Kräfte der Evolution - Ernst & Young
Kräfte der Evolution - Ernst & Young
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H EALTH S CIENCES<br />
E<br />
Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong><br />
Deutscher Biotechnologie-Report 2005
Information<br />
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die <strong>der</strong> Übersetzung des Nachdrucks<br />
und <strong>der</strong> Vervielfältigung des Buches o<strong>der</strong> Teilen daraus, sind vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf<br />
ohne schriftliche Genehmigung <strong>der</strong> <strong>Ernst</strong> &<strong>Young</strong> AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in irgendeiner<br />
Form (Fotokopie, Mikrofilm, Datenträger o<strong>der</strong> einem an<strong>der</strong>en Verfahren) reproduziert o<strong>der</strong> unter<br />
Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt o<strong>der</strong> verbreitet werden.<br />
Die Wie<strong>der</strong>gabe von Gebrauchs-und Handelsnamen sowie Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk<br />
berechtigt auch ohne beson<strong>der</strong>e Kennzeichnung nicht zu <strong>der</strong> Annahme, dass solche Namen im Sinne<br />
<strong>der</strong> Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und<br />
daher von je<strong>der</strong>mann benutzt werden dürfen.<br />
Die Zahlenangaben und Informationen basieren auf Daten, die im Rahmen einer Primärdatenerhebung<br />
sowie Sekundärdatenrecherche von relevanten Unternehmen ermittelt wurden. Die in<br />
diesem Report wie<strong>der</strong>gegebenen qualitativen und quantitativen Einschätzungen wurden mit hoher<br />
Sorgfalt ermittelt, jedoch übernimmt <strong>der</strong> Herausgeber keine Haftung für die Richtigkeit und<br />
Vollständigkeit <strong>der</strong> Angaben.<br />
© <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Mai 2005<br />
Layout und Produktion: Flad & Flad Communication GmbH<br />
Herausgegeben von <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft<br />
Theodor-Heuss-Anlage 2, 68165 Mannheim<br />
Titelbild:<br />
Auf einer polymeren Oberfläche kultivierte Makrophagen, die nach einer Behandlung mit Interleukin-4<br />
zu einer körperfremden „Riesenzelle“ fusioniert wurden.<br />
Das Bild stammt von Kristin DeFife und James M. An<strong>der</strong>son, Institut für Pathologie, Case Western<br />
Reserve University, USA.<br />
Umrechnung von US$ in EURO zum Jahresdurchschnittskurs 2004 <strong>der</strong> EZB: 1 US$ = 0,81 EURO
H EALTH S CIENCES<br />
Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong><br />
Deutscher Biotechnologie-Report 2005<br />
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Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong><br />
<strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>s Deutscher Biotechnologie-Report 2005<br />
Projektleitung: Dr. Julia Schüler<br />
Projektteam: Lars Ullerich, Dr. Ira Oldenettel, Nina Dunzweiler<br />
Eine Publikation dieser Art ist das Resultat <strong>der</strong> Kooperation zahlreicher Personen. Wir danken allen, <strong>der</strong>en professionelle Arbeit<br />
und Kompetenz zum Gelingen dieses Reports beigetragen haben.<br />
Spezieller Dank gilt dem Kollegen Dr. Manuel Bauer, <strong>der</strong> das Konzept des Reports durch seinen fachlichen Input mitgestaltete<br />
sowie einige Expertenbeiträge organisierte. Auch Herrn Dr. Siegfried Bialojan, Industry Lea<strong>der</strong> Health Sciences, sei für seine<br />
Unterstützung in Form <strong>der</strong> Beratung, Bereitstellung von Text und kritischen redaktionellen Durchsicht sehr gedankt.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e danken wir Alfred Müller, Mitglied des Vorstands <strong>der</strong> <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> AG und Leiter <strong>der</strong> Deutschen Health Sciences<br />
Practice, für seine stetige und engagierte Unterstützung des Projekts.<br />
Weiterhin zum Dank verpflichtet sind wir Dr. Ludger Wess von BioCentury für seine professionelle textliche Überarbeitung sowie<br />
den Projekt-Mitarbeiterinnen <strong>der</strong> Agentur Flad & Flad Communication GmbH, Frau Nadya Bayer, Frau Anja Götz, Frau Grane<br />
Queitzsch und Frau Susanne Berger für ihre professionelle und flexible Umsetzung unseres Textes und unserer Graphiken in ein<br />
ansprechendes Layout. Wir danken auch Prof. James M. An<strong>der</strong>son, Institut für Pathologie, Case Western Reserve University<br />
(USA), für die Bereitstellung des Titelbildes.<br />
Ferner sei den an <strong>der</strong> Primärerhebung teilnehmenden Firmen sowie den Autoren <strong>der</strong> Expertenbeiträge für Ihren wertvollen Input<br />
gedankt, ohne den diese Studie in <strong>der</strong> vorliegenden Form nicht hätte realisiert werden können. Beson<strong>der</strong>en Dank für wertvollen<br />
Input schulden wir einem Team von ausgewiesenen Branchenkennern, mit denen wir die Primärdaten und die daraus abzuleitenden<br />
Aussagen für die vorliegende Studie erörtert haben. Unsere Diskussionspartner waren: Dr. Alexan<strong>der</strong> Asam (DVC),<br />
Dr. Karsten Henco (Evotec OAI), Dr. Rüdiger Marquardt (DECHEMA), Dr. Peter Stadler (Artemis Pharmaceuticals) sowie<br />
Dr. Ludger Wess (BioCentury). Dank gilt zudem auch Dr. Ricardo Gent (DIB) und Dr. Holger Zinke (BRAIN AG) für ihre kritische<br />
Durchsicht <strong>der</strong> Kapitel zur Grünen und Weißen Biotechnologie.<br />
Dieser Report hat das Ziel, einen Überblick über die unternehmerisch geprägte Biotech-Industrie in Deutschland zu vermitteln. Es<br />
handelt sich um einen unabhängigen Branchenbericht ohne externen Auftraggeber, auf dessen Inhalt kein Einfluss durch einzelne<br />
Unternehmen o<strong>der</strong> Institutionen ausgeübt wurde.<br />
Dr. Julia Schüler, Senior Industry Specialist Health Sciences<br />
<strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> AG, Mannheim<br />
2 KRÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Inhalt<br />
Grußwort von Bundesministerin Edelgard Bulmahn 4<br />
Grußwort von Bundesminister Wolfgang Clement 5<br />
Vorwort von Alfred Müller, Vorstandsmitglied <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> AG 6<br />
1. Kommerzielle Biotechnologie in Deutschland – Ein Überblick 7<br />
2. Geschäftsfel<strong>der</strong>, Technologien und Produkte 23<br />
2.1 Forschung und Technologie 24<br />
2.2 Fortschritte in <strong>der</strong> Roten Biotechnologie 30<br />
2.3 Entwicklungen in <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie 46<br />
2.4 Entwicklungen in <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie 56<br />
3. Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien 65<br />
3.1 Geschäftsmodelle, Strategien und Erfolgsfaktoren 65<br />
3.2 M&A, Partnerschaften und Deals 78<br />
3.3 Erfolgsfaktor „Wertschöpfungsnetz“:<br />
Diagnostik-Industrie im Überblick 89<br />
4. Finanzierung und Kapitalmarkt 97<br />
4.1 Biotech-Investoren im Blickfeld 97<br />
4.2 Die Finanzierung <strong>der</strong> Biotech-Firmen 103<br />
4.3 Börse und Kapitalmarkt 115<br />
5. Standort Deutschland 119<br />
5.1 Wertschöpfungsnetzwerk „Life Sciences“ 122<br />
5.2 Bio-Regionen im Visier 129<br />
Anhang 132<br />
Methodik und Definitionen 132<br />
Verzeichnis <strong>der</strong> Expertenbeiträge 134<br />
Verzeichnis <strong>der</strong> Tabellen und Abbildungen 136<br />
3
Grußwort<br />
Edelgard Bulmahn,<br />
Bundesministerin für Bildung und Forschung<br />
Vorsprung durch Innovation – dieses Ziel ist für unser Land überlebenswichtig. Denn nur<br />
mit neuen Ideen und innovativen Anwendungen sichern wir unsere wirtschaftliche<br />
Leistungsfähigkeit. Nur so schaffen wir die Arbeitsplätze, die wir in unserem Land<br />
brauchen, nur so erhalten wir die Grundlage für Wohlstand, Teilhabe und soziale<br />
Gerechtigkeit.<br />
Innovativ ist eine Gesellschaft, die erfolgreich daran arbeitet, <strong>der</strong><br />
Wissenschaft, dem Wissenstransfer und den Innovationspotenzialen<br />
<strong>der</strong> Unternehmen optimale Bedingungen zu bieten. Die Forschungspolitik<br />
spielt dabei eine Schlüsselrolle. Der Staat kann und will nicht<br />
festlegen, was sich auf den Märkten <strong>der</strong> Zukunft verkauft. Wir können<br />
aber gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft Fel<strong>der</strong> ermitteln,<br />
die eine hohe Chance haben, die Innovationen von morgen zu liefern.<br />
Forschungspolitik kann und muss deshalb dort aktiv materiell<br />
för<strong>der</strong>nd und strategisch gestaltend eingreifen, wo es gilt, Basistechnologien<br />
zu stärken, die neue Wachstumsfel<strong>der</strong> erschließen und als<br />
Wachstumstreiber in vielen Branchen wirken.<br />
Die Biotechnologie ist eine solche Technologie und Deutschland hat<br />
sich in diesem wichtigen Innovationssektor einen europäischen Spitzenplatz erarbeitet<br />
– gerade auch dank <strong>der</strong> gezielten und intensiven För<strong>der</strong>ung durch das BMBF.<br />
Deutsche Unternehmen haben davon profitiert, im internationalen Vergleich kräftig<br />
aufgeholt und sich eine leistungsfähige Basis geschaffen. In dieser Basis steckt enormes<br />
Entwicklungspotenzial, auch wenn klar gesagt werden muss, dass sich die Branche<br />
gegenwärtig in einem Konsolidierungsprozess befindet.<br />
Der vorliegende 6. Biotechnologie-Report unterstreicht einmal mehr, dass sich die<br />
deutsche Biotech-Branche auch in einem schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld<br />
kraftvoll zu behaupten weiß: Prognosen, die davon ausgingen, dass die Szene mit dramatischen<br />
Einbrüchen und Stillstand zu rechnen habe, sind klar wi<strong>der</strong>legt worden.<br />
Die Zahl <strong>der</strong> Unternehmen liegt dank zahlreicher Neugründungen unterm Strich etwa auf<br />
dem Niveau des Jahres 2003, beim Umsatz legt die Branche um sieben Prozent zu und<br />
auch das Volumen <strong>der</strong> Wagniskapitalfinanzierung ist gegenüber dem Vorjahr trotz <strong>der</strong><br />
anhaltenden Konsolidierung gestiegen.<br />
Hierzu hat die Bundesregierung ihren Beitrag geleistet. Denn gerade die Finanzierung ist<br />
ja zurzeit <strong>der</strong> kritische Punkt für viele hochinnovative Firmen. Mit dem High-Tech-<br />
Masterplan haben wir die Investitions-Bedingungen für junge Technik-Unternehmen<br />
spürbar verbessert. Gleichzeitig bauen wir mit dem Beteiligungskapital-Dachfonds und<br />
<strong>der</strong> Grün<strong>der</strong>initiative die Startchancen für innovative Unternehmen weiter aus.<br />
Um die Anwendungspotenziale <strong>der</strong> Biotechnologie auszuschöpfen, dürfen Innovationen<br />
nicht zufällige Nebenprodukte <strong>der</strong> Forschung sein. Entscheidend ist, dass wir das<br />
Wissen, das in diesem Land vorhanden ist, bündeln und gezielt nutzen.<br />
Denn Biotechnologie ist immer ein vernetztes Geschäft. Das Zusammenwirken<br />
verschiedener Disziplinen von <strong>der</strong> Medizin über die Bioinformatik bis hin zur<br />
Verfahrenstechnik ist deshalb ebenso entscheidend für den Erfolg wie die Verzahnung<br />
von Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Kliniken und Zulassungsbehörden.<br />
Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammenzubringen<br />
und leistungsfähige Cluster zu bilden, dieses<br />
Ziel verfolgen wir seit einigen Jahren erfolgreich mit<br />
unseren Wettbewerben BioRegio und BioProfil. Hieraus<br />
sind bereits 26 BioRegionen entstanden, die Stärken<br />
auf beson<strong>der</strong>s zukunftsträchtigen Fel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Biotechnologie<br />
aufweisen und wichtige Impulse für die<br />
wirtschaftliche Entwicklung vor Ort geben. Beispiele<br />
hierfür sind etwa die Bioregionen um Berlin, München,<br />
Jena und das Rhein-Neckar-Dreieck.<br />
Um Lücken in <strong>der</strong> Wertschöpfungskette zu schließen, ist<br />
diese Clusterbildung insbeson<strong>der</strong>e für Existenzgrün<strong>der</strong><br />
und kleine und mittlere Unternehmen von erheblicher<br />
Bedeutung. Sie sind wegen ihrer Nähe zur akademischen Forschung und <strong>der</strong> schnellen<br />
und flexiblen Umsetzung mo<strong>der</strong>ner Forschungsmethoden Katalysatoren für den Technologietransfer<br />
und sorgen dafür, dass neue Geschäftsideen und technologische<br />
Entwicklungen schnell in den Wirtschaftskreislauf fließen.<br />
Die Biotechnologie gehört zu den wichtigsten Innovationsfel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Zukunft. Noch<br />
1989 wurden mit Biopharmazeutika weltweit weniger als 50 Millionen US-Dollar Umsatz<br />
gemacht. Vergangenes Jahr waren es mehr als 40 Milliarden. Und bis 2010 wird sich<br />
diese Summe – so die Prognose – wohl noch einmal verdoppeln.<br />
Ich bin sicher: Deutsche Unternehmen werden dabei ganz vorne mitspielen. In <strong>der</strong><br />
Grundlagenforschung gehören wir bereits zur Weltspitze. Inzwischen durchlaufen auch<br />
immer mehr biotechnologische Produkte die Entwicklungspipeline. Auch im vergangenen<br />
Jahr ist die Zahl <strong>der</strong> Wirkstoffe sowohl in <strong>der</strong> vorklinischen Phase als auch in <strong>der</strong><br />
späteren klinischen Prüfungsphase erneut gestiegen.<br />
Es gibt also genügend Gründe, optimistisch nach vorne zu schauen. Die Biowissenschaften<br />
sind Innovations-Motor in <strong>der</strong> Medizin und Pharmazie, aber auch in vielen<br />
an<strong>der</strong>en Branchen – in <strong>der</strong> Chemie, <strong>der</strong> Landwirtschaft, <strong>der</strong> Umwelt- und Energietechnik<br />
und im Dienstleistungssektor.<br />
Die Bundesregierung hat sich aus diesem Grund klar zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Biotechnologie<br />
bekannt. Wir unterstützen exzellente Forschung, ermöglichen ein engagiertes und<br />
kreatives Unternehmertum und stärken damit die Innovationskraft in unserer<br />
Gesellschaft!<br />
4 KRÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Grußwort<br />
Wolfgang Clement,<br />
Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit<br />
In Biotechnologie investieren, heißt in die Zukunft<br />
investieren!<br />
Denn die Wertschöpfung von morgen entsteht durch kreative Ideen und die Erfindung<br />
neuer Verfahren, Produkte sowie Dienstleistungen heute. Innovationen im Bereich <strong>der</strong><br />
Bio- und Gentechnologie stehen somit für wirtschaftliches<br />
Wachstum, zukunftsfähige Arbeitsplätze und Wohlstand in<br />
unserer Gesellschaft. Gerade in Zeiten <strong>der</strong> Globalisierung ist<br />
diese Technologie wichtig für Deutschland, das sich zunehmend<br />
auf wissensintensive Produkte und Dienstleistungen spezialisieren<br />
muss, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.<br />
Deutschland ist schon heute ein bedeuten<strong>der</strong> Biotech-Standort<br />
mit einer erstklassigen Forschungslandschaft und einer Reihe<br />
erfolgreicher Unternehmen, von denen einige mittlerweile auch<br />
zur internationalen Spitze aufschließen. Der Weg dorthin war<br />
nicht immer leicht. Nach den anfänglichen „Boomjahren“ ist die<br />
Biotech-Branche längst zurück auf dem Boden <strong>der</strong> Realität. Der<br />
6. Deutsche Biotechnologie-Report, das „Branchenbarometer“, zeigt uns, dass sich die<br />
Branche nunmehr schon im dritten Jahr in Folge auf Konsolidierungskurs befindet. Die<br />
Anzahl <strong>der</strong> Neugründungen kann die Abgänge noch nicht kompensieren, was jedoch die<br />
Zahl <strong>der</strong> Unternehmen anbelangt, belegt Deutschland in Europa nach wie vor einen<br />
Spitzenplatz. Auch die Beschäftigungsdynamik ist weiterhin nicht zufrieden stellend,<br />
aber auch hier zeigen sich erste Anzeichen einer Stabilisierung. „Survival of the Fittest“<br />
– vor diesem Hintergrund bewegt sich momentan die Szene, von Stillstand o<strong>der</strong> gar – wie<br />
von so manchem befürchtet – von drastischem Rückgang <strong>der</strong> Unternehmen kann aber<br />
nicht die Rede sein.<br />
Sicher wird es noch dauern, bis sich Deutschland mit den „Global Playern“ <strong>der</strong> Biotechnologie<br />
messen kann, denn die Branche hier ist noch vergleichsweise jung. Sie befindet<br />
sich jedoch – und das zeigen uns eine Reihe von Indikatoren, wie Umsatz, Verlust, Produktpipeline<br />
– auf dem richtigen, wenngleich noch immer „steinigen“ Weg nach oben.<br />
Eines ist heute klar: Die ganz schnellen Erfolge, wie wir sie uns zu Beginn <strong>der</strong> „biotechnologischen<br />
Revolution“ in Deutschland erhofft haben, wird es nicht geben. Biotechnologie<br />
braucht Zeit, Geduld und aufgrund <strong>der</strong> langen Entwicklungszeiten vor allem viel<br />
Kapital.<br />
Die in Deutschland ansässigen Unternehmen sind heute zu einem ganz überwiegenden<br />
Teil im Bereich <strong>der</strong> Roten Gentechnik tätig, einem Bereich, <strong>der</strong> über ein faszinierendes<br />
Spektrum an Möglichkeiten verfügt. Der Einfluss biotechnologisch hergestellter Medikamente<br />
auf den Pharmamarkt wächst stetig, hier öffnen sich immer neue Kooperationsformen<br />
zwischen Pharma und Biotech. Deutsche Unternehmen sind dabei immer noch<br />
relativ stark forschungsorientiert, die Produktentwicklung gerät aber zunehmend in<br />
Bewegung. Wir sehen das an <strong>der</strong> Produktpipeline, die erfreulicherweise eine Reihe von<br />
Zuwächsen aufzuweisen hat. Die so wichtige Kommerzialisierung <strong>der</strong> Biotechnologie<br />
macht also Fortschritte. Dies ist eine wichtige Botschaft!<br />
Wir sollten aber in Deutschland unser Augenmerk nicht nur auf die Rote Gentechnik,<br />
son<strong>der</strong>n verstärkt auch auf die Weiße Biotechnologie und die Grüne Gentechnik lenken,<br />
beides Bereiche, denen aus meiner Sicht eine zunehmende Bedeutung für ein nachhaltiges<br />
Wirtschaftswachstum zukommt. In <strong>der</strong> Weißen<br />
Biotechnologie ist die Ausgangsposition für die deutsche<br />
Wirtschaft gut. In Deutschland wurde wichtige Pionierarbeit<br />
geleistet. Jetzt ist entscheidend, dass deutsche Unternehmen<br />
ihre innovativen Verfahren und Produkte auch international<br />
platzieren können. Und auch vor <strong>der</strong> Grünen Gentechnik darf<br />
unsere Innovationspolitik nicht Halt machen. Wir müssen die<br />
Innovationspotenziale <strong>der</strong> Grünen Gentechnik weiterhin verantwortungsvoll<br />
nutzen und ausbauen. Um zukunftsfähig zu<br />
bleiben und Chancen für innovative Entwicklungen nicht zu<br />
verpassen, muss die Politik hier Wegbereiter bleiben.<br />
Ziel unserer Wirtschaftspolitik ist, den Standort Deutschland<br />
fit zu machen für die Herausfor<strong>der</strong>ungen einer globalisierten Wirtschaft und neue Wachstums-<br />
und Beschäftigungspotenziale zu erschließen. Die Bio- und Gentechnologie, und<br />
ich beziehe hier ausdrücklich alle Bereiche mit ein, spielt in diesem Kontext eine bedeutende<br />
Rolle.<br />
Dazu haben wir eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht, um vor allem die<br />
Innovationskraft des Mittelstandes zu steigern. Von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung ist dabei,<br />
die Finanzkraft <strong>der</strong> Unternehmen zu stärken. Dies gilt auch und vor allem für Biotech-<br />
Unternehmen. Wichtige Signale, auch im Hinblick auf die noch immer zurückhaltenden<br />
Beteiligungskapitalgeber gehen von unseren neuen Instrumenten, wie beispielsweise<br />
dem ERP/EIF-Dachfonds sowie dem ERP-Startfonds aus. Der – wenngleich noch<br />
mo<strong>der</strong>ate – Anstieg von VC-Kapital, das <strong>der</strong> Branche im letzten Jahr zufloss, zeigt, dass<br />
wir hier richtig liegen. Auch ein erstes Engagement des Dachfonds bei einem privaten<br />
Fonds, <strong>der</strong> im Bereich <strong>der</strong> Biotechnologie und Biopharmazeutik aktiv ist, stimmt<br />
zuversichtlich. Mit dem neuen – im Rahmen unserer Innovationsinitiative gemeinsam mit<br />
Industriepartnern und <strong>der</strong> KFW aufgelegten – High-Tech Grün<strong>der</strong>fonds leisten wir jetzt<br />
auch einen effektiven Beitrag zur Schließung <strong>der</strong> Finanzierungslücke im Seed-Bereich.<br />
Damit steht ein Paket wirkungsvoller Maßnahmen zur Steigerung <strong>der</strong> Finanzkraft<br />
innovativer Unternehmen zur Verfügung<br />
Ich bin überzeugt davon, dass die Biotech-Branche das Know-how und Können sowie die<br />
Kraft hat, gestärkt aus <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Konsolidierung hervorzugehen, und dass deutsche<br />
Unternehmen sich am Markt durchsetzen werden.<br />
Das BMWA wird auch in Zukunft seinen Beitrag dazu leisten.<br />
5
Vorwort<br />
Alfred Müller,<br />
Mitglied des Vorstands <strong>der</strong> <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> AG und<br />
Leiter <strong>der</strong> Deutschen Health Sciences Practice –<br />
Initiator <strong>der</strong> Europäischen und Deutschen Biotech-Reports<br />
<strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> präsentiert Ihnen den 6. Deutschen Biotechnologie-Report mit einer<br />
Detailübersicht über die Biotech-Industrie in Deutschland.<br />
Wie in den vergangenen Jahren ist dieser Bericht eingebettet in ein internationales<br />
Konzept, mit dem <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> weltweit die Biotech-Industrie<br />
beobachtet, analysiert und in Form von Trendaussagen hinsichtlich<br />
ihrer zukünftigen Entwicklung beurteilt. In diesem<br />
Zusammenhang wird zeitnah <strong>der</strong> vierte <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> Global<br />
Biotechnology Report erscheinen mit kontinentalen Perspektiven<br />
für Amerika, Europa und die Region Asien-Pazifik.<br />
Biotechnologie und Health Care sind traditionell starkes Standbein<br />
<strong>der</strong> ausgeprägten Industrie-Expertise bei <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> im<br />
Bereich Health Sciences.<br />
Diese Expertise erstreckt sich jedoch ebenso auf die Pharmaindustrie<br />
sowie inzwischen zusehends stärker auch auf die Medizintechnik<br />
– basierend auf vielfältigen Schnittstellen zwischen<br />
diesen Teilgebieten und unserer festen Überzeugung hinsichtlich einer zunehmenden<br />
Konvergenz dieser Segmente in einem integrierten Gesundheitsmarkt.<br />
Dementsprechend hat <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> in diesem Jahr bereits den 3. Global Pharmaceutical<br />
Report herausgegeben, <strong>der</strong> sich vornehmlich mit den wichtigsten Aufgabenstellungen<br />
<strong>der</strong> internationalen Pharma-Industrie auseinan<strong>der</strong>setzt. In einer weiteren<br />
Studie – Gesundheitsversorgung 2020 – haben wir die zukünftige Entwicklungen im<br />
deutschen Krankenhaussektor betrachtet.<br />
Mit „Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong>“ – so <strong>der</strong> Titel des Deutschen Biotechnologie-Reports 2005 –<br />
bringen wir zum Ausdruck, dass sich die deutsche Biotech-Branche nach wie vor in<br />
einem Anpassungsprozess befindet, in dem <strong>der</strong> zentrale Aspekt <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong> – „Survival<br />
of the Fittest“ – immer deutlicher zutage tritt. Die zukunftsträchtigsten Unternehmensmodelle<br />
beginnen sich durchzusetzen; sie werden finanziert und finden Partner.<br />
An<strong>der</strong>erseits sind erstmals auch bekannte Namen <strong>der</strong> Biotechszene in Deutschland auf<br />
<strong>der</strong> Strecke geblieben, weil sie die weitere Finanzierung nicht rechtzeitig unter Dach und<br />
Fach bringen konnten.<br />
Anlass zur Hoffnung, dass die Talsohle <strong>der</strong> Konsolidierungsphase erreicht sein könnte, ist<br />
aus einigen Kennzahlen ablesbar. Der Abwärtstrend bei Firmen- und Mitarbeiterzahl<br />
sowie bei den Aufwendungen für Forschung und Entwicklung hat sich verlangsamt.<br />
Immerhin wurde <strong>der</strong> Verlust verringert und <strong>der</strong> Umsatz konnte trotz abnehmen<strong>der</strong> Mitarbeiterzahlen<br />
sogar gesteigert werden.<br />
Auch an <strong>der</strong> Finanzierungsfront gibt es positive Signale vom Kapitalmarkt, <strong>der</strong> neben<br />
einem Börsengang auch einige Kapitalerhöhungen ermöglicht hat. „Survival of the<br />
Fittest“ gilt allerdings nach wie vor für die mit Risikokapital finanzierten Unternehmen.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e Gründungs- und Frühphasenfinanzierung, aber<br />
auch die Spätphasenfinanzierung decken bei Weitem noch<br />
nicht den enormen Kapitalbedarf <strong>der</strong> Branche. Lobenswert<br />
ist hier jedoch die Initiative <strong>der</strong> Bundesregierung, einen High-<br />
Tech-Grün<strong>der</strong>fonds aufzulegen, <strong>der</strong> bis 2010 Wagniskapital<br />
für junge Technologieunternehmen in Höhe von 260 Mio. €<br />
bereitstellt.<br />
Die Zusammenstellung und Analyse von Zahlen und Trends<br />
für die Industrie und assoziierte Interessensgruppen verschafft<br />
uns eine weit reichende Kompetenz bzw. vertiefte<br />
Industrieexpertise, die uns in vielen Gesprächen immer<br />
wie<strong>der</strong> bestätigt wird.<br />
Diese Industrieexpertise geben wir als wichtigen Bestandteil unseres Dienstleistungsportfolios<br />
als Mehrwert an unsere Kunden weiter.<br />
Kern dieser Dienstleistungen ist die multidisziplinäre Praxis, die alle notwendigen Fachexpertisen<br />
aus den Bereichen risikoorientierte Prüfung, Steuerberatung, Corporate<br />
Finance, Restrukturierung und Rechtsberatung in sich vereinigt. Die enge Verzahnung<br />
<strong>der</strong> multidisziplinären Praxis mit <strong>der</strong> Industrie-Expertise gewährleistet, dass ausgearbeitete<br />
Lösungen sehr spezifisch auf die Branche und den individuellen Kunden<br />
zugeschnitten werden können.<br />
Life-Science-Unternehmen aus den Bereichen Biotech und Medizintechnik repräsentieren<br />
eine spezifische Zielgruppe von <strong>Ernst</strong> &<strong>Young</strong> im Rahmen unserer Ausrichtung auf<br />
„Strategic Growth Markets“ (SGM). Es liegt uns insbeson<strong>der</strong>e daran, die zukunftsträchtige<br />
Life-Sciences-Branche in ihrer Entwicklung zu unterstützen, d. h. mit den<br />
jungen Start-ups zu wachsen und ihre erfolgreiche Aufwärtsentwicklung zu begleiten.<br />
Gleichzeitig streben wir an, auch die großen Player fachkundig zu beraten.<br />
Ich hoffe, dass die vorliegende Studie Ihnen neben dem Zahlenmaterial hilfreiche Anregungen<br />
liefert, und ich würde mich freuen, wenn Ihr Dialog mit <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> über die<br />
Studie hinaus konstruktiv fortgesetzt würde.<br />
6 KRÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
1. Kommerzielle Biotechnologie in Deutschland – Ein Überblick<br />
Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong><br />
„Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong>“, das diesjährige Motto des deutschen<br />
Biotechnologie-Reports, beschreibt den Prozess <strong>der</strong> Differenzierung<br />
und Selektion, <strong>der</strong> im vergangenen Jahr in <strong>der</strong><br />
deutschen Biotech-Branche stattgefunden hat. Auf dem<br />
„steinigen Weg zu den Sternen“ wirken nun deutlich die Kräfte<br />
<strong>der</strong> <strong>Evolution</strong>. Der aktuelle Titel deutet auf den nach wie vor<br />
andauernden Kampf <strong>der</strong> Branche um das „Survival of the<br />
Fittest“ hin. Anpassungen werden sichtbar und behaupten sich<br />
im Selektionsprozess <strong>der</strong> Konsolidierung.<br />
Die Folge ist eine zunehmende Aufteilung in Firmen, die ihre<br />
Position stärken konnten und Unternehmen, die Rückschritte<br />
bis hin zu Insolvenzen hinnehmen mussten. „Die Schere öffnet<br />
sich“ wäre ein ebenso passen<strong>der</strong> Titel gewesen.<br />
Auf Grund erkennbarer Fortschritte in einigen Bereichen und<br />
zunehmend positiver Stimmung scheint es, als ob die Talsohle<br />
fast durchschritten wäre. Die wie<strong>der</strong> aufkeimende deutsche<br />
Biotech-Industrie muss nun weiter überleben und wachsen.<br />
Dazu gehört eine stärkere Finanzbasis ebenso wie starke Partner<br />
und akzeptable staatliche Rahmenbedingungen.<br />
Aber auch die Biotech-Firmen selbst müssen durch<br />
unternehmerisches, markt- und kundenorientiertes Handeln<br />
ihren Beitrag leisten. Dieses war in <strong>der</strong> jüngsten Vergangenheit<br />
oft nicht möglich, da sie gegenüber den Finanziers in die<br />
Defensive gedrängt waren.<br />
Die Zukunft dieses Sektors kann „zu den Sternen führen“, da<br />
die Biotechnologie weiterhin eine Schlüsseltechnologie des 21.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts ist. Mit Hilfe <strong>der</strong> Biotechnologie werden nach wie<br />
vor viele neue Erkenntnisse gewonnen und in <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
Innovationen erzielt, und zwar sowohl in <strong>der</strong> Roten, <strong>der</strong> Weißen<br />
als auch in <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie.<br />
Während die Vorteile <strong>der</strong> Roten Biotechnologie, die auf die<br />
Behandlung bisher unzureichend o<strong>der</strong> nicht behandelbarer<br />
Krankheiten durch neuartige Medikamente, aber auch auf neue<br />
Diagnostika zielt, klar erkennbar sind, wird <strong>der</strong> Nutzen <strong>der</strong><br />
Weißen Biotechnologie (Anwendung im industriellen Bereich)<br />
dem Normalbürger nicht sofort offensichtlich. Denn <strong>der</strong>en<br />
Einsatz zielt im Wesentlichen auf effizientere und sparsamere<br />
Produktionsverfahren o<strong>der</strong> Synthesen für neue Stoffe<br />
insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> chemischen Industrie.<br />
Dennoch ist die Weiße Biotechnologie heute schon im Alltag<br />
gegenwärtig – etwa bei je<strong>der</strong> Wäsche. Gentechnisch<br />
modifizierte Waschmittelenzyme bleiben in <strong>der</strong> stark<br />
alkalischen und mit Bleichmitteln befrachteten Waschlauge<br />
wesentlich länger aktiv als natürliche Enzyme, <strong>der</strong>en<br />
Lebensdauer und damit auch Wirksamkeit durch die an<strong>der</strong>en<br />
Waschmittelinhaltsstoffe drastisch verringert wird. Durch<br />
gezieltes Protein Engineering können zudem die Hautverträglichkeit<br />
von Proteasen und die Entfernung von<br />
Anschmutzungen noch besser gemacht werden.<br />
Obwohl auch die Grüne Biotechnologie (Anwendungen in <strong>der</strong><br />
Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie) zahlreiche praktische<br />
Vorteile bietet, bescheren die geringe Akzeptanz in <strong>der</strong><br />
Bevölkerung sowie die inakzeptablen staatlichen Rahmenbedingungen<br />
diesem Sektor einen unverdienten Stillstand.<br />
Die Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong> haben zur Folge, dass die Industrie<br />
weiterhin von Konsolidierung, das heißt von Insolvenzen und<br />
Restrukturierungen, geprägt ist. Doch letztlich wird dies <strong>der</strong><br />
Branche nach harten Jahren einen Neuanfang ermöglichen, aus<br />
dem sie gestärkt hervorgehen wird. Die ersten Zeichen <strong>der</strong><br />
Stärkung sind bereits erkennbar:<br />
• Die Branche weist einen gestiegenen Umsatz und einen<br />
gesunkenen Verlust auf.<br />
• Mehr Firmen sind profitabel geworden.<br />
• Die Zahl <strong>der</strong> Neugründungen hat leicht zugenommen.<br />
• Über 150 Firmen halten die Einstellung neuer Mitarbeiter in<br />
2005 für wahrscheinlich.<br />
• Deutlich mehr Wirkstoffe haben die klinische Phase II und III<br />
erreicht; einige Wirkstoffe konnten erfolgreich auslizenziert<br />
o<strong>der</strong> verkauft werden.<br />
• Insolvent gemeldete Firmen konnten von an<strong>der</strong>en Unternehmen<br />
übernommen werden.<br />
• Die Zahl an kommerziellen Partnerschaften ist gestiegen.<br />
• Das Volumen an Risikokapitalfinanzierungen ist weiter leicht<br />
gestiegen und es gab wie<strong>der</strong> Börsengänge sowie einige<br />
Kapitalerhöhungen bereits börsennotierter Unternehmen.<br />
• Der Sektor wird von Bund und Län<strong>der</strong>n unterstützt sowie<br />
geför<strong>der</strong>t. Jedoch sind einige Rahmenbedingungen nach wie<br />
vor stark verbesserungsbedürftig.<br />
7
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
Eckdaten<br />
Nach 2003 hat sich im Jahr 2004 die Anzahl <strong>der</strong> Biotech-<br />
Firmen in Deutschland nochmals verringert (zur Definition<br />
siehe unten). Trotz einer erhöhten Zahl von Neugründungen<br />
sowie einiger Neuzugänge (Ausgründungen und neu berücksichtigte<br />
Firmen) konnten diese wie<strong>der</strong>um die gestiegene Zahl<br />
von Insolvenzen, Geschäftsauflösungen und an<strong>der</strong>en Abgängen<br />
nicht wettmachen.<br />
Ebenfalls erneut abgenommen haben die Anzahl <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
sowie die Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Bei beiden<br />
Kennzahlen ist die Reduktion jedoch zu einem großen Teil auf<br />
die Insolvenzen zurückzuführen. Eine beson<strong>der</strong>s positive<br />
Entwicklung ist dagegen beim Umsatz zu verzeichnen: Dieser<br />
hat sich im Jahr 2004 um sieben Prozent erhöht und damit<br />
wie<strong>der</strong> die Grenze von einer Milliarde Euro überschritten.<br />
Erfreulicherweise konnte die deutsche Biotech-Branche ihre<br />
Verluste im zweiten Jahr in Folge weiter reduzieren.<br />
Geschäftsfel<strong>der</strong>, Technologien und Produkte<br />
Das Geschäftsfeld mit den meisten Firmen ist nach wie vor die<br />
Entwicklung von Therapeutika bzw. Wirkstoffen sowie<br />
Dienstleistungen in diesem Bereich. An zweiter Stelle folgen<br />
Firmen, die Molekulardiagnostika entwickeln o<strong>der</strong> Services in<br />
dieser Kategorie anbieten. Werden weitere Geschäftsfel<strong>der</strong>, wie<br />
Drug Delivery und Tissue Engineering, dazugezählt, befasst<br />
sich somit <strong>der</strong> überwiegende Anteil <strong>der</strong> Biotech-Firmen mit<br />
Roter Biotechnologie. Zudem sind diesem Sektor auch<br />
Aktivitäten zur Entwicklung von Tools sowie Services in den<br />
Bereichen Genomics und Proteomics zuzuordnen, mit denen<br />
sich eine weitere große Zahl an Biotech-Firmen beschäftigt.<br />
Firmen aus den Bereichen <strong>der</strong> Grünen, Weißen und Grauen<br />
Biotechnologie sind im Gegensatz zu denjenigen aus <strong>der</strong> Roten<br />
Biotechnologie nach wie vor nur gering vertreten.<br />
In <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie ist es nur gut ein halbes Dutzend<br />
kleinerer Unternehmen, die sich mit <strong>der</strong> Erzeugung transgener<br />
Pflanzen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Entwicklung von Technologien dazu sowie<br />
<strong>der</strong> Erforschung von Stoffwechselwegen in Pflanzen beschäftigen.<br />
Hinzu kommen einige Firmen aus dem Bereich<br />
„Molecular Pharming“, die in <strong>der</strong> Regel auch transgene<br />
Pflanzen für die Produktion von Therapeutika einsetzen. Der<br />
Großteil <strong>der</strong> Firmen aus dem grünen Sektor beschäftigt sich mit<br />
<strong>der</strong> molekularen Lebensmitteldiagnostik.<br />
In <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie liegt <strong>der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong> Firmen<br />
auf <strong>der</strong> Entwicklung von Enzymen und an<strong>der</strong>en Spezialchemikalien.<br />
In <strong>der</strong> Grauen Biotechnologie befassen sich die<br />
Unternehmen zumeist mit <strong>der</strong> Umwelt-Diagnostik.<br />
Bei <strong>der</strong> Technologiebasis ist ein leichter Trend zu einem<br />
verstärkten Einsatz von Protein- und Peptidtechnologien zu<br />
erkennen.<br />
Erfreulicherweise hat sich die Zahl <strong>der</strong> Wirkstoffe in <strong>der</strong><br />
Pipeline deutscher Biotech-Unternehmen im Vergleich zum<br />
Vorjahr deutlich erhöht. Insbeson<strong>der</strong>e bei den Wirkstoffen in<br />
Phase II und III <strong>der</strong> klinischen Entwicklung ist ein weiterer,<br />
deutlicher Fortschritt zu erkennen. Die Zahl <strong>der</strong> Wirkstoffe in<br />
<strong>der</strong> klinischen Pipeline ist mit jetzt 80 Kandidaten bemerkbar<br />
gestiegen.<br />
Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien<br />
Bei den Geschäftsmodellen war im Jahr 2004 keine so<br />
eindeutige Verän<strong>der</strong>ung zu erkennen wie im Vorjahr, in dem <strong>der</strong><br />
Anteil an Firmen, die Produkte entwickeln und gleichzeitig<br />
Service anbieten, signifikant gestiegen war. Die in dieser Studie<br />
häufig thematisierte Differenzierung und <strong>Evolution</strong> <strong>der</strong><br />
Branche liegt daran, dass sich einige Firmen mit offensichtlich<br />
gut angepassten, erfolgreichen Geschäftsstrategien sehr positiv<br />
weiterentwickeln konnten. Ferner gab es wie<strong>der</strong> mehr<br />
kommerzielle Partnerschaften als im Vorjahr.<br />
Finanzierung und Kapitalmarkt<br />
Das Volumen an Risikokapitalfinanzierungen ist 2004 mit 236<br />
Mio. € gegenüber 2003 mit 216 Mio. € leicht gestiegen. Eine<br />
deutliche Erhöhung <strong>der</strong> Gesamt-Eigenkapitalfinanzierung<br />
wurde durch Kapitalerhöhungen <strong>der</strong> bereits börsennotierten<br />
Firmen erzielt. Ein geöffnetes Börsenfenster war nicht zu<br />
erkennen, obwohl eine Firma einen Börsengang realisieren<br />
konnte.<br />
Biotech-Standort Deutschland<br />
Das BMBF und das BMWA för<strong>der</strong>n und unterstützen den<br />
Sektor sichtbar. Jedoch sind einige, insbeson<strong>der</strong>e steuerliche<br />
sowie gesetzgeberische Rahmenbedingungen nach wie vor<br />
stark verbesserungswürdig. Auch bedarf die Umsetzung von<br />
Ergebnissen aus <strong>der</strong> Grundlagenforschung in die kommerzielle<br />
Anwendung einer noch professionelleren Ausrichtung.<br />
8 KRÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Stand <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-<br />
Industrie im Jahr 2004<br />
Im Fokus <strong>der</strong> vorliegenden Studie stehen Firmen, die vorwiegend<br />
mo<strong>der</strong>ne Methoden <strong>der</strong> Biotechnologie entwickeln o<strong>der</strong><br />
nutzen und die hier als Core-Biotech-Unternehmen bezeichnet<br />
werden. Dieser Begriff wurde ursprünglich von <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong><br />
geprägt, wird jedoch von Dritten lei<strong>der</strong> nicht immer konsistent<br />
