt werden wie Georg.“<br />
Solche Situationen sind Geschwistern <strong>von</strong><br />
<strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> geläufig. Sie müssen<br />
sich häufig zurücknehmen, den Bedingungen<br />
der Familie anpassen. Die besondere Rolle der<br />
Geschwister bleibt oft unbeachtet und prägt<br />
diese nachhaltig. Das Kind <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong><br />
bindet einen Großteil der elterlichen Aufmerksamkeit<br />
und Energie.<br />
Oft sind die <strong>Eltern</strong> <strong>mit</strong> ihrem Kind <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong><br />
so beschäftigt, dass sie sich den<br />
Geschwistern nur selten <strong>mit</strong> ungeteilter Aufmerksamkeit<br />
zuwenden. Regelmäßige<br />
Therapiebesuche, häufige Arztbesuche einerseits<br />
und erhöhter Pflegebedarf und Aufsichtspflicht<br />
<strong>für</strong> das Kind <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> im Alltag<br />
andererseits tun das Ihre dazu. Manche dieser<br />
Geschwisterkinder sind auch besonders angepasst<br />
und vernünftig, weil sie die Überbelastung<br />
der <strong>Eltern</strong> spüren und diese nicht noch zusätzlich<br />
herausfordern wollen. Hohe Leistungserwartungen<br />
der <strong>Eltern</strong> an ihre Kinder ohne<br />
Beeinträchtigungen beeinflussen deren Leben<br />
langfristig.<br />
„Ich war früh sehr selbständig, meine Mama<br />
brauchte sich nie um meine Hausaufgaben zu<br />
kümmern. Sie hatte schon genug Arbeit <strong>mit</strong><br />
Anna. Wenn ich aber traurig war oder mir<br />
Sorgen um Anna machte, konnte ich immer<br />
zu meiner Mama kommen. Das war <strong>für</strong> mich<br />
sehr wichtig, wir konnten über alles reden.<br />
Wenn sie mich dann in ihre Arme schloss, und<br />
<strong>für</strong> kurze Zeit nur sie und ich existierten, war<br />
alles wieder gut,“ erzählt Mario, Bruder <strong>von</strong><br />
Anna, einem Mädchen <strong>mit</strong> schwerer Mehrfachbehinderung.<br />
Jedes Kind einer Familie braucht regelmäßig<br />
die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner <strong>Eltern</strong>,<br />
um sich gut entwickeln zu können.<br />
Die besonderen Bedingungen, die Geschwister<br />
<strong>von</strong> <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> in ihrem Leben<br />
vorfinden, können aber auch zur Entwicklung<br />
besonderer Fähigkeiten führen, wie wissenschaftliche<br />
Untersuchungen ergeben haben:<br />
Geschwister <strong>von</strong> <strong>Kindern</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> zeigen<br />
. eine hohe soziale Kompetenz<br />
. großes Einfühlungsvermögen<br />
. Reife<br />
. Geduld<br />
. Ehrlichkeit<br />
. Akzeptanz <strong>von</strong> Unterschieden<br />
. größere Hilfsbereitschaft<br />
. Dankbarkeit gegenüber der eigenen Gesundheit<br />
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