genutzt.<br />
Ziel dieser Fokussierung ist, den Kern <strong>der</strong> Branche abzubilden<br />
und somit eine homogene Menge an Firmen zu erfassen, die mit<br />
ähnlichen Methoden arbeiten und die sich hinsichtlich Parametern<br />
wie Geschäftsmodelle, Geschäftsstrategien, Geschäftsfel<strong>der</strong><br />
u. ä. vergleichen lassen.<br />
Diese Betrachtung beinhaltet folglich keine Firmen, die sich<br />
zum Beispiel mit klassischen Methoden <strong>der</strong> Biotechnologie<br />
beschäftigen o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Medizintechnik tätig sind.<br />
Ebenso nicht im engeren Fokus stehen traditionelle Mittelstands-<br />
und Großunternehmen aus <strong>der</strong> Pharma-, Diagnostikund<br />
Agroindustrie, auch wenn sie mit Methoden <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
Biotechnologie arbeiten. Um jedoch <strong>der</strong>en Bedeutung innerhalb<br />
<strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Industrie zu betonen, wird <strong>der</strong><br />
deutschen Diagnostik-Industrie und ihrem Bezug zur mo<strong>der</strong>nen<br />
Biotechnologie ein eigenes Kapitel in dieser Studie gewidmet<br />
(siehe Kapitel 3.3).<br />
Basis dieser Studie ist eine Primärerhebung unter den als Core-<br />
Biotech-Firmen definierten Unternehmen. Wenn nicht an<strong>der</strong>s<br />
gekennzeichnet, entstammen alle Daten dieser Analyse. Detaillierte<br />
Ausführungen zu Definitionen, Abgrenzungen und<br />
Methodik <strong>der</strong> vorliegenden Untersuchung finden sich im<br />
Anhang.<br />
Auch wenn ein weiter Bereich an Firmen von <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong><br />
nicht zum Kern <strong>der</strong> Branche gezählt wird und somit nicht im<br />
Fokus dieser Studie steht, so sind diese Unternehmen natürlich<br />
ein wichtiger Bestandteil <strong>der</strong> deutschen Biotech-Industrie.<br />
Nach dem aktuellen Biotechnologie Jahr- und Adressbuch des<br />
BIOCOM-Verlages umfasst die Biotech-Industrie in Deutschland<br />
insgesamt 481 kleine und mittlere Biotech-Unternehmen.<br />
Dabei ist die Definition jedoch weiter gefasst. So sind hier<br />
beispielsweise auch Diagnostik-Firmen enthalten, die sich mit<br />
klassischen Technologien <strong>der</strong> Immundiagnostik beschäftigen.<br />
Das InformationsSekretariat Biotechnologie (ISB) zählt in<br />
seinem Online-Firmenatlas <strong>der</strong>zeit 591 Biotech-Firmen mit<br />
Forschung bzw. Produktion in Deutschland (Stand März 2005).<br />
Auch hier liegt eine unterschiedliche Definition gegenüber<br />
<strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> zugrunde. Es werden zum Beispiel auch Unternehmen<br />
aus dem klassischen Bereich <strong>der</strong> Biotechnologie sowie<br />
Bioinstrumente-Firmen eingeschlossen.<br />
Die letzte Meldung vom statistischen Bundesamt zur Anzahl<br />
von Biotech-Unternehmen in Deutschland aus dem Jahre 2003<br />
berichtet über insgesamt 1.090 Unternehmen in 2002, die in<br />
unterschiedlicher Art das Erscheinungsbild <strong>der</strong> deutschen<br />
Biotech-Landschaft prägen. Neuere Umfragen und Zahlen<br />
liegen hier bisher nicht vor.<br />
Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> im Anhang ausführlich dargestellten<br />
Definition und Abgrenzung <strong>der</strong> Core-Biotech-Firmen durch<br />
<strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, die auch den internationalen Reports von<br />
<strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> zu Grunde liegt, beläuft sich die aktuelle Zahl<br />
<strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Firmen auf 346.<br />
Tabelle 1-1:<br />
Eckdaten <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Industrie<br />
Gesamt-<br />
Industrie<br />
Börsennotierte<br />
Unternehmen<br />
Jahr 2002 2003 2004 2004<br />
Allgemeine Kennzahlen<br />
Anzahl <strong>der</strong> Unternehmen 360 –3 % 350 –1 % 346 12<br />
Anzahl <strong>der</strong> Beschäftigten 13.400 –14 % 11.535 –12 % 10.089 3.141<br />
in FuE 7.308 –16 % 6.120 –12 % 5.380 1.391<br />
Finanzdaten (in Mio. €)<br />
Umsatz 1.014 –5% 960 +7% 1.030 500<br />
FuE-Ausgaben 1.090 –11 % 966 –10 % 869 138<br />
Verlust –661 –17 % –549 –11 % –486 –169<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
9
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong><br />
Allgemeine Kennzahlen <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-<br />
Industrie im Jahresvergleich<br />
Nach <strong>der</strong> „Zeit <strong>der</strong> Bewährung“ im Jahr 2002 und dem für das<br />
Jahr 2003 beschriebenen „steinigen Weg zu den Sternen“<br />
wirken im Jahr 2004 die „Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong>“. Die Situation<br />
in <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Industrie ist somit im dritten<br />
Jahr in Folge von Konsolidierung geprägt.<br />
Allerdings hat diese in Form von Insolvenzen, Firmenübernahmen,<br />
Mitarbeiterabbau und Restrukturierungen positive<br />
Konsequenzen, da die „überlebenden“ Firmen meist gestärkt<br />
aus diesem Prozess hervorgehen. Die Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong><br />
bedeuten, dass ein „Survival of the Fittest“ stattfindet. Ganz<br />
nach <strong>der</strong> Darwin’schen <strong>Evolution</strong>stheorie heißt „fittest“ dabei<br />
nicht unbedingt des Stärksten; vielmehr überleben die Firmen,<br />
die sich <strong>der</strong> allgemeinen Branchensituation am besten angepasst<br />
haben. Beispiele hierfür finden sich bei Unternehmen, die sich<br />
den realen Marktbedingungen wie Finanzierung, Produktentwicklung,<br />
Vertrieb und Kundengewinnung am besten stellen<br />
konnten. So haben diese auf Grund fortgeschrittener Produktentwicklung<br />
o<strong>der</strong> mit dem Bieten von Dienstleistungen<br />
Finanziers o<strong>der</strong> Kunden gefunden. Auf Basis dieser Selektion<br />
ergibt sich eine Differenzierung in <strong>der</strong> Branche, die eine<br />
Zweiteilung zur Folge hat, in diejenigen, die gestärkt wurden,<br />
und diejenigen, die es nicht geschafft haben.<br />
Mit <strong>der</strong> vorliegenden Entwicklung <strong>der</strong> deutschen Biotech-<br />
Branche im Jahr 2004 sehen wir die Talsohle fast durchschritten.<br />
Es gibt Anzeichen dafür, dass ein „Licht am Ende des<br />
Tunnels“ zu erkennen ist. Es sind nicht mehr nur Einzelfälle –<br />
wie im vergangenen Jahr – die eine erfolgreiche Entwicklung<br />
aufweisen können. Fast die Hälfte <strong>der</strong> Firmen hat auch wie<strong>der</strong><br />
Mitarbeiter eingestellt, obwohl dies den Rückgang an Beschäftigten<br />
nicht aufwiegen konnte. Die Branche hat ihren Umsatz<br />
gesteigert und den Verlust reduziert, und einige Firmen haben<br />
sogar die Gewinnzone erreicht.<br />
Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite bleibt eine leicht gestiegene Zahl an<br />
Insolvenzen, wobei auch einstige Hoffnungsträger <strong>der</strong> Branche<br />
betroffen waren. Hier wirkte die Selektion durch die Investoren<br />
beson<strong>der</strong>s hart. Dennoch konnten durch die Übernahme von<br />
Teilen <strong>der</strong> insolventen Munich Biotech und Axxima Pharmaceuticals<br />
einige <strong>der</strong> Werte erhalten bleiben.<br />
Zunehmend gelingt es auch, eine Konsolidierung über die Zusammenführung<br />
von Unternehmen zu realisieren, wie jüngst<br />
durch die Fusion von Curacyte und IBFB Pharma gezeigt.<br />
Seit 2001 ist die Anzahl <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Unternehmen<br />
(im Folgenden auch nur „Biotech-Unternehmen“ genannt)<br />
im letzten Jahr zum dritten Mal in Folge gesunken, nachdem in<br />
den wachstumsstarken Jahren 1996 bis 2000 zeitweise Zuwächse<br />
um mehr als 20 Prozent zu beobachten waren.<br />
Mit 346 Firmen ist die Unternehmenszahl im Vergleich zum<br />
Vorjahr (350 Firmen) weiter gesunken. Der Rückgang beläuft<br />
sich damit jedoch auf nur ein Prozent.<br />
Abbildung 1-1:<br />
Historische Entwicklung <strong>der</strong> Anzahl an<br />
Core-Biotech-Unternehmen<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
104<br />
1996<br />
173<br />
1997<br />
222<br />
1998<br />
279<br />
1999<br />
2000<br />
Wie<strong>der</strong>um hat ein in <strong>der</strong> Branche vielfach befürchteter größerer<br />
Einbruch <strong>der</strong> Firmenzahl nicht statt gefunden. Es ist davon<br />
auszugehen, dass in den kommenden Jahren zwar weiterhin<br />
Bereinigungen durch Insolvenzen sowie Fusionen und Übernahmen<br />
auftreten werden, die Firmenanzahl jedoch nicht weiter<br />
deutlich einbrechen wird.<br />
Aktuell sind lediglich 28 Prozent <strong>der</strong> Unternehmen mit<br />
Risikokapital finanziert, im Jahre 2003 waren es noch 32<br />
Prozent. Dieser Rückgang beruht darauf, dass 84 Prozent <strong>der</strong><br />
Insolvenzen aus dem Jahre 2004 mit Risikokapital finanziert<br />
waren. Unter den 26 Neugründungen ist dagegen keine VCfinanzierte<br />
Firma zu finden.<br />
Damit sind 72 Prozent <strong>der</strong> deutschen Biotech-Firmen von dieser<br />
externen Kapitalquelle und ihrer <strong>der</strong>zeitigen Schwäche<br />
weitestgehend unabhängig, was allerdings nicht bedeutet, dass<br />
alle Unternehmen aus diesem Bereich zwangsläufig überleben<br />
werden, da auch hier die Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong> wirken können.<br />
332<br />
365<br />
360<br />
350<br />
346<br />
2001 2002 2003 2004<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
10 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Der Rückgang <strong>der</strong> Zahl an Biotech-Firmen beruht darauf, dass<br />
die Zahl <strong>der</strong> Neugründungen und Neuzugänge des Jahres 2004<br />
wie<strong>der</strong>um die gestiegene Anzahl an Abgängen in Form von<br />
Insolvenzen, Geschäftsauflösungen, Fusionen und Übernahmen<br />
nicht aufwiegen konnte. Die Neuzugänge basieren auf bereits<br />
früher gegründeten, jedoch erst jetzt in <strong>der</strong> Statistik neu berücksichtigten<br />
Firmen.<br />
Abbildung 1-2:<br />
Übersicht zu Abgängen und Neugründungen <strong>der</strong> letzten Jahre<br />
Anzahl <strong>der</strong> Unternehmen/Neugründungen<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
332<br />
6<br />
59<br />
365 360<br />
11<br />
44<br />
30<br />
25<br />
2000 2001 2002<br />
350<br />
34<br />
23<br />
2003<br />
37<br />
346*<br />
2004<br />
* Die Zahl 346 enthält 7 Neuzugänge, die erst jetzt berücksichtigt wurden.<br />
26<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Anzahl <strong>der</strong> Abgänge<br />
Die Abgänge machen jedoch wie<strong>der</strong>um nur um die zehn<br />
Prozent <strong>der</strong> Gesamtzahl an Biotech-Unternehmen aus dem<br />
Jahre 2003 aus, obwohl die absolute Zahl an Insolvenzen und<br />
Geschäftsauflösungen gestiegen ist. Sie belief sich im letzten<br />
Jahr auf 29 (plus zwei weitere insolvent gemeldete, jedoch<br />
später akquirierte Firmen) gegenüber 24 im Jahr 2003.<br />
Unternehmen<br />
insgesamt<br />
davon<br />
Neugründungen<br />
Abgänge<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Mit einer gesunkenen Anzahl von Fusionen<br />
und Übernahmen (insgesamt drei)<br />
sowie drei weiteren Abgängen (Firmen, die<br />
ruhen o<strong>der</strong> auf Grund einer erneuten Überprüfung<br />
aus <strong>der</strong> Statistik herausgenommen<br />
wurden) beläuft sich die gesamte Zahl <strong>der</strong><br />
Abgänge auf 37 Unternehmen.<br />
Eine vertiefte Analyse zu den Insolvenzen<br />
findet sich später in diesem Kapitel.<br />
Diesen Abgängen standen 2004 26 Neugründungen<br />
gegenüber. Ihre Zahl ist seit<br />
2000 im Jahr 2004 erstmals wie<strong>der</strong><br />
gestiegen. Dennoch liegt ihre Zahl nach<br />
wie vor sehr viel niedriger als in den<br />
Boomjahren 1996 bis 2000. Wie die Selektion<br />
<strong>der</strong> vergangenen Jahre jedoch zeigt,<br />
sind viele dieser Neugründungen aus den<br />
Jahren 1996 bis 2000 nicht überlebensfähig<br />
gewesen. In <strong>der</strong> Aufbruchstimmung<br />
wurden viele Firmen gegründet, die entwe<strong>der</strong> zu unreif waren<br />
o<strong>der</strong> von den nun selektiver gewordenen Risikokapital-Gesellschaften<br />
nicht weiter finanziert werden.<br />
Abbildung 1-3:<br />
Zusammensetzung <strong>der</strong> Abgänge<br />
Anzahl <strong>der</strong> Abgänge<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
11<br />
3<br />
2<br />
6<br />
30<br />
1<br />
4<br />
25<br />
34<br />
1<br />
22<br />
29<br />
2001 2002 2003 2004<br />
9<br />
2<br />
37<br />
3<br />
2<br />
2<br />
1<br />
Sonstige<br />
Fusionen<br />
Akquisitionen<br />
Akquirierte,<br />
insolvent gemeldete<br />
Firmen<br />
Insolvenzen/<br />
Auflösungen<br />
Jedoch haben auch manche Investoren Fehler gemacht und auf<br />
Grund mangeln<strong>der</strong> Erfahrung in Konzepte investiert, die sich<br />
als nicht marktfähig o<strong>der</strong> umsetzbar erwiesen.<br />
So kristallisiert sich bei einer Betrachtung aller Insolvenzen <strong>der</strong><br />
vergangenen vier Jahre heraus, dass die Zahl <strong>der</strong> insolventen<br />
risikofinanzierten Unternehmen, die jeweils in den Jahren 1998,<br />
1999 und 2000 gegründet wurden, höher liegt als diejenige von<br />
risikofinanzierten Gründungen aus den Jahren davor und<br />
danach.<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
11
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
Unter den Neugründungen des Jahres 2004 findet sich kein<br />
Unternehmen, das <strong>der</strong>zeit mit Risikokapital finanziert wird. In<br />
den Vorjahren lag <strong>der</strong> Spitzenwert <strong>der</strong> Neugründungen, die<br />
entwe<strong>der</strong> zur Gründung o<strong>der</strong> später mittels Risikokapital<br />
finanziert wurden, dagegen bei bis zu 50 Prozent.<br />
Abbildung 1-4:<br />
Neugründungen nach Finanzierungsbasis<br />
Anteil Neugründungen in % (20004: n = 26)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
68<br />
32<br />
58<br />
42<br />
53 54 50<br />
47 46 50<br />
73 78 78<br />
0<br />
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004<br />
nicht VC-finanziert<br />
VC-finanziert<br />
27<br />
22 22<br />
100<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Mitarbeiterentwicklung<br />
Neben <strong>der</strong> Stagnation <strong>der</strong> Firmenzahl ist eine nochmalige<br />
Reduktion <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Beschäftigten zu beobachten. Dennoch<br />
bleibt festzuhalten, dass <strong>der</strong> Rückgang bei den Mitarbeiten in<br />
2004 weniger stark ausfiel als im Jahr 2003. Der Rückgang<br />
betrug im Vergleich <strong>der</strong> Jahre 2003 und 2004 14 bzw. 12<br />
Prozent. Absolut gesehen sank die Beschäftigtenzahl von<br />
11.535 auf 10.089.<br />
Beson<strong>der</strong>s betont werden muss hierbei, dass mehr als drei<br />
Viertel des Mitarbeiter-Rückganges auf Insolvenzen, Abbau<br />
von Mitarbeitern bei größeren börsennotierten Unternehmen<br />
sowie fusionierten und übernommenen Firmen zurückzuführen<br />
ist (Abbildung 1-5).<br />
Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> oben aufgeführten Zusammensetzung<br />
des Mitarbeiter-Rückganges erscheint die Reduktion<br />
<strong>der</strong> Mitarbeiteranzahl bei den weiterhin bestehenden privaten<br />
Firmen weniger deutlich ausgeprägt.<br />
Erwähnenswert ist hier jedoch, dass fast die Hälfte <strong>der</strong> Firmen<br />
auch wie<strong>der</strong> Mitarbeiter eingestellt hat, wobei dieses aber den<br />
gesamten Rückgang an Beschäftigten nicht aufwiegen konnte.<br />
Nach dem Platzen <strong>der</strong> Börsen- und an<strong>der</strong>en Erwartungsblasen<br />
erfolgten die Neugründungen anscheinend eher auf <strong>der</strong> Basis<br />
einer erhöhten Marktorientierung und unabhängiger von<br />
Risikokapital. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich das<br />
Bild für die Neugründungen des Jahres 2004 noch än<strong>der</strong>t, wenn<br />
das eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e dieser Unternehmen für spätere<br />
Wachstumsphasen Risikokapital aufnimmt.<br />
Immerhin beschäftigen sich 35 Prozent <strong>der</strong> Neugründungen mit<br />
Therapeutika-Entwicklung und 31 Prozent mit <strong>der</strong> Entwicklung<br />
von Molekulardiagnostika. Der restliche Anteil an neu<br />
gegründeten Firmen bietet Bioinformatik und verschiedene<br />
Services an.<br />
Abbildung 1-5:<br />
Ursache <strong>der</strong> Mitarbeiter-Reduktion<br />
Börsennotierte<br />
Firmen<br />
28 %<br />
M&A<br />
(mit Beteiligung<br />
ausländischer Firma)<br />
8 %<br />
Private Firmen<br />
21 %<br />
Insolvenzen<br />
43 %<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
12 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Abbildung 1-6:<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Anzahl an Mitarbeitern in Core-Biotech-<br />
Unternehmen<br />
Anzahl <strong>der</strong> Mitarbeiter insgesamt<br />
16.000<br />
14.000<br />
12.000<br />
10.000<br />
8.000<br />
6.000<br />
4.000<br />
2.000<br />
0<br />
23<br />
4.013<br />
25<br />
5.650<br />
29<br />
8.124<br />
32<br />
10.673<br />
39<br />
37<br />
14.408<br />
13.400<br />
Als Folge <strong>der</strong> gesunkenen Mitarbeiterzahl hat sich die durchschnittliche<br />
Mitarbeiterzahl pro Unternehmen ebenfalls weiter<br />
verringert. Sie war bis zum Jahr 2001 kontinuierlich gewachsen<br />
und lag im Jahr 2004 bei 29 Beschäftigten pro Core-Biotech-<br />
Firma und damit gleichauf wie im Jahr 1999.<br />
Mit <strong>der</strong> oben dargestellten Ursache des Mitarbeiter-Abbaus und<br />
<strong>der</strong> möglichen Trendwende in <strong>der</strong> Branche kann für die Zukunft<br />
eventuell von einer Stabilisierung <strong>der</strong> Situation ausgegangen<br />
werden. Zumal – wie später noch ausführlicher dargestellt –<br />
deutlich mehr als drei Viertel <strong>der</strong> in dieser Studie befragten<br />
deutschen Biotech-Unternehmen die Einstellung von<br />
Mitarbeitern als sehr wahrscheinlich o<strong>der</strong> wahrscheinlich<br />
einschätzten.<br />
Bei den Mitarbeitern in Forschung und Entwicklung (FuE) hat<br />
sich ebenfalls ein Rückgang um zwölf Prozent ergeben. Absolut<br />
gesehen sank <strong>der</strong>en Zahl von 6.120 in 2003 auf 5.380 im Jahr<br />
2004. Im Gegensatz zum Vorjahr, in dem die börsengelisteten<br />
Core-Biotech-Unternehmen einen sehr großen Einfluss auf den<br />
Rückgang hatten, konnten diese im Jahr 2004 sogar ein leichtes<br />
Plus bei <strong>der</strong> Anzahl an FuE-Mitarbeitern aufweisen.<br />
33<br />
11.535<br />
10.089<br />
1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004<br />
29<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Anzahl <strong>der</strong> Mitarbeiter pro Unternehmen<br />
Mitarbeiterverteilung<br />
Lediglich 20 Prozent <strong>der</strong> Firmen weisen<br />
einen durchschnittlichen Mitarbeiterstand von<br />
29 o<strong>der</strong> mehr Beschäftigten auf. Im Vergleich<br />
zum Jahr 2003 (20 %) ist dieser Anteil<br />
konstant geblieben. Das bedeutet gleichzeitig,<br />
dass weiterhin 80 Prozent aller Firmen<br />
weniger als 30 Mitarbeiter beschäftigen.<br />
Dabei ist <strong>der</strong> Anteil an Firmen, die weniger<br />
als zehn Beschäftigte zählen, von 46 auf 51<br />
Prozent und damit deutlich angestiegen.<br />
Dies basiert überwiegend auf den mit<br />
geringer Mitarbeiterzahl startenden Neugründungen.<br />
Die Kategorie „11 bis 30<br />
Mitarbeiter“ umfasste im Jahr 2004 18<br />
Unternehmen weniger als im Vorjahr. Allein<br />
14 davon gehen auf Insolvenzen zurück. In<br />
<strong>der</strong> Kategorie „31 bis 50 Mitarbeiter“ blieb<br />
die Anzahl <strong>der</strong> Unternehmen konstant, wohingegen bei <strong>der</strong><br />
Gruppe „51 bis 100 Mitarbeiter“ ebenfalls eine deutliche<br />
Reduktion stattfand. Diese ist jedoch eher auf tatsächlichen<br />
Mitarbeiterabbau als auf Rückgang durch Insolvenzen<br />
zurückzuführen. Erfreulicherweise konnten für 2004 fünf<br />
Unternehmen mehr gezählt werden, die die Grenze von 100<br />
Mitarbeitern überschritten haben. Die Anzahl <strong>der</strong> Unternehmen<br />
mit mehr als 300 Beschäftigten blieb konstant.<br />
Abbildung 1-7:<br />
Mitarbeiterverteilung <strong>der</strong> Core-Biotech-Unternehmen im<br />
Jahresvergleich<br />
Anteil <strong>der</strong> Firmen in % (2004: n = 346)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Mitarbeiter<br />
insgesamt<br />
Mitarbeiter pro<br />
Unternehmen<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
1<br />
2<br />
12<br />
11<br />
34<br />
40<br />
1<br />
3<br />
9<br />
10<br />
33<br />
44<br />
1<br />
2<br />
8<br />
9<br />
34<br />
46<br />
1<br />
3<br />
5<br />
10<br />
30<br />
51<br />
2001 2002 2003 2004<br />
> 300<br />
101 bis 300<br />
51 bis 100<br />
31 bis 50<br />
11 bis 30<br />
1 bis 10<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
13
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
Finanzdaten <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Industrie im<br />
Jahresvergleich<br />
Umsatz<br />
Nachdem die deutsche Core-Biotech-Industrie in den Jahren<br />
2002 und 2003 Umsatzeinbußen hinnehmen musste, brachte<br />
das Jahr 2004 ein Umsatzplus von sieben Prozent. Mit <strong>der</strong><br />
Gesamtsumme von 1.030 Mio. € wurde die Grenze von einer<br />
Milliarde Euro Umsatz seit 2001 erstmals wie<strong>der</strong> überschritten.<br />
Die börsennotierten Unternehmen, die einen sehr geringen<br />
Anteil (3 %) an <strong>der</strong> Gesamtzahl <strong>der</strong> Unternehmen stellen,<br />
vereinen nach wie vor 50 Prozent des Umsatzes auf sich. Jedoch<br />
verzeichnen diese Unternehmen insgesamt einen Umsatz-<br />
Rückgang von zwei Prozent. Die durchaus erfolgreichen<br />
Steigerungen <strong>der</strong> Umsätze bei MediGene (fast Verachtfachung)<br />
und Morphosys (plus 44 %) konnten die Umsatzrückgänge bei<br />
den an<strong>der</strong>en börsengelisteten Firmen 1 nicht wettmachen.<br />
Gerade das Beispiel MediGene zeigt, wie positiv sich eine<br />
Produkteinführung auswirkt: Der Umsatz konnte von 2003 auf<br />
2004 von 1,7 auf 13,1 Mio. € gesteigert werden, nachdem im<br />
Jahre 2004 die Einführung des ersten Medikamentes im Markt<br />
erfolgte.<br />
Abbildung 1-8:<br />
Umsatzverteilung im Jahresvergleich (in Mio. €)<br />
Anteil von antwortenden Unternehmen in % (2004: n = 187)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
9<br />
22<br />
44<br />
25<br />
2002<br />
10<br />
22<br />
53<br />
16<br />
2003<br />
2004<br />
> 4<br />
1 bis 4<br />
FuE-Ausgaben<br />
Im letzten Jahr sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung<br />
<strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Unternehmen nochmals<br />
gesunken, und zwar um zehn Prozent von 966 auf 869 Mio. €.<br />
Auch hier ist wie<strong>der</strong>um – wie bei <strong>der</strong> Mitarbeiterentwicklung –<br />
<strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong> börsennotierten Firmen und insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />
Insolvenzen ausschlaggebend, wie aus Abbildung 1-9<br />
ersichtlich wird.<br />
Abbildung 1-9:<br />
Ursache <strong>der</strong> Reduktion des FuE-Aufwandes<br />
Börsennotierte<br />
Firmen<br />
21 %<br />
M&A<br />
(mit Beteiligung<br />
ausländischer Firma)<br />
7 %<br />
Private Firmen<br />
12 %<br />
Insolvenzen<br />
60 %<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Allein fast 75 Mio. € FuE-Aufwand fielen durch 24 insolvente<br />
Unternehmen und weitere gut 8 Mio. € durch übernommene<br />
o<strong>der</strong> fusionierte Firmen weg. Somit liegt <strong>der</strong> „eigentliche“<br />
Rückgang bei den noch in <strong>der</strong> Statistik erfassten Biotech-<br />
Unternehmen bei knapp zwei Prozent, wobei es durchaus<br />
Firmen gibt, die ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung<br />
erhöht haben.<br />
Insofern ist auch hier – wie bei <strong>der</strong> Mitarbeiterzahl – möglicherweise<br />
eine Trendwende zu erkennen, die Aufwendungen für<br />
FuE in Zukunft nicht weiter drastisch zu reduzieren. Da die<br />
Biotech-Industrie eine sehr forschungs- und entwicklungsintensive<br />
Industrie ist, erschien die Reduktion <strong>der</strong> Ausgaben<br />
hierfür in den vergangenen Jahren bedenklich, denn <strong>der</strong> Blick<br />
auf die US-Biotech-Industrie zeigt, dass dort selbst in den<br />
Jahren <strong>der</strong> Konsolidierung und Restrukturierung (1994 bis<br />
1996) die FuE-Ausgaben kontinuierlich gestiegen sind.<br />
Verlust<br />
Der Verlust <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Industrie belief sich im<br />
Jahr 2004 auf 486 Mio. €. Damit konnte er zum zweiten Mal in<br />
Folge im Vergleich zum Vorjahr verringert werden. Während in<br />
2003 eine Absenkung um 17 Prozent erzielt werden konnte, lag<br />
<strong>der</strong> Rückgang 2004 bei elf Prozent.<br />
Die Reduktion beruht zu einem kleineren Teil auf dem Wegfall<br />
<strong>der</strong> Verlustzahlen <strong>der</strong> insolventen Firmen. Vor allem aber ist es<br />
einer Reihe privater Biotech-Unternehmen gelungen, ihren<br />
Verlust deutlich zu senken. So konnten beispielsweise die<br />
bereits mit sehr positiver Umsatzentwicklung vorgestellten<br />
Unternehmen Probiodrug und Paion (seit 2005 börsennotiert)<br />
ihren Verlust drastisch reduzieren bzw. sogar ein teilweise<br />
deutlich positives Ergebnis erzielen: Paion erzielte erstmals seit<br />
Gründung im Jahr 2000 ein positives Jahresergebnis von<br />
0,2 Mio. €, <strong>der</strong> Verlust lag im Jahr 2003 noch bei knapp 11<br />
Mio. €. Probiodrug erreichte 2004 einen geschätzten Gewinn<br />
vor Steuern von um die 25 Mio. €, nachdem sie im Vorjahr noch<br />
Verluste gemacht hatte.<br />
Ein gutes Dutzend weiterer privater Firmen konnte seinen<br />
Verlust ebenfalls bedeutend senken.<br />
Auch bei den börsennotierten Unternehmen gab es eindrucksvolle<br />
Beispiele für Verlustreduktionen: MediGene senkte seinen<br />
Verlust um 58 Prozent und MorphoSys konnte sogar die Grenze<br />
zur Profitabilität überschreiten.<br />
Insgesamt 20 deutsche Biotech-Firmen (darunter drei Neugründungen)<br />
haben 2004 erstmals die Gewinnschwelle erreicht<br />
o<strong>der</strong> überschritten. Allerdings sind auch einige Firmen von <strong>der</strong><br />
Gewinn- wie<strong>der</strong> in die Verlustzone gerutscht.<br />
Von den Core-Biotech-Unternehmen, die in <strong>der</strong> Umfrage eine<br />
Angabe zu Gewinn und Verlust gemacht haben, erwirtschafteten<br />
insgesamt 27 Prozent (50 Firmen) im Jahr 2004<br />
einen Gewinn. Für das Jahr 2003 lagen Angaben zu einem<br />
positiven Jahresergebnis von 22 Prozent <strong>der</strong> Firmen (44<br />
Unternehmen) vor. Bereits hier gab es eine Steigerung zu den<br />
Angaben des Jahres 2002, in dem 17 Prozent (37 Firmen) <strong>der</strong><br />
befragten Unternehmen Gewinn machten.<br />
15
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
Zeichen <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong><br />
Die Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong> bewirken eine Selektion und<br />
Differenzierung in die erfolgreichen und weniger erfolgreichen<br />
Biotech-Firmen. Die Folge davon sind weitere Insolvenzmeldungen<br />
in <strong>der</strong> deutschen Biotech-Industrie. Im vergangenen<br />
Jahr hat <strong>der</strong>en Zahl mit 31 gegenüber 24 im Vorjahr sogar noch<br />
zugenommen.<br />
Jedoch gibt nicht nur die absolute Anzahl Grund zur Nachdenklichkeit,<br />
son<strong>der</strong>n auch die Tatsache, dass einige bekanntere<br />
Namen unter den Insolvenzen vertreten waren, wie zum<br />
Beispiel die Mannheimer Febit o<strong>der</strong> die in München ansässigen<br />
Apovia, Munich Biotech (MBT), Switch<br />
Biotech, Axxima Pharmaceuticals und<br />
Xerion Pharmaceuticals. Auch Berlin<br />
blieb nicht verschont: Obwohl die Europroteome<br />
noch im März 2004 eine<br />
Forschungskooperation mit Abbott zur<br />
Entwicklung von diagnostischen Tests für<br />
Brustkrebs abschließen konnte, die im<br />
Juli 2004 sogar noch erweitert wurde,<br />
musste die Firma im August Insolvenz<br />
anmelden. Laut einem Zeitungsbericht<br />
war diese nicht mehr abzuwenden, da<br />
unter den Investoren <strong>der</strong> seit Anfang des<br />
Jahres verhandelten zweiten Finanzierungsrunde<br />
mit einem geplanten Volumen<br />
von rund 10 Mio. € kein Einvernehmen<br />
hergestellt werden konnte. Dabei<br />
war das Unternehmen operativ gut aufgestellt, wie eine weitere,<br />
im Juli mit Altana Pharma abgeschlossene Kooperation zur<br />
molekularen Untersuchung von klinischen Krebs-Gewebeproben<br />
zeigt.<br />
Auch die Switch Biotech konnte im März 2004 noch eine Kooperationsvereinbarung<br />
mit Spirig Pharma abschließen, die eine<br />
gemeinsame klinische Entwicklung des Medikamentenkandidaten<br />
SWT05100 zum Ziel hatte. Aufgrund eines unerwarteten<br />
Mittelabflusses Ende August sank die Reichweite <strong>der</strong><br />
vorhandenen liquiden Mittel jedoch stark ab. Vor dem Hintergrund<br />
<strong>der</strong> <strong>der</strong>zeit angespannten Lage auf dem VC-Markt war es<br />
nicht möglich, innerhalb <strong>der</strong> verbleibenden Frist eine neue<br />
Finanzierungsrunde erfolgreich abzuschließen.<br />
Die Vermögenswerte <strong>der</strong> insolventen Firmen MBT und Axxima<br />
wurden mittlerweile von den börsennotierten Unternehmen<br />
MediGene und GPC Biotech übernommen.<br />
„Mit dem Erwerb <strong>der</strong> MBT-Vermögenswerte<br />
stärken wir MediGenes Portfolio<br />
durch einen viel versprechenden Medikamentenkandidaten<br />
und eine hervorragende<br />
Technologie-Plattform zur Entwicklung<br />
innovativer Krebsmedikamente.“<br />
Dr. Peter Heinrich, CEO MediGene AG,<br />
München<br />
„Diese strategische Übernahme ermöglicht<br />
es uns, wichtiges Know-how im Bereich<br />
<strong>der</strong> kinasebasierten Medikamentenentdeckung<br />
günstig zu erwerben.“<br />
Dr. Bernd Seizinger, CEO GPC Biotech<br />
AG, München<br />
MediGene erwarb im August 2004 die Krebs-Medikamentenkandidaten<br />
und die Technologieplattform <strong>der</strong> MBT.<br />
Damit wird die eigene Medikamentenpipeline um den Medikamentenkandidaten<br />
MBT-0206 erweitert, mit dem bereits<br />
mehrere klinische Phase-1-Studien abgeschlossen wurden. Ein<br />
Konsortium von Altinvestoren <strong>der</strong> insolventen MBT bringt<br />
<strong>der</strong>en Vermögenswerte ein und investiert zusätzlich 4 Mio. € für<br />
die Weiterentwicklung <strong>der</strong> Produkte und Technologie unter dem<br />
Dach <strong>der</strong> MediGene. Die erworbenen Vermögenswerte<br />
schließen die Patente, Rechte und Lizenzen <strong>der</strong> Produkte und<br />
Technologie von MBT ein. Im Gegenzug erhielt das<br />
Konsortium unter <strong>der</strong> Führung von Global Life Science,<br />
HypoVereinsbank und DEWB Aktien <strong>der</strong><br />
MediGene im Wert von 12,5 Mio. €. Zur<br />
Sicherung des Know-hows und eines<br />
reibungslosen Transfers übernimmt<br />
MediGene Schlüssel-Mitarbeiter von<br />
MBT.<br />
GPC Biotech vermeldete Anfang März<br />
dieses Jahres die Übernahme <strong>der</strong> Vermögensgegenstände<br />
<strong>der</strong> insolvent gewordenen<br />
Axxima Pharmaceuticals. Diese<br />
wurden in eine neu gegründete Auffanggesellschaft<br />
übertragen, in die einige<br />
Altinvestoren <strong>der</strong> Axxima unter <strong>der</strong><br />
Führung von TVM sowie neue Investoren<br />
zusätzlich netto 8,7 Mio. € einbezahlten.<br />
GPC erwirbt die Auffanggesellschaft für<br />
13,7 Mio. € durch die Ausgabe von rund<br />
1,3 Millionen neuer Aktien. Patente, Patentanmeldungen und<br />
Know-how <strong>der</strong> Axxima gehen auf GPC über. Zudem beinhalten<br />
die Vermögenswerte einige frühe Medikamentenentdeckungsprogramme<br />
in <strong>der</strong> Krebstherapie. Weitere vorklinische und<br />
frühe klinische Programme zu Infektionskrankheiten gehen<br />
ebenfalls an GPC über und könnten später in Partnerschaften<br />
mit an<strong>der</strong>en Unternehmen eingebracht werden. Das Unternehmen<br />
geht davon aus, dass etwa 40 Mitarbeiter von Axxima<br />
übernommen werden, um damit die eigenen Ressourcen in <strong>der</strong><br />
Medikamentenentdeckung weiter zu stärken.<br />
16 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Diese Beispiele zeigen, dass nicht alle Assets <strong>der</strong> insolventen<br />
Firmen <strong>der</strong> deutschen Biotech-Industrie verloren gegangen<br />
sind. Durch die Übernahmen konnten sich an<strong>der</strong>e deutsche<br />
Unternehmen im <strong>Evolution</strong>sprozess stärken. Immerhin sind die<br />
Vermögensgegenstände damit nicht an ausländische<br />
Unternehmen gefallen, wie zum Beispiel bei <strong>der</strong> Vectron<br />
Therapeutics, <strong>der</strong>en Immunotherapie-Patente von <strong>der</strong> dänischen<br />
Pharmexa übernommen wurden.<br />
Die Bilanz aller Insolvenzen im vergangenen Jahr weist neben<br />
<strong>der</strong> Zahl von 31 Unternehmen eine Summe von über 700<br />
zunächst verlorenen Arbeitsplätzen auf. Zum Vergleich betrafen<br />
die 24 Insolvenzen im Jahr 2003 543 Mitarbeiter. Allerdings ist<br />
2004 – wie auch im Vorjahr – zwei Firmen ein Restart (FRIZ<br />
Biochem und Biopsytec) geglückt, so dass hier kein kompletter<br />
Verlust vorliegt. Auch bei an<strong>der</strong>en Insolvenzen wird noch an<br />
einer Neugründung o<strong>der</strong> Umstrukturierung gearbeitet, o<strong>der</strong> es<br />
wird zumindest versucht, die Vermögensgegenstände zu<br />
verkaufen, damit nicht jeglicher Wert verloren geht. Durch die<br />
Übernahme insolvent gemeldeter Firmen blieben teilweise auch<br />
Arbeitsplätze erhalten.<br />
Abbildung 1-10:<br />
Mitarbeiterverteilung <strong>der</strong> Insolvenzen im Jahresvergleich<br />
Abbildung 1-11:<br />
Firmenalter <strong>der</strong> Insolvenzen im Jahresvergleich<br />
Anzahl insolventer Firmen<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
7<br />
9<br />
6<br />
3<br />
2002<br />
9<br />
11<br />
3<br />
1 1<br />
2003 2004<br />
> 5 Jahre<br />
3 bis 5 Jahre<br />
2 bis 3 Jahre<br />
1 bis 2 Jahre<br />
Obwohl im Vergleich zum Vorjahr 2004 gut ebenso viele<br />
Firmen mit einer Mitarbeiterzahl über 30 Beschäftigten<br />
Insolvenz melden mussten (2004: 6; 2003: 7; siehe Abbildung<br />
1-10), so waren doch insgesamt knapp 100 Mitarbeiter mehr<br />
davon betroffen. In <strong>der</strong> Kategorie „unter 30 Beschäftigte“ ist<br />
dagegen eine Zunahme an insolventen Firmen im Jahresvergleich<br />
zu erkennen.<br />
19<br />
11<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Anzahl insolventer Firmen<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
2<br />
3<br />
4<br />
9<br />
7<br />
2002<br />
3<br />
4<br />
1<br />
10<br />
6<br />
2003<br />
4<br />
2<br />
5<br />
9<br />
11<br />
2004<br />
> 40<br />
31 bis 40<br />
21 bis 30<br />
11 bis 20<br />
< = 10<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Einen deutlichen Sprung gab es bei den insolventen Firmen, die<br />
älter als 5 Jahre waren, das heißt vor dem Jahr 2000 gegründet<br />
wurden. Allein 19 Biotech-Unternehmen, das sind über 60<br />
Prozent <strong>der</strong> Insolvenzen und doppelt so viele wie 2003, fallen in<br />
diese Gruppe (siehe Abbildung 1-11).<br />
Es stellt sich die Frage, wie diese Tatsache zu deuten ist: Sind<br />
die später gegründeten Firmen soli<strong>der</strong> o<strong>der</strong> ergeben sich die<br />
härteren Bewährungsproben erst später im Leben eines<br />
Biotech-Unternehmens? Immerhin sind alle vorgenannten<br />
größeren und bekannteren Insolvenzen in dieser Gruppe zu<br />
finden. Auch ging in dieser Kategorie <strong>der</strong> größte Anteil an<br />
investiertem Risikokapital mit einer Summe von gut 300 Mio. €<br />
verloren.<br />
17
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
Insgesamt belief sich die Summe an Risikokapital, die in die im<br />
vergangenen Jahr insolvent gewordenen Firmen investiert worden<br />
war, auf mindestens 327 Mio. €. 84 Prozent <strong>der</strong> Insolvenzen<br />
waren VC-finanziert, das entspricht 26 von 31 Unternehmen.<br />
Hinzu kommen für das Jahr 2004 mindestens 45 Mio. € an<br />
weiteren Mitteln von Beteiligungsgesellschaften (unter an<strong>der</strong>em<br />
ehemalige TBG), die abgeschrieben werden mussten. Zum<br />
Vergleich: 2003 war bei 63 Prozent <strong>der</strong> Insolvenzen eine<br />
Summe von ca. 50 Mio. € Risikokapital und knapp 20 Mio. €<br />
von Beteiligungsgesellschaften investiert.<br />
Der Blick auf den Finanzierungsstatus <strong>der</strong> insolventen Biotech-<br />
Unternehmen zeigt, dass 35 Prozent <strong>der</strong> risikokapitalfinanzierten<br />
Firmen bereits eine zweite o<strong>der</strong> spätere Finanzierungsrunde<br />
durchgeführt hatten. Dieser Anteil ist im<br />
Vergleich zu den Insolvenzen im Jahr 2003 sprunghaft<br />
gestiegen; im Vorjahr betrug <strong>der</strong> Anteil lediglich 17 Prozent.<br />
Diese Beobachtung deckt sich mit dem größeren Anteil an<br />
älteren Firmen und erklärt sicher auch den weitaus höheren<br />
Gesamtbetrag an Risikokapital, <strong>der</strong> durch die Insolvenzen im<br />
Jahr 2004 abgeschrieben werden musste.<br />
Abbildung 1-12:<br />
Finanzierungsstatus <strong>der</strong> insolventen Firmen im<br />
Jahresvergleich<br />
Anzahl insolventer Firmen<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
2<br />
13<br />
4<br />
6<br />
2002<br />
4<br />
11<br />
1<br />
8<br />
2003<br />
2004<br />
spätere VC-Runde<br />
nach 2. VC-Runde<br />
nach 1. VC-Runde<br />
Seed-Finanzierung<br />
ohne VC<br />
Zusammenfassend zeigt die vorangegangene Analyse, dass sich<br />
im vergangenen Jahr <strong>der</strong> Druck <strong>der</strong> Konsolidierung doch<br />
gewaltig erhöht hat. Die Frage bleibt hier, ob damit bereits <strong>der</strong><br />
Tiefpunkt durchschritten wurde. Allerdings erscheint eine<br />
nochmalige Steigerung <strong>der</strong> Selektion eher unwahrscheinlich, so<br />
dass vermutlich bereits von einem Wendepunkt gesprochen<br />
werden kann.<br />
5<br />
6<br />
13<br />
1<br />
6<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Abbildung 1-13:<br />
Konsolidierung von 2000 bis 2004<br />
Fusionen<br />
7 %<br />
Insolvenzen<br />
(VC-finanziert)<br />
49 %<br />
Übernahmen<br />
17 %<br />
Insolvenzen<br />
(nicht VC-finanziert)<br />
27 %<br />
n = 115<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Seit dem Jahr 2000, dem langsamen Beginn <strong>der</strong> Konsolidierung<br />
in <strong>der</strong> deutschen Biotech-Industrie, sind damit insgesamt 115<br />
Core-Biotech-Firmen wie<strong>der</strong> verschwunden. Ohne Neugründungen<br />
und Neuzugänge hätte sich somit die Zahl <strong>der</strong> Biotech-<br />
Firmen tatsächlich stark reduziert.<br />
Mehr als drei Viertel <strong>der</strong> verschwundenen Unternehmen<br />
wurden insolvent o<strong>der</strong> aufgelöst. Fast die Hälfte waren mit<br />
Risikokapital finanziert, wobei mindestens insgesamt<br />
465 Mio. € investiert wurden. Weniger als ein Viertel waren<br />
von Fusion o<strong>der</strong> Übernahme betroffen.<br />
Dies ist ein eindeutiges Zeichen, dass die Konsolidierung in <strong>der</strong><br />
deutschen Biotech-Industrie bisher nicht – wie häufig erwünscht<br />
– über M&A abläuft, son<strong>der</strong>n dass hier ganz klar die<br />
Mechanismen <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong> durch Selektion („Survival of the<br />
Fittest“) greifen.<br />
Auch in Zukunft wird diese „Bereinigung“ vermutlich über<br />
Insolvenzen erfolgen, denn wie später ersichtlich wird (siehe<br />
Abbildung 1-17), planen die wenigsten Unternehmen eine<br />
Fusion o<strong>der</strong> eine Übernahme. Gleichwohl hat im ersten Quartal<br />
2005 die M&A-Aktivität stark angezogen.<br />
18 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Folgen <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong> und die Zukunft<br />
Der evolutive Prozess, <strong>der</strong> sich momentan in <strong>der</strong> Konsolidierung<br />
bemerkbar macht, hat zur Folge, dass <strong>der</strong>zeit eine Art<br />
„Trennung von Spreu und Weizen“ stattfindet. Nach <strong>der</strong> vorstehenden<br />
Analyse <strong>der</strong> weniger erfolgreichen Unternehmen<br />
wird nachfolgend <strong>der</strong> Blick wie<strong>der</strong> auf diejenigen gelenkt, die<br />
Fortschritte gemacht haben, sich stärken konnten und mit<br />
Zuversicht in die Zukunft gehen.<br />
In <strong>der</strong> vorliegenden Untersuchung wurde auch nach den Plänen<br />
<strong>der</strong> Unternehmen für das laufende Jahr 2005 gefragt. Trotz <strong>der</strong><br />
vorherrschenden Meinung, dass sich die Konsolidierung weiter<br />
fortsetzen wird (siehe auch Abbildung 1-18), hat ein<br />
überragen<strong>der</strong> Anteil (84 %) <strong>der</strong> in dieser Studie befragten<br />
Firmen die Absicht, in diesem Jahr wie<strong>der</strong> neue Mitarbeiter<br />
einzustellen.<br />
Abbildung 1-14:<br />
Aussagen <strong>der</strong> Sample-Unternehmen zur Einstellung<br />
neuer Mitarbeiter in 2005<br />
unwahrscheinlich<br />
16 %<br />
Abbildung 1-15:<br />
Einstellung neuer Mitarbeiter in 2005 nach Bereich<br />
Marketing & Sales<br />
13 %<br />
Produktion<br />
9 %<br />
FuE<br />
52 %<br />
Klinische<br />
Entwicklung<br />
8 %<br />
Administration 8 %<br />
Projektmanagement/<br />
IT/Quality 4 %<br />
Management 3 %<br />
Regulatory Affairs 3 %<br />
n = 159<br />
Mehrfachangaben<br />
möglich<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Mitarbeiter im Bereich Forschung und Entwicklung sind dabei<br />
mit über 50 Prozent <strong>der</strong> Nennungen beson<strong>der</strong>s gefragt. Auf die<br />
folgenden Glie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wertschöpfungskette, Produktion sowie<br />
Marketing und Vertrieb, entfallen weitere 22 Prozent. Auch <strong>der</strong><br />
Bereich <strong>der</strong> klinischen Entwicklung nimmt mit acht Prozent<br />
noch einen größeren Stellenwert ein.<br />
wahrscheinlich<br />
32 %<br />
sehr<br />
wahrscheinlich<br />
52 %<br />
n = 183<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Hier wird ersichtlich, dass Konsolidierung auch einen positiven<br />
Charakter trägt, <strong>der</strong> mit dem Begriff „Stärkung“ gleichzusetzen<br />
ist. „Consolidation“ aus dem Englischen in das Deutsche<br />
übersetzt, heißt tatsächlich „Verstärkung, Festigung“ und dies<br />
bedeutet von daher auch, dass sich die überlebenden<br />
Unternehmen für die Zukunft rüsten. Erfreulicherweise wird<br />
dies offensichtlich durch die Einstellung neuer Mitarbeiter<br />
umgesetzt.<br />
Neben <strong>der</strong> Absicht zur Einstellung neuer Mitarbeiter wurde in<br />
<strong>der</strong> Untersuchung auch nach den Plänen <strong>der</strong> Biotech-Firmen<br />
zur Festlegung eines neuen Geschäftsfeldes sowie nach <strong>der</strong><br />
Wahrscheinlichkeit zur Einlizenzierung von Produkten o<strong>der</strong><br />
Technologien gefragt (siehe Abbildung 1-16).<br />
70 Prozent <strong>der</strong> antwortenden Firmen schätzen die Definition<br />
eines neuen Geschäftsfeldes als eher unwahrscheinlich ein.<br />
Immerhin 14 bzw. 16 Prozent sehen diese Möglichkeit als sehr<br />
wahrscheinlich o<strong>der</strong> wahrscheinlich an. Insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Diagnostik wurde als aussichtsreiches neues Geschäftsfeld ins<br />
Auge gefasst. Auch in den Bereich Medikamentenforschung<br />
wollen einige Unternehmen expandieren.<br />
Die Einlizenzierung von Produkten o<strong>der</strong> Technologien ziehen<br />
lediglich 37 Prozent <strong>der</strong> befragten Biotech-Unternehmen in<br />
Betracht. Dies dient dann zumeist <strong>der</strong> Erweiterung o<strong>der</strong><br />
Abrundung des Produktportfolios. Insbeson<strong>der</strong>e die Einlizenzierung<br />
eines Wirkstoffes, <strong>der</strong> sich bereits in <strong>der</strong> klinischen<br />
Prüfung befindet, wurde hier häufiger als Ziel genannt.<br />
19
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
Abbildung 1-16:<br />
Aussagen <strong>der</strong> Sample-Unternehmen zu zukünftigen Geschäftsstrategien<br />
Festlegung neues Geschäftsfeld<br />
Einlizenzierung von Produkt o<strong>der</strong> Technologie<br />
unwahrscheinlich<br />
70 %<br />
sehr<br />
wahrscheinlich<br />
14 %<br />
unwahrscheinlich<br />
63 %<br />
sehr<br />
wahrscheinlich<br />
12 %<br />
wahrscheinlich<br />
16 %<br />
wahrscheinlich<br />
25 %<br />
n = 160 n = 166<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Wie bereits erwähnt, erwarten viele <strong>der</strong> an dieser Studie<br />
beteiligten Firmen eine Fortsetzung <strong>der</strong> Konsolidierung (siehe<br />
Abbildung 1-18). Die Frage ist jedoch, in welcher Form diese<br />
Konsolidierung verwirklicht wird. Denn interessanterweise<br />
planen – wie aus Abbildung 1-17 ersichtlich – nicht allzu viele<br />
<strong>der</strong> befragten Biotech-Unternehmen im Jahr 2005 mit einem<br />
an<strong>der</strong>en Unternehmen zu fusionieren o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>e Firma zu<br />
akquirieren. Dieses Ergebnis unterstützt die bisherige These,<br />
dass die Konsolidierung hauptsächlich über Insolvenzen<br />
ablaufen wird. Dennoch bleibt abzuwarten, da sich im ersten<br />
Quartal 2005 eine rege M&A-Aktivität gezeigt hat.<br />
Immerhin erweist sich die Neigung zur Fusion noch größer als<br />
diejenige, ein an<strong>der</strong>es Unternehmen zu erwerben (21 vs. 9 %).<br />
Hier stellt sich die Frage nach den Gründen für die generell<br />
geringe M&A-Bereitschaft: Wie bereits in <strong>der</strong> vorigen Studie<br />
beschrieben, sind dies mögliche unvereinbare Vorstellungen <strong>der</strong><br />
Management-Teams untereinan<strong>der</strong>: Individualismus, das Ego von<br />
Grün<strong>der</strong>n, die persönliche Chemie, die Klärung <strong>der</strong> „CEO-Frage“<br />
o<strong>der</strong> die fehlende Bereitschaft, eigene Positionen zur Weiterentwicklung<br />
des Unternehmens aufzugeben. Auf externer Seite<br />
spielen vor allem die beteiligten Investoren eine wichtige Rolle,<br />
obwohl diese zunehmend <strong>der</strong>artige Prozesse forcieren.<br />
Abbildung 1-17:<br />
Aussagen <strong>der</strong> Sample-Unternehmen zur Planung von M&A<br />
Fusion/Merger<br />
unwahrscheinlich<br />
79 %<br />
sehr<br />
wahrscheinlich<br />
4 %<br />
wahrscheinlich<br />
17 %<br />
Akquisition<br />
unwahrscheinlich<br />
91 %<br />
sehr<br />
wahrscheinlich<br />
4 %<br />
wahrscheinlich<br />
5 %<br />
n = 161 n = 158<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
20 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Schließlich wurden die Unternehmen befragt, welche Trends<br />
nach ihrer Ansicht im Jahr 2005 in <strong>der</strong> deutschen Biotech-<br />
Industrie vorherrschen werden.<br />
Von 144 Firmen liegt dazu eine Einschätzung vor. Ganz<br />
eindeutig kristallisiert sich die weitere Erwartung zur<br />
Konsolidierung heraus. Fast die Hälfte <strong>der</strong> antwortenden<br />
Firmen sieht diesen Trend. Werden die Aussagen zur M&A<br />
sowie Insolvenzen hinzugenommen, die im Grunde – wie vorab<br />
erörtert – einen Teil <strong>der</strong> Konsolidierung ausmachen, so erhöht<br />
sich <strong>der</strong> Anteil auf 90 Prozent.<br />
Gaben die Firmen Freitextangaben wie „nur die starken Firmen<br />
werden weiter wachsen“, „Selektion“, „Reifung“, „Konzentration“,<br />
„Etablierung“, „die Branche bietet ein zweigeteiltes Bild“<br />
etc. ab, so wurden diese Trends in <strong>der</strong> Kategorie „Differenzierung“<br />
zusammengefasst.<br />
Sehr eindeutig ist ebenso die Einschätzung anhaltend schlechter<br />
Finanzierungsmöglichkeiten. Gleichwohl sehen hier einige<br />
Firmen sogar eine Verbesserung für das Jahr 2005 voraus.<br />
Teilweise wird dieses über vermehrte Börsengänge erwartet.<br />
Ein deutlicher Trend ist auch bei <strong>der</strong> Produktorientierung bzw.<br />
beim Fortschritt <strong>der</strong> Produktentwicklungen auszumachen.<br />
Abbildung 1-18:<br />
Aussagen <strong>der</strong> Sample-Unternehmen zu Trends im Jahr 2005<br />
Konsolidierung<br />
2<br />
71<br />
M&A<br />
4<br />
31<br />
Insolvenzen<br />
1<br />
28<br />
Differenzierung<br />
21<br />
Finanzierungsmöglichkeiten 29<br />
Produktorientierung/Fortschritt<br />
bei Produktentwicklungen<br />
2<br />
Börsengänge 3<br />
10<br />
16<br />
18<br />
Aufwärtstrend<br />
6<br />
6<br />
Marktorientierung/Profitabilität<br />
6<br />
Partnering Biotech-Pharma<br />
1<br />
4<br />
Schlechtere Entwicklung als USA<br />
Konkurrenzdruck<br />
Neugründungen<br />
3<br />
4<br />
4<br />
Serviceorientierung<br />
1<br />
3<br />
30 20 10<br />
nimmt ab<br />
0 10 20 30 40 50 60 70<br />
nimmt zu<br />
Anzahl gruppierter Freitext-Nennungen<br />
Mehrfachnennungen möglich<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
21
KOMMERZIELLE B IOTECHNOLOGIE IN D EUTSCHLAND<br />
Die deutsche Biotech-Industrie im<br />
europäischen Vergleich<br />
Wie aus Abbildung 1-19 ersichtlich, liegt die deutsche Biotech-<br />
Industrie im europäischen Vergleich nach wie vor mit <strong>der</strong><br />
Anzahl <strong>der</strong> Biotech-Unternehmen an <strong>der</strong> Spitze. Deutschland<br />
konnte diesbezüglich nach einem früheren Rückstand gewaltig<br />
aufholen: Denn Ende 1999 wurde ein wichtiger Meilenstein in<br />
<strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> noch jungen deutschen Biotech-Industrie<br />
erreicht, da gemessen an <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Unternehmen diese<br />
erstmals an Großbritannien (UK) vorbeizog.<br />
Basis war die im Jahr 1997 vom damaligen Minister für<br />
Forschung und Technologie auf dem BioRegio-Symposium formulierte<br />
Prognose, im Jahr 2000 die führende Biotech-Nation<br />
in Europa zu sein. Obwohl mit <strong>der</strong> heutigen Aufteilung dieses<br />
Ziel offensichtlich erreicht werden konnte, sollte diese Führungsposition<br />
nicht darüber hinwegtäuschen, dass Län<strong>der</strong> wie<br />
UK und auch die Schweiz eine wesentlich reifere Biotech-<br />
Industrie aufweisen.<br />
So sind die britischen Biotech-Unternehmen bei wichtigen<br />
Kennzahlen wie Mitarbeiter und Umsatz pro Firma nach wie<br />
vor führend. Es gibt dort reifere Unternehmen, die bereits eine<br />
größere Anzahl an „Bio-Therapeutika“ auf dem Markt anbieten<br />
und so entsprechend mehr Umsatz generieren. Dasselbe trifft<br />
für einige schweizerische Biotech-Firmen zu.<br />
Abbildung 1-19:<br />
Europäische Län<strong>der</strong> nach Anzahl Biotech-Unternehmen<br />
Deutschland<br />
UK<br />
Frankreich<br />
Schweden<br />
Israel<br />
Schweiz<br />
Nie<strong>der</strong>lande<br />
Dänemark<br />
Belgien<br />
Finnland<br />
Italien<br />
An<strong>der</strong>e<br />
Län<strong>der</strong><br />
Irland<br />
Norwegen<br />
Private Firmen<br />
Börsennotierte Firmen<br />
Die größere Reife <strong>der</strong> UK-Biotech-Industrie drückt sich auch in<br />
<strong>der</strong> deutlich höheren Anzahl an börsennotierten (public) Firmen<br />
aus, die ein großes Gewicht bei Anzahl von Mitarbeitern,<br />
Umsatz sowie Wirkstoffen in <strong>der</strong> Medikamenten-Pipeline ausmachen.<br />
Diesbezüglich weist die UK-Industrie bei den public<br />
Unternehmen eine überragende Spitzenposition auf (mehr als<br />
160 Wirkstoffe in Entwicklung). Vier deutsche public Biotech-<br />
Firmen, die Medikamenten-Entwicklung betreiben, kommen<br />
dagegen zusammengenommen lediglich auf 12 Wirkstoffe. Wie<br />
später in Kapitel 2.1 ausgeführt, wird die Wirkstoff-Entwicklung<br />
jedoch überwiegend bei den privaten deutschen Biotech-<br />
Unternehmen durchgeführt.<br />
Der Blick auf die Entwicklung <strong>der</strong> Eckdaten <strong>der</strong> Biotech-Industrie<br />
in Europa zeigt, dass auch auf europäischer Ebene die Zahl<br />
an Biotech-Firmen im vergangenen Jahr nochmals leicht<br />
abgenommen hat. Ebenso hat sich die Mitarbeiterzahl reduziert,<br />
wenn auch nur gering (Deutschland 12 %). Hier haben in <strong>der</strong><br />
deutschen Biotech-Industrie – wie vorstehend analysiert – die<br />
Insolvenzen eine große Rolle gespielt. Hingegen reduzierte sich<br />
auf europäischer Ebene insbeson<strong>der</strong>e bei den börsennotierten<br />
Unternehmen die Zahl <strong>der</strong> Mitarbeiter stärker als bei den<br />
entsprechenden deutschen Firmen.<br />
Bei den Finanzkennzahlen zeigen sich in <strong>der</strong> europäischen<br />
Biotech-Industrie im Jahresvergleich konträre Entwicklungen<br />
zu Deutschland. Die Umsatzsteigerung fiel sehr viel geringer<br />
aus als in <strong>der</strong> hiesigen Industrie (plus 7 %). Dagegen steigerten<br />
sich die FuE-Aufwendungen auf europäischer Ebene, während<br />
sie hierzulande gesunken sind (minus 10 %). Schließlich liegt<br />
bei <strong>der</strong> Entwicklung des Verlustes eine sehr gegensätzliche<br />
Verän<strong>der</strong>ung gegenüber dem Vorjahr vor: In Deutschland<br />
konnte eine Reduktion des Verlustes um elf Prozent erzielt<br />
werden, in Europa erhöhte sich dieser dagegen.<br />
Die deutsche Biotech-Industrie konnte sich damit innerhalb<br />
Europas grundsätzlich ganz gut behaupten, wenn auch die<br />
Reduktion von Mitarbeitern und FuE-Aufwendungen nicht zu<br />
einem längerfristigen Trend werden dürfen, da <strong>der</strong>en positive<br />
Entwicklung prinzipiell ebenfalls Basis für das erfolgreiche<br />
Wachstum einer Industrie ist.<br />
0 50 100 150 200 250 300 350 400<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
22 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
2. Geschäftsfel<strong>der</strong>, Technologien und Produkte<br />
Die Geschäftsfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> deutschen Biotech-Unternehmen lassen<br />
sich nach den in <strong>der</strong> Branche üblichen „farblichen“ Kategorien<br />
unterteilen:<br />
• Rote Biotechnologie: Anwendung im medizinischen Bereich<br />
(Human- und Tiermedizin) mit den Unterkategorien Therapeutika/Wirkstoffe,<br />
„Drug Delivery“, Molekulardiagnostika<br />
und „Tissue Engineering“<br />
• Grüne Biotechnologie: Anwendungen im Bereich Landwirtschaft<br />
und Ernährung mit den Unterkategorien Transgene<br />
Pflanzen, „Molecular Pharming“ und landwirtschaftliche &<br />
Lebensmitteldiagnostik<br />
• Weiße Biotechnologie: Industrielle Anwendung inbeson<strong>der</strong>e<br />
in und für die Chemie- und Ernährungsindustrie; zumeist<br />
Spezialchemikalien<br />
• Graue Biotechnologie: Anwendungen im Umweltschutz und<br />
<strong>der</strong> Umweltdiagnostik<br />
Neben <strong>der</strong> bestehenden Existenz von Querschnittsbereichen (zum<br />
Beispiel Bioinformatik) werden zunehmend auch Überschneidungen<br />
zwischen den oben genannten Bereichen<br />
erkennbar.<br />
So zeichnet sich das Molecular Pharming durch die Produktion<br />
von Wirkstoffen in pflanzlichen Systemen aus. Es liegt somit<br />
eine Überschneidung zwischen <strong>der</strong> Roten und <strong>der</strong> Grünen<br />
Biotechnologie vor. In Pflanzen können auch Spezialchemikalien,<br />
wie zum Beispiel Lipide, produziert werden, so<br />
dass es hier zu einer Verbindung von Grüner und Weißer<br />
Biotechnologie kommt. Die Ernährungsindustrie kann von<br />
Anwendungen <strong>der</strong> Grünen und Weißen Biotechnologie in Form<br />
optimierter Nahrungsmittelpflanzen und Lebensmittelzusatzstoffe<br />
(Spezialchemikalien) profitieren. In <strong>der</strong> Kosmetikindustrie<br />
sind die Grenzen zwischen Wirkstoffen und<br />
Pflegestoffen (auf Basis von Spezialchemikalien) fließend.<br />
Die Geschäftsfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> in dieser Studie untersuchten deutschen<br />
Biotech-Unternehmen teilen sich, wie in Abbildung 2-1<br />
dargestellt, auf. Berücksichtigt sind dabei die produktorientierten<br />
Aktivitäten <strong>der</strong> Firmen sowie die Dienstleistungen<br />
<strong>der</strong> rein Service-orientierten Unternehmen. Die Kategorie<br />
„Tools, Genomics & Proteomics“ umfasst die Entwicklung von<br />
Systemen für den Gentransfer, die Genexpression sowie<br />
an<strong>der</strong>en Werkzeugen für die Molekularbiologie. Ferner sind<br />
hier generelle Aktivitäten <strong>der</strong> DNA-/RNA-Services (molekularbiologische<br />
Services: Gen-, Oligo-, Plasmidsynthese; Sequenzierung;<br />
Klonierung, Expression und <strong>der</strong>en Profile) sowie<br />
Proteinuntersuchungen integriert.<br />
Abbildung 2-1:<br />
Geschäftsfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sample-Unternehmen<br />
Therapeutika/Wirkstoffe/Targets<br />
50 8<br />
Medizinische Molekulardiagnostik<br />
18<br />
3<br />
Drug Delivery<br />
6<br />
Tissue Engineering<br />
5<br />
Spezialchemikalien (inkl. Enzyme)<br />
9<br />
Landwirtschaftliche & Lebensmitteldiagnostik 5 1<br />
Transgene Pflanzen/Molecular Pharming<br />
Bioinformatik<br />
4<br />
4<br />
Tools/Genomics/Proteomics<br />
An<strong>der</strong>es<br />
4<br />
3<br />
10<br />
Produktentwicklung<br />
reiner Service<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60<br />
Anteil <strong>der</strong> Firmen in % (n=195; Mehrfachnennungen möglich)<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
23
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
2.1 Forschung und Technologie<br />
In <strong>der</strong> Biotech-Industrie wird heutzutage eine Vielzahl von<br />
verschiedenen Technologien eingesetzt, um letztlich neue<br />
Produktentwicklungen o<strong>der</strong> Dienstleistungen anzubieten.<br />
Die Abbildung 2-2 zeigt, welche Technologien hauptsächlich<br />
die Basis für die Geschäftstätigkeit <strong>der</strong> an dieser Studie beteiligten<br />
Unternehmen sind. Jeweils einen größeren Anteil nehmen<br />
hier DNA- und RNA-Technologien, Screening-Technologien<br />
und Assays, Zell- und Gewebekulturen sowie Protein- und<br />
Peptidtechnologien ein. Letztere werden häufig auch unter dem<br />
Begriff „Proteomics“ geführt.<br />
Abbildung 2-2:<br />
Technologiebasis <strong>der</strong> Sample-Unternehmen<br />
Proteomics<br />
Protein/Peptidtechnologien<br />
15 %<br />
Zell-/Gewebekultur<br />
14 %<br />
Bioinformatik<br />
7 %<br />
Screening/Assays<br />
14 %<br />
Biochips/Mikroarray 5 %<br />
Molecular Modeling 5 %<br />
Kombinatorik 3 %<br />
Proteomics hat sich in den vergangenen Jahren zu einem <strong>der</strong><br />
Bedeutung <strong>der</strong> Genomics (DNA- und RNA-Technologien)<br />
entsprechenden Schlüsselbereich <strong>der</strong> Biowissenschaften entwickelt.<br />
Laut <strong>der</strong> deutschen Gesellschaft für Proteomforschung<br />
ist Proteomik eine sehr junge Forschungsrichtung mit einer sehr<br />
viel älteren Wurzel, <strong>der</strong> Proteinanalytik. Diese befasst sich mit<br />
<strong>der</strong> Aufklärung von molekularen Eigenschaften wie Aminosäuresequenz,<br />
dreidimensionale Struktur und biologische<br />
Aktivität individueller Proteine. Untersuchungsgegenstand <strong>der</strong><br />
Proteomik ist demgegenüber die Gesamtheit aller Proteine in<br />
einer biologischen Probe. Dafür wurde <strong>der</strong> Begriff „Proteom“<br />
geprägt.<br />
Modellorganismen 3 %<br />
Antikörper 1 %<br />
An<strong>der</strong>es 11 %<br />
DNA/RNA-<br />
Technologien<br />
22 %<br />
n = 469<br />
Mehrfachnennungen<br />
möglich<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Trotz <strong>der</strong> eher klassischen biochemischen Basis stellt die Proteinanalytik<br />
heute unter <strong>der</strong> Anwendung von Massenspektrometrie,<br />
Flüssigkeitschromatographie, Affinitätsaufreinigung<br />
und Gelelektrophorese eine wichtige Basis für unterschiedlichste<br />
Zwecke dar.<br />
Neben <strong>der</strong> Anwendung in <strong>der</strong> Diagnostik (siehe Seite 44) findet<br />
sich ein wichtiger Einsatzbereich beispielsweise in <strong>der</strong> Target-<br />
Validierung.<br />
Nach <strong>der</strong> Webseite <strong>der</strong> deutschen Gesellschaft für Proteomforschung<br />
reichen für das Verständnis <strong>der</strong> molekularen<br />
Grundlagen <strong>der</strong> natürlichen und krankhaften<br />
Lebensvorgänge die bisherigen<br />
Ergebnisse <strong>der</strong> Genomics (die Kartierung<br />
<strong>der</strong> Gene, ihre Sequenzierung und weitere<br />
analytische Schritte an Genomen) bei<br />
weitem nicht aus. Die Wirkung <strong>der</strong> Gene<br />
beruht zum überwiegenden Teil auf den<br />
von ihnen verschlüsselten Proteinen. Die<br />
entscheidenden Informationen zum Verständnis<br />
<strong>der</strong> physiologischen und pathologischen<br />
biologischen Prozesse sind<br />
dementsprechend in <strong>der</strong> Zusammensetzung<br />
des Proteoms verborgen. Das<br />
Genom ist ein statischer Bauplan, das<br />
Proteom dagegen in Abhängigkeit vom<br />
aktuellen biologischen Zustand und<br />
Umgebungseinflüssen in hohem Ausmaß<br />
dynamisch. Raupe und Schmetterling besitzen<br />
dasselbe Genom. Was ihre unterschiedliche Erscheinung<br />
ausmacht, ist vor allem die Zusammensetzung ihrer Proteome.<br />
Mit Hilfe des so genannten „alternativen Spleißens“ können aus<br />
einem Gen Proteine mit unterschiedlichen Isoformen und somit<br />
verschiedenen Funktionen entwickelt werden. Zu unterschiedlichen<br />
Proteinfunktionen können auch posttranslationale<br />
Verän<strong>der</strong>ungen führen.<br />
Auf Basis <strong>der</strong>artig modifizierter Proteine ist es möglich, die<br />
kausale Beteiligung von Proteinen an Krankheiten zu untersuchen<br />
bzw. zu bestätigen. Da sich 98 Prozent aller auf dem<br />
Markt befindlichen Medikamente gegen Proteine richten, ist<br />
über die Analyse von Proteinvarianten bestimmbar, ob sich<br />
diese als Zielmoleküle für die Medikamentenentwicklung<br />
(„Target-Validierung“) eignen.<br />
24 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Gensynthese und synthetische Biologie<br />
Eine steigende Bedeutung weist seit einigen Jahren auch <strong>der</strong><br />
Bereich <strong>der</strong> Gensynthese und <strong>der</strong> synthetischen Biologie auf.<br />
Die Gensynthese ergänzt und verdrängt das klassische Klonieren<br />
und ermöglicht eine Palette an neuartigen o<strong>der</strong> effizienteren<br />
Anwendungen. Diese zielbewusste Synthese<br />
ergänzt den evolutiven Ansatz zur<br />
Optimierung vorgegebener DNA-Sequenzen,<br />
wie etwa Zufallsmutagenisierung,<br />
Sequenz-Shuffling und anschließendes<br />
Hochdurchsatz-Screening.<br />
Die Gentechnik wird durch die fortgeschrittene<br />
Gensynthese entscheidend<br />
flexibler und schneller werden. Gensequenzen<br />
können noch ungebundener<br />
entworfen werden. Dies wird auch die<br />
synthetische Biologie beflügeln.<br />
Sie betrachtet funktionelle Gensequenzen<br />
als Komponenten, die, vergleichbar<br />
mit technischen Schaltkreisen, gezielt<br />
zusammengesetzt werden könnten.<br />
Anwendungen <strong>der</strong> Gensynthese<br />
Denkbar ist beispielsweise die Konstruktion<br />
künstlicher Gen-Sets, die sich<br />
gegenseitig durch ihre Proteinprodukte beeinflussen. Weiterhin<br />
könnten äußere Signale im Organismus nach Wunsch aufgenommen<br />
und verarbeitet werden. Am MIT (USA) wird<br />
versucht, eine Kollektion solcher standardisierter Elemente,<br />
BioBricks genannt, aufzubauen. Tatsächliche Anwendungen<br />
sind zwar noch weit entfernt, konstruierte (sozusagen de novo<br />
erzeugte) Mikroorganismen- bzw. Bakteriengenome sind<br />
jedoch in ferner Zukunft vorstellbar und könnten schneller und<br />
für spezifische Zwecke geschaffen werden. Bereits 2002 konnte<br />
das Poliovirus ohne eine direkte DNA-Kopiervorlage und nur<br />
auf öffentlich verfügbaren Sequenzinformationen beruhend,<br />
erzeugt werden. Hierfür waren noch zwei bis drei Jahre Arbeit<br />
nötig.<br />
Dagegen wurde 2003 <strong>der</strong> sehr viel kleinere Bakteriophage<br />
ϕX174 schon in wenigen Wochen durch Wissenschaftler um<br />
Craig Venter im Labor synthetisiert. Die Forschung hat darüber<br />
hinaus bereits den Einbau künstlicher Basen anstelle <strong>der</strong><br />
konventionellen Basen in DNA-Sequenzen erreicht, wodurch<br />
die DNA selbst neue Eigenschaften erhalten kann und beispielsweise<br />
resistent<br />
gegenüber Nukleasen<br />
wird. Dies<br />
gesellt sich zu Erkenntnissen,<br />
dass<br />
auch Proteine mit<br />
vielen unnatürlichen<br />
Aminosäuren<br />
produziert werden<br />
können.<br />
Durch die seit ein<br />
paar Jahren erhältlichen<br />
zellfreien<br />
Expressionssysteme<br />
eröffnen sich<br />
mit den beschriebenen<br />
Technologien<br />
flexiblere Methoden,<br />
um schnell<br />
und standardisiert zu neuartigen Produktkandidaten zu<br />
gelangen.<br />
Die Europäische Kommission möchte die in Europa bislang<br />
kaum thematisierte synthetische Biologie gezielt ansprechen.<br />
Eine „PATHFINDER-Initiative“ zu „Synthetic Biology“ wurde<br />
im April 2005 ausgeschrieben. Geför<strong>der</strong>t werden Forschungen<br />
zur Entwicklung von:<br />
• technischen o<strong>der</strong> synthetischen subzellulären Modulen, molekularen<br />
Maschinen, Stoffwechselwegen, Transportmodulen;<br />
• genetischen Regelkreisen, technischen Signalübertragungswegen,<br />
Feedbackmechanismen in einzelnen Komponenten<br />
und Modulen zur Regelung ihres Verhaltens<br />
Proteinproduktion<br />
Gezielte Optimierung von DNA-Sequenzen, angepasst an den<br />
jeweiligen Expressionsorganismus; Eliminierung allergener<br />
Sequenzbestandteile<br />
Gentherapie<br />
DNA-Impfstoffe: rationelles De-novo-Design<br />
Metabolic Engineering<br />
Gezielte Konstruktion von Enzymen mittels entsprechen<strong>der</strong><br />
Gensequenzen, um neuartige Stoffwechselprodukte in<br />
Mikroorganismen herzustellen<br />
Erschaffung künstlicher Phagen<br />
Nutzung als neue Waffe gegen bakterielle Infektionen<br />
Proteinstrukturanalysen und Screening<br />
Hochdurchsatz durch automatisierte und standardisierte Proteinproduktion<br />
aus rationell synthetisierten Gensequenzbanken<br />
Das erste internationale Meeting zur synthetischen Biologie<br />
fand im Juni 2004 in Cambridge, USA statt. Die Risiken und<br />
Potenziale <strong>der</strong> Erschaffung von Mikroorganismen und Viren de<br />
novo sollten begleitend zur Forschung evaluiert werden. Zu<br />
große Erwartungen o<strong>der</strong> auch Vorurteile könnten das Feld<br />
behin<strong>der</strong>n. Wie sich die synthetische Biologie entwickelt, wird<br />
spannend bleiben.<br />
25
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Prof. Dr. Ralf Wagner, Grün<strong>der</strong> und<br />
CEO GENEART GmbH, Regensburg<br />
Gensynthese – Schlüsselfaktor in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
Biotechnologie<br />
Wissenschaftler aus <strong>der</strong> Pharmaindustrie und Biotechnologie wünschen sich mehr<br />
Flexibilität bei <strong>der</strong> Generierung und Selektion gentechnisch hergestellter Therapeutika<br />
und Industrieenzyme. Prozessentwickler benötigen für die Produktion in industriellem<br />
Maßstab Gensequenzen, die optimal an die Bedürfnisse des Produktionssystems<br />
angepasst sind. Impfstoffentwickler versuchen sich an <strong>der</strong> Kombination immunologisch<br />
relevanter Zielstrukturen, während für die Gentherapie nicht-immunogene<br />
Transportvehikel gefor<strong>der</strong>t werden. Abhängig von dem<br />
jeweiligen Anwendungsgebiet benötigen innovative<br />
Entwicklungen in <strong>der</strong> Biotechnologie maßgeschnei<strong>der</strong>te<br />
Lösungen. Die kundenspezifische Optimierung und Synthese<br />
von Genen zur Steigerung <strong>der</strong> Produktionsraten und Stabilisierung<br />
<strong>der</strong> Herstellungsprozesse gewinnen daher in <strong>der</strong><br />
mo<strong>der</strong>nen Medikamentenentwicklung zunehmend an Bedeutung.<br />
Gleichzeitig profitieren Forschungsprogramme von <strong>der</strong><br />
mo<strong>der</strong>nen Gensynthese, die eine Schlüsselrolle bei <strong>der</strong><br />
Generierung und Selektion optimierter Wirkstoffe aus einer<br />
nahezu astronomischen Vielfalt von Genvarianten einnimmt.<br />
Künstliche Gene für den Fortschritt<br />
Gerade bei <strong>der</strong> Konzeption neuartiger Therapeutika und<br />
Impfstoffe zur Bekämpfung bislang nicht o<strong>der</strong> schwer heilbarer Tumor- und<br />
Infektionserkrankungen, z. B. AIDS, spielen synthetische Gene eine zunehmend wichtige<br />
Rolle. Durch die Möglichkeit erregerspezifische Zielstrukturen gezielt auszuwählen, die<br />
Expressionsleistung zu steigern, sowie zusätzlich immunstimulierende Sequenzmotive<br />
einzufügen, verbessern Entwicklungsabteilungen die Immunogenität und Wirksamkeit<br />
<strong>der</strong> Impfstoffe von morgen. Gleichzeitig wird durch das rationale Design von Impfstoffen<br />
das erwartete Sicherheitsprofil deutlich verbessert.<br />
Heute ist <strong>der</strong> Markt für Gensynthese international. Wurden noch vor 10 Jahren optimierte<br />
Gensequenzen in mühevoller Kleinarbeit in den Entwicklungslabors <strong>der</strong> Pharmaindustrie<br />
gefertigt, kann jetzt jedes Labor maßgeschnei<strong>der</strong>te synthetische Gene kostengünstig<br />
bestellen. Zu den Kunden <strong>der</strong> GENEART (49 % aus Nordamerika, 44 % aus Europa, die<br />
restlichen 7 % aus Asien und Südafrika) zählen zu gleichen Teilen internationale,<br />
börsennotierte Unternehmen aus dem Bereich Pharma und Biotechnologie sowie<br />
renommierte öffentliche Institutionen und Universitäten wie Oxford, Harvard, Yale, Emory<br />
und Stanford University. Heute erzielt das Unternehmen nahezu die Hälfte <strong>der</strong> Umsätze<br />
in Nordamerika und einen stark wachsenden Anteil in Asien. Dementsprechend war es<br />
wichtig, den Verkaufsprozess international auszurichten. Einen wichtigen Meilenstein<br />
bildet hier die 2002 gegründete Vertriebsnie<strong>der</strong>lassung Nordamerika.<br />
Wettbewerbsvorteil durch Systemlösungen<br />
Auf Basis <strong>der</strong> Gensynthese-Technologieplattform bietet GENEART<br />
integrierte Systemlösungen für die Pharma- und Biotechindustrie.<br />
Kunden profitieren von <strong>der</strong> Flexibilität <strong>der</strong> Gensynthese bei <strong>der</strong><br />
Generierung und Selektion gentechnisch hergestellter Therapeutika<br />
und Industrieenzyme. Ausgehend von einer Gensequenz<br />
ist GENEART in <strong>der</strong> Lage, einige wenige rationale Varianten eines<br />
Gens zu produzieren o<strong>der</strong> auch Genbibliotheken mit einer Größe<br />
von bis zu 10 11 Varianten herzustellen. Dabei wird die Identifikation<br />
des besten Kandidaten für die weitere Entwicklung von<br />
proteinbasierten Medikamenten o<strong>der</strong> Biokatalysatoren<br />
unterstützt.<br />
Medikamentenentwicklern von DNA basierten Wirkstoffen bietet GENEART darüber<br />
hinaus – als Mitglied <strong>der</strong> von Qiagen initiierten pAlliance – Systemlösungen, die von <strong>der</strong><br />
Optimierung und Synthese <strong>der</strong> Gensequenz über die Auswahl <strong>der</strong> optimalen Genvariante<br />
bis hin zur Produktion und Qualitätskontrolle GMP-konformer Plasmid-DNA reichen.<br />
Neben dem Mehrwert, den <strong>der</strong> Kunde über ein optimiertes Gen erhält, wird durch die<br />
Abwicklung <strong>der</strong> gesamten Prozesskette aus einer Hand <strong>der</strong> Koordinationsaufwand für den<br />
Kunden reduziert und die Bearbeitungszeit verkürzt.<br />
Diesen Trend hat GENEART frühzeitig erkannt und gemeinsam mit den Investoren <strong>der</strong><br />
Beteiligungsfonds S-Refit AG sowie equinet Partners, tbg und Bayern Kapital in ein<br />
tragfähiges Unternehmenskonzept umgesetzt. Bei <strong>der</strong> GENEART GmbH erfolgt die<br />
Optimierung <strong>der</strong> Kundengensequenz über die proprietäre Sequenzdesign-Software<br />
GeneOptimizer, die mit <strong>der</strong> langjährigen Expertise <strong>der</strong> Regensburger Wissenschaftler<br />
entwickelt wurde. Auch komplexe o<strong>der</strong> repetitive Sequenzen und Gene in hoher Stückzahl<br />
lassen sich auf Basis <strong>der</strong> implementierten Technologieplattform schnell und präzise in<br />
2 bis 4 Wochen herstellen. Zu jedem Zeitpunkt können in den Labors mehrere Hun<strong>der</strong>t<br />
Gene o<strong>der</strong> Genvarianten routinemäßig parallel mit einer 100%igen Sequenzgenauigkeit<br />
produziert werden. Die Zertifizierung des kompletten Herstellungs- und Vertriebsprozesses<br />
nach DIN EN ISO 9001:2000, als weltweit erster Anbieter für Gensynthese,<br />
garantiert darüber hinaus die Erfüllung höchster Qualitätsanfor<strong>der</strong>ungen für<br />
Pharmaunternehmen.<br />
Im November 1999 wurde die GENEART mit Firmensitz im BioPark Regensburg von den<br />
Professoren Dr. Ralf Wagner und Dr. Hans Wolf zusammen mit Dr. Marcus Graf als Spinoff<br />
des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene <strong>der</strong> Universität Regensburg<br />
gegründet. Als kaufmännischer Geschäftsführer ergänzt Dipl. Kfm. Christian Ehl seit Juli<br />
2000 das operative Management-Team um den wissenschaftlichen Geschäftsführer Prof.<br />
Dr. Wagner. 40 Mitarbeiter arbeiten heute in Regensburg und in <strong>der</strong> Vertriebsrepräsentanz<br />
Nordamerika in Toronto/Kanada.<br />
www.geneart.com<br />
26 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Ausgewählte deutsche Firmen mit Aktivitäten in <strong>der</strong><br />
Gensynthese (ohne Oligo-Hersteller)<br />
Entelechon, Regensburg<br />
Die 1999 gegründete Firma (7 Mitarbeiter) offeriert Gensynthesen<br />
mit einer Sequenzgenauigkeit von 100 %, zudem<br />
Auftragsproduktion und Sequenzierung. Die proprietäre DNA-<br />
Optimierungssoftware Leto 1.0 wird im Laufe des Jahres 2005<br />
erscheinen. In Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> ASA Spezialenzyme<br />
wurde ein neuartiges Expressionssystem (Grünalge mit optimierten<br />
Genen) zur Herstellung von Proteinen entwickelt.<br />
GENEART, Regensburg<br />
Der Umsatz wuchs 2004 im Vergleich zum Vorjahr um 80 %,<br />
für 2005 werden nochmals über 60 % Steigerung erwartet.<br />
Neben <strong>der</strong> Gensynthese (automatisierte Plattform und proprietäre<br />
Bioinformatik-Software) werden Sequenzierung, Gen-<br />
,<strong>Evolution</strong>‘, Plasmide und Auftragsproduktion angeboten. 40<br />
Mitarbeiter sind beschäftigt, die zudem in akademischer Kooperation<br />
im Rahmen des Europäischen Forschungskonsortiums<br />
EuroVacc maßgeschnei<strong>der</strong>te Gensequenzen liefern, die die<br />
Grundlage für einen neuartigen HIV-Impfstoff (DNA-HIV-C,<br />
jetzt in klinischer Phase I) bilden. Die Firma stellt als Lizenzpartner<br />
die patentierten Gensequenzen gag, pol, nef und env<br />
des C-Typ HI-Virus bereit.<br />
Sloning, Puchheim<br />
20 Mitarbeiter beschäftigt die im Jahr 2000 gegründete Firma.<br />
Durch VC und staatliche För<strong>der</strong>ung wird die automatisierte<br />
Gensynthese-Plattform noch optimiert.<br />
Medigenomix, Martinsried<br />
Die Firma (30 Mitarbeiter) wurde aus <strong>der</strong> MediGene AG im<br />
Jahr 1998 ausgegründet und ist auf DNA-Analysen spezialisiert.<br />
Mittlerweile ist sie Teil <strong>der</strong> Eurofins-Scientific-Gruppe.<br />
Angeboten werden: Gensynthese, DNA-Sequenzierung, Bioinformatik,<br />
DNA-Banken, Klonierung, Mutagenese, Nahrungsmittelanalysen,<br />
Genetischer Fingerabdruck/Vaterschaftstests.<br />
Ein BioChance-Projekt lautet: Erschließung relevanter Polymorphismen<br />
bei G-Proteinen hinsichtlich Gendiagnostik und<br />
Pharmakogenetik.<br />
Biospring, Frankfurt<br />
Die Geschäftsbereiche sind Auftragssynthese und Herstellung<br />
von modifizierter und unmodifizierter DNA/RNA (auch<br />
Gensynthese), zudem das PHENOlution-Verfahren zur Optimierung<br />
von Enzymen. 15 Mitarbeiter sind in <strong>der</strong> 1997 gegründeten<br />
Firma angestellt.<br />
ATG biosynthetics, Freiburg<br />
Die Firma ATG (gegründet 2000, 5 Mitarbeiter) bietet<br />
Gensynthese, Markersysteme, Klonierungsservice, Sequenzierung,<br />
Beratung und Proteinoptimierung an.<br />
BioLux, Stuttgart<br />
Besteht seit 1999 mit heute 5 Mitarbeitern. Die Services<br />
umfassen Gensynthese, DNA- und Protein-Sequenzierung,<br />
Auftragsproduktion und Vaterschaftstests.<br />
In Deutschland auf Gensynthese spezialisiert sind die beiden in<br />
Regensburg ansässigen Firmen GENEART und Entelechon,<br />
dazu Sloning aus Puchheim. Diese Firmen sind international<br />
aufgestellt, da <strong>der</strong> Markt in Deutschland allein noch nicht sehr<br />
groß ist. Einige Firmen haben Gensynthese im erweiterten<br />
Portfolio; hinzu kommen Firmen, die Gensynthese durch einen<br />
Partner anbieten (etwa Metabion, PlasmidFactory und BioCat).<br />
Die Firmen bieten zudem meist umfassende Optimierungen <strong>der</strong><br />
gewünschten Sequenzen durch Bioinformatiksoftware an<br />
(bezüglich Sekundärstrukturen, Restriktionsstellen, GC-Gehalt,<br />
Codon Usage, Sequenzen zur posttranslationalen Modifikations-<br />
und Lokalisierungsbestimmung etc.). Auch kann die<br />
Gensequenz in einem bestimmten Vektor ausgeliefert werden.<br />
Die kommerzielle Gensynthese ist erst seit ein paar Jahren<br />
verfügbar und wird immer erschwinglicher (ab ca. 1,50 €/<br />
Base). Beliebige Sequenzen von Hun<strong>der</strong>ten bis mehreren<br />
Tausend Basenpaaren Länge können in wenigen Wochen<br />
synthetisiert werden; früher war dies nur durch lang währendes<br />
Schneiden und Klonieren von Originalsequenzen möglich. Die<br />
Preise für Gensynthese werden weiterhin fallen, die Qualität (u. a.<br />
durch Einsatz von Reparaturenzymen) und Schnelligkeit wird<br />
herkömmliche DNA-Klonierungen übertreffen. Aber erst ab<br />
einer bestimmten Preisschwelle werden künstliche Gene<br />
verstärkt Einzug in den Alltag <strong>der</strong> Forschungslabore halten.<br />
Noch bestellen manche Labore nur Oligosequenzen, um diese<br />
anschließend selbst durch PCR zu einem Gesamtkonstrukt<br />
zusammenzufügen. Jedoch beruht auch bei den kommerziellen<br />
Anbietern die Gensynthese-Technologie zumeist auf<br />
maßgeschnei<strong>der</strong>ten Oligosequenzen und PCR.<br />
27
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Decade of the Brain?<br />
Der in den 90er-Jahren in den USA ausgerufenen Dekade <strong>der</strong><br />
Hirnforschung folgten zahlreiche Forscher und erbrachten<br />
beachtliche Forschungsergebnisse zum Verständnis <strong>der</strong> Gehirnfunktionen<br />
und für die Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen.<br />
Was ist daraus geworden?<br />
Grundsätzlich setzt die neurobiologische Untersuchung des<br />
Gehirns auf drei verschiedenen Ebenen an. Die obere Ebene<br />
klärt die Funktion größerer Hirnareale<br />
bzw. das Zusammenspiel verschiedener<br />
Hirnareale, die kognitive Funktionen,<br />
wie Sprachverstehen, Bil<strong>der</strong>kennung,<br />
Tonwahrnehmung, Musikverarbeitung,<br />
Handlungsplanung, Gedächtnisprozesse<br />
sowie das Erleben von Emotionen,<br />
ermöglichen.<br />
Die mittlere Ebene beschreibt das Geschehen<br />
und das Zusammenwirken<br />
innerhalb von Verbänden von Hun<strong>der</strong>ten<br />
o<strong>der</strong> Tausenden Zellen. Insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Entstehung eines Gewebeverbands wird<br />
in dieser Ebene analysiert.<br />
Die untere Ebene umfasst die Vorgänge auf dem Niveau<br />
einzelner Zellen und Moleküle. Die Zuordnung und Interaktion<br />
von Molekülen zu und in den Zellen sowie die Kommunikation<br />
<strong>der</strong> Zellen miteinan<strong>der</strong> wird in dieser Ebene entschlüsselt.<br />
Gerade hinsichtlich <strong>der</strong> unteren neuronalen Organisationsebene<br />
haben Methoden wie etwa die Patch-clamp-Technik, die<br />
Fluoreszenzmikroskopie o<strong>der</strong> das Xenopus-Oocyten-Expressionssystem<br />
zu einem Erkenntnissprung geführt. Inzwischen ist sehr<br />
viel mehr bekannt über die Ausstattung <strong>der</strong> Nervenzellmembran<br />
mit Rezeptoren und Ionenkanälen sowie über <strong>der</strong>en Arbeitsweise,<br />
die Funktion von Neurotransmittern, Neuropeptiden und<br />
Neurohormonen, den Ablauf intrazellulärer Signalprozesse o<strong>der</strong><br />
die Entstehung und Fortleitung neuronaler Erregung. Selbst was<br />
in einem einzelnen Neuron passiert, kann mit hoher räumlicher<br />
und zeitlicher Auflösung analysiert sowie in Computermodellen<br />
simuliert werden. Dies ist von großer Bedeutung für das<br />
grundlegende Verständnis <strong>der</strong> Arbeitsweise von Sinnesorganen<br />
und Nervensystemen sowie für die gezielte Behandlung<br />
neurologischer und psychischer Erkrankungen.<br />
Bedeutende Fortschritte bei <strong>der</strong> Erforschung des Gehirns gibt es<br />
bislang nur auf <strong>der</strong> unteren Ebene (Entschlüsselung <strong>der</strong><br />
molekularen Ereignisse) sowie auf <strong>der</strong> oberen Ebene<br />
(Zuordnung von Gehirnfunktionen zu den entsprechenden<br />
Regionen). Eines <strong>der</strong> Hauptanliegen <strong>der</strong> Hirnforschung in den<br />
nächsten Jahren wird demnach sein, die gefundenen Moleküle<br />
ihren Funktionen in den Zellen und <strong>der</strong>en Rolle in den<br />
Gewebeverbänden zuzuordnen, um ein Gesamtbild <strong>der</strong><br />
Interaktion zu gewinnen.<br />
Somit ist es <strong>der</strong> interdisziplinären Zusammenarbeit von<br />
Medizinern, Psychologen, Biologen und<br />
Verhaltensforschern, die in den 90er-<br />
Jahren ihre Forschungen ganz in den<br />
Bann <strong>der</strong> damals ausgerufenen Dekade<br />
<strong>der</strong> Hirnforschung stellten, zu verdanken,<br />
dass heute teilweise beachtliche<br />
Fortschritte in <strong>der</strong> Behandlung neurodegenerativer<br />
Erkrankungen erzielt<br />
wurden.<br />
Zahlreiche Biotech- und Pharma-Unternehmen<br />
widmen ihre Forschung zur<br />
Heilung <strong>der</strong> Erkrankungen des zentralen<br />
Nervensystems. Medikamente auf dem<br />
Markt sind zum Beispiel Multiple-Sklerose-Präparate wie β-<br />
Interferon o<strong>der</strong> Wirkstoffe gegen Alzheimer. Diese können<br />
jedoch bislang keine vollständige Heilung, son<strong>der</strong>n lediglich<br />
eine Lin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Symptomatik bewirken.<br />
Gerade bei <strong>der</strong> Alzheimerschen Krankheit besteht ein hoher<br />
medizinischer Bedarf. Denn allein hierzu schätzen Analysten,<br />
dass die Anzahl <strong>der</strong> Betroffenen von 16 Millionen Patienten im<br />
Jahre 2003 auf 21 Millionen Patienten im Jahre 2010 in den<br />
sieben größten pharmazeutischen Märkten (USA, Frankreich,<br />
Deutschland, Italien, Spanien, England und Japan) ansteigen<br />
wird. In diesen Märkten, so schätzen die Analysten, werden<br />
allein die Medikamente zur Behandlung <strong>der</strong> Alzheimerschen<br />
Erkrankung zwischen den Jahren 2005 und 2010 Umsätze über<br />
zwei Milliarden US-$ erzielen.<br />
Auch <strong>der</strong> pharmazeutische Markt zur Behandlung an<strong>der</strong>er<br />
neurodegenerativer Erkrankungen (Parkinson, Huntington,<br />
Neuropathien, amyotrophe Lateral- o<strong>der</strong> Multiple Sklerose)<br />
wird über die nächsten zehn Jahre enorm ansteigen.<br />
28 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Dr. Frank Striggow, CEO KeyNeurotek AG, Magdeburg<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Neurologie<br />
Medizin und pharmazeutische Industrie sehen sich gleichermaßen mit dem Problem<br />
konfrontiert, dass hirnbezogene Erkrankungen einerseits von großer und kontinuierlich<br />
weiter zunehmen<strong>der</strong>, volkswirtschaftlicher Bedeutung sind, an<strong>der</strong>erseits aber auf<br />
molekularer, zellulärer und systemischer Ebene nur äußerst unzureichend verstanden<br />
werden. Daraus resultieren enorme Schwierigkeiten bei <strong>der</strong> Entwicklung effektiver<br />
Therapieansätze. Dies war vor mehr als 5 Jahren <strong>der</strong> technologische und entwicklungsstrategische<br />
Ansatzpunkt <strong>der</strong> KeyNeurotek AG.<br />
Kooperationen mit <strong>der</strong> Pharmaindustrie sind Mittel <strong>der</strong> Wahl, um in reife Projekte<br />
einzusteigen bzw. um interne F&E-Programme o<strong>der</strong> Technologien zu vermarkten<br />
(Lizenzvergabe, Co-Development). Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> Bündelung von Ressourcen<br />
und Kompetenzen wird innerhalb des Firmenverbundes PharmaMD mit <strong>der</strong> ebenfalls in<br />
Magdeburg ansässigen IMTM GmbH ein Wirkstoffentwicklungsprogramm auf <strong>der</strong> Basis<br />
spezifischer Protease-Inhibitoren vorangetrieben. Ziel ist <strong>der</strong> Beginn klinischer Phase-I -<br />
Studien in 2006/2007. Darüber hinaus bestehen strategische Partnerschaften mit <strong>der</strong><br />
Fraunhofer-Gesellschaft (Technologieentwicklung), <strong>der</strong> Max-Planck-Gesellschaft (Wirkstoffentwicklung),<br />
Instituten <strong>der</strong> Leibniz-Gesellschaft (Technologienutzung, Wirkstoffentwicklung)<br />
und <strong>der</strong> University of Southampton.<br />
Technologieansatz <strong>der</strong> KeyNeurotek<br />
Heute verfügt das Unternehmen KeyNeurotek über einzigartige, vollautomatisierte<br />
Screeningverfahren, in denen komplexe Krankheitsverläufe in nativen Gewebeproben<br />
simuliert und distinkte, krankheitsbezogene Schädigungsereignisse (z. B. Zelluntergang,<br />
Inflammation, eingeschränkte mitochondriale Funktionalität) detektiert und<br />
quantifiziert werden können (TELOMICS ex vivo). Die Verwendung von Gewebekulturen<br />
hat den Vorteil, dass Langzeitprozesse in einer physiologischen<br />
Target- und Pathway-Bibliothek untersucht werden können (auch<br />
akute Erkrankungen sind das Ergebnis längerfristiger Prozesse). Im<br />
Gegensatz zu zellbasierten Verfahren werden zudem wichtige<br />
interzelluläre, d. h. systemische Wechselwirkungen in „organotypischen“<br />
Gewebeverbänden berücksichtigt. Während schnelle<br />
Ex-vivo-Verfahren als Filterfunktion im Zusammenhang mit Targetidentifizierung<br />
und -validierung, Substanzscreening, Toxizitätsuntersuchungen<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Identifizierung und Optimierung von<br />
Leitstrukturen eingesetzt werden, dienen nachgeschaltete,<br />
komplementäre In-vivo-Verfahren am Ganztier (TELOMICS in vivo)<br />
<strong>der</strong> präklinischen Ergebnisvalidierung (Proof-of-Concept-Studien,<br />
Dosis-/Wirkung-Untersuchungen). KeyNeurotek verfügt über ein<br />
breites Repertoire an Krankheitsmodellen und analytischen Verfahren (z. B. Histologie,<br />
Immunhistochemie, Genexpression, Proteomik, Kernspintomografie, Verhaltensuntersuchungen/preclinical<br />
outcome studies). Weitere F&E-bezogene In-house-<br />
Kompetenzen fokussieren auf die Bereiche Molekularbiologie, In-silico-Chemie sowie<br />
präklinisches, klinisches und regulatorisches Entwicklungsmanagement. Bereiche wie<br />
klassisches HTS, Chemie, Medizinalchemie, ADME/Tox, GMP und Klinik werden intern<br />
gesteuert, aber ausschließlich über externe, z. T. exklusive Partnerschaften realisiert.<br />
KeyNeurotek verfügt durch zwei Finanzierungsrunden (2001, 2004), verschiedene<br />
För<strong>der</strong>programme (5. Rahmenprogramm <strong>der</strong> EU, BMBF) sowie valide Investoren über<br />
eine relativ solide Finanzierung. Weitere Unterstützung ist durch das klare Bekenntnis<br />
des Landes Sachsen-Anhalt zur verabschiedeten Biotechnologieoffensive gegeben.<br />
Unabhängig davon ist mittelfristig die Akquirierung weiterer Mittel, auch durch die<br />
Gewinnung weiterer Investoren erfor<strong>der</strong>lich. Dieser Herausfor<strong>der</strong>ung hat sich<br />
letztendlich die gesamte Unternehmensstrategie unterzuordnen.<br />
Die Strategie des Vorstandes ist konsequent auf<br />
die baldmöglichste wirtschaftliche Verwertung <strong>der</strong><br />
Entwicklungspipeline ausgerichtet, idealerweise zur Finanzierung<br />
bereits initiierter Nachfolge- o<strong>der</strong> Parallelprojekte.<br />
Im Sinne <strong>der</strong> Pipelinekomplettierung, und nur aus diesem<br />
Grund, kommt bei gesicherter Finanzierung ein anorganisches<br />
Wachstum <strong>der</strong> Gesellschaft in Betracht.<br />
Fazit<br />
KeyNeurotek, im Jahr 2000 aus dem profilierten<br />
Magdeburger Forschungsumfeld (Neurobiologie/Neurologie,<br />
Immunologie, Systembiologie) gegründet, hat sich<br />
mittlerweile auch international als ZNS-fokussiertes Biotechnologieunternehmen<br />
etabliert. Im Mittelpunkt <strong>der</strong> Unternehmensstrategie stehen Aufbau, Entwicklung und<br />
Vermarktung einer präklinischen und klinischen Wirkstoffpipeline, vornehmlich im<br />
Bereich akuter und chronischer Erkrankungen des zentralen Nervensystems (z. B.<br />
Schädel/Hirntrauma, Schlaganfall, Alzheimer). Voraussetzung hierfür ist eine starke<br />
wissenschaftliche und technologische Basis sowie ausgewiesene, pharma- und biotechrelevante<br />
Managementkompetenz, ergänzt durch strategische Partnerschaften.<br />
Geschäftsstrategie<br />
Das Management legt expliziten Wert auf schlanke Organisationsstrukturen, die<br />
Gewährleistung einer geringen burn rate, eine starke technologische und wissenschaftliche<br />
Basis sowie diversifizierte pharmazeutische Entwicklungs- und Zulassungserfahrung.<br />
Auf dieser Basis wird eine fortgeschrittene präklinische und klinische<br />
Entwicklungspipeline aufgebaut, diversifiziert nach Indikationen, Wirkstoffklassen und<br />
Targets. Für 2005 ist <strong>der</strong> Beginn klinischer Proof-of-Concept-Studien (Phase II) in einer<br />
ersten Indikation vorgesehen.<br />
www.keyneurotek.de<br />
29
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
2.2 Fortschritte in <strong>der</strong> Roten Biotechnologie<br />
Wirkstoffentwicklung<br />
122 117<br />
1<br />
substanzen mit<br />
40<br />
Serono bekannt gegeben.<br />
Nachdem<br />
27 34 38<br />
38<br />
33<br />
27 22<br />
26<br />
20<br />
9<br />
nun im März dieses<br />
Jahres 4SC den<br />
4 4 5<br />
0 3 1 1<br />
0<br />
Präklinik<br />
Phase I<br />
Phase II<br />
Phase III Zulassungs-Phase<br />
erfolgreichen Abschluss<br />
<strong>der</strong> Phase I<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Quelle: antwortende Firmen sowie öffentlich verfügbare Informationen<br />
vermelden konnte, haben beide Unternehmen nun die Rückgabe<br />
GPC Biotech konnte die vorklinische Entwicklung von 1D09C3<br />
in <strong>der</strong> zweiten Jahreshälfte 2004 erfolgreich abschließen. Der<br />
Im Vergleich zu den Jahren 2002 und 2003 ist die Anzahl an<br />
Wirkstoffen in <strong>der</strong> Pipeline <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Unternehmen<br />
im vergangenen Jahr nochmals deutlich angestiegen.<br />
Werden präklinische und klinische Projekte zusammengefasst,<br />
zählt die Pipeline <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Industrie (ohne<br />
Zulassungsphase) nun 240 Wirkstoffe in 87 Firmen 1 .<br />
Die Anzahl an Wirkstoffen in <strong>der</strong> Präklinik ist nochmals stark<br />
auf 160 Projekte gestiegen. In <strong>der</strong> klinischen Phase I befanden<br />
sich Ende 2004 33 Wirkstoffe. So hat die Münchener Wilex im<br />
vergangenen September die klinische Entwicklung mit dem<br />
neuen oral verabreichten nicht-zytotoxischen Krebsmedikamenten-Kandidaten<br />
WX-671 begonnen. Es handelt sich um<br />
einen Serin-Proteasen-Inhibitor <strong>der</strong> zweiten Generation zur<br />
Hemmung des uPA(Urokinase Plasminogen Aktivator)-<br />
Systems, welches eine zentrale Rolle bei <strong>der</strong> Metastasierung<br />
und dem Primärtumorwachstum von soliden Tumoren spielt. In<br />
präklinischen Modellen konnte WX-671 wirksam die Metastasierung<br />
und das Primärtumorwachstum hemmen.<br />
Wirkstoff ist ein humaner, monoklonaler Antikörper, <strong>der</strong> an<br />
spezifische Zelloberflächenrezeptoren bindet und wurde in<br />
Zusammenarbeit mit MorphoSys aus <strong>der</strong>en Hu-CAL ® -Bibliothek<br />
komplett humaner Antikörper isoliert. Im Dezember<br />
erteilte die schweizerische Zulassungsbehörde Swissmedic<br />
GPC Biotech die Genehmigung, die klinischen Studien mit<br />
1D09C3 am Menschen zu beginnen. Eine Phase-I-Studie<br />
startete Anfang 2005.<br />
Die im Februar an <strong>der</strong> Börse gestartete PAION aus Aachen<br />
komplettierte ihr Portfolio durch einen von dem japanischen<br />
Pharma-Unternehmen Nippon Shinyaku einlizenzierten Wirkstoff<br />
in Phase I. Enecadin ergänzt PAIONs wachsendes Portfolio<br />
klinischer Medikamentenkandidaten zur Deckung des<br />
medizinischen Bedarfs bei <strong>der</strong> Behandlung von Schlaganfall<br />
und an<strong>der</strong>en thrombotischen Erkrankungen.<br />
In Phase I befand sich im letzten Jahr auch <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>molekulare<br />
Produktkandidat SC12267 zur Behandlung von<br />
rheumatoi<strong>der</strong> Arthritis und Multipler Sklerose <strong>der</strong> Münchener<br />
4SC. Die Firma hatte mit <strong>der</strong> Entwicklung ihres eigenen Wirkstoffes<br />
unter Einsatz<br />
ihrer auf<br />
Abbildung 2-3:<br />
Wirkstoff-Pipeline nach Phase<br />
Chemieinformatik<br />
basierenden Technologieplattform<br />
160<br />
160<br />
Mitte 2001 begonnen.<br />
Im Mai 2004<br />
140<br />
120<br />
133<br />
wurde dann eine<br />
2001<br />
weltweite Vereinbarung<br />
über die Ent-<br />
2002<br />
2003<br />
100<br />
80<br />
60<br />
2004<br />
wicklung und Kommerzialisierung<br />
<strong>der</strong><br />
Substanz SC12267<br />
und weiterer Folgelung<br />
aller Rechte an die 4SC zur weiteren klinischen Entwick-<br />
und Vermarktung vereinbart.<br />
30 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Der Rückgang bei den Produkten in Phase I beruht zum einen<br />
auf dem Wegfall von Entwicklungen bei insolvent gewordenen<br />
Firmen sowie weiteren Ausfällen bzw. Rückstellungen. Zum<br />
an<strong>der</strong>en konnten nachfolgende Projekte aus <strong>der</strong> Präklinik sowie<br />
an<strong>der</strong>e Neuzugänge diejenigen Wirkstoffe, die aus <strong>der</strong> Phase I<br />
in die Phase II o<strong>der</strong> Phase III übergingen – 10 Projekte haben in<br />
2004 diesen Sprung geschafft – zahlenmäßig nicht ersetzen. Bei<br />
den Neuzugängen handelt es sich wie zum Beispiel bei Paion<br />
um eingekaufte Wirkstoffe, um Erweiterungen bestehen<strong>der</strong><br />
Wirkstoffe in neue Indikationen sowie um Projekte aus Firmen,<br />
die neu in die Statistik eingeschlossen wurden (Neuzugänge).<br />
Auf Basis positiver Ergebnisse aus einer klinischen Phase-I-<br />
Studie vorangeschritten ist beispielsweise MediGene mit dem<br />
krebszerstörenden (onkolytischen) Virus NV1020. Der gentechnisch<br />
verän<strong>der</strong>te Herpes-Simplex-Virus zielt auf die Zerstörung<br />
von Lebermetastasen, die durch Dickdarmkrebs entstehen,<br />
ohne dabei gesundes Gewebe zu schädigen.<br />
Insgesamt befanden sich Ende 2004 somit 38 Wirkstoffe in <strong>der</strong><br />
klinischen Phase II. Die ursprünglich von Ende 2003 stammende<br />
Anzahl von 26 Wirkstoffen in Phase II verringerte sich<br />
zunächst auf Grund von Insolvenzen und einer Beendigung. So<br />
fielen die Projekte von Apovia, Switch Biotech sowie Viscum<br />
aus <strong>der</strong> Statistik und GPC Biotech gab bekannt, die weitere<br />
Entwicklung von Bryostatin zu beenden, da kein geeignetes<br />
Verabreichungsschema gefunden werden konnte, welches die<br />
für eine erfolgreiche Zulassungsstrategie notwendige Wirksamkeit<br />
in Verbindung mit einem akzeptablen Nebenwirkungsprofil<br />
aufzeigte.<br />
Eine weitere Verringerung <strong>der</strong> Anzahl an<br />
Phase-II-Wirkstoffen erfolgte aber auch<br />
durch Fortschritte in die Phase III und<br />
erfolgreiche Verkäufe bzw. Auslizenzierungen.<br />
Beispielsweise konnte die<br />
Probiodrug aus Halle ihren in Phase II<br />
befindlichen klinischen Entwicklungskandidaten<br />
P93/01 (inklusive <strong>der</strong><br />
„Dipeptidyl Peptidase IV (DP-IV) Technologie-Plattform“)<br />
an die britische Prosidion<br />
(eine Tochter <strong>der</strong> US-amerikanischen<br />
OSI Pharmaceuticals) Gewinn<br />
bringend verkaufen.<br />
Anzahl Wirkstoffe<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Die Berliner Mologen erzielte eine erfolgreiche Auslizenzierung<br />
ihres dSLIM-basierten DNABarrier II an das chinesische<br />
Biotechnologie-Unternehmen Starvax mit Sitz in Peking.<br />
DNABarrier II ist eine von drei in Entwicklung befindlichen<br />
Applikationen auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> von Mologen entwickelten und<br />
patentierten dSLIM ® Immunmodulator-Technologie.<br />
Noch im Dezember 2004 gab Micromet bekannt, dass eine<br />
Vereinbarung mit Serono geschlossen wurde, bei <strong>der</strong> Micromet<br />
zwar noch die laufenden Phase-II-Studien zu MT201 (humaner<br />
Antikörper) abschließen, Serono aber die weitere Entwicklung<br />
und Kommerzialisierung des Produkts übernehmen wird.<br />
Serono wird alle weiteren Entwicklungskosten tragen.<br />
Micromet wird eine Vorabzahlung in Höhe von 10 Mio. US-$<br />
und zusätzlich Meilensteinzahlungen von bis zu 138 Mio. US-<br />
$ erhalten, sofern das Produkt die weitere Entwicklung erfolgreich<br />
durchläuft und weltweit in drei o<strong>der</strong> mehr Indikationen zur<br />
Vermarktung zugelassen wird. Weiterhin erhält Micromet<br />
Lizenzgebühren in ungenannter Höhe, die auf <strong>der</strong> Basis von<br />
Nettoverkäufen des Produkts errechnet werden.<br />
Diese und weitere nicht erwähnte Beispiele zeigen, dass in <strong>der</strong><br />
deutschen Biotech-Industrie nun erstmals Wege beschritten<br />
werden, Phase-II-Produkte erfolgreich an an<strong>der</strong>e Biotech- o<strong>der</strong><br />
Pharma-Unternehmen weiterzugeben und damit letztlich<br />
Umsatz zu generieren. Aber auch die Auslizenzierung früherer<br />
Entwicklungen wie beispielsweise von Targets gewinnt wie<strong>der</strong><br />
an Attraktivität wie drei erfolgreiche Auslizenzierungen <strong>der</strong><br />
Firma Ganymed Pharmaceuticals aus Mainz zeigen.<br />
Abbildung 2-4:<br />
Wirkstoff-Pipeline nach Anzahl <strong>der</strong> Unternehmen im Jahresvergleich<br />
160<br />
160<br />
133<br />
76<br />
70<br />
26<br />
22 25<br />
Anzahl Unternehmen<br />
Anzahl Wirkstoffe 2003<br />
Anzahl Wirkstoffe 2004<br />
34<br />
38<br />
38<br />
33<br />
26<br />
5<br />
8<br />
5 9<br />
Präklinik Phase I Phase II Phase III<br />
100<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Anzahl Unternehmen<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
31
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Dr. Rainer Wessel, CEO und Dr. Özlem Türeci, CSO<br />
Ganymed Pharmaceuticals AG, Mainz<br />
Renaissance <strong>der</strong> Targets –<br />
Antizyklizität verspricht langfristig höhere Werte<br />
Der Genomics- und Proteomics-Boom <strong>der</strong> späten 90er-Jahre („Genome Land Grab“),<br />
<strong>der</strong> seinen Höhepunkt im Millennium-/Bayer-Deal von 1998 fand, verleitete zu <strong>der</strong><br />
Annahme, dass die Pipelines mit genügend, wenn nicht gar zu vielen Drug-Targets gefüllt<br />
sind und nun in erster Linie Bedarf für neue Verfahren zur Erzeugung von<br />
therapeutischen Wirkstoffen gegen diese Targets bestünde. Die Konsequenz bei den<br />
großen Pharmaunternehmen als auch bei vielen Biotechfirmen war die verstärkte<br />
Hinwendung zu neuen Discovery-Ansätzen auf <strong>der</strong> Basis automatisierter „Assay-<br />
Straßen“ von welchen mittels kombinatorischer Chemie ein Quantensprung in <strong>der</strong><br />
Generation neuer INDs erhofft wurde. Hauptschwerpunkt waren nach wie vor nie<strong>der</strong>molekulare<br />
Wirkstoffe zur Adressierung<br />
großer homogener Blockbustermärkte.<br />
Lei<strong>der</strong> blieben die erhofften Ergebnisse<br />
weit hinter den Erwartungen<br />
zurück. Denn die rein quantitative<br />
Erhöhung ungenügend charakterisierter<br />
Targets als auch neuer chemischer<br />
Grundstoffe hat sich als Irrweg<br />
herausgestellt. Zum einen generierten<br />
die kombinatorischen Ansätze nicht in<br />
ausreichen<strong>der</strong> Zahl nie<strong>der</strong>molekulare<br />
Wirkstoffe mit geeigneten pharmakophoren Eigenschaften. Zum an<strong>der</strong>en „wurde<br />
unterschätzt, dass das Wechselspiel zwischen den Genen und sich von diesen<br />
ableitenden Produkten ungeheuer komplex ist“, wie die Financial Times Deutschland<br />
2003 kommentierte. Die Vielfalt <strong>der</strong> aus jedem einzelnen dieser Gene sich ableitenden<br />
Genprodukte und biochemischen Varianten, ihre Verteilung in gesunden und erkrankten<br />
menschlichen Geweben, ihre Bedeutung für die Biologie von verschiedenen Zelltypen,<br />
und nicht zuletzt auch ihre tatsächliche Nutzbarkeit im Krankheitskontext, stellen<br />
weitere Komplexitätsebenen dar.<br />
In den meisten Fällen beschränkte sich jedoch die Erforschung <strong>der</strong> Targets auf<br />
molekularbiologische Betrachtungen in klinisch wenig relevanten Systemen. Der<br />
Verteilung des Targets im menschlichen Körper wurde dabei immer erst sehr spät und<br />
nicht umfassend genug Aufmerksamkeit geschenkt. Zusätzlich wurde <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong><br />
Off-Target-Aktivität eines identifizierten Wirkstoffes meist ein zu geringes Interesse<br />
entgegengebracht.<br />
Die meisten Pharmafirmen haben aus diesen Lehren Konsequenzen gezogen und legen<br />
heute bereits in <strong>der</strong> frühen Target-Discovery klinische und präklinische Kriterien an, um<br />
spätere hohe Investitionen in <strong>der</strong> Wirkstofffindung, Präklinik und Klinik möglichst<br />
frühzeitig abzusichern. Im Lichte dieser Erkenntnisse <strong>der</strong> letzten Jahre, und im Zuge<br />
einer verstärkten Hinwendung <strong>der</strong> meisten Pharmafirmen hin zu biologischen<br />
Wirkstoffen, insbeson<strong>der</strong>e Antikörpern, beobachten wir eine Trendwende hin zu neuen<br />
gut validierten Targets. Der Bedarf wird am Beispiel <strong>der</strong> Onkologie deutlich. Die etwa 150<br />
klinischen Antikörperprojekte des Jahres 2003 gegen solide Tumoren richteten sich nur<br />
gegen 17 verschiedene Targets, von denen zudem noch ein Großteil seit langem<br />
bekannte, wenig Erfolg versprechende, klassische Antigene sind, welche nur<br />
ungenügende Spezifität für Tumoren zeigen.<br />
Im Hinblick auf diesen Bedarf wurde die Firma GANYMED Pharmaceuticals AG im Jahre<br />
2002 aus den Universitäten Mainz und Zürich gegründet mit dem Ziel, gut validierte<br />
proprietäre Targets zu identifizieren und für immuntherapeutische Ansätze zu nutzen.<br />
GANYMEDs Strategie ist es, bereits bei <strong>der</strong> Target-Discovery alle für die klinische Wirkung<br />
einer Substanz relevanten Parameter zu berücksichtigen. Diese gezielte Selektion<br />
erlaubt es, Targetkandidaten umfassend molekular, funktionell und immunhistochemisch<br />
zu charakterisieren und bezüglich<br />
ihrer Drugability zu validieren. Dies<br />
sollte zur einer erhöhten Erfolgsrate<br />
bei <strong>der</strong> Wirkstofffindung bei gleichzeitiger<br />
Reduktion <strong>der</strong> Kosten führen.<br />
Die Gründung <strong>der</strong> Ganymed fiel genau<br />
in den Abschwung <strong>der</strong> Biotechindustrie<br />
in <strong>der</strong> Folge des „Bubble-<br />
Jahres“ 2000, welches in <strong>der</strong> VC-<br />
Industrie, bedingt durch die immensen<br />
Wertberichtigungen, zu einer extrem<br />
kurzsichtigen Neuorientierung hin zu<br />
klinischen Produkten führte, um so innerhalb kurzer Zeit die nötigen Exits zu erreichen.<br />
Dies führt im Moment zu einer starken Verknappung und Verteuerung von klinischen-<br />
Phase-Produkten oft zweifelhafter Qualität und zu einer extrem erhöhten Risikobereitschaft<br />
in diesem Sektor.<br />
Viele erfolgreiche Biotechs sind jedoch auf Basis neuer Targets groß geworden, da sich<br />
in diesem Segment durch die richtige Expertise bei gleichzeitig geringen Kosten große<br />
langfristig orientierte Wertsprünge erreichen lassen. Die Kombination von geschützten,<br />
klinisch sehr gut charakterisierten Targets, mit gegen diese Targets gerichteten,<br />
geschützten monoklonalen Antikörpern stellt ein enormes Wertpotenzial dar. Denn<br />
einhergehend mit <strong>der</strong> Hinwendung zu Antikörpern wird es zu einer stärkeren Targetgetriebenen<br />
Segmentierung des Marktes kommen. Diese wird zwangsläufig dazu führen,<br />
dass vor einer therapeutischen Anwendung ein Targetnachweis durch einen diagnostischen<br />
Test erfolgen muss. Entsprechend stellen klinisch gut charakterisierte Targets<br />
die idealen Prototypen für Theragnostika dar. Das Interesse, welches wir im Moment<br />
seitens namhafter Pharma- und Biotechfirmen sehen, ist für uns <strong>der</strong> beste Beweis, dass<br />
die Renaissance <strong>der</strong> Targets in vollem Schwung ist.<br />
www.ganymed-pharmaceuticals.com<br />
32 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Im August 2004 initiierte die Heidelberger Axaron Bioscience<br />
eine Phase-II-Studie mit ihrem Schlaganfall-Wirkstoff AX200.<br />
Der Start <strong>der</strong> Studie stellt einen wesentlichen Meilenstein in <strong>der</strong><br />
Unternehmensentwicklung dar und zeigt, dass die wissenschaftliche<br />
Expertise im Bereich ZNS in eine viel versprechende Produktentwicklung<br />
umgesetzt werden konnte.<br />
Positive Ergebnisse aus einer klinischen Phase-IIa-Studie<br />
wurden von <strong>der</strong> Berliner Revotar Biopharmaceuticals gemeldet:<br />
Die neuartige topische Formulierung des entzündungshemmenden<br />
Wirkstoff-Kandidaten Bimosiamose gegen Psoriasis<br />
zeigte eine Reduzierung <strong>der</strong> Eindringtiefe <strong>der</strong> Schuppenflechte-<br />
Plaques in die Haut. Damit erfolgte eine Bestätigung zur<br />
Weiterentwicklung des Wirkstoffes. Auch IDEA aus München<br />
gab im vergangenen Jahr positive Ergebnisse einer klinischen<br />
Studie <strong>der</strong> Phase II zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von<br />
IDEA-070 bekannt. IDEA-070 ist ein neuartiges Medikament<br />
zur zielgerichteten Behandlung von schmerzhaften und entzündlichen<br />
Hautreaktionen, die durch verschiedenartige Reize,<br />
wie beispielsweise Sonnenbrand o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Verbrennungen,<br />
verursacht werden. Schließlich konnte auch Biofrontera über<br />
einen positiven Zwischenbericht informieren: Der Produktkandidat<br />
BF-Derm1, ein Histidindecarboxylase-Hemmer,<br />
konnte die Symptome <strong>der</strong> Urtikaria, einer bislang nur unzureichend<br />
behandelbaren Hautkrankheit, in Patienten durchschnittlich<br />
um 30 bis 40 Prozent senken, ohne dabei nennenswerte<br />
Nebenwirkungen hervorzurufen.<br />
Tabelle 2-1:<br />
Anzahl <strong>der</strong> Wirkstoffe in <strong>der</strong> Entwicklungspipeline nach<br />
Firmenstatus (Firmenanzahl in Klammern)<br />
Status Präklinik Ph I Ph II Ph III<br />
Jahr 2003 2004 2003 2004 2003 2004 2003 2004<br />
Privat 125 (67) 153 (73) 35 (25) 32 (21) 24 (23) 36 (32) 3 (3) 7 (6)<br />
Börsennotiert 8 (3) 7 (3) 3 (1) 1 (1) 2 (2) 2 (2) 2 (2) 2 (2)<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Die starke Steigerung bei <strong>der</strong> Anzahl von Wirkstoffen in Phase<br />
II hat verschiedene Ursachen. Neben dem Fortschritt von präklinischen<br />
o<strong>der</strong> Phase-I-Produkten ist die Zunahme einerseits<br />
darauf zurückzuführen, dass Firmen ihr Portfolio durch Zukauf,<br />
Einlizenzierung o<strong>der</strong> Fusion stärkten. So hat die Kölner<br />
Biofrontera von <strong>der</strong> schweizerischen ASAT alle Eigentumsrechte,<br />
Patente und Material eines klinischen Phase-II-Produktes<br />
zur Behandlung krebsartiger und präkanzeröser Hautläsionen<br />
sowie gynäkologischer Indikationen erworben.<br />
Über die Fusion mit <strong>der</strong> israelischen Biotech-Firma Peptor<br />
konnte die Göttinger DeveloGen <strong>der</strong>en führendes Produkt<br />
(DiaPep277TM) übernehmen, welches sich in Phase II <strong>der</strong><br />
klinischen Entwicklung für Diabetes Typ 1 befindet.<br />
An<strong>der</strong>erseits wurden bei bereits in Entwicklung befindlichen<br />
Wirkstoffen neue Indikationen identifiziert, die nun klinisch<br />
getestet werden. Zudem führte wie<strong>der</strong>um die Neuaufnahme von<br />
Firmen in die Statistik dieser Untersuchung zu einer leichten<br />
Erhöhung.<br />
In klinischer Phase III befanden sich Ende 2004 neun Wirkstoffe<br />
von acht deutschen Biotech-Firmen. Im Vergleich zu<br />
Ende 2003, als in dieser Kategorie noch fünf Wirkstoffe gezählt<br />
wurden, ist dieses ein beachtlicher Fortschritt. Drei Projekte,<br />
die sich in 2003 noch in Phase II befanden, haben im vergangenen<br />
Jahr den Sprung in die klinische Phase III geschafft.<br />
Mitte Juni 2004 konnte die Münchener Wilex nach abgeschlossenen<br />
Phase-II-Studien zum Kandidaten Rencarex ® , die<br />
eine deutliche Verbesserung des Langzeit-Überlebens <strong>der</strong><br />
Patienten mit Nierenzellkrebs bei hervorragen<strong>der</strong> Verträglichkeit<br />
aufzeigten, den Start <strong>der</strong> Phase III bekannt geben. Die<br />
Studie wird an über 50 Zentren in Europa und den USA<br />
durchgeführt und voraussichtlich 612 Patienten einschließen.<br />
Nachdem mit dem spanischen Pharma-Unternehmen Esteve<br />
eine Entwicklungs- und Vermarktungspartnerschaft für<br />
Rencarex ® in einigen Län<strong>der</strong>n Südeuropas abgeschlossen<br />
wurde, tritt dieses in Spanien sogar als<br />
Co-Sponsor für die Studie auf. Der<br />
Abschluss <strong>der</strong> Phase-III-Studie sowie<br />
eine Vermarktung sind für 2008<br />
geplant.<br />
Im September 2004 vermeldete die<br />
Berliner Jerini den Beginn <strong>der</strong> Phase<br />
III in den USA und Kanada für den<br />
Peptid-Wirkstoff Icatibant zur Behandlung<br />
des vererbten Angioödems<br />
(HAE). Gleichzeitig wurde die Studie bei den zuständigen<br />
Behörden und Ethik-Komitees in verschiedenen europäischen<br />
Län<strong>der</strong>n eingereicht. Jerini besitzt für Icatibant bei HAE den<br />
Orphan-Drug-Status für USA und Europa. Dieser sichert dem<br />
Unternehmen exklusive Vermarktungsrechte für das Produkt in<br />
den USA für sieben Jahre nach Marktzulassung und in Europa<br />
für zehn Jahre. Außerdem hat Jerini für diese Anwendung den<br />
„Fast Track“-Status <strong>der</strong> FDA bekommen, welcher zu einer<br />
beschleunigten Bearbeitung von Zulassungsanträgen führt.<br />
33
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Prof. Dr. Olaf G. Wilhelm,<br />
Vorsitzen<strong>der</strong> des Vorstands <strong>der</strong> Wilex AG, München<br />
Auf dem Weg zur Marktzulassung: Die gewandelten<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an biopharmazeutische Unternehmen<br />
in Phase III<br />
Im Mai 2004 erhielt die Wilex AG von <strong>der</strong> amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA die<br />
Zulassung (IND = Investigational New Drug) für eine Phase-III-Studie mit dem Antikörper<br />
Rencarex® bei Nierenkrebs. Wenige Wochen später erfolgte <strong>der</strong> Start <strong>der</strong> weltweiten<br />
ARISER-Studie (Adjuvant Rencarex® Immunotherapy trial to Study Efficacy<br />
in Renal cell carcinoma).<br />
Wilex ist es damit als erstem deutschen Biotech-Unternehmen gelungen,<br />
mit Rencarex® einen eigenen Wirkstoff gegen Krebs komplett durch die<br />
Phasen I und II in die entscheidende Phase III <strong>der</strong> klinischen Entwicklung<br />
zu bringen. 1999 hatte das Unternehmen den Antikörper, <strong>der</strong> sich damals<br />
in <strong>der</strong> prä-klinischen Entwicklung befand, vom US-Unternehmen Centocor<br />
einlizenziert.<br />
Durch eine Phase-III-Studie kommen eine Vielzahl neuer Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
und strategisch weitreichen<strong>der</strong> Entscheidungen auf ein biopharmazeutisches<br />
Unternehmen zu, insbeson<strong>der</strong>e in den Bereichen klinische<br />
Entwicklung, Zulassung und Vermarktung. Diese werden im Folgenden am Beispiel von<br />
Rencarex® und <strong>der</strong> ARISER-Studie erläutert.<br />
Die Zulassungsstrategie spielt bereits in <strong>der</strong> Planungsphase <strong>der</strong> Studie eine wichtige<br />
Rolle, da die hier getroffenen Entscheidungen die späteren Erfolgsaussichten <strong>der</strong><br />
Zulassung entscheidend mit beeinflussen. Es ist empfehlenswert, eine Studie schon in<br />
<strong>der</strong> Planungsphase mit den Behörden zu diskutieren. Die europäische Behörde EMEA<br />
bietet hier den „Scientific Advice“ bzw. für Orphan Drugs die „Protocol Assistance“ an,<br />
die US-Behörde FDA das „Special Protocol Assessment“. Eine Anpassung des<br />
Studienprotokolls an die wissenschaftlichen Empfehlungen <strong>der</strong> Behörden erhöht die<br />
Chancen, dass diese die Studie im Rahmen eines späteren Zulassungsverfahrens<br />
akzeptieren werden. Eine weitere Frage ist es, separate Zulassungsstudien in USA und<br />
Europa durchzuführen o<strong>der</strong> eine globale Strategie zu verfolgen. Auch wenn Zeit- und<br />
Koordinierungsaufwand bei <strong>der</strong> globalen Strategie im Vorfeld etwas höher sind, wird<br />
diese durch die insgesamt deutlich niedrigeren Kosten gerechtfertigt.<br />
Im Bereich klinische Entwicklung ist die zentrale Frage, ob man als junges<br />
biopharmazeutisches Unternehmen den logistischen und finanziellen Aufwand einer<br />
Phase-III-Studie alleine stemmen kann o<strong>der</strong> ob man die Studie mit einem Pharmapartner<br />
gemeinsam durchführt. Da bei <strong>der</strong> ARISER-Studie mit rund 600 Patienten die Zahl von<br />
Studienteilnehmern und damit <strong>der</strong> finanzielle Aufwand vergleichsweise überschaubar<br />
sind, wurde entschieden, unsere Studie in Eigenregie durchzuführen, zumal wir damit<br />
natürlich unsere Handlungsspielräume und das Upside-Potenzial für die spätere<br />
Vermarktung des Medikaments erhöhen konnten.<br />
Eine wichtige Entscheidung ist, mit welcher Patienten-Subgruppe man die Studie<br />
durchführt und welchen Therapieansatz man wählt – beispielsweise den adjuvanten o<strong>der</strong><br />
den palliativen. Dies hängt entscheidend von <strong>der</strong> jeweiligen Indikation ab. Im Fall von<br />
Nierenkrebs muss man unterscheiden zwischen Patienten, bei denen <strong>der</strong> Tumor bereits<br />
gestreut (metastasiert) hat und denen, die bei Erstdiagnose keine nachweisbaren<br />
Metastasen aufweisen. Wilex hat es geschafft, von <strong>der</strong> FDA die Genehmigung zu<br />
erhalten, die Phase-III-Studie in <strong>der</strong> sog. adjuvanten („unterstützenden“) Behandlung<br />
von Patienten mit nicht-metastasiertem Nierenkrebs durchzuführen, die nach einer<br />
Operation einem erhöhten Risiko unterliegen, in <strong>der</strong> Folgezeit Metastasen zu entwickeln.<br />
Dies erfolgte aus mehreren Gründen: Zum einen<br />
handelt es sich hierbei um die weit größere<br />
Patienten-Subgruppe, da bei Erstdiagnose bei 85 %<br />
<strong>der</strong> Patienten <strong>der</strong> Tumor noch nicht metastasiert<br />
hat. Zum an<strong>der</strong>en ist zur Behandlung dieser<br />
Patientengruppe weltweit <strong>der</strong>zeit noch kein Medikament<br />
zugelassen. Wilex konkurriert hier also um ein<br />
„first to market“.<br />
Da es für junge Biotech-Unternehmen in <strong>der</strong> Regel<br />
zu aufwendig ist, in ihrem frühen Stadium bereits<br />
eigene Vertriebsstrukturen aufzubauen, ist im<br />
Hinblick auf eine spätere Vermarktung des Medikamentenkandidaten<br />
<strong>der</strong> Abschluss von Partnerschaften mit Pharma-Unternehmen<br />
angezeigt, zumal dies auch eine intelligente Form <strong>der</strong> Unternehmensfinanzierung ist.<br />
Um das Potenzial <strong>der</strong> Produkte bestmöglich auszuschöpfen, ist entscheidend, dass <strong>der</strong><br />
Pharmapartner über gute Vertriebsstrukturen in <strong>der</strong> jeweiligen Indikation und Region<br />
verfügt. Wilex hat sich im Fall Rencarex® im ersten Schritt entschieden, mit dem<br />
führenden spanischen Pharmaunternehmen ESTEVE eine regionale Vermarktungspartnerschaft<br />
für Südeuropa einzugehen. In einem weiteren Schritt ist geplant, die<br />
europäischen und nordamerikanischen Vermarktungsrechte an einen Pharmapartner zu<br />
vergeben.<br />
Fazit: Spätestens mit dem Start einer Phase-III-Studie muss ein Biotech-Unternehmen<br />
den Sprung vom „cancer play“ zum biopharmazeutischen Unternehmen vollzogen haben.<br />
Auch in an<strong>der</strong>en Bereichen des Unternehmens werden strukturelle Weiterentwicklungen<br />
und Maßnahmen notwendig, sei es die Umwandlung des Labors zu einem integrierten<br />
GMP-GLP-Analytik-Labor, <strong>der</strong> Aufbau eines professionellen Dokumentations-Management-Systems<br />
bis hin zu einer Abteilung für Qualitätssicherung und -kontrolle. Die<br />
weiteren Schritte sind vorgezeichnet: Mit den ersten Maßnahmen <strong>der</strong> „medical<br />
education“ in Richtung <strong>der</strong> Zielgruppe <strong>der</strong> Ärzte wird bereits ein paar Jahre vor <strong>der</strong><br />
möglichen Produkteinführung das Marketing eingeläutet werden.<br />
www.wilex.com<br />
34 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Schließlich gab im September 2004 auch IDEA den Beginn<br />
einer Phase-III-Studie mit IDEA-033, einem Medikament zur<br />
Behandlung von Schmerzen und Entzündungen, bekannt. Das<br />
auf Basis von innovativem Drug Delivery, das heißt „intelligenten<br />
Wirkstoffträgern“, tätige Unternehmen benutzt bei IDEA-<br />
033 ultra-verformbare Träger (Transfersomen ® ), die die Hautoberfläche<br />
aufgrund des lokalen Wassergradienten durchdringen<br />
können. Für dieses Produkt hat IDEA ein Lizenzabkommen<br />
mit einem <strong>der</strong> größten US-Pharmakonzerne abgeschlossen, <strong>der</strong><br />
die Entwicklungs- und Vermarktungsrechte für den nordamerikanischen<br />
Markt erworben hat.<br />
Die bereits seit 2003 laufende Phase-III-Studie von Satraplatin<br />
<strong>der</strong> börsennotierten Firma GPC Biotech wurde im vergangenen<br />
Jahr fortgesetzt. Für Satraplatin konnten dabei im Februar<br />
2004 neue In-vitro-Daten präsentiert werden, welche eine Wirksamkeit<br />
in Tumorzellen belegen, die bereits resistent gegen<br />
TAXOTERE ® (Docetaxel) und TAXOL ® (Paclitaxel) sind. Im<br />
September 2004 wurde eine zusätzliche Phase-I/II-Studie mit<br />
Satraplatin für die Patientenaufnahme geöffnet. Die Studie<br />
untersucht dessen Anwendung in Kombination mit Bestrahlungstherapie<br />
bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem, nicht<br />
kleinzelligem Lungenkarzinom.<br />
Dagegen konnte MediGene noch im Dezember 2004 den<br />
erfolgreichen Abschluss <strong>der</strong> amerikanischen Phase-III-Studie<br />
mit <strong>der</strong> Polyphenon ® E-Salbe* gegen Genitalwarzen berichten<br />
und damit die klinischen Voraussetzungen für einen Antrag auf<br />
Marktzulassung erfüllen. Die Firma plant, den Zulassungsantrag<br />
für das Präparat Mitte 2005 bei den amerikanischen<br />
Behörden und anschließend in Europa einzureichen.<br />
Der Ende 2003 noch in Phase III gezählte Tumorimpfstoff<br />
gegen Nierenkrebserkrankungen <strong>der</strong><br />
LipoNova aus Hannover befindet<br />
sich seit Anfang 2004 – wie bereits<br />
im letzten Report berichtet – in <strong>der</strong><br />
Zulassungsphase und erhöhte die<br />
Zahl <strong>der</strong> Wirkstoffe in dieser Kategorie<br />
auf eins.<br />
Zudem befindet sich zwar <strong>der</strong> Wirkstoff<br />
MiraXion ® gegen die Huntington’sche<br />
Krankheit <strong>der</strong> Firma Scil<br />
Technology in Zulassung. Diese<br />
wurde jedoch von <strong>der</strong> schottischen<br />
Amarin Neuroscience eingereicht,<br />
von <strong>der</strong> Scil im Juni 2003 die Vermarktungsrechte<br />
für Deutschland,<br />
Frankreich, Österreich und Benelux<br />
erwarb.<br />
Abbildung 2-5:<br />
Wirkstoffportfolio im Jahresvergleich<br />
Anzahl Firmen<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
27<br />
30<br />
1<br />
22<br />
Noch kurz vor Ende 2003 hatte die Münchener MediGene die<br />
Marktzulassung für Eligard erhalten und wurde von daher zum<br />
Stichtag nicht mehr in <strong>der</strong> Statistik für die Zulassungsphase<br />
gezählt. Im Mai 2004 erfolgte dann <strong>der</strong> Start des Verkaufes in<br />
deutschen Apotheken. Die Vermarktung des verschreibungspflichtigen<br />
Medikaments übernahm <strong>der</strong> japanische Pharmakonzern<br />
Yamanouchi. Damit wurde MediGene nach eigenen<br />
Angaben zu <strong>der</strong> ersten deutschen Biotech-Firma, die über ein<br />
Medikament auf dem Markt verfügt.<br />
Darüber hinaus meldete noch im Dezember 2004 die Frankfurter<br />
Zentaris (ein früheres Spin-out aus <strong>der</strong> Degussa-Gruppe),<br />
dass sie vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte<br />
(BfArM) die Zulassung für das Medikament<br />
Impavido ® erhalten hat und somit das erste „junge“ Unternehmen<br />
<strong>der</strong> Branche sei, das ein in Deutschland entdecktes und<br />
entwickeltes Präparat auf den hiesigen Markt bringt. Das Produkt<br />
zur Bekämpfung <strong>der</strong> Leishmaniose ist bereits seit 2002 in<br />
Indien zugelassen und wird dort seit 2003 vermarktet. Seit <strong>der</strong><br />
Übernahme durch die kanadische Æterna Laboratories Ende<br />
2002 wird jedoch das Wirkstoff-Portfolio <strong>der</strong> Zentaris GmbH,<br />
die 100%ige Tochter <strong>der</strong> heutigen so genannten Æterna Zentaris<br />
ist, nicht mehr in dieser Statistik geführt.<br />
20<br />
Abbildung 2-5 zeigt die Anzahl <strong>der</strong> Wirkstoffe pro Firma in den<br />
Produktportfolios <strong>der</strong> Biotech-Unternehmen. Hier hat sich im<br />
Jahresvergleich auf Grund <strong>der</strong> abermals gestiegenen absoluten<br />
Zahl an Wirkstoffen in <strong>der</strong> Pipeline erneut ein deutlicher<br />
Fortschritt ergeben.<br />
22<br />
2<br />
20 20<br />
Anzahl <strong>der</strong> Wirkstoffe in <strong>der</strong> Entwicklungspipeline (Präklinik bis Phase III)<br />
11<br />
13<br />
3<br />
4<br />
8<br />
4<br />
13<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
4<br />
9<br />
5<br />
3<br />
4<br />
2<br />
7<br />
mehr als 5<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
35
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Prof. Dr. Gregor Cevc, CEO IDEA AG, München<br />
Produkterfolge auf Basis risikooptimierter Drug-<br />
Delivery-Technologie<br />
In den letzten Jahren haben sich gerade in Deutschland die Finanzierungsbedingungen<br />
für junge Technologie-Unternehmen deutlich verschlechtert: Vor allem die Finanzierung<br />
über die Börse und eine entsprechende Wertrealisierung sind wesentlich schwieriger<br />
geworden; die Investitionsbereitschaft bzw. -fähigkeit vieler Venture-Capital-Geber<br />
haben ebenfalls deutlich abgenommen. Bei Investitionsentscheidungen im Life-Science-<br />
Sektor gewinnen die spezifischen Risikofaktoren zunehmend an Bedeutung, wie z. B. die<br />
sehr langen Entwicklungszeiten, hohe Investitionskosten,<br />
sowie die strengen, sich oftmals än<strong>der</strong>nden regulatorischen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen, die das Produktrisiko in die Höhe treiben.<br />
Gerade für die „Bio-Unternehmen“ ist es daher extrem<br />
schwer, sich am Kapitalmarkt zu etablieren o<strong>der</strong> zu<br />
behaupten. Beispiele dafür sind die ernüchternde Bewertung<br />
börsennotierter deutscher Bio-Unternehmen o<strong>der</strong> die<br />
jüngsten Kursturbulenzen bei Biogen-Idec und Elan,<br />
nachdem Nebenwirkungen des Präparats Tysabri bekannt<br />
wurden.<br />
Die Biotech-Branche und Investoren-Gemeinde verfolgen<br />
daher zunehmend risikooptimierte („de-risked“) Geschäftsmodelle.<br />
So soll das idealtypische Unternehmen eigene pharmazeutische Produkte<br />
entwickeln, die sich zum Investitionszeitpunkt bereits in <strong>der</strong> fortgeschrittenen,<br />
klinischen Entwicklung (Phase II o<strong>der</strong> III) befinden sollen. Kooperationsverträge mit <strong>der</strong><br />
Pharmaindustrie sollen den schnellst- und bestmöglichen Markteintritt („short time-tomarket“)<br />
sicherstellen und stetige Lizenzeinnahmen garantieren, wobei auch die<br />
eigenständige Vermarktung in Teilmärkten wünschenswert ist. Das Unternehmen soll<br />
zudem Produkte in früheren Entwicklungsphasen („Pipeline“) besitzen, <strong>der</strong>en<br />
Erfolgsaussichten durch positive klinische Daten untermauert werden.<br />
Eine weitere Komponente <strong>der</strong> Risikooptimierung ist <strong>der</strong> Einsatz von bekannten,<br />
zugelassenen Wirkstoffen, die in einer verbesserten Form zur Behandlung von gut<br />
erforschten Krankheiten eingesetzt werden. Die Verwendung einer neuartigen,<br />
patentierten Technologie in solchen „improved therapeutics“ steigert den<br />
kommerziellen Wert <strong>der</strong> Produkte erheblich – bei gleichzeitig verringertem<br />
Entwicklungsrisiko und Investitionsbedarf. Solche improved therapeutics lassen sich<br />
auch leichter klinisch prüfen; zudem kann die neue Technologie oft auf weitere<br />
Produktkandidaten angewendet werden. Kooperationsverträge mit einem Partner aus<br />
<strong>der</strong> Pharmaindustrie („big pharma deal“) runden das Konzept ab; sie validieren das<br />
Geschäftsmodell und generieren (Meilenstein-)Umsätze. Beides erlaubt eine<br />
vergleichsweise kostengünstige und rasche Erweiterung <strong>der</strong> Produktpalette und<br />
maximiert den Unternehmenswert.<br />
Die IDEA AG ist ein bereits 1993 gegründetes biopharmazeutisches Unternehmen,<br />
welches alle wesentlichen Merkmale des „de-risked“-Geschäftsmodells erfüllt.<br />
IDEA's proprietäre Transfersom®-Technologie erlaubt die zielgerichtete, nicht-invasive<br />
Verabreichung verschiedener therapeutischer Wirkstoffe in o<strong>der</strong> über die Haut. Ein<br />
wesentliches Kriterium für IDEA's Wirkstoffauswahl sind dabei hohe zukünftige<br />
Patientenzahlen und eine relativ kurze Entwicklungszeit; beide Faktoren erhöhen die<br />
kommerzielle Attraktivität <strong>der</strong> Produkte erheblich. Im Entwicklungsfokus sind<br />
<strong>der</strong>matologische Produkte sowie Arzneimittel für die periphere Schmerzbehandlung,<br />
bei denen eine hohe Wirkstoffkonzentration am Entstehungsort <strong>der</strong> Krankheit bei<br />
gleichzeitig geringer systemischer Belastung gewünscht wird.<br />
IDEA hat sowohl in klinischen Studien als auch durch<br />
kommerzielle Partnerschaften mit namhaften Pharmaunternehmen<br />
die Erfolgschancen eines risikooptimierten Geschäftsmodells<br />
erfolgreich bestätigt. Die Minimierung <strong>der</strong> Risiken und<br />
Maximierung <strong>der</strong> Erfolgschancen erlaubten es <strong>der</strong> IDEA AG, zu<br />
Beginn des Jahres 2005 durch eine mehrfach überzeichnete<br />
Finanzierungsrunde <strong>der</strong> Serie D auch auf <strong>der</strong> Eigenkapitalseite<br />
die Weichen für weiteres Wachstum zu stellen.<br />
Das am weitesten fortgeschrittene Produkt ist IDEA-033, ein<br />
Analgetikum auf Basis eines bekannten Wirkstoffes zur gezielten<br />
lokalen Schmerzbehandlung. Das Produkt wurde in Europa in <strong>der</strong><br />
ersten Phase-III-Studie erfolgreich getestet und ist in Nordamerika in <strong>der</strong> Phase IIb <strong>der</strong><br />
klinischen Entwicklung. Im Jahr 2003 hat IDEA ein Lizenzabkommen für IDEA-033 in den<br />
USA und Kanada mit einem sehr namhaften internationalen Partner unterzeichnet.<br />
Unterstützt durch Meilensteinzahlungen für IDEA-033 erweitert die IDEA AG <strong>der</strong>zeit ihre<br />
Aktivitäten auf dem Gebiet <strong>der</strong> Dermatologie und peripheren Schmerzbehandlung, und<br />
erwartet die ersten Produktzulassungen in wenigen Jahren. Es werden vor allem zwei<br />
Produktkandidaten mit verbessertem Risiko-Nutzen-Profil klinisch entwickelt: IDEA-070<br />
ist ein lokales Analgetikum zur Behandlung von entzündlichen, schmerzhaften<br />
Hauterkrankungen; IDEA-068 enthält ein Glukokortikosteroid zur Behandlung schwerer<br />
Hauterkrankungen, wie z. B. Psoriasis. Weitere Dermatika auf Transfersom®-Basis werden<br />
präklinisch getestet.<br />
Die IDEA AG plant, mittelfristig ein Spezialanbieter auf dem attraktiven<br />
Dermatologiemarkt zu werden. Die eigenständige, diversifizierte Produktpipeline ist gut<br />
etabliert und auf erfolgreiche Produktentwicklung ausgerichtet. IDEAs Team und<br />
Investoren erwarten daher, dass sich das risiko- und ertragsoptimierte Geschäftsmodell<br />
auch zukünftig am Markt behaupten wird.<br />
www.idea-ag.de<br />
36 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Insbeson<strong>der</strong>e ist dabei erfreulicherweise erkennbar, dass es den<br />
deutschen Biotech-Unternehmen nun zusehends gelingt, tatsächlich<br />
so etwas wie ein Portfolio an Wirkstoffen aufzubauen.<br />
Denn die Zunahme an Firmen, die jeweils drei o<strong>der</strong> vier Wirkstoffe<br />
im Portfolio haben, ist im vergangenen Jahr sprunghaft<br />
gestiegen. Einen sehr eindrucksvollen Anstieg gab es zudem bei<br />
den Unternehmen, die mehr als fünf Wirkstoffe im Portfolio<br />
zählen.<br />
Hierbei handelt es sich um eine neu in die Statistik aufgenommene<br />
Firma sowie Unternehmen, die bisher fünf o<strong>der</strong><br />
weniger Wirkstoffe in <strong>der</strong> Entwicklung hatten. Dieses beruhte<br />
bei den fünf zutreffenden Unternehmen jedoch ausschließlich<br />
auf dem Nachrücken von Projekten in die Präklinik. Das starke<br />
Absinken <strong>der</strong> Firmenanzahl in <strong>der</strong> Kategorie mit fünf Wirkstoffen<br />
im Portfolio ist somit zum einen auf eine Erweiterung des<br />
Portfolios zurückzuführen. Zum an<strong>der</strong>en gab es hier jedoch<br />
auch ein paar Unternehmen, bei denen sich die Zahl <strong>der</strong> Wirkstoffe<br />
im Portfolio verringerte.<br />
Positiv einzuschätzen ist dagegen die gesunkene Zahl an<br />
Firmen, die lediglich einen Wirkstoff in <strong>der</strong> Entwicklung hat.<br />
Dies ist vor dem Hintergrund <strong>der</strong> immer noch relativ angespannten<br />
Finanzierungssituation nach wie vor eine sehr<br />
erfreuliche Entwicklung. Allerdings ist es einigen börsennotierten<br />
Unternehmen gelungen, im vergangenen Jahr eine<br />
Kapitalerhöhung durchzuführen, die bei allen Medikamenten<br />
entwickelnden Firmen nun zur Finanzierung <strong>der</strong> Projekte mit<br />
<strong>der</strong> größten Marktnähe dient.<br />
Abbildung 2-6:<br />
Herkunft <strong>der</strong> Wirkstoffe: Eigenentwicklung<br />
versus Einlizenzierung im Jahresvergleich<br />
Anzahl Wirkstoffe<br />
(zu einigen Wirkstoffen lagen hier keine Angaben vor)<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
4<br />
5<br />
31<br />
88<br />
4<br />
6<br />
37<br />
98<br />
2<br />
2<br />
7<br />
26<br />
3<br />
4 3<br />
11 3<br />
7<br />
13 10<br />
8<br />
5<br />
5<br />
17<br />
Präklinik Phase I Phase II<br />
(2003) (2004) (2003) (2004) (2003) (2004)<br />
von Pharma<br />
von Biotech<br />
von Akademie<br />
Eigenentwicklung<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Denn nach wie vor konzentrieren viele Firmen ihre Ressourcen<br />
auf die am weitesten fortgeschrittenen Produkte, um über eine<br />
Vermarktung letztlich auch wie<strong>der</strong> Nachfolgeprodukte mit<br />
finanzieren zu können.<br />
Einlizenzierung versus Eigenentwicklung<br />
Abbildung 2-6 zeigt die Zahl an einlizenzierten und eigenentwickelten<br />
Wirkstoffen in <strong>der</strong> Pipeline <strong>der</strong> analysierten<br />
deutschen Core-Biotech-Unternehmen im Jahresvergleich.<br />
Unterschieden wurde dabei nach Einlizenzierungen aus <strong>der</strong><br />
Pharma- und Biotech-Industrie sowie aus dem akademischen<br />
Bereich.<br />
Es wird deutlich, dass eigenentwickelte Produkte sich überwiegend<br />
in <strong>der</strong> Präklinik befinden. Im Vergleich zum Vorjahr<br />
stieg <strong>der</strong>en Anzahl von 88 auf 98. In Phase I hat ihre Anzahl im<br />
vergangenen Jahr dagegen stark abgenommen. Mit <strong>der</strong><br />
Zunahme <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Eigenentwicklungen in Phase II für das<br />
Jahr 2004 lässt sich dieser Rückgang aber klar erklären, da –<br />
wie bereits oben diskutiert – einige <strong>der</strong> Phase-I-Produkte in die<br />
Phase II übergetreten sind.<br />
Wirkstoffe, die ursprünglich aus <strong>der</strong> akademischen Forschung<br />
stammen, haben in <strong>der</strong> Präklinik wie auch in Phase I zugenommen<br />
und stehen von <strong>der</strong> Bedeutung her an zweiter Stelle nach<br />
den Eigenentwicklungen. Es handelt sich hier um Projekte, die<br />
vermutlich zur Gründung <strong>der</strong> jeweiligen Firmen von <strong>der</strong><br />
Akademie übernommen wurden und nun in <strong>der</strong> Entwicklung<br />
weiter vorangeschritten sind.<br />
Eine etwa gleich geringe Anzahl liegt in <strong>der</strong> Präklinik und in <strong>der</strong><br />
Phase I bei Wirkstoffen vor, die von Biotech o<strong>der</strong> Pharma einlizenziert<br />
wurden. Im Jahresvergleich hat es hierbei wenig<br />
Än<strong>der</strong>ung gegeben. Bei den Phase-II-Produkten wird deutlich,<br />
dass im Jahr 2004 ein Anstieg bei den Wirkstoffen, die von<br />
Pharma einlizenziert wurden, erfolgte.<br />
37
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Abbildung 2-7:<br />
Entwicklungspartner bei den Wirkstoffen<br />
Anzahl Wirkstoffe<br />
(zu einigen Wirkstoffen lagen hier keine Angaben vor)<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
5<br />
2<br />
4<br />
15<br />
Phase I<br />
3<br />
8<br />
5<br />
11<br />
Phase II<br />
2<br />
2<br />
4<br />
Phase III<br />
Partner Akademie<br />
Partner Pharma<br />
Partner Biotech<br />
kein Partner<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Es handelt sich vor allem um Zelltherapeutika und Impfstoffe,<br />
zu <strong>der</strong>en Entwicklung ein Partner aus <strong>der</strong> Akademie gewählt<br />
wird.<br />
In Phase III nimmt gegenüber Phase II die Zahl an Pharma-<br />
Partnern eindeutig ab. Der prozentuale Anteil bleibt jedoch mit<br />
25 bzw. 30 Prozent relativ ähnlich. Der starke Rückgang <strong>der</strong><br />
Entwicklungspartner aus dem Bereich Pharma beruht somit auf<br />
<strong>der</strong> generell deutlich kleineren Zahl an Phase-III-Produkten.<br />
Wirkstoff-Portfolio nach Indikation<br />
In <strong>der</strong> aktuellen Pipeline ist nach wie vor die Indikation Krebs<br />
am stärksten vertreten, obwohl im Jahresvergleich <strong>der</strong> Anteil an<br />
Wirkstoffen in dieser Indikation nochmals abgenommen hat.<br />
Absolut gesehen, stecken jedoch neun Krebswirkstoffe mehr in<br />
<strong>der</strong> Pipeline als im Jahr zuvor.<br />
Entwicklungspartner<br />
Aus Abbildung 2-7 wird die Aufteilung nach Entwicklungspartnern<br />
ersichtlich. In Phase I werden die meisten <strong>der</strong> Projekte<br />
(57 %) noch ohne Entwicklungspartner durchgeführt. Der<br />
Anteil an allein entwickelten Wirkstoffen sinkt jedoch in Phase<br />
II stark ab, auf 41 Prozent. Hier nehmen<br />
dagegen Entwicklungspartner aus dem<br />
Bereich Pharma sprunghaft zu. Dieses ist<br />
nicht weiter verwun<strong>der</strong>lich, da viele<br />
Biotech-Firmen gerade in Phase II ihre<br />
Projekte verpartnern, um Zugang zu<br />
Finanzierung und Know-how zu erhalten.<br />
Im Vergleich von Phase-I- und -II-Wirkstoffen<br />
bleibt die Zahl an Biotech-Partnern<br />
in etwa gleich.<br />
Gerade noch in Phase I und seltener in<br />
Phase II gehen Biotech-Firmen auch mit<br />
Partnern aus <strong>der</strong> Akademie zusammen,<br />
um gemeinsam eine Entwicklung voranzubringen.<br />
Abbildung 2-8:<br />
Wirkstoffportfolio nach Indikation<br />
Onkologie<br />
ZNS 7<br />
10<br />
12<br />
Entzündung<br />
6<br />
8<br />
10<br />
Infektion 13<br />
12<br />
8<br />
Kardiovaskular<br />
5 6<br />
8<br />
Stoffwechsel<br />
2<br />
5 7<br />
4<br />
Haut 6<br />
5<br />
Atemwege<br />
1<br />
Die Verringerung des Anteils an Wirkstoffen für die Onkologie<br />
ergibt sich durch einen stark erhöhten Anteil an Wirkstoffen in<br />
den Indikationen ZNS, Entzündung, Herz-Kreislauf und Stoffwechsel.<br />
3<br />
41<br />
44<br />
49<br />
Schmerz 1<br />
2<br />
Magen/Darm 1<br />
1<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Anteil Wirkstoffe in % (2004: n = 238)<br />
45 50<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
38 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Vor allem <strong>der</strong> sehr starke Anstieg von Wirkstoffen im ZNS-<br />
Bereich konnte damit die Infektionskrankheiten von Platz zwei<br />
verdrängen. Ganz klar zugenommen hat auch <strong>der</strong> Anteil an<br />
Wirkstoffen für die Behandlung von Entzündungen und im<br />
Herz-Kreislauf-Bereich. Die Zunahme bei Wirkstoffen gegen<br />
Entzündungen erbrachte diesen sogar einen Platz vor den Infektionskrankheiten.<br />
Ferner konnte die Entwicklung von Medikamenten<br />
gegen Stoffwechselkrankheiten ihre Stellung leicht ausbauen.<br />
Der starke Rückgang von Wirkstoffen gegen Infektionen lässt<br />
sich unter an<strong>der</strong>em durch die Insolvenzen von Apovia und<br />
Axxima Pharmaceuticals erklären, die beide einen Fokus auf<br />
Infektionskrankheiten hatten.<br />
Wirkstoffe zur Behandlung von Atemwegserkrankungen und in<br />
<strong>der</strong> Indikation Magen/Darm sowie Schmerz sind dagegen kaum<br />
vertreten.<br />
Dennoch sieht beispielsweise die Berliner Mologen auf Grund<br />
des vorherrschenden Vioxx-Skandals, <strong>der</strong> den Markt für Arthritis-<br />
und Schmerzmedikamente erschütterte, Chancen, die Arbeiten<br />
an ihrem MIDGE-Projekt wie<strong>der</strong> aufzunehmen. Diese<br />
wurden zurückgestellt, unter an<strong>der</strong>em, weil auf Grund früherer<br />
Prognosen angenommen wurde, dass <strong>der</strong> Fünf-Milliarden-US-<br />
Dollar-Markt in den nächsten 10–15 Jahren durch die so genannten<br />
COX-2-Inhibitoren dominiert werden würde. Diese Vorhersage<br />
hat sich relativiert, nachdem aufgrund<br />
schwerer Nebenwirkungen das zur<br />
Gruppe <strong>der</strong> COX-2-Inhibitoren gehörende<br />
Medikament Vioxx vom Markt<br />
genommen werden musste. Zum Einsatz<br />
<strong>der</strong> MIDGE-Technologie gegen chronische<br />
und schwere Schmerzen hat Mologen<br />
im November 2004 vom Europäischen<br />
Patentamt den Beschluss zur Erteilung<br />
eines Patentes erhalten.<br />
Produktportfolio nach Art des<br />
Wirkstoffes<br />
Die Analyse des Entwicklungsportfolios<br />
<strong>der</strong> Biotech-Firmen nach Art des Wirkstoffes<br />
zeigt, dass <strong>der</strong> größte Anteil <strong>der</strong> in<br />
Entwicklung befindlichen Produkte nach<br />
wie vor die so genannten „small molecules“<br />
sind. Sie nehmen einen Anteil von<br />
37 Prozent ein und ihre Bedeutung hat<br />
sich daher im Jahresvergleich sogar noch<br />
erhöht.<br />
An zweiter Stelle folgen therapeutische Antikörper mit einem<br />
Anteil von 18 Prozent. Die Gewinnung von therapeutischen<br />
Antikörpern erfolgt heute üblicherweise auf rekombinanter<br />
Basis, sie werden hier jedoch auf Grund ihrer zunehmenden<br />
Bedeutung als geson<strong>der</strong>te Wirkstoffklasse gegenüber an<strong>der</strong>en<br />
rekombinanten Proteinen aufgeführt. Die zunehmende Bedeutung<br />
zeigt sich darin, dass <strong>der</strong>en Anteil in den vergangenen<br />
Jahren kontinuierlich angestiegen ist und damit die früher auf<br />
Platz zwei gelegenen rekombinanten Proteine von ihrer Stellung<br />
verdrängen konnten. Dennoch folgen diese dicht auf mit<br />
17 Prozent, haben jedoch anteilsmäßig in den vergangenen<br />
Jahren immer weiter abgenommen.<br />
Weitere Wirkstoffarten mit bedeutsamem Anteil sind Zelltherapeutika<br />
sowie Wirkstoffe auf Basis von siRNA, Antisense-<br />
Molekülen und Nukleotiden. Obwohl die letztgenannte Kategorie<br />
sich in den vergangenen Jahren stabil gehalten hat, ist sie in<br />
2004 einen Platz nach oben gerutscht, da <strong>der</strong> Anteil an Impfstoffen<br />
enorm zurückgegangen ist. Der starke Rückgang beruht<br />
auch hier unter an<strong>der</strong>em auf den Insolvenzen. Die Zunahme bei<br />
den Gentherapien stammt von neu in die Statistik aufgenommenen<br />
Firmen.<br />
Abbildung 2-9:<br />
Wirkstoffportfolio nach Art des Wirkstoffes im Jahresvergleich<br />
Small molecules<br />
Antikörper (Fragment)<br />
13<br />
16<br />
18<br />
Rekombinante Proteine<br />
20<br />
18<br />
17<br />
Zelltherapie<br />
4<br />
8<br />
10<br />
siRNA/Antisense/Nukleotide<br />
5<br />
5<br />
Peptide<br />
Impfstoffe 8 9<br />
3<br />
3<br />
Gentherapie 1<br />
3<br />
Sonstiges<br />
3 4<br />
3<br />
5<br />
6<br />
10<br />
33<br />
33<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Anteil Wirkstoffe in % (2004: n = 233)<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
37<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
39
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Die Pipeline ausgewählter deutscher Pharmaunternehmen<br />
Um die Bedeutung <strong>der</strong> deutschen, Medikamente entwickelnden<br />
Biotech-Firmen im Vergleich zur deutschen Pharma-Industrie<br />
zu untersuchen, wurde im Rahmen dieser Studie eine Analyse<br />
zur Pipeline <strong>der</strong> größten deutschen Pharma-Unternehmen<br />
durchgeführt, die laut <strong>der</strong> Datenbank „PharmaProjects“ Wirkstoffe<br />
in <strong>der</strong> Entwicklung haben.<br />
Abbildung 2-10:<br />
Vergleich <strong>der</strong> Wirkstoff-Pipeline bei deutschen Biotechund<br />
Pharma-Unternehmen* in 2004<br />
Anzahl Wirkstoffe<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
45<br />
160<br />
12<br />
33<br />
41<br />
Pharma<br />
Biotech<br />
38<br />
Präklinik Phase I Phase II<br />
* 11 größere unabhängige deutsche Unternehmen; Pipeline<br />
von ausländischen Tochterfirmen nicht berücksichtigt<br />
20<br />
16<br />
9<br />
1<br />
Phase III Vor und in<br />
Zulassung<br />
Quelle: Pharmaprojects, <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Diese Betrachtung schließt nicht bereits auf dem Markt befindliche<br />
Medikamente ein. Hier haben die Pharma-Unternehmen<br />
zwangsläufig noch „die Nase vorn“.<br />
Interessant ist auch eine Betrachtung <strong>der</strong> Pipeline nach <strong>der</strong><br />
Wirkstoffart. Zwangsläufig ist <strong>der</strong> Anteil an „small molecules“<br />
(klassische Pharma-Wirkstoffe) mit 68 Prozent sehr hoch (fast<br />
doppelt so hoch wie in <strong>der</strong> Biotech-Pipeline).<br />
Immerhin nutzen auch die deutschen Pharma-Unternehmen die<br />
neuartigen Möglichkeiten <strong>der</strong> Molekularbiologie zur Herstellung<br />
rekombinanter Antikörper. Diese nehmen einen Anteil von<br />
zwölf Prozent ein. Im Vergleich zählt die Biotech-Pipeline 18<br />
Prozent rekombinanter Antikörper. Mit <strong>der</strong> fast doppelt so<br />
hohen Gesamtzahl an Wirkstoffen bei den Biotech-<br />
Unternehmen ist die absolute Zahl an Antikörpern weitaus<br />
höher.<br />
Ansätze <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Biotechnologie sind in <strong>der</strong> Pharma-<br />
Pipeline zudem bei <strong>der</strong> genombasierten Wirkstoff-Forschung (4<br />
%), <strong>der</strong> Gentherapie bzw. viralen Vektoren (3 %), weiteren<br />
rekombinanten Proteinen (4 %) sowie <strong>der</strong> Zelltherapie (1 %) zu<br />
finden.<br />
Insgesamt kommen die elf Pharma-<br />
Unternehmen mit 134 Wirkstoffen in <strong>der</strong><br />
Pipeline auf 56 Prozent <strong>der</strong> Gesamtzahl<br />
von 240 bei den 87 Biotech-Firmen, die<br />
Wirkstoffe in <strong>der</strong> Entwicklung haben. Ein<br />
eindrucksvoller Unterschied wird im<br />
präklinischen Bereich sichtbar, in dem die<br />
Biotech-Unternehmen über dreimal so<br />
viele Projekte verfolgen wie die Pharma-<br />
Firmen. Dies deckt sich mit <strong>der</strong> hohen<br />
Bedeutung <strong>der</strong> Biotech-Industrie zur Füllung<br />
<strong>der</strong> leeren Pharma-Pipelines. Auch<br />
wenn diese in den nachfolgenden, insbeson<strong>der</strong>e<br />
späteren Phasen teilweise deutlich<br />
mehr Wirkstoffe aufweist, so wird die<br />
Differenz zugunsten <strong>der</strong> Biotech-Pipeline<br />
in den frühen Phasen sehr deutlich.<br />
Abbildung 2-11:<br />
Pipeline deutscher Pharmaunternehmen* nach Wirkstoffart<br />
„Small molecule“<br />
68 %<br />
Rekombinanter Antikörper<br />
12 %<br />
* 11 größere unabhängige deutsche Unternehmen; Pipeline<br />
von ausländischen Tochterfirmen nicht berücksichtigt<br />
An<strong>der</strong>e<br />
20 %<br />
Naturprodukt (isoliert)<br />
6 %<br />
Genombasierte<br />
Wirkstoff-Forschung<br />
4 %<br />
Gentherapie/<br />
virale Vektoren<br />
3 %<br />
Rekombinante Proteine<br />
(außer AK)<br />
4%<br />
„Chemicals“<br />
(große Moleküle)<br />
2 %<br />
Zelltherapie n = 134<br />
1 %<br />
Quelle: Pharmaprojects, <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
40 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Tissue Engineering und<br />
Regenerative Medizin<br />
Die Weiterentwicklung dieses Querschnittbereichs aus Bio- und<br />
Medizintechnik wurde im vergangenen Jahr vom Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung (BMBF) erneut unterstützt:<br />
In den nächsten drei Jahren werden 22 Projekte (ausgewählt aus<br />
mehr als 50 Ideenskizzen) mit insgesamt bis zu 14 Mio. € auf<br />
dem Gebiet <strong>der</strong> Zell- und Gewebezüchtung (Tissue Engineering)<br />
geför<strong>der</strong>t. Die Ergebnisse <strong>der</strong> Projekte ermöglichen die<br />
Regeneration von Organ- und Gewebeschäden wie Knorpelverletzungen,<br />
Nervenschädigungen o<strong>der</strong> Hautverbrennungen<br />
sowie den Organersatz.<br />
Seit 2000 wurden bereits 55 Forschergruppen unter Beteiligung<br />
<strong>der</strong> Industrie mit fast 39 Mio. € geför<strong>der</strong>t. In den Projekten<br />
arbeiten Mediziner, Zellbiologen, Materialwissenschaftler und<br />
Ingenieure in einem Team.<br />
Das Tissue Engineering ist ein Teilgebiet <strong>der</strong> regenerativen<br />
Medizin und eröffnet nicht nur neue Heilungschancen, son<strong>der</strong>n<br />
hilft auch, Kosten für das Gesundheitssystem zu sparen. So<br />
werden allein in Deutschland jährlich mehrere tausend Nieren,<br />
Lebern und Herzen transplantiert, ohne den Bedarf annähernd<br />
zu decken. Ferner werden jährlich rund 100.000 künstliche<br />
Hüftgelenk- sowie 20.000 Knieprothesen als Ersatz für<br />
funktionsuntüchtig gewordene Gelenke eingesetzt.<br />
Neben dem BMBF befürwortet auch <strong>der</strong> parlamentarische<br />
Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />
(Rezzo Schlauch) die regenerative Medizin. Auf <strong>der</strong> Veranstaltung<br />
„Regenerative Medizin in Deutschland sichern“ im<br />
März 2004 im Haus <strong>der</strong> Wirtschaft in Stuttgart erklärte dieser,<br />
dass er gerne bereit sei, „Dampf zu machen in Fragen <strong>der</strong><br />
Erstattungsfähigkeit“ von Therapien im Bereich autologer<br />
Chondrozyten-Transplantation (ACT; patienteneigener Knorpel-Ersatz).<br />
Denn gerade die <strong>der</strong>zeit nicht erfolgende Erstattung durch die<br />
Krankenkassen macht den Unternehmen aus diesem Bereich<br />
den Erfolg ein wenig schwer.<br />
So hat auf <strong>der</strong>selben Veranstaltung Dr. Jürgen Fritz,<br />
geschäftsführen<strong>der</strong> Vorstand <strong>der</strong> TETEC aus Reutlingen, die<br />
Problematik am konkreten Beispiel <strong>der</strong> ACT deutlich gemacht<br />
(Quelle BIOPRO):<br />
„Seit über zehn Jahren wird die ACT zunehmend klinisch<br />
angewandt und habt sich in vielen Län<strong>der</strong>n als Standardverfahren<br />
etabliert. Hierzulande gibt es dagegen bis heute<br />
immer noch keine geregelte Finanzierung <strong>der</strong> ACT für<br />
gesetzlich Krankenversicherte, obwohl Deutschland in <strong>der</strong><br />
Entwicklung von ACT die Nase vorn hat. Die meisten Start-up-<br />
Unternehmen in diesem Bereich finanzieren ihre Entwicklungen<br />
in aller Regel durch Beteiligungskapital und<br />
zusätzlich durch Steuermittel. Aufgrund <strong>der</strong> rigiden Gesundheitspolitik<br />
spielt Deutschland als Markt für diese geför<strong>der</strong>ten<br />
Produkte weltweit nur eine untergeordnete Rolle. Es sind bereits<br />
erste Insolvenzen biotechnologisch orientierter Unternehmen<br />
eingetreten, denen es nicht an innovativen Produkten, wohl aber<br />
an einem geeigneten Absatzmarkt gemangelt hat.“<br />
Dennoch bescheinigt eine im Februar 2004 vom Fraunhofer<br />
Institut für System- und Innovationsforschung veröffentlichte<br />
Studie Deutschland eine führende Position in Europa. Mit 39<br />
kleinen und mittelständischen Unternehmen nimmt Deutschland<br />
mit Abstand die Spitzenposition ein. Einige Produkte<br />
dieser noch jungen Unternehmen haben bereits erfolgreich den<br />
Eingang in die klinische Praxis geschafft. Eine aktuelle Studie<br />
von BioRegio STERN und Capgemini Deutschland zur<br />
„Wirtschaftlichen Entwicklung und Zukunft <strong>der</strong> Regenerativen<br />
Medizin in Deutschland“ hat die 39 Unternehmen dieser<br />
Teilbranche genauer untersucht.<br />
Demnach sind hier neben Biotech-Firmen (75 %) auch<br />
Unternehmen aus <strong>der</strong> Medizintechnik (17 %) sowie aus dem<br />
Pharma-Bereich (8 %) tätig. Die Indikationsgebiete dieser<br />
Firmen stellen sich wie folgt dar.<br />
Abbildung 2-12:<br />
Indikationsgebiete deutscher Tissue-Engineering-<br />
Unternehmen<br />
muskuloskeletaler Bereich29 %<br />
kardiovaskulärer Bereich 18 %<br />
Wundheilung 18 %<br />
viszeraler Bereich 15 %<br />
neurosensorischer Bereich 9 %<br />
hämatopoetischer Bereich 7 %<br />
Sonstige 4 %<br />
Quelle: BioRegio STERN Management / Capgemini Deutschland, 2004<br />
Mehrfachangaben möglich<br />
41
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Knapp ein Drittel <strong>der</strong> Tissue-Engineering-Unternehmen befasst<br />
sich demnach mit <strong>der</strong> Entwicklung von Produkten im muskuloskeletalen<br />
Bereich. Weitere bedeutende Fel<strong>der</strong> für die Anwendung<br />
von Tissue Engineering sind kardiovaskuläre (Herz-<br />
Kreislauf-) und viszerale (Eingeweide-) Erkrankungen sowie<br />
die Wundheilung. Bisher eine geringere Rolle spielen dagegen<br />
<strong>der</strong> neurosensorische und <strong>der</strong> hämatopoetische (blutbildende<br />
Organe) Bereich.<br />
Abbildung 2-13:<br />
Technologien deutscher Tissue-Engineering-<br />
Unternehmen<br />
autologe Zellen<br />
32 %<br />
adulte Zellen<br />
26 %<br />
Wachstumsfaktoren<br />
18 %<br />
Abbildung 2-13 gibt zudem einen Überblick zu den von den<br />
Unternehmen eingesetzten Technologien. Bei diesen dominiert<br />
demzufolge mit einem Anteil von über einem Drittel <strong>der</strong> Einsatz<br />
von autologen, das heißt körpereigenen Zellen. Auf ebenfalls<br />
über ein Drittel Anteil kommen bei den angewandten<br />
Technologien die Stammzelltechnologien, die sich noch weiter<br />
differenzieren lassen, je nach Quelle bzw. Herkunft dieser<br />
Zellen. So kann hier unterschieden werden in adulte und<br />
embryonale Stammzellen sowie in solche, die aus Nabelschnurblut<br />
isoliert werden. Mit 18 bzw. elf Prozent sind schließlich<br />
noch Technologien vertreten, die Wachstumsfaktoren bzw.<br />
allogene (nicht patienteneigene) Zellen nutzen.<br />
Die Anwendung von Stammzellen bleibt in Deutschland jedoch<br />
sowohl in <strong>der</strong> Politik wie auch in <strong>der</strong> Bevölkerung ein<br />
umstrittenes Thema.<br />
Begriffe aus <strong>der</strong> „Stammzell-<br />
Terminologie“<br />
Totipotente Stammzellen<br />
haben die Fähigkeit, einen kompletten Organismus<br />
aufzubauen.<br />
So besitzt beispielsweise eine befruchtete Eizelle bis<br />
zum 8-Zell-Stadium Totipotenz, das heißt, jede <strong>der</strong><br />
acht Zellen kann sich zu einem kompletten<br />
Organismus entwickeln.<br />
Pluripotente Stammzellen<br />
lassen sich zu zahlreichen verschiedenen Körperzellen,<br />
aber nicht zu einem vollständigen Organismus<br />
entwickeln (Zellen nach dem 8-Zell-Stadium).<br />
Gewebespezifische pluripotente Stammzellen findet<br />
man in vielen Geweben eines ausgewachsenen Organismus.<br />
Sie dienen dort <strong>der</strong> Neubildung von funktionsfähigen<br />
Zellen (zum Beispiel Blutstammzellen<br />
im Knochenmark, Nervenstammzellen im Gehirn).<br />
allogene Zellen<br />
11 %<br />
Nabelschnur-Stammzellen<br />
5 %<br />
Sonstige<br />
5 %<br />
embryonale Stammzellen<br />
3 %<br />
Mehrfachangaben möglich Quelle: BioRegio STERN Management / Capgemini Deutschland, 2004<br />
Humane embryonale Stammzellen<br />
besitzen von allen pluripotenten Stammzellen die<br />
größte Differenzierungsfähigkeit und haben damit<br />
für die biomedizinische Forschung die größte Bedeutung.<br />
Embryonale Stammzellen lassen sich durch<br />
Einsatz geeigneter Wachstums- und Differenzierungsfaktoren<br />
zu unterschiedlichsten Zelltypen<br />
heranreifen.<br />
Individualspezifische embryonale Stammzellen<br />
werden durch Verschmelzen einer kernlosen reifen<br />
Eizelle mit einer Körperzelle erzeugt (therapeutisches<br />
Klonen) und bilden u. U. eine Alternative für<br />
humane embryonale Stammzellen, die nur aus Föten<br />
o<strong>der</strong> künstlich befruchteten Eizellen gewonnen<br />
werden können.<br />
Adulte Stammzellen<br />
sind pluripotente Stammzellen in den Geweben<br />
ausgewachsener Organismen, die zur Neubildung<br />
und Regeneration gewebespezifischer Zellen dienen.<br />
Derzeit ist hierzulande durch das Stammzellgesetz zwar<br />
grundsätzlich die Nutzung von humanen embryonalen Stammzellen<br />
(hES) für Forschungszwecke verboten, in Ausnahmefällen<br />
wird jedoch <strong>der</strong> Import von Zellen erlaubt, die vor dem 1.<br />
Juli 2002 erzeugt wurden; diese können dann für die Grundlagenforschung<br />
genutzt werden.<br />
Mit <strong>der</strong> Vorlage des ersten Stammzellberichtes <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
im Juli 2004, sehen Bundesgesundheitsministerin<br />
Ulla Schmidt und Bundesforschungsministerin Edelgard<br />
Bulmahn das Stammzellgesetz<br />
als bewährt an.<br />
Dagegen schätzen laut einer<br />
im Mai 2004 veröffentlichten<br />
Studie des Max-Delbrück-Centrums<br />
für Molekulare<br />
Medizin und des<br />
Forschungszentrums Jülich<br />
die Forscher an sich die<br />
Forschungsbedingungen als<br />
zu restriktiv ein und glauben<br />
daher, dass ein Großteil<br />
<strong>der</strong> deutschen Stammzellforscher<br />
Deutschland binnen<br />
<strong>der</strong> nächsten fünf Jahre<br />
verlassen wird.<br />
42 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Trends in <strong>der</strong> molekularen Diagnostik<br />
Bei den Core-Biotech-Unternehmen werden überwiegend<br />
diejenigen Firmen betrachtet, die auf Basis <strong>der</strong> DNA- bzw.<br />
Molekulardiagnostik tätig sind (ein Überblick zum weiteren<br />
Kreis <strong>der</strong> deutschen Diagnostika-Industrie gibt Kapitel 3.3).<br />
Die Molekulardiagnostik wird als eine <strong>der</strong> gewinnbringendsten<br />
Zukunftstechnologien eingeschätzt. Der Einsatz <strong>der</strong> Molekulardiagnostik<br />
ist vielfältig und reicht von <strong>der</strong> Prädispositionsdiagnostik<br />
zur Abschätzung erblich bedingter Krankheiten über<br />
das Screenen von Blutkonserven auf Bakterien und Viren<br />
mittels Real-time-PCR bis zum Nachweis von Infektionskrankheiten.<br />
Molekulare Bildgebung<br />
Neben diesen bereits etablierten diagnostischen<br />
Anwendungen spielt die<br />
Molekularbiologie zum Beispiel auch<br />
eine immer wichtigere Rolle für Bild<br />
gebende Verfahren in <strong>der</strong> Diagnostik.<br />
Solche Verfahren, die zur In-vivo-<br />
Diagnostik gezählt werden, haben in den<br />
letzten Jahren einen hohen Entwicklungsstand<br />
erreicht und sind heute zu<br />
einem unverzichtbaren Hilfsmittel geworden.<br />
Nicht nur die technologischen<br />
Neuentwicklungen für Bild gebende<br />
Verfahren haben das Spektrum <strong>der</strong> Diagnostik erheblich<br />
erweitert, son<strong>der</strong>n auch die Erkenntnisse, die aus <strong>der</strong> molekularbiologischen<br />
Forschung gewonnen wurden.<br />
Begann <strong>der</strong> Blick ins Innere des menschlichen Körpers früher<br />
mit Röntgenuntersuchungen, so stellen heute Methoden wie die<br />
Computertomographie (CT), die Magnetresonanztomographie<br />
o<strong>der</strong> die Positronenemissionstomographie (PET) genauere<br />
Nachweismethoden dar. Die medizinische Bildgebung hat<br />
entscheidend zur Verlaufskontrolle von Krankheiten o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Darstellung einzelner Organsysteme beigetragen. Dabei hat<br />
sich CT bei Krebserkrankungen etabliert. Jedoch gewinnt auch<br />
die Kombination von PET und CT an Bedeutung, weil sich so<br />
Gewebestrukturen und Stoffwechselprozesse parallel betrachten<br />
lassen.<br />
Das „Medical Imaging“ ermöglicht so nicht mehr nur die<br />
Nutzung für die reine Diagnostik, son<strong>der</strong>n vielmehr für das<br />
komplette Krankheitsmanagement – von <strong>der</strong> Diagnose bis zur<br />
anschließenden Therapiekontrolle. So kann zum Beispiel bei<br />
<strong>der</strong> Krebstherapie verfolgt werden, ob sich ein Krebs bei<br />
Behandlung zurückgebildet hat o<strong>der</strong> ob er sich wie<strong>der</strong><br />
ausbreitet.<br />
Eine zunehmend bedeuten<strong>der</strong>e Rolle bei <strong>der</strong> Bilddarstellung<br />
spielen Kontrastmittel. Eine neue Herausfor<strong>der</strong>ung besteht<br />
hierbei darin, Kontrastmittel für die molekulare Bildgebung zu<br />
entwickeln. Während klassische Kontrastmittel die Anatomie<br />
darstellen, sollen innovative Kontrastmittel sehr viel mehr<br />
leisten.<br />
Krankhaft verän<strong>der</strong>te Zellen haben oft an<strong>der</strong>e Stoffwechselund<br />
Genaktivitäten als gesunde. In <strong>der</strong> molekularen Bildgebung<br />
macht man sich diese Abweichungen<br />
zunutze und setzt Trägermoleküle wie<br />
Antikörper o<strong>der</strong> Peptide (kleine Eiweiße)<br />
ein, die hochspezifisch an krankhaft<br />
verän<strong>der</strong>te Zellstrukturen binden.<br />
Diese Trägermoleküle sind an radioaktive<br />
Substanzen (Radionuklide)<br />
gekoppelt und transportieren das<br />
jeweilige Radionuklid im „Huckepack-<br />
Verfahren“ durch das weit verzweigte<br />
Blutgefäßnetz des Körpers gezielt zum<br />
kranken Gewebe. Mit einem geeigneten<br />
bildgebenden Verfahren lässt sich das<br />
Radionuklid dann dort nachweisen. Mit<br />
Hilfe solcher so genannten Radiopharmaka lassen sich<br />
Verän<strong>der</strong>ungen im Stoffwechselgeschehen sehr frühzeitig<br />
analysieren, oft noch bevor eine Krankheit manifest wird.<br />
Einer <strong>der</strong> führenden und innovativen Anbieter auf dem Gebiet<br />
<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kontrastmittel für die Krebsdiagnostik ist die<br />
Schering AG. Schering konnte mehrere hoch affine Antikörperfragmente<br />
aus einer Bakteriophagen-Bank isolieren, die<br />
gegen einen <strong>der</strong> vermutlich wichtigsten Angiogenese-Marker<br />
ED-B Fibronektin gerichtet sind. Dieser humane Antikörper<br />
wurde radioaktiv markiert und 20 Krebspatienten intravenös<br />
verabreicht. In einer Studie konnte erstmals erfolgreich die<br />
Angiogenese bei Krebspatienten mittels molekularer Bildgebung<br />
dargestellt werden. Somit werden in Kombination mit<br />
entsprechenden Bildgebungsverfahren mo<strong>der</strong>ne molekularbiologische<br />
Methoden wie Antikörper-Technologien und<br />
peptidchemische Verfahren eingesetzt.<br />
43
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Der Vorteil von Peptiden gegenüber Antikörpern zur Diagnose<br />
liegt in <strong>der</strong>en Größe. Denn obwohl Antikörper zielgerichtet zu<br />
ihren Zellen gelangen, sind sie oft zu sperrig und massig. Sie<br />
sind viel größer als die meisten Wirkstoffe und bewegen sich<br />
nur langsam an ihr Ziel.<br />
So wurden zum Beispiel Peptide erfolgreich zur Entdeckung<br />
von Blutgerinnseln eingesetzt. Markierte Peptide zielen auf<br />
spezifische Rezeptoren an <strong>der</strong> Oberfläche von Thrombozyten,<br />
welche die Blutgerinnung auslösen. Auf Basis <strong>der</strong> radioaktiven<br />
Komponente kann ein frischer Thrombus auf dem Diagnosebild<br />
sichtbar gemacht werden. Der Arzt kann so schneller mit einer<br />
Behandlung beginnen. In den Blutstrom injiziert, können<br />
radioaktiv markierte Peptid-Moleküle rasch alle Zellen<br />
erreichen. So sind sie in <strong>der</strong> Lage, selbst Krebsherde ausfindig<br />
zu machen, die mit an<strong>der</strong>en Diagnoseverfahren übersehen<br />
werden. Beispielsweise weisen bestimmte Tumorzellen eine<br />
erhöhte Anzahl an Somatostatin-Rezeptoren auf. Peptide, die<br />
ein Analogon zum Hormon Somatostatin darstellen und mit<br />
einer hohen Affinität an entsprechende Rezeptoren binden,<br />
können so Krebsherde genauer identifizieren.<br />
Radiopharmaka können auch therapeutisch eingesetzt werden:<br />
Werden zum Beispiel die Antikörper an Radionuklide<br />
gekoppelt, die eine intensive Strahlung mit kurzer Reichweite<br />
aussenden, so lässt sich Tumorgewebe effektiv zerstören;<br />
gleichzeitig werden umgebende, gesunde Körperzellen<br />
geschont.<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Leitinnovation „NanoforLife“ wird das BMBF<br />
Forschungs- und Entwicklungsvorhaben <strong>der</strong> In-vivo-Diagnostik/Molekularen<br />
Bildgebung för<strong>der</strong>n. Laut Ausschreibung<br />
werden unter an<strong>der</strong>em folgende Bereiche geför<strong>der</strong>t:<br />
• Techniken zur morphologisch-funktionellen In-vivo-Bildgebung<br />
zum „Staging“ und zur Therapiekontrolle o<strong>der</strong> für das<br />
breit angelegte Screening bei <strong>der</strong> Frühdiagnose (z. B.<br />
vulnerabler Plaques) auf Basis nanopartikulärer Kontrastmittel<br />
o<strong>der</strong> Kontrastmittel-Trägersysteme<br />
• Design und Prozesstechniken zur Herstellung intelligenter<br />
Kontrastmittel auf Basis von Nanotechnologien, die (1) zu<br />
einer erhöhten Sensitivität, Auflösung o<strong>der</strong> Spezifität führen<br />
(z. B. durch Kopplung an spezifitätsvermittelnde Liganden),<br />
(2) eine simultane multimodale Bildgebung ermöglichen, (3)<br />
durch interne o<strong>der</strong> externe Faktoren ausgelöst werden können<br />
und (4) zur intraoperativen, insbeson<strong>der</strong>e zellspezifischen<br />
Bildgebung geeignet sind.<br />
Klinische Proteomics<br />
Durch die Fortschritte in <strong>der</strong> Molekular- und Zellbiologie sind<br />
mittlerweile viele Krankheiten auch auf molekularer Ebene<br />
verstanden. Für die Weiterentwicklung <strong>der</strong> medizinischen<br />
Diagnostik werden diese Grundlagen effektiv genutzt.<br />
Im Zeitalter <strong>der</strong> Genomics wurden DNA-Sequenzen<br />
entschlüsselt, die die Information einer möglichen Expression<br />
eines Proteins definieren.<br />
Dieses hat jedoch noch nicht erklärt, warum verschiedene<br />
Zellen genau einen Satz an unterschiedlichen Proteinen<br />
exprimieren, welche verschiedenen Proteine in normalen und<br />
kranken Geweben vorkommen und wie die verschiedenen,<br />
exprimierten Proteine miteinan<strong>der</strong> in Wechselwirkung stehen.<br />
In Körperflüssigkeiten werden nämlich unterschiedliche<br />
Peptide und Proteine gefunden, die gemeinsam ein kompliziertes<br />
Netzwerk von Botenstoffen bilden und so den<br />
Gesamtorganismus steuern. Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Konzentration<br />
dieser Proteine treten insbeson<strong>der</strong>e im Rahmen von<br />
pathologischen Prozessen auf und können entwe<strong>der</strong> Ursache<br />
o<strong>der</strong> Anzeichen von Erkrankungen sein.<br />
Derzeit wird, bedingt durch das Fehlen einer etablierten<br />
Methode, nur die Konzentration einiger Substanzen (wie<br />
Zytokine, Peptidhormone) im Rahmen <strong>der</strong> klinischen Diagnostik<br />
bestimmt, üblicherweise mit immunologischen Methoden,<br />
wie ELISA o<strong>der</strong> RIA. Eine große Herausfor<strong>der</strong>ung ist daher<br />
die spezifische und umfassende Darstellung von Proteinen und<br />
Peptiden in Körperflüssigkeiten. Das Ziel ist die Erstellung<br />
eines Proteinmusters, einer „diagnostischen Karte“, die idealerweise<br />
für eine Erkrankung charakteristisch ist.<br />
Genau hier setzt die klinische Proteomics an, also die umfassende<br />
Proteinuntersuchung für Zwecke <strong>der</strong> klinischen<br />
Diagnostik. Diese neue Entwicklung wird einen Treiber für das<br />
Wachstum <strong>der</strong> In-vitro-Diagnostikindustrie darstellen. Auf<br />
Grund <strong>der</strong> engen Überschneidung mit <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Biotechnologie<br />
befassen sich auch junge Biotech-Unternehmen mit<br />
diesem zukunftsträchtigen Feld wie beispielsweise die Firma<br />
mosaiques diagnostics aus Hannover.<br />
44 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Prof. Dr. Dr. Harald Mischak, CSO<br />
mosaiques diagnostics & therapeutics AG, Hannover<br />
Angewandte Proteomanalyse in <strong>der</strong> klinischen Diagnostik<br />
Schon Hippokrates als Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> wissenschaftlichen Medizin erstellte die These,<br />
dass aus den Körpersäften des Menschen die „Temperamente“ resultierten, das gesundheitliche<br />
Befinden. Daraus ergab sich für ihn, dass man jeden Menschen individuell je<br />
nach Zusammensetzung <strong>der</strong> Körpersäfte behandeln solle. Ausgehend davon ergibt sich<br />
die Schlussfolgerung, dass Krankheiten immer durch Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Körperflüssigkeiten<br />
bzw. <strong>der</strong> darin enthaltenen Botenstoffe, <strong>der</strong> Proteine und Peptide (kurz:<br />
Polypeptide), darstellbar sind. Polypeptide sind die Kommunikatoren des Körpers und<br />
beinhalten sämtliche Informationen über pathologische Verän<strong>der</strong>ungen. Das<br />
umfassende Wissen um diese Moleküle ermöglicht eine<br />
vollständig individuelle Diagnose, auf <strong>der</strong>en Grundlage<br />
erst Vorbeugung und Heilung möglich ist.<br />
Seit Hippokrates hat sich die Wissenschaft enorm<br />
spezialisiert. Vor dem Hintergrund vermeintlich Gewinn<br />
bringen<strong>der</strong>, wirksamer singulärer Arzneimittel wurde<br />
die wesentlich komplexere Frage nach einer umfassenden<br />
Diagnostik vernachlässigt. Umfassende o<strong>der</strong> gezielte,<br />
neue Therapieentwicklungen werden jedoch erst<br />
durch spezifische Diagnostik ermöglicht.<br />
Individuelles DiaPat eines gesunden Erwachsenen (oben)<br />
und eines Patienten mit Nierenerkrankung (unten)<br />
In einem interdisziplinären Ansatz von Physik, Mathematik, Informatik, Maschinenbau,<br />
Biologie, Biochemie und Medizin, fokussiert auf die Polypepti<strong>der</strong>kennung, konnte die<br />
„Proteom Diagnostik“ durch Mosaiques entwickelt werden. Es existiert nun ein Tool zur<br />
umfassenden Diagnose des Gesundheitszustands des Menschen aus Körperflüssigkeiten.<br />
Mit dieser Technologie, <strong>der</strong> Kapillarelektrophoprese gekoppelten Massenspektrometrie,<br />
gelingt es, weit über 1000 aussagefähige Polypeptide aus z. B. Blut o<strong>der</strong><br />
Urin in einem Messvorgang innerhalb von ca. 45 Minuten zu analysieren. Dieser Ansatz<br />
erlaubt die Abbildung aller relevanten natürlichen Polypeptide. Bewusst wurde auf<br />
vermittelnde Schritte verzichtet, die unausweichlich zu einem Informationsverlust<br />
führen. Damit steht nun zum ersten Mal die Möglichkeit zur Verfügung, Informationen aus<br />
dem Körper effizient und reproduzierbar zu lesen und zu entschlüsseln, mithin die von<br />
Hippokrates geschaffene These anzuwenden.<br />
Die Messung von verschiedenen Körperflüssigkeiten tausen<strong>der</strong> Patienten ermöglichte<br />
die Erstellung von repräsentativen Proteinkarten (Diagnostisches Pattern = DiaPat) von<br />
gesunden Menschen im Vergleich zu Patienten mit unterschiedlichen Krankheiten. Diese<br />
Datenfülle ist Grundlage für die Definition von eindeutigen Biomarkern für<br />
verschiedenste Krankheiten mit sehr hoher Präzision. Dies lässt sich für Diagnose,<br />
Evaluierung von Therapien und Entwicklung von neuen Arzneimitteln nutzen. Die Anwendung<br />
dieser „enabling technology“, die bereits Einzug in den klinischen Bereich hält,<br />
erlaubt heute schon die (Früh-)Diagnose von Nierenerkrankungen und von Tumoren, aber<br />
auch die Früherkennung von Komplikationen bei lebensrettenden Therapien, wie z. B.<br />
Abstoßung o<strong>der</strong> GvHD nach Organ- bzw. Stammzelltransplantation.<br />
Der Vorteil <strong>der</strong> Proteomanalyse als Diagnostikmethode liegt unter an<strong>der</strong>em darin,<br />
invasive Eingriffe und die damit verbundenen, großen Risiken zu vermeiden. Es ist bereits<br />
jetzt abzusehen, dass diese Form <strong>der</strong> Diagnose in weiterer Folge auch zu einer neuen<br />
Definition von Krankheiten führen wird. Viele Diagnosen und nachfolgende Therapien<br />
werden auch heute noch auf Grund von morphologischen Verän<strong>der</strong>ungen und<br />
empirischen Beobachtungen erstellt. Mit <strong>der</strong> exakten Definition <strong>der</strong> Krankheiten auf<br />
Grund <strong>der</strong> molekularen Verän<strong>der</strong>ungen können nun die Ursachen <strong>der</strong> Erkrankungen<br />
erkannt und auch in nächster Konsequenz gezielt behandelt werden.<br />
Große Vorteile bringt die Technologie auch bei <strong>der</strong> Evaluierung von Therapeutika, wie sie<br />
bereits für Sartane und antivirale Substanzen durchgeführt wurde. Während beim<br />
konventionellen Ansatz neue Therapien schlecht o<strong>der</strong> erst nach vielen Jahren erreichbare<br />
Zielparameter (z. B. Überleben <strong>der</strong> Patienten o<strong>der</strong><br />
von Organen) aufweisen, kann dies mit Hilfe <strong>der</strong><br />
Verbindung von Therapie und Proteomdiagnostik<br />
(„Theranostics“) stark verkürzt werden. Statt <strong>der</strong><br />
üblichen Zielparameter werden Surrogatparameter<br />
eingesetzt, in diesem Fall die Proteom-Diagnostik. Diese<br />
Vorgehensweise wird von <strong>der</strong> FDA seit kurzem massiv<br />
unterstützt, vor allem weil die Surrogatparameter<br />
innerhalb von Wochen Verän<strong>der</strong>ungen und somit Erfolg<br />
o<strong>der</strong> Misserfolg von Therapieansätzen zeigen, und das<br />
an einer wesentlich kleineren Anzahl von Probanden.<br />
Damit ist für die Pharmaunternehmen, welche über eine<br />
solche Technologie verfügen, eine raschere und kostengünstigere Entwicklung von<br />
neuen Arzneimitteln und auch neuen Anwendungsgebieten möglich.<br />
Die bereits vorliegenden Daten und die Vielzahl von Veröffentlichungen in hochrangigen<br />
Fachzeitschriften zeigen, dass Proteom-Diagnostik und die umfassende Möglichkeit,<br />
Tausende von Parametern zeitnah abzubilden, ein nicht mehr ersetzbares Hilfsmittel in<br />
<strong>der</strong> Medizin und in <strong>der</strong> Arzneimittelentwicklung ist bzw. wird. Dies gilt insbeson<strong>der</strong>e auch<br />
für den immer wichtigeren Bereich <strong>der</strong> Vorsorgemedizin, da die Proteine erste<br />
pathologische Verän<strong>der</strong>ungen anzeigen, noch bevor es zum eigentlichen klinischen<br />
Erscheinungsbild einer Krankheit und/o<strong>der</strong> zu Organschädigungen kommt. Diese<br />
Technologie eröffnet die Möglichkeit, insbeson<strong>der</strong>e chronische Krankheiten in vielen<br />
Fällen gezielt zu verhin<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Auftreten zumindest stark zu verlangsamen.<br />
Die Analyse <strong>der</strong> Proteine und die darauf aufbauende Proteom-Diagnosik ist als großer<br />
Wachstumsmarkt erkannt worden, <strong>der</strong> mangels geeigneter Technologien nicht bedient<br />
werden konnte. Die von Mosaiques erfolgreich eingeführte Technologie hat diese<br />
Limitation beseitigt und wird nun den breiten Einzug <strong>der</strong> Proteom-Diagnostik in die<br />
Medizin und Arzneimittelentwicklung ermöglichen.<br />
www.mosaiques.de<br />
www.diapat.com<br />
45
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
2.3 Entwicklungen in <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie<br />
Nachdem das EU-weite De-facto-Moratorium für genetisch<br />
verän<strong>der</strong>te (gv) Pflanzen auslief und die neuen Regelungen in<br />
nationale Gesetze umgewandelt wurden, war das Jahr 2004 in<br />
Deutschland geprägt durch eine verstärkte Diskussion um die<br />
neue Freisetzungsrichtlinie.<br />
Im Februar 2004 brachte die Bundesregierung einen Entwurf<br />
zur Novellierung des Gentechnikgesetzes ein, <strong>der</strong> im Sommer<br />
in zwei Teile aufgeglie<strong>der</strong>t wurde. Ein Teil erfor<strong>der</strong>te die Zustimmung<br />
des Bundesrats, ein zweiter Teil enthielt Regelungen,<br />
die nicht zustimmungspflichtig waren. Im November 2004<br />
wurde schließlich <strong>der</strong> erste Teil des Gentechnikgesetzes vom<br />
Bundestag beschlossen und ist seit Anfang 2005 in Kraft. Laut<br />
einer veröffentlichten Broschüre des Bundesministeriums für<br />
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL)<br />
hat dieses Folgendes zum Ziel: „Der Anbau von GVO wird<br />
strikten Regelungen unterworfen und die ,schleichende‘ Ausbreitung<br />
<strong>der</strong> Agro-Gentechnik unterbunden.“<br />
Mit dieser ideologischen Ausrichtung sehen Forscher und<br />
Industrieverbände die Grüne Biotechnologie in Deutschland<br />
ausgebremst. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die überaus<br />
strengen Haftungsregelungen. Auf <strong>der</strong> „Agricultural Biotechnology<br />
International Conference 2004“ (ABIC) in Köln wurde<br />
daher ein Appell an die Politik gerichtet, unbegründbare Hürden<br />
für die Grüne Biotechnologie zu beseitigen.<br />
Beson<strong>der</strong>e politische und finanzielle För<strong>der</strong>ung gedeiht in den<br />
ostdeutschen Bundeslän<strong>der</strong>n. Sachsen-Anhalt möchte in den<br />
kommenden Jahren 100 Mio. € für die Entwicklung des Sektors<br />
bereitstellen, darunter 35 Mio. € für den Biopark Gatersleben.<br />
Die Initiative „InnoPlanta – Pflanzenbiotechnologie Nordharz/Börde“<br />
wird durch die InnoRegio-För<strong>der</strong>ung des BMBF<br />
mit 20 Mio. € geför<strong>der</strong>t. Das Land Sachsen-Anhalt strengt<br />
außerdem eine Verfassungsklage an, weil <strong>der</strong> GVO-Anbau in<br />
Deutschland nach seiner Ansicht unrechtmäßig erschwert wird.<br />
Weltweiter, kommerzieller Anbau<br />
Die weltweite Anbaufläche von gv-Pflanzensorten steigt weiterhin<br />
stark an. 2004 lag die Anbaufläche mit weltweit 81 Mio.<br />
Hektar fast siebenmal höher als die landwirtschaftlich genutzte<br />
Ackerfläche in Deutschland. Der Wert <strong>der</strong> angebauten gv-<br />
Pflanzen im Jahr 2004 wird auf 3,8 Mrd. € geschätzt.<br />
Abbildung 2-14:<br />
Weltweite Anbaufläche von gv-Pflanzen<br />
Millionen Hektar<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1,7<br />
12,7<br />
29,4<br />
39,8<br />
44,2<br />
52,6<br />
58,7<br />
67,7<br />
1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004<br />
Quelle: ISAAA, 2005<br />
Deutlich führend sind die USA mit einem Anteil von fast 60<br />
Prozent <strong>der</strong> Anbaufläche. Die südamerikanischen Län<strong>der</strong><br />
Argentinien und Brasilien kommen zusammen auf ein Viertel<br />
<strong>der</strong> gesamten Anbaufläche, wobei allein Argentinien 20 Prozent<br />
auf sich vereint. Statistisch relevant zeigen sich ebenso die<br />
Län<strong>der</strong> Kanada und China. Europa geht in dem Rest mit vier<br />
Prozent unter. Hier wird vor allem in Spanien und Rumänien<br />
angebaut.<br />
Abbildung 2-15:<br />
Län<strong>der</strong>anteile <strong>der</strong> weltweiten Anbaufläche<br />
von gv-Pflanzen in 2004<br />
USA<br />
59 %<br />
Rest<br />
4 %<br />
China<br />
5 %<br />
Brasilien<br />
6 %<br />
Kanada<br />
6 %<br />
Argentinien<br />
20 %<br />
81<br />
Quelle: ISAAA, 2005<br />
46 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Abbildung 2-16:<br />
Anteil transgener Pflanzen an <strong>der</strong> jeweiligen,<br />
weltweiten Anbaufläche in 2004<br />
Soja<br />
Baumwolle<br />
Raps<br />
Mais<br />
86 %<br />
81 %<br />
72 %<br />
44 %<br />
Anteil gv-<br />
Sorten<br />
14 % 19 %<br />
Die vier Hauptarten kommerziell angebauter gv-Pflanzen sind<br />
Soja, Baumwolle, Raps und Mais. Der weltweite Soja-Anbau<br />
erfolgt mittlerweile sogar überwiegend durch gv-Sorten. Herbizid-<br />
und Insektenresistenzen stellen weiterhin die vorwiegende<br />
funktionelle Verän<strong>der</strong>ung dar. Der Anbau von gv-Soja in<br />
Brasilien und gv-Reis in China werden mittelfristig stark zum<br />
weiteren Wachstum <strong>der</strong> Anbauflächen führen.<br />
Die FAO (Food and Agriculture Organization) empfahl 2004<br />
die Verwendung <strong>der</strong> Grünen Bio- und Gentechnologie beson<strong>der</strong>s<br />
dann, wenn mittellose Landwirte in Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
sie profitabel nutzen können.<br />
Grüne Biotechnologie auf EU-Ebene<br />
28 %<br />
56 %<br />
Quelle: ISAAA, 2005<br />
Im Gegensatz zu den meisten europäischen Mitgliedsstaaten<br />
wird in Teilen <strong>der</strong> Europäischen Kommission mittlerweile eine<br />
progressive Haltung zur Grünen Biotechnologie eingenommen.<br />
In 2004 wurden bereits Bt-11-Mais von Syngenta und NK-603-<br />
Mais von Monsanto als Lebensmittel in <strong>der</strong> EU zugelassen. Das<br />
neue Kabinett des Präsidenten José Manuel Barroso möchte die<br />
Entwicklung weiterführen.<br />
Die neue EU-Agrarministerin Mariann Fischer Boel kann sich<br />
vorstellen, die Ausgestaltung <strong>der</strong> Koexistenzregelungen direkt<br />
<strong>der</strong> EU zu übertragen, um dem Anbau von gv-Pflanzen gleichberechtigte<br />
Marktchancen einzuräumen.<br />
Ein Visionspapier <strong>der</strong> von verschiedenen Stakehol<strong>der</strong>n geschaffenen<br />
Initiative mit Namen „Plants for the Future“ hat im Juni<br />
2004 auf einen weiteren europäischen Missstand hingewiesen:<br />
Auf <strong>der</strong> einen Seite gibt es in Europa exzellente Pflanzengenetikforschung,<br />
darunter drei <strong>der</strong> sechs größten Agrobiotech-<br />
Firmen (Bayer CropScience, BASF Plant Sciences und<br />
Syngenta, gegenüber Dow, DuPont und Monsanto aus den<br />
USA), zwei <strong>der</strong> vier größten Lebensmittelkonzerne (Unilever<br />
und Nestle) sowie führende Saatgutfirmen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Seite erfolgt die kommerzielle Wertschöpfung <strong>der</strong> grünen Gentechnik<br />
fast ausschließlich außerhalb Europas.<br />
Die Initiative möchte in enger Zusammenarbeit mit <strong>der</strong><br />
Europäischen Kommission die Rahmenbedingungen durch<br />
Anregungen zu För<strong>der</strong>ung und Gesetzgebung verbessern.<br />
Gerichtet sind die Bemühungen auf grundlegende Pflanzengenom-<br />
und Metabolomforschung, damit leistungsfähigere und<br />
hochwertige Nahrungspflanzen sowie neue Pflanzen zur Biokraftstoff-<br />
und Biomaterialienproduktion entwickelt werden<br />
können. Im kommenden siebten Forschungs-Rahmenprogramm<br />
soll ein deutlicher Anteil auch auf Grüne Biotechnologie<br />
entfallen.<br />
GVO-Anbau in Deutschland<br />
Um praktische Erfahrungen zur Koexistenz von gv-Mais mit<br />
konventionellem Maisanbau zu sammeln, wurde in 2004 ein<br />
Erprobungsanbau auf 300 Hektar Fläche in sieben Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
durchgeführt.<br />
Es zeichnete sich ab, dass durch einen 20–30 Meter breiten<br />
Pufferstreifen aus herkömmlichem Mais die Auskreuzung durch<br />
gv-Pollen in die Nachbarfel<strong>der</strong> unter den gesetzlichen Schwellenwert<br />
von 0,9 % fällt. Zudem wurde in vielen Jahren Begleitforschung<br />
gezeigt, dass eine mögliche Einkreuzung aus<br />
geprüften gv-Sorten in konventionelle Pflanzen prinzipiell nicht<br />
gesundheitsbeeinträchtigend ist.<br />
Die gv-Maislinie MON-810 ist nach ausgedehnten Prüfungen<br />
<strong>der</strong> EU schon seit 1998 zum unbeschränkten Anbau zugelassen.<br />
Doch erst seit dem Ende des sechsjährigen EU-Moratoriums im<br />
Jahr 2004 und den neuen Richtlinien zum Anbau, die in<br />
Deutschland mit großer Verzögerung und nochmals verschärften<br />
Bedingungen in hiesiges Recht umgewandelt wurden,<br />
können nun auch hierzulande mehr gv-Pflanzen angebaut<br />
werden.<br />
47
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Prof. Dr. Ralf Reski,<br />
Pflanzenbiotechnologie, Universität Freiburg<br />
Innovationspotenziale <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie<br />
konsequent nutzen!<br />
Pflanzen sind die Basis allen Lebens. Sie liefern Nahrung, Papier, Energie, binden CO 2 und<br />
erzeugen hochkomplexe Chemikalien, die zum Teil schon heute als Arzneimittel genutzt<br />
werden. Die Grüne Biotechnologie hat ein hohes Innovationspotenzial und kann einen<br />
Beitrag leisten,<br />
• um einer wachsenden Weltbevölkerung auf sich ständig reduzierenden Anbauflächen<br />
(Urbanisierung, Versteppung) unter sich verän<strong>der</strong>nden Klimabedingungen (globaler<br />
Klimawandel) genügend Nahrung zu sichern und<br />
• um einer alternden Bevölkerung hochwertige Ernährung<br />
(Vitamine, ungesättigte Fettsäuren u. a. zur Krebsvorsorge) zu<br />
liefern.<br />
Zudem sind Innovationen im Bereich<br />
• <strong>der</strong> Herstellung therapeutischer Proteine,<br />
• <strong>der</strong> Entgiftung kontaminierter Böden,<br />
• des umweltschonenden Anbaus sowie<br />
• <strong>der</strong> Produktion von Treibstoff (Biodiesel, Wasserstoff) möglich.<br />
Europa verliert den Anschluss<br />
In <strong>der</strong> Biotechnologie haben beson<strong>der</strong>s Deutschland und Frankreich<br />
einen gewaltigen Nachholbedarf. So betrug unser Anteil an<br />
<strong>der</strong> Entschlüsselung des menschlichen Genoms zusammen nur 5 % (USA 54 %, England<br />
33 %, Japan 7 %, China 1 %). Auch die bisherigen Entschlüsselungen pflanzlicher<br />
Genome (Reis, Pappel, Wildkraut Arabidopsis) erfolgten ausschließlich unter Projektführerschaft<br />
<strong>der</strong> USA bzw. Japans. Während die USA stark in diesen Bereich investieren<br />
(NSF, NIH, DoE), existieren vergleichbare För<strong>der</strong>programme für Pflanzen in <strong>der</strong> EU nicht.<br />
Die Anbaufläche gentechnisch verän<strong>der</strong>ter Pflanzen wuchs 2004 um 20 % auf 81 Mio.<br />
Hektar. Die Zahl <strong>der</strong> beteiligten Landwirte stieg dabei um 18 % auf 8,25 Millionen.<br />
Dieses Wachstum findet außerhalb Europas statt: Die USA haben einen Weltmarktanteil<br />
von fast 60 %. Zu den wichtigsten weiteren Nutzern <strong>der</strong> Grünen Agrartechnologie gehören<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong> wie China, Argentinien, Brasilien und Paraguay mit jeweils<br />
mehr als 1 Mio. Hektar Anbaufläche. In Europa nutzen allein Spanien und Rumänien<br />
diese Technologie in nennenswertem Umfang. In keinem Fall wurden die gerade in<br />
Europa befürchteten negativen Folgen für Mensch o<strong>der</strong> Umwelt beobachtet.<br />
Gesellschaftliche Akzeptanz <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie kann steigen<br />
Der Einsatz <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie stößt in Europa auf Wi<strong>der</strong>stand zahlreicher<br />
Umweltschutzverbände. Dabei reichen die Aktionen von Demonstrationen bis zur<br />
rechtswidrigen Zerstörung von Anbauflächen. In Folge dieser Aktionen werden immer<br />
wie<strong>der</strong> Verbraucherumfragen durchgeführt, die eine zurückhaltende Einstellung <strong>der</strong><br />
Konsumenten gegenüber dieser Technologie zeigen.<br />
Diese Situation ist ähnlich <strong>der</strong>, <strong>der</strong> sich die Biotechnologie in <strong>der</strong> Medizin vor 15–20<br />
Jahren in Europa gegenübersah. Auf Grund mangeln<strong>der</strong> politischer Unterstützung<br />
wurden damals Forschung und Entwicklung weitgehend in die USA verlagert mit <strong>der</strong><br />
Folge, dass zum einen viele europäische Wissenschaftler dorthin umsiedelten und zum<br />
an<strong>der</strong>en die europäische Pharmaindustrie einen entscheidenden Innovationsschub<br />
verpasste. Die Folgen sind insbeson<strong>der</strong>e an <strong>der</strong> leidvollen Geschichte <strong>der</strong> deutschen<br />
Pharmaindustrie sichtbar.<br />
Trotz <strong>der</strong> jüngst erfolgten Lockerung <strong>der</strong> EU-Gesetzgebung in Bezug auf die Grüne<br />
Biotechnologie (Koexistenz) werden massiv Forschungskapazitäten von Europa in die<br />
USA verlagert. Der spektakuläre Schritt von Syngenta, <strong>der</strong> weltgrößten AgBiotech-Firma,<br />
die FuE in die USA zu verlagern, ist nur die Spitze des Eisberges. Hier ist massives<br />
politisches Gegensteuern nötig. Die Erfahrung mit <strong>der</strong><br />
Biotechnologie in <strong>der</strong> Medizin, die heute mit <strong>der</strong> Ausnahme<br />
<strong>der</strong> Stammzell-Nutzung nicht mehr kontrovers diskutiert<br />
wird, belegt, dass gesellschaftliche Akzeptanz in dem Maße<br />
steigt, wie <strong>der</strong> einzelne Verbraucher einen unmittelbaren<br />
Nutzen sieht. Pflanzen mit solch einem unmittelbaren<br />
Verbrauchernutzen werden unter dem Begriff „Output-<br />
Traits“ zusammengefasst. Ein entsprechendes Konzept <strong>der</strong><br />
BioRegio Freiburg mit dem Titel: „Output-Traits: Gesundheit<br />
durch Neue Pflanzen“ im Rahmen des BMBF-BioProfile-<br />
Wettbewerbs wurde sogar von Verbraucherinitiativen und<br />
vom Freiburger Öko-Institut unterstützt.<br />
Exzellenzcluster als Innovationskeime einer neuen Industriepolitik<br />
Während Deutschland und Frankreich direkt o<strong>der</strong> über Brüssel enorme finanzielle Mittel<br />
für die Agrarwirtschaft aufwenden, fehlen staatliche Anreize für Innovationen in diesem<br />
Bereich. Dies wird zu einem weiteren drastischen Verlust <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit mit<br />
allen bekannten sozialen und ökonomischen Kosten führen.<br />
In beiden Län<strong>der</strong>n nutzen Wissenschaftler die gesamte Vielfalt <strong>der</strong> Pflanzen (Biodiversität)<br />
und etliche Gruppen haben bereits heute weltweite Alleinstellungsmerkmale<br />
in <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie. Um das große Potenzial dieser Technologie in seiner Breite<br />
zu nutzen, sind Neufokussierungen staatlicher Mittel von Subventionen zu Innovationen<br />
nötig. Neben <strong>der</strong> Landwirtschaft inklusive Weinbau und Forstwirtschaft können hiervon<br />
auch die Gesundheitspolitik (molecular farming) und die Energiewirtschaft (Biodiesel,<br />
Wasserstoff) profitieren.<br />
Aus diesen Gründen halten wir eine deutsch-französische Innovationsoffensive, die sich<br />
auf den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie<br />
fokussiert, gerade zum jetzigen Zeitpunkt für erfor<strong>der</strong>lich und chancenreich. Die<br />
Erfahrung mit dem deutschen „Aufbau Ost“ lehrt, dass diese Mittel dann erfolgreich<br />
eingesetzt werden, wenn sie vorhandenen exzellenten Kompetenzen helfen, sich zu<br />
international wettbewerbsfähigen Innovationskeimen zu entwickeln.<br />
www.plant-biotech.net<br />
48 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Da die vorgeschriebene öffentliche Bekanntmachung <strong>der</strong> GVO-<br />
Fel<strong>der</strong> wie in <strong>der</strong> Vergangenheit zur Zerstörung durch Aktivisten<br />
ermutigen könnte, soll eine geplante nochmalige Än<strong>der</strong>ung<br />
des Gentechnikgesetzes den Zugang zum Standortregister<br />
erschweren. Im Jahr 2004 wurde beispielsweise die Kartoffel-<br />
Forschungsfläche des Max-Planck-Instituts für Molekulare<br />
Pflanzenphysiologie in Golm vernichtet. Dort sollten gut 300<br />
Kartoffelpflanzen auf verän<strong>der</strong>ten Stärkegehalt getestet werden.<br />
Die Forschung wurde bewusst transparent und im offenen<br />
Diskurs mit <strong>der</strong> Bevölkerung durchgeführt. Ebenso wurde eine<br />
Versuchsfläche von Syngentas gv-Weizen, u. a. durch Greenpeace-Aktivisten,<br />
unbrauchbar gemacht. Dadurch sah sich<br />
Syngenta gezwungen, die Versuchsforschung nicht mehr in<br />
Deutschland durchzuführen. Das Projekt sollte Weizen mit<br />
Pilzresistenz erforschen, wodurch weniger Pilztoxine in die<br />
Nahrungskette gelangen würden.<br />
Im Standortregister des BMVEL sind bis März 2005, und damit<br />
bestimmend für den Großteil <strong>der</strong> Anbausaison, über 100 kommerzielle<br />
Anbauflächen gelistet. Dies kann als ein erster, wenn<br />
auch überaus zaghafter Anfang des kommerziellen GVO-<br />
Anbaus in Deutschland gewertet werden.<br />
Die ausgewiesene Gesamtfläche beträgt nur gut 1000 Hektar,<br />
wobei so gut wie alles auf den gv-Mais MON-810 von<br />
Monsanto entfällt. Diese Maislinie vermittelt durch ein<br />
bakterielles Toxin Resistenz gegen die Raupe des Maiszünslers<br />
(Schmetterling),<br />
die<br />
große Teile<br />
<strong>der</strong> Ernte<br />
vernichten<br />
und als Folge<br />
auch giftigen<br />
Pilzbefall<br />
<strong>der</strong> geschädigten<br />
Pflanzen begünstigen kann. An<strong>der</strong>e Organismen werden durch<br />
das Toxin nicht beeinträchtigt. Der angebaute Mais wird von<br />
den Landwirten vorzugsweise an eigene Nutztiere verfüttert und<br />
als Silomais eingelagert.<br />
Um den Landwirten die Last <strong>der</strong> Haftungsregeln zu erleichtern,<br />
bieten Monsanto und die Märka Futtermittelwerke teilweise an,<br />
die umliegenden konventionellen Mais-Ernten zum Marktpreis<br />
abzukaufen, falls Einträge festgestellt werden. Über einen<br />
nationalen Fonds bzw. eine Versicherungslösung wird weiterhin<br />
diskutiert.<br />
Für Freisetzungsversuche zu Forschungszwecken sind bislang<br />
nur drei Flächen im Standortregister angemeldet worden. Sie<br />
sollen <strong>der</strong> Erprobung von Hybridpappeln und Winterraps mit<br />
beson<strong>der</strong>em Fettsäuremuster dienen. Die Freilandversuche zu<br />
Forschungszwecken sind von den Haftungsregelungen überaus<br />
hart getroffen.<br />
Im europäischen Vergleich waren im vergangenen Jahr Spanien<br />
mit 58.000 Hektar Bt-Mais und Rumänien mit ca. 100.000<br />
Hektar gv-Soja führend. In den Nie<strong>der</strong>landen wurden Ende<br />
2004 im Konsens mit Ökobauern und Verbraucherverbänden<br />
praktische Richtlinien für die Koexistenz vorgelegt. Dabei<br />
wurden Vereinbarungen zu einem Haftungsfonds, persönlicher<br />
Haftung nur bei Verstoß gegen gute Anbaupraxis, sowie<br />
Anbauabstände, darunter geson<strong>der</strong>te zu Ökobetrieben, vereinbart.<br />
Ein Vorbild für Deutschland?<br />
Wertschöpfungspotenziale<br />
Abbildung 2-17:<br />
Schematische Darstellung einer möglichen Pipeline von gv-Pflanzen<br />
Forschung<br />
3–5 Jahre<br />
Pflanzentransformation<br />
1–2 Jahre<br />
Freisetzungsversuche<br />
1–3 Jahre<br />
Ein Standardweg zur Kommerzialisierung biotechnologischer<br />
Innovationen ist <strong>der</strong> Abschluss von Partnerschaften von<br />
Biotech-Firmen mit Großunternehmen. In <strong>der</strong> Roten Biotechnologie<br />
sind es die Pharma-Firmen, in <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie<br />
beispielsweise die Chemie-Firmen, welche die letzten<br />
Schritte von Produktentwicklung und Vertrieb übernehmen.<br />
In <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie könnten Saatguthersteller und<br />
etablierte Chemie- und Agrobiotech-Konzerne diese Rolle einnehmen:<br />
Dazu<br />
Zulassung<br />
2–3 Jahre<br />
Kommerzialisierung<br />
1–3 Jahre<br />
Quelle: verän<strong>der</strong>t nach McElroy, Nature Biotechnology, Juli 2004<br />
zählen zum<br />
Beispiel Syngenta,<br />
Bayer<br />
Crop Science,<br />
DuPont, Monsanto,<br />
BASF<br />
Plant Science<br />
und Dow. Eine<br />
hohe Wertschöpfung<br />
erreichen diese großen Agrobiotech-Firmen bereits<br />
mit dem Verkauf herbizidresistenter Sorten mitsamt dem dazu<br />
passenden Herbizid (Roundup).<br />
Gentechnologie ist nur eine von vielen Methoden <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
Pflanzenzüchtung. In-vitro-Kultivierung zur Vermehrung<br />
von Pflanzen aus Pflanzengewebe, doppelt-haploide Linien zur<br />
effizienteren Hybridzucht und markergestützte Selektion<br />
(Auswahl <strong>der</strong> besten Pflanzen durch ihr genetisches Profil) sind<br />
bereits Standards.<br />
49
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
In den sechziger Jahren und auch später wurden neue Pflanzensorten<br />
oft durch Zufallsmutagenisierung mittels radioaktiver<br />
Strahlung o<strong>der</strong> chemischer Substanzen erreicht. Demgegenüber<br />
setzt die Gentechnologie gezielter an und wird wesentlich<br />
strenger überwacht.<br />
Grüne Biotech-Industrie in Deutschland<br />
Neben den bereits genannten großen deutschen Konzernen wie<br />
Bayer Crop Sciences o<strong>der</strong> BASF Plant Science besteht in<br />
Deutschland praktisch keine kommerzielle gv-Sortenzüchtung<br />
bei Biotech-Unternehmen (außer SunGene). Die kleineren<br />
deutschen Core-Biotech-Firmen <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie<br />
haben sich vor allem auf Molecular Pharming, Trait- und GVO-<br />
Analyse spezialisiert. Dazu zählen zum Beispiel Greenovation,<br />
GreenTec, Icon Genetics, Maltagen, metanomics, Novoplant,<br />
Planton und TraitGenetics. Daneben finden sich eine Reihe traditioneller<br />
Saatzuchtfirmen, die sich mit <strong>der</strong> Pflanzen-Biotechnologie<br />
beschäftigen.<br />
So existieren in Deutschland ca. 25 Labor- und Zuchteinrichtungen<br />
von privaten, landwirtschaftlichen Pflanzenzüchtern.<br />
Dort sind weniger als 300 wissenschaftliche Arbeitskräfte<br />
beschäftigt; <strong>der</strong> Aufwand für FuE beträgt aber immerhin 129<br />
Mio. €, was einer FuE-Quote von knapp 17 Prozent entspricht<br />
(Quelle: Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter, 2004).<br />
Um die künftigen Innovationspotenziale nutzen zu können,<br />
betreiben einige wenige Saatguthersteller eigene, mo<strong>der</strong>ne biotechnologische<br />
Forschung o<strong>der</strong> setzen auf Kooperationen mit<br />
Instituten. Die hervorragende, akademische Pflanzenforschung<br />
in Deutschland wird trotzdem zu wenig verwertet.<br />
Die Kritik an <strong>der</strong> Grünen Gentechnik beschäftigte in 2004 auch<br />
verstärkt die Lebensmittelindustrie. Der Streit um die von<br />
Greenpeace so bezeichnete „Gen-Milch“ <strong>der</strong> Molkerei Alois<br />
Müller („Müller-Milch“) zeigte 2004 die Schwierigkeiten, mit<br />
solchen Propaganda-Aktionen produktiv umzugehen. Dass an<br />
Milchkühe teilweise gv-Pflanzen verfüttert werden, hat auf die<br />
Milch keinerlei Auswirkungen; es werden aber durch Assoziationen<br />
wie ,Gift‘ und ,Genfood‘ gezielt Angstgefühle geweckt.<br />
Die als gemeinnützig anerkannte Organisation Greenpeace<br />
Deutschland verfügt über ein Jahresbudget von knapp 40 Mio. €.<br />
Ein Einkaufsratgeber zu („Gen-“)Milchprodukten konnte 2004<br />
in millionenstarker Auflage gedruckt und in Fußgängerzonen<br />
verteilt werden.<br />
Auch <strong>der</strong> BUND, eine deutsche Sektion von „Friends of the<br />
Earth“, bezieht jährlich gut 10 Mio. € Spenden und Mitgliedsbeiträge.<br />
Damit werden Aktionen wie „WTO: Hände weg von<br />
unserer Nahrung“ mit aufblasbaren, fratzenhaften „Gen-<br />
Tomaten“ organisiert.<br />
Dass solche Initiativen nicht zur ausgewogenen Aufklärung in<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung beitragen, liegt auf <strong>der</strong> Hand.<br />
Tabelle 2-2:<br />
Deutsche Saatgutfirmen mit biotechnologischer Forschung (Auswahl)<br />
Firma Bundesland Mo<strong>der</strong>ne Forschungs- und Mitarbeiter in<br />
Züchtungstechnologien<br />
Biotech-F&E<br />
Bioplant GmbH Nie<strong>der</strong>sachsen Transgene Pflanzen, molekulare Marker 10<br />
(Böhm Nordkartoffelgruppe),<br />
Ebstorf<br />
Saaten-Union Resistenzlabor GmbH, NRW Transgene Pflanzen, molekulare Marker 15<br />
Leopoldshöhe<br />
(markergestützte Rückkreuzungen, GVO-Analytik)<br />
Deutsche Saatveredelung NRW Transgene Pflanzen, molekulare Marker ca. 75<br />
Lippstadt-Bremen GmbH,<br />
(Diagnose, markergestützte Selektion etc.)<br />
Lippstadt<br />
A. Dieckmann-Heimburg Nie<strong>der</strong>sachsen Molekulare Marker, transgene Pflanzen 3<br />
Saatzucht Sülbeck, Nienstädt<br />
NORIKA, Groß Lüsewitz Mecklenburg- In-vitro-Kultivierungen, PCR-Analysen, 4<br />
Vorpommern Gentechnik-Transformation von Kartoffeln<br />
Planta GmbH (KWS-Gruppe), Nie<strong>der</strong>sachsen Molekulare Marker, transgene Pflanzen ca. 90<br />
Einbeck<br />
Fr. Strube Saatzucht KG, Nie<strong>der</strong>sachsen Molekulare Marker, transgene Pflanzen 5<br />
Söllingen<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
50 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Vorschläge zur Verbesserung <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie in Deutschland, Stimmen deutscher<br />
Saatgutfirmen:<br />
Dr. Holger Junghans, Leiter Züchtung und Forschung <strong>der</strong> NORIKA Nordring-Kartoffelzucht und Vermehrungs GmbH<br />
„Engagement bei teuren Zukunftstechnologien macht nur Sinn, wenn perspektivisch damit ein Return of Investment erzielt werden<br />
kann. Im Bereich Landwirtschaft müssen Bedingungen geschaffen werden, die auch den Anbau transgener Kulturpflanzen<br />
ermöglichen. Sind hier in absehbarer Zeit keine Strategien für die Koexistenz erkennbar, dürfte die mittelständische<br />
Pflanzenzüchtung in Deutschland ihr Engagement im Bereich Gentechnik überdenken und Deutschland als Innovationsstandort<br />
leiden.“<br />
Dr. Jens Weyen, Laborleiter <strong>der</strong> Saaten-Union Resistenzlabor GmbH<br />
„1. Umfangreiche För<strong>der</strong>programme (abgestimmt zwischen den verschiedenen För<strong>der</strong>gremien und Ministerien) für deutsche<br />
Biotech-Unternehmen, um den Rückstand gegen vor allem US-Unternehmen aufzuholen und um das Abwan<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
Wissenschaftler ins Ausland zu stoppen.<br />
2. Überprüfung bzw. Rücknahme von Teilen <strong>der</strong> Novelle des Gentechnikgesetzes und Neukonzeption des Gentechnikgesetzes,<br />
welches zurzeit den Anbau vorhandener, verbesserter GVO-Sorten unmöglich macht.<br />
3. Überprüfung <strong>der</strong> Rechtmäßigkeit <strong>der</strong> Novelle des Gentechnikgesetzes. Die Diskrepanz zwischen EU-Richtlinien und<br />
nationaler Gesetzgebung ist für die Saatgutindustrie eine signifikante, wirtschaftliche Einschränkung <strong>der</strong> internationalen<br />
Wettbewerbsfähigkeit.<br />
4. Vereinfachung von Freilandversuchen/Freisetzungen und Vereinfachung <strong>der</strong> bürokratischen, langwierigen, aufwendigen und<br />
daher sehr teuren Anmeldeprozedur. Vereinfachung zudem <strong>der</strong> Regelung zum Inverkehrbringen: Die gesetzlichen Regelungen<br />
in Deutschland zur Koexistenz sind kontraproduktiv.<br />
5. Gentechnik und grüne Biotechnologie müssen verstärkt Einzug in die Lehrpläne an den Schulen erhalten und es muss eine<br />
noch intensivere Lehrerfortbildung stattfinden.<br />
6. Verbesserte Verbraucheraufklärung (natürlich auch durch die Industrie) und noch bessere Aufklärung, dass die grüne<br />
Biotechnologie ein sehr großes Arbeitsplatzpotenzial und Umsatzpotenzial weltweit hat.“<br />
Dr. Dieter Stelling, Leiter <strong>der</strong> Züchtungsforschung <strong>der</strong> Deutschen Saatveredelung Lippstadt-Bremen GmbH<br />
„Wenn Forschung und Entwicklung, Züchtung, Anbau und Verwertung von gentechnisch verän<strong>der</strong>ten Pflanzen politisch erwünscht<br />
und gewollt wird, bedarf es kurzfristig <strong>der</strong> Festlegung weiterer, realistischer und praktikabler Schwellenwerte für das zufällige<br />
Auftreten von GVOs in Saatgut, Erntegut und Verarbeitungsprodukten. Sobald GVO die S1-Räumlichkeiten, d. h. S1-Labor und<br />
S1-Gewächshaus, verlassen, ist das Auftreten von zufälligen Beimischungen dieser GVOs nicht mehr 100%-ig auszuschließen,<br />
d. h. ein Schwellenwert von 0,0 % ist nicht mehr in jedem Einzelfall machbar. Daher besteht die Notwendigkeit für einen<br />
technischen Schwellenwert von mindestens 0,1 % für alle je ins Freiland gebrachten, transgenen Pflanzen. Schließlich haben diese<br />
zumindest im Rahmen des Antragsverfahrens für Freilandprüfungen bereits jeweils eine wissenschaftliche Bewertung hinsichtlich<br />
ihrer Sicherheit, ihrer Unbedenklichkeit für Mensch, Tier und Umwelt erfahren. Gefragt ist die Festlegung von Regeln, die auch<br />
tatsächlich Koexistenz unterschiedlicher Anbau- und Wirtschaftsformen mit und ohne GVO ermöglichen und nicht einseitig<br />
zugunsten einer spezifischen verhin<strong>der</strong>n.“<br />
51
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Dr. Hans Kast, Geschäftsführer <strong>der</strong> BASF Plant Science<br />
Pflanzenbiotechnologie – Europa vor <strong>der</strong> Entscheidung<br />
Die Pflanzenbiotechnologie hat sich in den letzten zehn Jahren zu einem bedeutenden<br />
Wirtschaftsfaktor entwickelt: Heute werden Pflanzen mit neuen agronomischen<br />
Eigenschaften von mehr als acht Millionen Landwirten auf über 81 Millionen Hektar in<br />
siebzehn Län<strong>der</strong>n angebaut. Der Trend <strong>der</strong> letzten Jahre – jährliche Steigerungsraten <strong>der</strong><br />
Anbauflächen bis zu 20 Prozent – unterstreicht die Bedeutung dieses Wachstumsmarktes.<br />
Dabei ist das Potenzial <strong>der</strong> Pflanzenbiotechnologie heute bei<br />
weitem noch nicht ausgeschöpft. Bislang werden nur die<br />
gentechnisch optimierten Nutzpflanzen <strong>der</strong> ersten Generation<br />
mit verbesserten agronomischen Merkmalen wie<br />
Insektenresistenz o<strong>der</strong> Herbizidtoleranz kommerziell angebaut.<br />
Der Wert <strong>der</strong> gentechnisch verän<strong>der</strong>ten landwirtschaftlichen<br />
Erzeugnisse liegt bereits in <strong>der</strong> Größenordnung von 50<br />
Milliarden Dollar pro Jahr.<br />
Aber die Pflanzen <strong>der</strong> 2. und 3. Generation befinden sich<br />
schon auf dem Weg zum Markt: In Zukunft werden beispielsweise<br />
pilz- und trockenheitsresistente Pflanzen eine neue Ära<br />
des Pflanzenschutzes markieren. Kulturarten mit einem<br />
erhöhten Gehalt an Ölen, Stärke o<strong>der</strong> Vitaminen werden die landwirtschaftliche<br />
Wertschöpfungskette revolutionieren und liefern hochqualitative Lebens- und<br />
Futtermittel o<strong>der</strong> sind wertvolle Quellen für nachwachsende Rohstoffe. Man erwartet<br />
durch innovative Produkte <strong>der</strong> Pflanzenbiotechnologie ein Marktvolumen bis zu 500<br />
Milliarden US-Dollar.<br />
Die BASF Plant Science entwickelt selbst Pflanzen für eine effizientere Landwirtschaft,<br />
für gesün<strong>der</strong>e Ernährung sowie als „Grüne Fabriken“ zur Erzeugung von nachwachsenden<br />
Rohstoffen. Wir entwickeln beispielsweise Ölpflanzen, bei denen <strong>der</strong> Anteil<br />
von Omega-3-Fettsäuren und mehrfach ungesättigten Fettsäuren erhöht ist. Die<br />
ernährungsphysiologischen Merkmale dieser gentechnisch optimierten Pflanzenöle –<br />
eine effektive Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen – werden den Verbrauchern<br />
erstmals direkte Vorteile bieten. Eine Kartoffel mit verän<strong>der</strong>ter Stärkezusammensetzung<br />
für den Einsatz als nachwachsen<strong>der</strong> Rohstoff in <strong>der</strong> Papier-, Textil- und Klebstoffindustrie<br />
befindet sich im europäischen Genehmigungsverfahren.<br />
Für die BASF ist die Bio- und Gentechnik eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Sie macht Produkt- und Verfahrensinnovationen möglich, die durch<br />
konventionelle Verfahren nicht o<strong>der</strong> nur aufwendig zu erzielen sind. Die führende Rolle,<br />
welche die BASF in den Bereichen Landwirtschaft und Ernährung einnimmt, baut sie<br />
durch die verantwortungsvolle Nutzung <strong>der</strong> Biotechnologie weiter aus.<br />
Aus diesem Grund arbeitet die BASF Plant Science an sieben Standorten in Europa und<br />
Nordamerika mit mehr als 400 Mitarbeitern. Dazu gehören Unternehmen wie<br />
Metanomics in Berlin mit innovativen Methoden des „Metabolic Profiling“ zur<br />
Genfunktionsanalyse o<strong>der</strong> SunGene in Gatersleben mit dem Schwerpunkt des<br />
„Metabolic Engineering“ von Pflanzen, ebenso wie DNA LandMarks in Kanada, führend in<br />
<strong>der</strong> Entwicklung genetischer Markersysteme für Pflanzen, und ExSeed in Iowa, fokussiert<br />
auf neuartige Maissorten für die Tierernährung.<br />
In diesem Technologieverbund einschließlich unserer Partner in Wissenschaft und<br />
Industrie sind wir in <strong>der</strong> Lage, unsere Entwicklungsprojekte von<br />
<strong>der</strong> Genfindung über die Entwicklung im Gewächshaus und<br />
Freiland bis zur Markteinführung voranzutreiben. Die regionale<br />
Positionierung mit Schwerpunkt in Europa und Nordamerika<br />
resultiert aus <strong>der</strong> Bedeutung des wissenschaftlichen Umfelds<br />
einerseits und <strong>der</strong> wichtigen Märkte an<strong>der</strong>erseits.<br />
Lei<strong>der</strong> hat Europa das wissenschaftliche Potenzial bisher nicht<br />
genutzt, um eine führende Rolle auf dem Weltmarkt mit<br />
Produkten <strong>der</strong> Pflanzenbiotechnologie zu spielen. Im Gegenteil,<br />
Europa hat die Chance, dieses Potenzial zu nutzen, beinahe<br />
bereits verspielt. Das De-facto-Moratorium für den Import und<br />
Anbau gentechnisch verän<strong>der</strong>ter Pflanzen von 1998 bis 2004<br />
führte zu einer Lähmung <strong>der</strong> Forschung und Entwicklung in<br />
Europa. Mittlerweile hat die Europäische Union dies behoben. Heute haben wir eine <strong>der</strong><br />
strengsten Richtlinien für das so genannte Inverkehrbringen gentechnisch verän<strong>der</strong>ter<br />
Pflanzen weltweit. Basierend auf <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach Wahlfreiheit, Transparenz und<br />
Koexistenz verschiedener Landwirtschaftsformen, entstanden detaillierte Verordnungen<br />
für die Genehmigung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit.<br />
Dennoch verhin<strong>der</strong>t die fehlende o<strong>der</strong> mangelhafte Umsetzung <strong>der</strong> europäischen<br />
Gesetzesvorgaben in einigen EU-Mitgliedsstaaten den kommerziellen Einsatz <strong>der</strong><br />
gentechnisch verbesserten Produkte weiterhin. Die Novellierung des Gentechnikgesetzes<br />
in Deutschland ist dafür ein Negativbeispiel.<br />
Eine <strong>der</strong>artige Politik, die einen aufstrebenden Technologiezweig fortlaufend behin<strong>der</strong>t,<br />
richtet sich gegen Innovationen, neue Produkte und neue Arbeitsplätze. Sie führt zur<br />
Abwan<strong>der</strong>ung von Experten und Know-how.<br />
Noch sind wir in Europa in <strong>der</strong> Lage, eine bedeutende Rolle zu übernehmen – basierend<br />
auf unserer wettbewerbsfähigen Wissenschafts- und Technologieinfrastruktur,<br />
unterstützt durch nationale und europäische Forschungsprogramme und vorangetrieben<br />
durch die Innovationskraft <strong>der</strong> europäischen Industrie. Um dieses Ziel zu erreichen,<br />
müssen die EU-Mitgliedsstaaten jetzt endlich positive Signale setzen und praktikable<br />
Lösungen zum Nebeneinan<strong>der</strong> verschiedener Landwirtschaftsformen finden. Län<strong>der</strong> wie<br />
Spanien, die Nie<strong>der</strong>lande o<strong>der</strong> Schweden zeigen, dass dies möglich ist.<br />
www.basf.de/biotechnologie<br />
52 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Molecular Pharming<br />
Es wurden mittlerweile mehrere pflanzliche Produktionssysteme<br />
für rekombinante Proteine entwickelt, von denen einige<br />
bereits Marktreife erreichen. Unterschieden wird dabei in verschiedene<br />
Systeme, wie die Vermehrung im abgeschlossenen<br />
Bioreaktor mit Pflanzenzellkulturen (z. B. Tabak und Reis),<br />
Algen, Wasserlinsen und Moos. Daneben konzentrieren sich<br />
manche Firmen auf die Proteinproduktion in Pflanzen für den<br />
Feld- o<strong>der</strong> Gewächshausanbau, etwa bei Tabak, Mais, Luzerne,<br />
Raps und an<strong>der</strong>en.<br />
Es kann auch differenziert werden zwischen transienter (meist<br />
viraler Expression) und stabiler Transformation. Außerdem gibt<br />
es Systeme für die Expression in bestimmten Pflanzenteilen und<br />
Organellen. Um die Proteinproduktion in bestimmten Pflanzenorganen<br />
zu konzentrieren, kann die Expression und Speicherung<br />
des rekombinanten Proteins in Blättern, Samen, Früchten<br />
und Speicherorganen erfolgen.<br />
Des Weiteren stellt die Bindung <strong>der</strong> Proteine in intrazellulären<br />
Ölkörperchen o<strong>der</strong> Proteinkomplexen eine geeignete Methode<br />
zur vereinfachten Aufreinigung dar.<br />
Die Gefahr <strong>der</strong> Verunreinigung <strong>der</strong> Nahrungskette mit Medikamenten<br />
produzierenden gv-Pflanzenbestandteilen wird <strong>der</strong>zeit<br />
kontrovers diskutiert. Eine gute, fachliche Anbaupraxis sowie<br />
technologische Neuerungen sollten dem wirksam entgegenwirken<br />
können. Die Verbreitung des transgenen Pollens wird<br />
beispielsweise durch die Transformation nur <strong>der</strong> Plastiden (bzw.<br />
<strong>der</strong> Chloroplasten) einer Pflanzenlinie fast vollständig verhin<strong>der</strong>t,<br />
da die meisten Pflanzenarten im Pollen keine Plastiden<br />
tragen. Ferner sind die Proteinausbeuten durch Plastidtransformation<br />
meist beachtlich hoch; ein Nachteil jedoch sind die<br />
fehlenden posttranslationellen Modifikationen <strong>der</strong> Proteine. Die<br />
deutsche Firma Icon Genetics präsentierte 2004 ein Hochexpressionssystem<br />
für Proteine (magnICON) in Blattzellen,<br />
welche mittels Agrobakterien mit entschärften RNA-Virenvektoren<br />
transformiert werden. Die Proteinproduktion soll<br />
mehrere hun<strong>der</strong>t Kilogramm pro Hektar Anbaufläche betragen.<br />
Die Pharma-Industrie beobachtet die Bemühungen <strong>der</strong> weltweit<br />
10–30 Start-ups auf diesem Gebiet zwar intensiv, legt sich<br />
allerdings außer einigen strategischen Kooperationen (noch)<br />
nicht definitiv fest.<br />
Pharma-Firmen brauchen verlässliche Standards zur Expression<br />
und ein überzeugendes Proof-of-Concept, das bis zu klinischen<br />
Studien reicht. Da die Etablierung einer neuen Proteinproduktionstechnik<br />
ein Engagement für viele Jahre bedeutet, wagt<br />
kaum eine Pharma-Firma den ersten großen Schritt.<br />
Zugleich konnte die US-Firma Dow 2004 mit dem NIH ein<br />
vierjähriges Forschungsvorhaben mit einem Budget von 5,7<br />
Mio. US-$, abschließen; eine Außenstelle <strong>der</strong> Fraunhofer-<br />
Gesellschaft ist daran mit beteiligt. Dabei geht es um die Produktion<br />
von Impfstoffen in Pflanzen. Über den Anbau im<br />
Gewächshaus soll <strong>der</strong> Impfstoff nach <strong>der</strong> Etablierung <strong>der</strong> Technologie<br />
in drei bis vier Monaten produziert werden können.<br />
Mit mehr als 12 Mio. € wird das 2004 ins Leben gerufene<br />
Pharma-Planta-Konsortium von <strong>der</strong> EU unterstützt. Die 12<br />
Län<strong>der</strong> übergreifende Initiative möchte die beson<strong>der</strong>s Erfolg<br />
versprechenden Methoden zur Impfstoffproduktion in Pflanzen<br />
bis zur Klinikreife etablieren.<br />
Weitere Entwicklungen<br />
Die Auskreuzung von gv-Sorten in Wildformen o<strong>der</strong> konventionelle<br />
Anbausorten durch Pollendrift und Auswil<strong>der</strong>ung<br />
stellen einen Kritikpunkt in <strong>der</strong> Diskussion um GVO dar. Dabei<br />
muss man die Wahrscheinlichkeiten von Sorte zu Sorte unterscheiden;<br />
Rapspollen beispielsweise wird weiträumiger verbreitet<br />
als Maispollen; Kartoffeln halten sich nicht außerhalb von<br />
Ackerflächen; Maispflanzen sind nicht winterhart und bringen<br />
kaum Durchwuchs.<br />
Um die unkontrollierte Verbreitung von gv-Pflanzen weiter<br />
einzugrenzen, gibt es verschiedene Forschungsansätze:<br />
• nicht-sexuelle Samenentstehung, ohne Befruchtung<br />
(Apomixis)<br />
• Samenbefruchtung ohne Blütenöffnung (Kleistogamie)<br />
• Nicht keimungsfähige Samen (Samensterilität, Terminatortechnik)<br />
• Nicht befruchtungsfähige Pollen bzw. männliche Sterilität<br />
• Einbringung des Transgens nur in die Chloroplasten, die<br />
meist nicht mit dem Pollen verbreitet werden.<br />
Nur die Samen- und Pollensterilität sowie die Chloroplastentechnik<br />
sind inzwischen marktnah entwickelt.<br />
53
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Ein weiterer Kritikpunkt sind die aus technischen Gründen in<br />
die Pflanze übertragenen Markergene (Antibiotika- und Herbizidresistenzgene).<br />
Diese werden zum Nachweis einer erfolgreichen<br />
Transformation benötigt, könnten aber unter Umständen<br />
an an<strong>der</strong>e Organismen in <strong>der</strong> Natur weitergegeben werden.<br />
Diese Probleme können zukünftig durch neuartige Marker<br />
umgangen werden, etwa indem das Markergen nach erfolgter<br />
Selektion in <strong>der</strong> Pflanze selbst ausgeschnitten wird (Cre-Lox-<br />
System). Einen neuen Weg beschreibt die deutsche Firma Icon<br />
Genetics für die Plastidentransformation: Das Transgen wird im<br />
Austausch gegen eine Antibiotikaresistenz<br />
einer bereits<br />
transgenen Tabaklinie eingebracht.<br />
In 2004 wurde auch ein alternatives<br />
Markersystem, basierend<br />
auf einem Gen, welches<br />
die zu selektierenden Keimlinge<br />
in Gegenwart bestimmter<br />
Aminosäuren entwe<strong>der</strong><br />
wachsen lässt o<strong>der</strong> nicht,<br />
vorgestellt.<br />
Auch Alternativen zur Agrobakterien-Transformation<br />
wurden in 2004 präsentiert:<br />
Die Gene zur Pflanzeninfektion<br />
wurden von australischen<br />
Internationale Entwicklung neuartiger Eigenschaften<br />
(Forschung und Industrie; Auszug)<br />
Wissenschaftlern in drei weitere Bakterien transferiert, die<br />
somit auch Pflanzenzellen transformieren können. Die Ergebnisse<br />
wurden im Rahmen einer patentfreien Nutzung (Open<br />
Source) auf einer offenen Plattform zur freien Verwendung zur<br />
Verfügung gestellt („Biological Innovation for Open Society“,<br />
www.bios.net). Dort sollen in Zukunft weitere biotechnologische<br />
Werkzeuge gesammelt und veröffentlicht werden.<br />
Transgene Bäume sind erst seit kurzem Ziel intensiverer<br />
Forschung. Die Industrie erhofft sich schneller wachsende Biomasse<br />
und Bäume mit verän<strong>der</strong>ter Holzzusammensetzung<br />
(Ligninanteil) zur verbesserten Weiterverarbeitung. Einige<br />
Län<strong>der</strong> wie China schaffen hier bereits durch Anpflanzungen<br />
Fakten, und etwa fünf Firmen weltweit haben sich auf transgene<br />
Bäume spezialisiert.<br />
• Pilz-, Virus- und Nematodenresistenz<br />
• Stärke-, Fettsäuren-, Zucker- und Proteinzusammensetzung;<br />
langkettige Fettsäuren in transgenen Pflanzen<br />
• Rekombinante Proteinproduktion<br />
• Herstellung wertvoller Metabolite (Erhöhte Chlorogensäureproduktion<br />
in Tomaten, „Golden Rice 2“)<br />
• Erhöhte Haltbarkeit<br />
• Entfernung von Allergenen<br />
• Salz-, Trocken- und Kältetoleranz (Kältetolerantere<br />
Maispflanzen durch ein Tabakgen)<br />
• Wachstum und Ertrag<br />
• Entgiftung kontaminierter Böden<br />
• Verän<strong>der</strong>ung von Farbe und Geschmack<br />
Neben den dominierenden Linien mit Herbizid- und Insektenresistenz<br />
werden zukünftig gv-Pflanzen <strong>der</strong> so genannten 2. und<br />
3. Generation den Markt erreichen. Diese Pflanzen werden<br />
nicht nur für die Nahrungsmittelindustrie interessant sein, son<strong>der</strong>n<br />
werden viele Anwendungen von Nischenprodukten bis zur<br />
alternativen Quelle für Feinchemikalien finden.<br />
Die Forschung in Deutschland wird hauptsächlich durch<br />
BMBF-Programme geför<strong>der</strong>t. GABI (Genomanalyse im biologischen<br />
System Pflanze) wird beispielsweise mit circa 10<br />
Mio. € pro Jahr unterstützt,<br />
und zunehmend in europäische<br />
Kooperationen (z. Z.<br />
Frankreich und Spanien)<br />
eingebunden.<br />
Aus dem Programm<br />
„NAPUS 2000 – gesunde<br />
Lebensmittel aus transgener<br />
Rapssaat“ ging im letzten<br />
Jahr am Leibniz-Institut für<br />
Pflanzenbiochemie (IPB) in<br />
Halle gv-Raps mit reduziertem<br />
Bitterstoffgehalt hervor;<br />
damit könnte Raps eine<br />
alternative Futterpflanze darstellen.<br />
Die australische Firma<br />
Florigene, Teil des japanischen Getränkeherstellers Suntory,<br />
kündigte 2004 die Entwicklung <strong>der</strong> ersten blau-violetten Rosen<br />
an. Dabei wurde ein Stiefmütterchen-Gen in Rosen übertragen.<br />
Transgene, violette Nelken (mit einem Petunien-Gen) werden<br />
von <strong>der</strong> Firma bereits seit einigen Jahren vermarktet, mittlerweile<br />
auch in Deutschland. In Asien, beson<strong>der</strong>s auch in China<br />
und Taiwan, gibt es verstärkte Bemühungen, Zierpflanzen mit<br />
neuen Farbkompositionen zu erzeugen.<br />
Mitte Januar diesen Jahres hat sich nach drei Verhandlungsrunden<br />
im Bundeskanzleramt das Verbraucherministerium mit<br />
dem Bundesforschungs- und Bundeswirtschaftsministerium auf<br />
gemeinsame Eckpunkte für ein novelliertes Gentechnik-Gesetz<br />
geeinigt. Das Gesetz wurde Mitte Februar beschlossen und<br />
damit die Freisetzungsrichtlinie <strong>der</strong> EU zu transgenen Pflanzen<br />
umgesetzt. Geregelt werden vor allem die Risikobewertung, das<br />
Risikomanagement, die Kennzeichnung und die Überwachung<br />
von gentechnisch verän<strong>der</strong>ten Organismen.<br />
54 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Dr. Ludger Benning, CEO, und Dr. Gregor Benning,<br />
Genistry GmbH Köln<br />
Das Potenzial von Pflanzen für die Weiße Biotechnologie<br />
Angesichts <strong>der</strong> Endlichkeit <strong>der</strong> Rohstoffgrundlage und <strong>der</strong> Umweltprobleme durch<br />
fossilen Ressourcenverbrauch wird die Mo<strong>der</strong>nisierung von Rohstoffsystemen zu einem<br />
entscheidenden Kriterium nachhaltiger Entwicklung. Der Landwirtschaft kommt eine<br />
beson<strong>der</strong>e Rolle bei <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung unserer Rohstoffversorgung zu, da sie <strong>der</strong><br />
wichtigste Produzent von Biomasse im Sinne von industriellen Maßstäben ist. Die<br />
Vorteile pflanzlicher Produktionsprozesse können wie folgt benannt werden: sie sind<br />
nicht auf fossile Ressourcen angewiesen, sie sind wesentlich effizienter in Bezug auf<br />
Energieverbrauch und CO 2 -Ausstoß und ihre Abfälle und Produkte sind biologisch<br />
abbaubar. Pflanzliche Produktionsprozesse<br />
leisten daher einen wichtigen<br />
Beitrag zu einer nachhaltigen Versorgung<br />
mit Produkten des alltäglichen<br />
Lebens.<br />
Ansatz von Genistry<br />
Die Kölner Firma Genistry ist weltweit<br />
erstmals in <strong>der</strong> Lage, komplexe Lipide<br />
in Pflanzen zu produzieren. Durch die<br />
Einschleusung geeigneter Gene wird<br />
<strong>der</strong> Stoffwechsel von Pflanzen in <strong>der</strong><br />
Weise verän<strong>der</strong>t, dass natürlich vorkommende,<br />
pflanzliche Membranlipide o<strong>der</strong> modifizierte Formen dieser Pflanzeninhaltsstoffe<br />
verstärkt produziert werden. Hierzu wird ein virales, transientes Expressionssystem<br />
genutzt, das den Einsatz von stabil genetisch modifizierten Pflanzen umgeht. Die<br />
Pflanzen werden zeitlich und räumlich begrenzt genetisch verän<strong>der</strong>t, um das gewünschte<br />
Lipid zu synthetisieren. Eine Freisetzung genetisch verän<strong>der</strong>ter Pflanzen ist dabei nicht<br />
notwendig. Somit werden Pflanzen als Bioreaktoren zur gentechnischen Synthese mit<br />
den höchsten Qualitäts- und Sicherheitsstandards genutzt. Auf diese Art und Weise<br />
können insbeson<strong>der</strong>e chemisch komplex aufgebaute Pflanzenlipide erstmals ökonomisch<br />
vorteilhaft extrahiert werden.<br />
Genistry arbeitet daher an <strong>der</strong> Grenzfläche zwischen Grüner und Weißer Biotechnologie.<br />
Das Konzept nachwachsen<strong>der</strong> Rohstoffe wird im Sinne von nachwachsenden Endprodukten<br />
weiterentwickelt: Die Firma nutzt die Instrumente <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie, um<br />
die Produkte <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie, wie Feinchemikalien, Lebensmittelzusatzstoffe,<br />
Futtermitteladditive und Pharmavorprodukte, zu produzieren. Neben dem Einsatz<br />
nachhaltiger Produktionsverfahren setzt das Geschäftskonzept von Genistry auf die<br />
Entwicklung und Kommerzialisierung von hochwertigen, biologisch aktiven und<br />
patentgeschützten Lipiden. Der Markt umfasst alle in <strong>der</strong> Pharma-, Kosmetik-, Nahrungsmittel-<br />
und Futtermittelindustrie verwendeten Lipide. Genistry adressiert somit den<br />
Spezialchemikalienmarkt mit <strong>der</strong>zeit signifikanten Wachstumschancen für nutraceuticals,<br />
cosmeceuticals, biopharmaceuticals und nanomaterials.<br />
Das Geschäftskonzept sieht vor, dass Genistry seine Kunden mit den aufgereinigten<br />
Lipiden einschließlich des kompletten Produktions- und F&E-Prozesses beliefert.<br />
Langfristig soll Genistry in <strong>der</strong> Lage sein, Abnehmern gegenwärtig verfügbare Lipide zu<br />
deutlich geringeren Preisen und völlig neuartige Lipide anzubieten.<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
Nach abgeschlossener Frühphase, in <strong>der</strong> die ersten Geschäftsaktivitäten wie Erstellung<br />
eines tragfähigen Businessplans, die Darstellung des technischen proof of principle<br />
bezüglich des Lipidproduktionssystems und Sicherung <strong>der</strong> ersten Patente für das<br />
Patentportfolio durchgeführt wurden, stellt sich Genistry nun <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Realisierung <strong>der</strong> Erstrundenfinanzierung. Unabdingbare Basis für das Erreichen dieses<br />
Meilensteins mit Hilfe von Risikokapital ist die Darstellung <strong>der</strong> Marktfähigkeit <strong>der</strong><br />
Lipidprodukte.<br />
Für die Geschäftsentwicklung präsentierte<br />
Genistry sein Produktportfolio<br />
weltweit operierenden Spezialchemikalienherstellern.<br />
Die Resonanz zeigte,<br />
dass alle Produkte hohe Marktchancen<br />
aufweisen. Das Potenzial,<br />
Wertschöpfung mit den Patentgeschützten<br />
Produkten von Genistry<br />
zu realisieren, wurde positiv von<br />
potentiellen Zielkunden bewertet.<br />
Investoren zögern allerdings zur Zeit<br />
mit Investitionen in Frühphasen-Geschäftskonzepte, da <strong>der</strong>en Investitionsfokus wenn<br />
überhaupt klar auf Unternehmen in einem späteren Entwicklungsstadium liegt. Eine<br />
Möglichkeit die gefor<strong>der</strong>te, vorwettbewerbliche Produktentwicklung <strong>der</strong>zeit in<br />
Deutschland zu realisieren, besteht in <strong>der</strong> Akquisition von öffentlichen Forschungsgel<strong>der</strong>n<br />
im Rahmen einer Zusammenarbeit mit akademischen Partnern.<br />
Fazit<br />
Aus unserer Sicht wird die zukünftige Entwicklung <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie auch von<br />
<strong>der</strong> Verfügbarkeit und <strong>der</strong> Integration neuer Technologien aus dem Bereich Grüner<br />
Biotechnologie geprägt werden. Treiben<strong>der</strong> Faktor für diesen Trend ist allerdings die<br />
Bereitstellung neuartiger Produkte mit innovativen Eigenschaften, die durch entsprechende<br />
Studien belegt werden. Technologien <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie werden<br />
somit zum Ausgangspunkt für innovative Feinchemikalienprodukte. Für die Weiße<br />
Biotechnologie eröffnen nachwachsende Endprodukte zugleich neue Absatz- und<br />
Einkommenschancen jenseits von klassischen Fermentationsprozessen. Hierdurch<br />
werden neue Impulse für die Wertschöpfung innerhalb des Spezialchemikalienmarktes<br />
erwartet, die wie<strong>der</strong>um zu verstärkten Investitionen in Unternehmen wie Genistry führen<br />
werden. Derzeit fehlen aber geeignete finanzielle Instrumente sowohl aus dem institutionellen<br />
als auch aus dem öffentlichen/staatlichen Bereich, um als Start-up-Unternehmen<br />
eine Produktentwicklung in einem Hochtechnologiesektor durchführen zu können.<br />
www.genistry.com<br />
55
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
2.4 Entwicklungen in <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie<br />
Das vergangene Jahr hat eine Reihe an Initiativen zur Weißen<br />
Biotechnologie gebracht.<br />
Vorreiter waren hier die europäischen Dachverbände für<br />
Chemie und Biotechnologie (Cefic – European Chemical<br />
Industry Council und EuropaBio) sowie die Europäische<br />
Kommission, die Anfang Juli 2004 die gemeinsame Initiative<br />
„European Technology Platform for Sustainable Chemistry“ ins<br />
Leben riefen. Dieses Technologie-Forum soll auf europäischer<br />
Ebene Industrie, Forschungszentren, die Finanzwelt und<br />
Behörden mit dem Ziel zusammenführen, eine strategische<br />
Forschungsagenda für den Sektor nachhaltige Chemie auszuarbeiten.<br />
Zu den Themen gehören drei Schlüsseltechnologiebereiche:<br />
industrielle (Weiße) Biotechnologie, Werkstofftechnologie,<br />
Reaktions- und Prozessdesign sowie themenübergreifende<br />
Fragen wie Umwelt, Gesundheit, Sicherheit, Bildung<br />
und Ausbildung, Forschungsinfrastrukturen und Zugang zu<br />
Risikokapital.<br />
Der Verband EuropaBio befasst sich bereits seit längerem mit<br />
<strong>der</strong> Weißen Biotechnologie. So wurde 2003 ein Report mit<br />
sechs Fallbeispielen aus <strong>der</strong> Industrie veröffentlicht, in denen<br />
die Weiße Biotechnologie signifikant zu Nachhaltigkeit und<br />
Kosteneinsparung beigetragen hat. Aufgezählt werden die<br />
Vitamin-B2-Produktion bei BASF, eine Antibiotikaherstellung<br />
von DSM, die Textilbehandlung durch Enzyme von Novozymes,<br />
die Biopolymersynthese aus Maisgrundstoffen von<br />
DuPont und Cargill und ein Szenario zur Grundchemikalienherstellung<br />
aus Biomasse.<br />
Auf europäischer Ebene engagiert sich auch die in <strong>der</strong> European<br />
Fe<strong>der</strong>ation of Biotechnology (EFB) organisierte Sektion ESAB<br />
(European Society for Applied Biocatalysis) für eine erhöhte<br />
Wahrnehmung und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie.<br />
Fast zeitgleich zur europäischen Initiative präsentierte <strong>der</strong> US-<br />
Biotechnologieverband BIO ein Strategiepapier mit dem Titel<br />
„New Biotech Tools for a Cleaner Environment“. Eine weitere<br />
erfolgreiche Initiative <strong>der</strong> BIO stellen hier auch die „Wall Street<br />
Briefings“ zu mo<strong>der</strong>ner, industrieller Biotechnologie dar.<br />
Die Initiativen auf europäischer Ebene haben auch in Deutschland<br />
zu vermehrten Aktivitäten im Bereich <strong>der</strong> Kommerzialisierung<br />
<strong>der</strong> Weißen Biotechnologie geführt.<br />
So veröffentlichte die DECHEMA (Gesellschaft für Chemische<br />
Technik und Biotechnologie) Ende 2004 ein ausführliches Positionspapier<br />
zur Weißen Biotechnologie und organisierte Expertentreffen<br />
gemeinsam mit dem DIB/VCI (Deutsche Industrievereinigung<br />
Biotechnologie/Verband <strong>der</strong> Chemischen Industrie).<br />
Jüngst wurde erstmalig in einem größeren Rahmen die Kommerzialisierung<br />
<strong>der</strong> Weißen Biotechnologie adressiert: Im<br />
Februar 2005 wurde auf dem Forum „Weiße Biotechnologie –<br />
Erfolgsstrategien für eine nachhaltige Chemieindustrie“ <strong>der</strong><br />
Start einer nationalen Plattform zur Vernetzung <strong>der</strong> Akteure<br />
bekannt gegeben.<br />
Einige Thesen sowie Aussagen dieser Konferenz finden sich in<br />
nachfolgenden Übersichten zusammengefasst.<br />
Thesen zum Kongress „Weiße Biotechnologie – Erfolgsstrategien für eine nachhaltige Chemieindustrie“, Berlin 2005<br />
Quelle: www.weisse-biotechnologie.net<br />
Weiße Biotechnologie …<br />
1. ist ein Thema für Erhalt und Ausbau <strong>der</strong> Kompetitivität <strong>der</strong> chemischen Industrie und damit eins <strong>der</strong> zentralen Zukunftsthemen.<br />
2. bietet ökonomisch und ökologisch erfolgreiche Prozesse und Produkte.<br />
3. wird zukünftig entscheiden<strong>der</strong> durch erfolgreiche KMU bestimmt.<br />
4. hier sind deutsche und europäische Unternehmen internationale Technologieführer.<br />
5. verkürzt Innovationszyklen durch aktuelle technologische Durchbrüche.<br />
6. schafft mo<strong>der</strong>ne Kooperationsmodelle für Akademia, Biotech- und chemische Industrie.<br />
7. wird den Kapitalmarkt überzeugen.<br />
8. benötigt Aufmerksamkeit und Kommunikation.<br />
9. braucht einen starken Schulterschluss zwischen Industrie, Finanzwelt, Politik und Gesellschaft zum Nutzen aller.<br />
10. ist nachhaltig, sowohl in ökonomischer als auch in ökologischer und sozialer Hinsicht.<br />
56 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Ausgewählte Statements <strong>der</strong> Konferenz „Weiße Biotechnologie – Erfolgsstrategien für eine nachhaltige<br />
Chemieindustrie“ vom 21. bis 22.02.2005 in Berlin<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong><br />
Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, hielt die Eröffnungsrede mit dem Aufruf, alle nicht begründbaren<br />
Hemmnisse <strong>der</strong> Grünen, Roten und Weißen Biotechnologie abzubauen. Neben <strong>der</strong> Reform <strong>der</strong> Unternehmensbesteuerung seien<br />
weiterhin Kooperationsmöglichkeiten und Forschung zu för<strong>der</strong>n.<br />
Dr. Jürgen Hambrecht, Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> BASF AG und Präsident des VCI, betonte, dass Weiße Biotechnologie bereits zu<br />
einigen beachtlichen Erfolgen geführt habe, aber dennoch keinen generellen Ersatz für chemische Verfahren darstelle und nicht auf<br />
Knopfdruck einsetzbar sei. Um das Potenzial <strong>der</strong> nachwachsenden Rohstoffe zu nutzen, sei auch die Grüne Biotechnologie zu för<strong>der</strong>n.<br />
Laut Dr. Holger Zinke, Vorstandsvorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> BRAIN AG, muss die Weiße Biotechnologie aus dem Schatten des<br />
Spezialistentums heraustreten. Dabei ist Zusammenarbeit statt Grabenkämpfen gefragt, beispielsweise durch die Schaffung von<br />
industrienahen Kompetenzzentren. Das vorherrschende Geschäftsmodell sei die Kooperation, wobei die Kooperationsmodelle<br />
strukturell immer mehr etablierten Pharma-Biotech-Allianzen gleichen. Die Gewinnpotenziale seien zwar nicht unbeschränkt<br />
hoch, dafür aber sei auch das Risiko geringer. Typische Projekte mit <strong>der</strong> Industrie haben oft nur 1 bis 2 Jahre Entwicklungszeit.<br />
Dr. Christian Patermann, Direktor für Biotechnologie, Landwirtschaft und Ernährung bei <strong>der</strong> Sektion Forschung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission, bescheinigte <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie hohe Priorität in Brüssel. Län<strong>der</strong> wie die USA (Bioraffinerien), Japan<br />
(Aminosäuren), aber auch Indien, China, Kanada und Brasilien, bauten ihre Kompetenzen aus, so dass auch Europa durch<br />
Netzwerke und För<strong>der</strong>ung grenzüberschreiten<strong>der</strong> Kooperationen eigene Stärken aufbauen müsse.<br />
Dr. Jens Riese von McKinsey & Company, bezifferte den möglichen Anteil <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie am weltweiten<br />
Chemikalienumsatz in fünf Jahren auf 10 %, während er heute bei 5 % läge. Optimistischere Schätzungen von prospektiven 20 %<br />
seien eher als „Upside-Potential“ zu sehen. Abhängig sei dies von Rohstoffpreisen, Konsumentenakzeptanz, politischen<br />
Rahmenbedingungen und Mut zu Investitionen. Dabei dürfe man nicht nur von heutigen Kunden ausgehen, da die Industrie sehr<br />
dynamisch agiere.<br />
Dr. Gunter Festel von Festel Capital warnte davor, einen schnelllebigen Hype zu entfachen, da interessante, nachhaltige<br />
Investitionsmöglichkeiten gegeben seien. Firmen <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie zeigten in erster Linie schon als Start-up organisches<br />
Wachstum, Venture Capital habe dabei nur untergeordnete Bedeutung. IPOs würden nur in seltenen Fällen als Option angesehen,<br />
daher wären Trade Sales eine Alternative. Allerdings stünden Chemieunternehmen externen Investoren skeptisch gegenüber.<br />
Dr. Alfred Oberholz, Vorstand <strong>der</strong> Degussa AG, legte dar, dass die Grüne Biotechnologie notwendig sei, damit die Weiße<br />
Biotechnologie zum Tragen komme. Gentechnologie müsse bei nachwachsenden Rohstoffpflanzen möglich sein. Den Bereich<br />
Biokatalyse möchte Degussa in zehn Jahren größenmäßig verdoppeln.<br />
Hilmar Platz, Partner bei <strong>der</strong> Kayenburg AG, betonte die beachtliche Marktkapitalisierung einiger Firmen <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie,<br />
wie Novozymes, Genencor, Maxygen, Diversa und Senomyx. Es sei klar, dass diese Geschäftmodelle auf Spezialitätenchemie<br />
und nicht auf Bulkchemie basierten.<br />
Prof. Wim Soetaert von <strong>der</strong> Universität Gent fasste die nötigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche, weitere Entwicklung<br />
zusammen: Nötig seien erhöhte Wahrnehmung (beispielsweise durch Verwendung des Begriffes ‚Nachhaltigkeit‘ als<br />
Verkaufsargument) und begünstigte F&E (Steuern, För<strong>der</strong>ung von Anwendungsentwicklungen).<br />
Dr. Marc Schüler von DSM Venturing and Business Development, erläuterte, dass DSM ein Partner für Exits sei; dabei könne aber<br />
nicht in reine Forschungsergebnisse investiert werden, son<strong>der</strong>n nur in Unternehmen mit neuartigen Produktkandidaten.<br />
Dr. Thomas Höger, Lead-Analyst Biotechnologie bei <strong>der</strong> DZ BANK, sieht <strong>der</strong>zeit nur eine geringe Kapitalmarktrelevanz für die<br />
Weiße Biotechnologie in Deutschland, v. a. aufgrund fehlen<strong>der</strong> Unternehmensangaben über Umsatz- und Margenentwicklungen.<br />
Für Dr. Karl-Heinz Maurer von <strong>der</strong> Henkel KGaA sind bei Kooperationen die Schnelligkeit und ein „Freedom-to-Operate“ wichtig,<br />
indem die Partner neben dem Know-how auch die nötigen Patente halten.<br />
Der Wissenschaftsredakteur Dr. Norbert Lossau („Die Welt“) merkte an, dass die Weiße Biotechnologie als Begriff in <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
und selbst bei Redaktionen noch nicht bekannt sei. Durch eine neue Kategorisierung würden Kommunikationsprobleme erst<br />
geschaffen.<br />
57
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Dr. Holger Zinke, CEO BRAIN AG, Zwingenberg<br />
Die Weiße Biotechnologie ist die „dritte Welle“ <strong>der</strong><br />
Biotechnologie<br />
Selten wird die industrielle Biotechnologie als dynamisches Innovationsfeld wahrgenommen.<br />
Tatsächlich aber steht die chemische Industrie vor ähnlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
wie etwa die pharmazeutische Industrie. Es hat technologische<br />
Durchbrüche gegeben. Das Feld ist komplex und anspruchsvoll geworden, sodass über<br />
die internen Ressourcen <strong>der</strong> Unternehmen hinaus zunehmend externe Netzwerke in<br />
Anspruch genommen werden. Waren dies bisher noch akademische Gruppen, sind es<br />
heute auch spezialisierte Biotechunternehmen, die sich gezielt den Innovationsthemen<br />
<strong>der</strong> chemischen Industrie annehmen.<br />
Zunehmend wird deutlich, dass sich die Kooperationspartner auch auf <strong>der</strong><br />
Wertschöpfungskette anordnen: Risiko- und Chancenteilung durch<br />
Kooperationsmodelle, wie man sie aus <strong>der</strong> roten (Pharma-)<br />
Biotechnologie kennt. Diese haben sich dort bewährt und zur<br />
Etablierung einer zur Pharmaindustrie komplementären Biotech-<br />
Szene geführt. Es wird Aufgabe <strong>der</strong> europäischen und nationalen<br />
Initiativen sein, den Rahmen für die Entwicklung einer entsprechenden<br />
KMU-Infrastruktur zu stecken. Mit dem Berliner<br />
Kongress zur Weißen Biotechnologie, gemeinsam organisiert vom<br />
VCI, DIB, DBU und BRAIN wurden Vertreter <strong>der</strong> Politik, <strong>der</strong> Chemieund<br />
Biotechunternehmen und des Kapitalmarkts erstmals<br />
zusammengebracht. Die Gründung einer nationalen, verbandsübergreifenden<br />
Plattform zur Spiegelung <strong>der</strong> europäischen<br />
Initiativen von Kommission, CEFIC und EuropaBio war das Resultat.<br />
Die Initialzündung ist also erfolgt.<br />
Warum ist dieses Thema gerade jetzt so aktuell? In den vergangenen Jahren trafen<br />
technologische Durchbrüche etwa bei <strong>der</strong> mikrobiellen Genetik, <strong>der</strong> In-vitro-<strong>Evolution</strong>,<br />
des Metabolic Engineering und <strong>der</strong> Metagenomik auf eine innovationshungrige Chemieindustrie.<br />
Dieser Hunger resultiert aus den sich stark verteuernden petrochemischen<br />
Ressourcen und dem Margendruck durch asiatische Konkurrenz. Mit internen<br />
Kosteneinsparungs- und Synergienutzungsprogrammen ist heute nur noch wenig<br />
auszurichten, daher muss auf offensive Innovationsstrategien gesetzt werden.<br />
Und diese hat die Weiße Biotechnologie zu bieten: Sprunginnovationen im Prozessdesign<br />
durch Verwendung von Biokatalyseschritten, Nutzung nicht petrochemischer, nachwachsen<strong>der</strong><br />
Rohstoffe und, vielleicht am Wichtigsten, vollständig neue Produkte etwa<br />
bei Nutraceuticals o<strong>der</strong> Kosmetika. Die Durchdringung von Industrien wie Textil- und<br />
Papierchemie, Waschmittel und Körperpflege mit biologischen Lösungen hat erst<br />
begonnen.<br />
BRAIN ist ein auf dieses „emerging field“ <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie fokussiertes<br />
Unternehmen und hat sich im Rahmen von Zusammenarbeiten mit namhaften<br />
Chemieunternehmen zu einem europäisch führenden Spezialisten entwickelt. Seit <strong>der</strong><br />
Gründung 1993 wurden systematisch mikrobielle Stammsammlungen und die<br />
proprietären Metagenom® Technologien aufgebaut, was den schnellen Zugang zu<br />
Millionen von Stoffwechselleistungen <strong>der</strong> mikrobiellen Biodiversität erlaubt. Dies ist ein<br />
erheblicher Durchbruch, hält man sich vor Augen, dass bislang nur etwa 130<br />
verschiedene Biokatalysatoren industriell verwendet werden.<br />
BRAIN hat etwa Henkel, einem langjährigen Kooperationspartner mehrere hun<strong>der</strong>t völlig<br />
neuartige Waschmittelenzyme zur Verfügung gestellt. Diese Enzyme sind entscheidend<br />
für die Leistung <strong>der</strong> Waschmittel, für die Henkel als Premiummarkenartikler stetig die<br />
technologische Führerschaft sichern muss. Für Sandoz werden Enzyme zur Synthese<br />
von Antibiotikavorstufen, für den Lebensmittelzusatzstoffproduzenten Nutrinova<br />
neuartige Nutraceuticals entwickelt. Mit <strong>der</strong> Degussa hat BRAIN eine strategische<br />
Zusammenarbeit für das Service Center Biocatalysis vereinbart.<br />
Beson<strong>der</strong>s wichtig war für BRAIN, vielleicht aber auch als<br />
Signal für die Kompetitivität des Standorts, die im<br />
September 2004 bekannt gegebene Kooperation mit <strong>der</strong><br />
Genencor. Mit diesem aus den industriellen Biotech-<br />
Aktivitäten <strong>der</strong> Genentech hervorgegangenen US-Unternehmen<br />
wurde eine Zusammenarbeit an einer neuen<br />
Enzymplattform auf Basis <strong>der</strong> Metagenom® Technologien<br />
vereinbart. Dies mag als Indiz dafür dienen, dass die<br />
europäische Biotech-Szene in <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie<br />
keinen 10 bis 15-jährigen Entwicklungsrückstand zu<br />
beklagen hat. Hier ist man durchaus kompetitiv, eben „auf<br />
Augenhöhe“.<br />
Bis heute hat die BRAIN etwa 35 industrielle Kooperationen mit Fein- und<br />
Spezialchemieunternehmen erfolgreich bearbeitet, eine ausgezeichnete Reputation und<br />
häufig „preferred partner“ Status erworben. Seit Gründung wurde stets auf<br />
Kooperationsmodelle mit industriellen Partnern gebaut. Dadurch wurde eine initiale VC-<br />
Finanzierung entbehrlich, ein konservatives, stetiges Wachstum die Folge. Die<br />
Kooperationsstruktur dient nicht allein <strong>der</strong> Risikoteilung, son<strong>der</strong>n dem engen und<br />
vertrauensvollen Zusammenwirken mit <strong>der</strong> Industrie. Das Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> frühen<br />
Partnerschaft mag ein Spezifikum <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie sein: Da von Anfang an<br />
stets Produktionsthemen und Anlagendesign eine Rolle spielen, bleiben Entwicklungen<br />
ohne industriellen Partner meist lediglich Fingerübungen.<br />
Dass die chemische Industrie externe Netzwerke zunehmend schätzt und aktiv pflegt,<br />
zeigt, dass eine Arbeitsteiligkeit wie in <strong>der</strong> roten Biotechnologie die Zukunft ist. Die<br />
Einbindung <strong>der</strong> Kooperationspartner in die Wertschöpfungskette, also auch die<br />
angemessene Partizipierung an den Produkterfolgen wird zunehmend realisiert. BRAIN<br />
ist für die „dritte Welle <strong>der</strong> Biotechnologie“ bestens aufgestellt.<br />
www.brain-biotech.de<br />
58 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Anwendungen <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie<br />
Weiße Biotechnologie umfasst mo<strong>der</strong>ne, biotechnologische<br />
Verfahren und Produkte für industrielle Anwendungen. Im<br />
Zentrum stehen biokatalytische Prozesse von Mikroorganismen<br />
und <strong>der</strong>en Enzyme. Diese leisten verschiedenste Stoffumsetzungen,<br />
wodurch komplexe Moleküle wie Fein- o<strong>der</strong> Spezialchemikalien<br />
produziert werden können.<br />
Der europäische Industrieverband AMFEP (Association of<br />
Manufacturers and Formulators of Enzyme Products) listet über<br />
50 Enzyme auf, die industriell verwendet werden. Für die meisten<br />
dieser Enzyme gibt es rekombinante Expressionssysteme.<br />
Das gesamte Potenzial beginnt sich erst langsam abzuzeichnen:<br />
Optimistischen Schätzungen zufolge wird die Weiße Biotechnologie<br />
in einigen Jahren – vor allem durch den Einsatz in <strong>der</strong><br />
Chemie – weltweit einen Umsatz generieren, <strong>der</strong> dem <strong>der</strong> Roten<br />
Biotechnologie ebenbürtig sein wird.<br />
Optimierte o<strong>der</strong> neuartige Produktionsprozesse für die verarbeitende<br />
Industrie werden durch günstigere, Ressourcen schonende<br />
und effizientere Methoden <strong>der</strong> Biotechnologie möglich.<br />
Auch <strong>der</strong> Endverbraucher profitiert: Heutzutage verzichtet<br />
kaum ein Waschmittel auf optimierte Waschenzyme. Zudem<br />
werden zunehmend Lebensmittelzusatzstoffe, Vitamine und<br />
Aromen biotechnologisch hergestellt. Die Weiße Biotechnologie<br />
bedient sich dabei <strong>der</strong> Know-how-Bündelung und neuen<br />
Entwicklungen in Gentechnik, Mikrobiologie, Verfahrenstechnik,<br />
Chemie und Bioinformatik.<br />
Getragen wird <strong>der</strong> Trend von unterschiedlichen Interessen: Die<br />
chemische Industrie benötigt aufgrund des gewaltigen<br />
Konkurrenzdruckes aus Asien Produkt- und Prozess-Innovationen.<br />
Zum an<strong>der</strong>en werden von Politik und Umweltverbänden die<br />
naturentlastenden Effekte herausgehoben, da biochemische<br />
Prozesse meist weniger Energie- und Rohstoffeinsatz benötigen<br />
und daher in vielen Fällen „nachhaltiger“ sind. Eine vergleichbare<br />
Motivation liegt darin, mittels Biokraftstoffen und<br />
Biomaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen unabhängiger<br />
von <strong>der</strong> Petrochemie zu werden.<br />
Industrielle Anwendungen <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie<br />
nach Branche<br />
Chemieindustrie<br />
Lebensmittelindustrie<br />
• Waschmittelenzyme • Getränkeherstellung<br />
• Fein- und<br />
• Fleischwarenherstellung<br />
Spezialchemikalien • Zusatzstoffe, Functional<br />
• Lösungsmittel<br />
Food<br />
• Polymere und Verpackungen<br />
(Biopolymere) • Backwaren<br />
• Zucker- und Ölverarbeitung<br />
• Kraftstoffe<br />
• Käseherstellung<br />
Textilindustrie<br />
Agro-Industrie<br />
• Textilherstellung und • Pflanzenschutzmittel<br />
-behandlung<br />
• Viehzucht (Phytase und<br />
• Le<strong>der</strong>behandlung<br />
Zusatzstoffe)<br />
Papierindustrie<br />
Pharma- und<br />
• Papierherstellung<br />
Kosmetikindustrie<br />
Umwelttechnologien • Pharmavorstufen (small<br />
• Abwasser-, Abluft- und molecules, Proteine)<br />
Abfallbehandlung<br />
• Medizinische Beschichtungen<br />
• Dekontaminierung<br />
(Biopolymere)<br />
Nachwachsende Rohstoffe<br />
Somit wird <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong> nachwachsenden Rohstoffe des<br />
Öfteren in Zusammenhang mit <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie<br />
gebracht. Dennoch stellen diese keine essentielle Triebfe<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
industriellen Biotechnologie dar, son<strong>der</strong>n spielen eher eine<br />
Rolle als wichtiger Nebeneffekt.<br />
Unternehmen, die sich mit <strong>der</strong> Verarbeitung von nachwachsenden<br />
Rohstoffen beschäftigen, werden in <strong>der</strong> vorliegenden<br />
Analyse nicht als Core-Biotech-Firmen erachtet.<br />
Pflanzenmasse kann durch enzymatische Umsetzung als Rohstoff<br />
für die chemische Industrie dienen. Auch stellt Zucker die<br />
wichtigste Energiequelle für die Erzeugung von Fein- und<br />
Spezialitätenchemikalien durch Mikroorganismen dar. Doch<br />
sogar in <strong>der</strong> Pflanze selbst können Fein- und Grundchemikalien<br />
produziert werden. Hier sind natürliche und auch neuartige<br />
Metabolite durch Pflanzen-Gentechnologie (Metabolic<br />
Engineering) denkbar (siehe auch Beitrag Genistry).<br />
59
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Nachwachsende Rohstoffe als Basis zur Kraftstofferzeugung<br />
haben 2004 durch das fortentwickelte Gesetz über erneuerbare<br />
Energien zu einem Boom beim Bau entsprechen<strong>der</strong> Raffinerien<br />
geführt. Im letzten Jahr wurden hierzulande auf etwa acht<br />
Prozent <strong>der</strong> Ackerfläche nachwachsende Rohstoffe angebaut<br />
(ohne Stilllegungsflächen, Quelle: Schätzungen BMVEL).<br />
2004 wurde mehr als eine Mio. Tonnen Biodiesel produziert<br />
(rund zwei Prozent des Kraftstoffverbrauchs in Deutschland),<br />
das aus Pflanzenöl unter Zugabe von Methanol gewonnen wird.<br />
24 Biodieselanlagen sind in Deutschland in Betrieb, und drei<br />
weitere befinden sich in Planung. Zudem existieren zwei<br />
Bioethanol-Anlagen, weitere sieben sind geplant (Quelle:<br />
Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe e.V.). Zusammengenommen<br />
könnten diese zukünftig eine Mio. Tonnen<br />
Bioethanol produzieren. Durch eine neue EU-Richtlinie dürfen<br />
fünf Prozent Ethanol zu gewöhnlichem Benzin gemischt<br />
werden. Bioethanol kann durch mikrobielle bzw. enzymatische<br />
Umsetzung von Pflanzenrohstoffen produziert werden.<br />
Jedoch wird Deutschland auch langfristig nicht von Erdölimporten<br />
unabhängig sein.<br />
Weiteres Potenzial liegt sowohl im Anbau schnell wachsen<strong>der</strong><br />
Pflanzen als auch in optimierten gv-Pflanzen. Dass in Deutschland<br />
diese Synergien politisch <strong>der</strong>zeit nicht durchsetzbar sind,<br />
zeigt u. a. folgendes Statement.<br />
Auszüge aus dem Positionspapier „Weiße Biotechnologie<br />
– Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit im Einklang“<br />
(2005) von Renate Künast, Bundesministerin für<br />
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, und<br />
Reinhard Loske, MdB.<br />
„An<strong>der</strong>s als die Agro-Gentechnik kann die Weiße Biotechnologie<br />
heute mit hoher Akzeptanz rechnen. War <strong>der</strong> Einsatz<br />
gentechnisch hergestellter Enzyme noch in den 80er-Jahren<br />
sehr umstritten, sind sie inzwischen gesellschaftlich akzeptiert.<br />
Die Weiße Biotechnologie kann mit neuen Enzymen für den<br />
Abbau <strong>der</strong> Pflanzencellulose einen wertvollen Beitrag leisten.<br />
Dafür ist es aber nicht notwendig, dass die nachwachsenden<br />
Rohstoffe selbst gentechnisch hergestellt werden.<br />
Da es Bioraffinerien egal ist, welches grüne Material sie<br />
bekommen, ist es also ökologisch und auch ökonomisch viel<br />
sinnvoller, eine verblühte Wildwiese zu verarbeiten als eine<br />
gentechnisch verän<strong>der</strong>te Monokultur.<br />
Bislang sind ohnehin sämtliche Versuche gescheitert, Pflanzen<br />
dahingehend zu verän<strong>der</strong>n, dass sie selbst bereits ein fertiges<br />
Endprodukt (z. B. Kunststoff) liefern. [sic]“<br />
Technologie<br />
In <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie hat – ebenso wie in <strong>der</strong> Roten<br />
Biotechnologie über die zielgerichtete Entwicklung von Wirkstoffen<br />
für neu entdeckte Targets – ein Paradigmenwechsel<br />
stattgefunden: Früher musste <strong>der</strong> Produktions-Prozess an das<br />
Enzym angepasst werden, heute können die Enzyme an den<br />
Prozess angepasst werden.<br />
Optimierte Enzyme lassen sich zum einen über gerichtete<br />
<strong>Evolution</strong> erzeugen. Hierbei werden Proteine im Zeitraffer mit<br />
gewünschten Eigenschaften ausgestattet (Schema siehe Abbildung<br />
2-18). Eine generelle Herausfor<strong>der</strong>ung besteht darin,<br />
durch gerichtete <strong>Evolution</strong> eine umfassende und intelligente<br />
Sequenzvielfalt zu generieren. Die Automatisierung ist ebenso<br />
kritisch, um die erzeugten Variationen im Hoch-Durchsatz-<br />
Verfahren zur Expression zu bringen und anschließend gezielt<br />
zu selektieren. Die Selektion kann durch Assay-Verfahren,<br />
optische Systeme (Zellsortierung) und Display-Technologien<br />
(Zellen, Phagen, Ribosomen) geschehen.<br />
Hinzu kommen immer verlässlichere Struktur- und Funktionsvorhersage-Modelle<br />
für Proteine durch die Bioinformatik.<br />
Abbildung 2-18:<br />
Schema eines Ansatzes für gerichtete <strong>Evolution</strong><br />
Finden von Ausgangssequenzen<br />
- Screening von DNA-Banken aus Umweltproben<br />
- In-silico-Screening<br />
- Synthetische Gene<br />
Erzeugung von Variation<br />
- Mutagenisierung: PCR mit Fehlpaarungen;<br />
chemische/physikalische Methoden<br />
- DNA-Shuffling<br />
(Durchmischung kurzer Abschnitte)<br />
Expression <strong>der</strong> DNA<br />
Selektion<br />
- Bindungsscreening<br />
- Aktivitätsscreening<br />
Wie<strong>der</strong>holung voriger Schritte, bis das DNA-Produkt<br />
die gewünschte, optimierte Eigenschaft besitzt.<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
60 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Zum an<strong>der</strong>en kommt die so genannte Metagenomik zum<br />
Tragen: Mit <strong>der</strong> Entwicklung von Technologien zur direkten,<br />
kultivierungsunabhängigen Extraktion von Nukleinsäuren<br />
ganzer mikrobieller Konsortien aus Umweltproben<br />
(Metagenom) ist es möglich, Gene unbekannter Bakterien zu<br />
gewinnen und mittels geeigneter Vektoren in Ersatzwirten wie<br />
E.coli rekombinant zu vermehren, zu analysieren und zu<br />
exprimieren. Auch auf diesem Wege lassen sich neuartige und je<br />
nach Anfor<strong>der</strong>ung passende Enzyme auffinden.<br />
Daneben leistet auch die Stammentwicklung einen wichtigen<br />
Beitrag. Bakterien, Archaeen und Pilze werden zu Mikroorganismen<br />
mit optimierten Fähigkeiten bzw. Enzymen<br />
entwickelt. Extremophile Organismen, die beispielsweise bei<br />
beson<strong>der</strong>s hohen o<strong>der</strong> tiefen Temperaturen und pH-Werten aktiv<br />
sind, können prinzipiell leichter in bestehenden, chemischen<br />
Prozessen eingesetzt werden.<br />
Forschung und För<strong>der</strong>ung<br />
In Deutschland ist die akademische Forschung in <strong>der</strong> industriellen<br />
Biotechnologie gut aufgestellt. Einige Beispiele zu den<br />
renommiertesten Institutionen listet die unten stehende Tabelle.<br />
Als Pioniere gelten die Professoren Kula, Sahm, Schmid und<br />
Wandrey. Darüber hinaus finden sich Schüler aus diesen<br />
Forschungsstätten heute in den Universitäten Düsseldorf,<br />
Greifswald, Hamburg, Hannover, Karlsruhe sowie Münster.<br />
Eine herausragende Ressource für Biodiversität stellt ferner die<br />
Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen<br />
GmbH (DSMZ, Braunschweig) dar, eine Non-Profit-Organisation,<br />
die über 14.000 Mikroorganismen plus menschliche,<br />
tierische und pflanzliche Zelllinien lagert und zum Versand<br />
bereithält.<br />
Für das BMBF-Programm „Nachhaltige Bioproduktion“<br />
wurden 2004 zwölf neue Projekte mit einer För<strong>der</strong>summe von<br />
14 Mio. € bewilligt. Ziel ist es, Verfahren für umweltverträgliche<br />
Industrieprozesse und die Produktion von<br />
Biokatalysatoren zu unterstützen.<br />
Die „Genomforschung an Mikroorganismen (GenoMik)“<br />
wurde im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes<br />
vom BMBF bisher mit 18 Mio. € geför<strong>der</strong>t und wird zukünftig<br />
mit weiteren 20 Mio. € unterstützt. Im Mittelpunkt steht dabei<br />
die Entdeckung neuer Antibiotika, Therapeutika und weiterer<br />
industriell nutzbarer Enzyme. Zahlreiche Universitäten, Institute<br />
und Unternehmen beteiligen sich an dem Netzwerk.<br />
Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. stellt ein För<strong>der</strong>programm<br />
für Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsvorhaben<br />
zudem für den Aufbau von Produktlinien von <strong>der</strong> Erzeugung<br />
bis zur Verwendung nachwachsen<strong>der</strong> Rohstoffe bereit.<br />
Die höchste För<strong>der</strong>summe stellt schließlich die Deutsche Bundesstiftung<br />
Umwelt mit 90 Mio. €, die u. a. im Programm Nachhaltige<br />
Biokatalyse 260 Projekte mit För<strong>der</strong>mitteln unterstützt.<br />
Tabelle 2-3:<br />
Ausgewählte deutsche Forschungsstätten mit Bezug zur industriellen Biotechnologie<br />
Spezialisierung auf Bioprozesstechnik<br />
Forschungszentrum Jülich Institut für Biotechnologie 1 Mikrobielle Produktion von Aminosäuren, Expressionsanalysen, mikrobielle<br />
(IBT-1)<br />
Physiologie und Proteinsekretion<br />
Forschungszentrum Jülich Institut für Biotechnologie 2 Proteinaufarbeitung, bioorganische Chemie, enzymatische Biotransformation,<br />
(IBT-2)<br />
Fermentations- und Zellkulturtechnik<br />
Universität Stuttgart Institut für Bioverfahrenstechnik Biokatalyse, Systembiologie, Bioverfahrenstechnik<br />
Spezialisierung auf Mikrobiologie/Genetik von Mikroorganismen<br />
Universität Bielefeld Lehrstuhl für Genetik Fermentative Gewinnung von Aminosäuren und Vitaminen mit Corynebakterien, die<br />
industriell von beson<strong>der</strong>em Interesse ist; mikrobielle Polysaccharidproduktion<br />
Technische Universität Zentrum für molekulare <strong>Evolution</strong> BioArchive: Metagenom-Banken, Stammsammlung, Modellorganismen<br />
Darmstadt<br />
und Biodiversität (am Institut für<br />
Mikrobiologie und Genetik)<br />
Universität Göttingen Institut für Mikrobiologie und Genetik Genetik und Genomanalyse von Mikroorganismen<br />
Technische Universität Lehrstuhl für Mikrobiologie Genetik von thermoanaeroben Bakterien<br />
München<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
61
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Firmen <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie – weltweit<br />
Mit Weißer Biotechnologie werden international bereits hohe<br />
Umsätze erzielt. Die großen Chemiekonzerne weisen den Beitrag<br />
<strong>der</strong> Weißen Biotechnologie in <strong>der</strong> Produktherstellung nicht<br />
geson<strong>der</strong>t aus. Bekannt sind jedoch die biokatalytische/fermentative<br />
Herstellung von Vitaminen und Pharmavorstufen bei <strong>der</strong><br />
BASF, Pharmavorstufen und Aminosäuren <strong>der</strong> Degussa und die<br />
Waschmittelenzyme bei Henkel.<br />
Weitere bekannte Beispiele sind Lonza (Schweiz) mit biotechnologisch<br />
hergestellten Feinchemikalien, Sandoz (Österreich)<br />
mit Antibiotika und Tanabe (Japan) mit Aminosäuren. Es gibt<br />
zudem biotechnologisch ausgerichtete Firmen wie Novozymes,<br />
Genencor und DSM, die sich zum Großteil auf Enzyme für<br />
industrielle Anwendungen spezialisiert haben.<br />
Die dänische Novozymes erzielte mit Enzymen und Mikroorganismen<br />
für industrielle Anwendungen und für die Lebensund<br />
Futtermittelindustrie 2004 bei einem Umsatz von<br />
(umgerechnet) 805 Mio. € einen Nettogewinn von 105 Mio. €.<br />
Die nie<strong>der</strong>ländische DSM erwirtschaftete in 2004 Umsatzerlöse<br />
in Höhe von 7,75 Mrd. € (262 Mio. € Nettogewinn).<br />
Beson<strong>der</strong>s in den DSM-Geschäftsbereichen Feinchemikalien,<br />
pharmazeutische Vorstufen, Anti-Infektiva, Lebensmittel- und<br />
Backzusatzstoffe sowie Industriechemikalien dürfte die Weiße<br />
Biotechnologie bereits einen hohen Stellenwert haben.<br />
Die in Palo Alto, Kalifornien, ansässige Firma Genencor, die<br />
neben einem Therapeutika-Entwicklungsbereich ihren Schwerpunkt<br />
auf Enzyme für Industrie, Agrochemie und Endkunden<br />
setzt, erzielte in 2004 einen Umsatz von (umgerechnet) 332<br />
Mio. € und einen Nettogewinn von 21,2 Mio. €. Genencor produziert<br />
Enzyme für die Reinigungsindustrie, Le<strong>der</strong>- und Textilverarbeitung,<br />
Stärkeverarbeitung, Ethanolproduktion, Getränkeund<br />
Backindustrie sowie Papierherstellung. Genencor wurde<br />
Ende Januar 2005 von Danisco (Dänemark), einem Hersteller<br />
von Lebensmittelzusatzstoffen, aufgekauft. Danisco wird diese<br />
Transaktion circa 600 Mio. US-$ kosten.<br />
Die deutsche Jülich Fine Chemicals wurde Ende Februar 2005<br />
von Codexis Inc. (spezialisiert auf gerichtete <strong>Evolution</strong>) übernommen,<br />
soll aber als unabhängige Tochterfirma weitergeführt<br />
werden.<br />
Tabelle 2-4:<br />
Auswahl an Chemiefirmen, die die industrielle<br />
Biotechnologie nutzen<br />
Unternehmen Land Segment<br />
BASF Deutschland Vitamine,<br />
Intermediate<br />
Cargill USA Biopolymere, Chemie<br />
Degussa Deutschland Aminosäuren,<br />
Pharmaintermediate<br />
DSM Nie<strong>der</strong>lande Antibiotika,<br />
Feinchemikalien<br />
Dupont USA Biopolymere<br />
Genencor USA Enzyme<br />
Henkel Deutschland Waschmittelenzyme<br />
Novozymes Dänemark Enzyme<br />
Lonza Schweiz Feinchemikalien<br />
Sandoz Österreich Antibiotika<br />
Tanabe Japan Aminosäuren<br />
Quelle: transkript, Oktober 2004<br />
Diese Akquisitionen signalisieren eine erhöhte Investitionsbereitschaft<br />
zumindest von direkten Akteuren <strong>der</strong> Branche; die<br />
Biotech-Risikokapitalgesellschaften weisen jedoch kaum handfestes<br />
Engagement o<strong>der</strong> Expertise auf diesem Gebiet auf. Über<br />
die Hälfte von im Rahmen dieser Studie befragten Investoren<br />
(21 Gesellschaften) halten jedoch in Zukunft Investitionen in<br />
Unternehmen <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie für denkbar.<br />
Mittels Weißer Biotechnologie werden interessante Nischen<br />
besetzt: Einen beson<strong>der</strong>en Weg geht beispielsweise Senomyx<br />
(La Jolla, Kalifornien). Diese Firma hat Assays auf Basis von<br />
menschlichen Geschmacksrezeptoren entwickelt, um damit aus<br />
einer umfassenden Bibliothek potentielle Aroma- und Geschmacksverstärker<br />
zu entdecken und an Firmen wie Nestlé und<br />
Coca-Cola auszulizenzieren (es können circa 1–4 % Royalties<br />
<strong>der</strong> Lebensmittelverkäufe anfallen). Linguagen (New Jersey,<br />
USA) und Chemcon (Brüssel, Belgien) sind zwei weitere auf<br />
diesem Gebiet spezialisierte Biotech-Firmen. Durch die Aufklärung<br />
von Geruchsrezeptoren können in Zukunft zudem vermehrt<br />
Aromastoffe aus High-Throughput-Screenings erwartet<br />
werden.<br />
62 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Dr. Stefan Buchholz,<br />
Leiter Projekthaus ProFerm, Degussa AG<br />
Weiße Biotechnologie – Innovationsmotor für die<br />
chemische Industrie<br />
Die rote Biotechnologie hat die Pharmaindustrie bereits seit langem tief durchdrungen<br />
und revolutioniert. In den letzten Jahren beobachten wir eine ganz ähnliche Entwicklung<br />
im Verhältnis <strong>der</strong> grünen Gentechnik zur Pflanzenzüchtung – zumindest außerhalb<br />
Deutschlands. Die industrielle Anwendung <strong>der</strong> Biotechnologie, die so genannte weiße<br />
Biotechnologie, steht hingegen noch am Anfang ihrer Entwicklung, jedoch sagen ihr<br />
zahlreiche Protagonisten ein vergleichbares Potenzial für die chemische Industrie zu<br />
und sprechen bereits von <strong>der</strong> „dritten Welle“ <strong>der</strong> Biotechnologie.<br />
Degussa hat das Potenzial biotechnologischer Produktionsverfahren<br />
früh erkannt und ihre Entwicklung wesentlich<br />
mitgestaltet. So haben wir bereits Anfang <strong>der</strong> achtziger Jahre das<br />
Acylase-Verfahren zur Herstellung von L-Methionin für<br />
Infusionslösungen in den technischen Maßstab überführt. Ein<br />
weiterer technologischer Meilenstein war in den neunziger Jahren<br />
die Etablierung des L-tertiär-Leucin-Verfahrens. L-tert.-Leucin ist<br />
ein wichtiger Baustein für Pharmaka zum Beispiel gegen Aids. Die<br />
enzymkatalytische Reaktion benötigt mit NADH jedoch einen<br />
teuren Cofaktor. Erst das Verfahren <strong>der</strong> Cofaktorregenerierung<br />
schuf die Basis für die Kommerzialisierung durch die Degussa.<br />
Beide Innovationen beruhten wesentlich auf <strong>der</strong> sehr engen und vertrauensvollen<br />
Zusammenarbeit mit Hochschulen bzw. dem Forschungszentrum Jülich (Prof. Kula und<br />
Prof. Wandrey). Beide Entwicklungen weisen auf ein Gebiet hin, auf dem sich die<br />
Biotechnologie bereits früh als erfolgreich erwiesen hat: die Synthese chiraler<br />
Verbindungen.<br />
Zunehmend wurde aber deutlich, dass die Biokatalyse große Anwendungsfel<strong>der</strong> auch<br />
außerhalb <strong>der</strong> Feinchemie hat. Zudem wurden mo<strong>der</strong>ne molekularbiologische Methoden<br />
wie die gerichtete <strong>Evolution</strong> und das Metagenom-Screening entwickelt und eröffneten<br />
neue Perspektiven auch für die industrielle Forschung. In dieser Zeit traten auch immer<br />
mehr Biotech-Start-ups auf den Plan. Als Entwicklungspartner <strong>der</strong> chemischen Industrie<br />
bieten sie mo<strong>der</strong>ne, schlagkräftige Methoden an und sind zunehmend auch Quelle für<br />
Produktinnovationen.<br />
Um diese neuen Potenziale voll zu nutzen und das Innovationstempo zu erhöhen, hat<br />
Degussa Anfang 2001 das Projekthaus Biotechnologie ins Leben gerufen, in dem ein<br />
internationales und interdisziplinäres Team von Chemikern, Verfahrenstechnikern, Mikround<br />
Molekularbiologen sowie Lebensmittelchemikern biokatalytische Verfahren<br />
entwickelt hat. Dabei war es uns wichtig, die gesamte Prozesskette vom Enzymscreening<br />
und <strong>der</strong> Enzymoptimierung über die Expression und Fermentation bis hin zur<br />
Biotransformation kompetent abzudecken. Diese breite Kompetenz hat sich als<br />
entscheiden<strong>der</strong> Erfolgsfaktor erwiesen, wobei es nicht darauf ankommt, alles selbst zu<br />
tun, entscheidend ist vielmehr, mit den Partnern in <strong>der</strong> Akademia und den Biotech-Startups<br />
dialogfähig zu sein – Grundvoraussetzung für ein effizientes Projektmanagement.<br />
Projekthäuser werden je hälftig vom Konzern und von den Geschäftsbereichen<br />
finanziert. Hierdurch stehen die Ressourcen für den Aufbau von Technologieplattformen<br />
zum Nutzen des gesamten Konzerns zur Verfügung und zugleich wird eine<br />
Geschäftsorientierung sichergestellt. Ihre Laufzeit ist auf drei Jahre begrenzt. Am Ende<br />
des Projekthauses Biotechnologie waren die beteiligten Geschäftsbereiche aber so von<br />
den Ergebnissen überzeugt, dass sie sich entschieden haben, die Kompetenz gebündelt<br />
zu lassen und die Aktivitäten in <strong>der</strong> Nachfolgeeinrichtung<br />
„Service Center Biokatalyse“ auch ohne Konzernför<strong>der</strong>ung<br />
fortzuführen.<br />
Gleichzeitig, Anfang 2004, haben wir ein neues Projekthaus<br />
ProFerm, das sich auf die Gebiete Stammentwicklung<br />
und Fermentation konzentriert, gegründet. Auch auf diesem<br />
Gebiet verfügen wir innerhalb des Konzerns, namentlich<br />
im Geschäftsbereich Futtermitteladditive, über umfangreiche<br />
Kompetenz. Konkret arbeiten wir im Projekthaus<br />
beispielsweise an fermentativen Verfahren zur Herstellung<br />
von Pharma-Aminosäuren und Kosmetikvorprodukten wie<br />
Sphingolipiden. Sphingolipide sind humanidentische Lipide,<br />
die die natürliche Barriereschicht <strong>der</strong> Haut aufbauen. Als Inhaltsstoff hochwertiger<br />
Hautcremes sind sie in <strong>der</strong> Lage, Defekte in <strong>der</strong> Schutzschicht <strong>der</strong> Haut zu reparieren.<br />
All die vorgenannten Aktivitäten sind prozessorientiert. Die weiße Biotechnologie ist<br />
aber breiter und umfasst neben den Bioprozessen auch die Fel<strong>der</strong> Bioprodukte und<br />
nachwachsende Rohstoffe. Aufbauend auf unserem umfassenden Bioprozess-Know-how<br />
wollen wir nun auch diese Fel<strong>der</strong> verstärkt erschließen. So planen wir ein Science-to-<br />
Business-Center auf dem Gebiet <strong>der</strong> weißen Biotechnologie, in dem wir nicht nur<br />
Technologien entwickeln, son<strong>der</strong>n auch neue Geschäftsfel<strong>der</strong> aufbauen. Dabei geht es<br />
darum, in einem Public-Private-Partnership alle Akteure entlang <strong>der</strong> Wertschöpfungskette<br />
von <strong>der</strong> universitären Grundlagenforschung und innovativen Start-ups über<br />
Rohstofflieferanten und die Degussa als umsetzungsstarkem Chemieunternehmen bis<br />
hin zu Vertretern unserer Kundenindustrien noch enger zusammenzubringen – zum<br />
Beispiel auch über den Austausch von Personal. Mit solch mo<strong>der</strong>nen<br />
Forschungsansätzen schaffen wir ideale Voraussetzungen, um auch mittel- bis<br />
langfristige Potenziale <strong>der</strong> Biotechnologie – rohstoff-, prozess- wie auch produkt- und<br />
problemlösungsorientiert, frühzeitig zu erkennen und zügig zu heben.<br />
www.degussa.com<br />
www.proferm.com<br />
63
G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Firmen <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie –<br />
deutsche Core-Biotech-Unternehmen<br />
In <strong>der</strong> vorliegenden Statistik werden zur Weißen Biotechnologie<br />
diejenigen deutschen Biotech-Unternehmen gezählt, die über<br />
klassische Enzymtechnologien hinaus molekularbiologische<br />
Verfahren zur Enzymoptimierung anwenden sowie solche, die<br />
sich mit Naturstoffen befassen und mittels mo<strong>der</strong>ner Screening-<br />
Methoden gezielt Stoff-Banken aufbauen. Naturstoffe werden<br />
sowohl im pharmazeutischen Bereich als auch in <strong>der</strong> Chemie-,<br />
Ernährungs- und Kosmetikindustrie eingesetzt.<br />
Zudem werden hier ebenfalls Firmen berücksichtigt, die sich<br />
neben <strong>der</strong> Therapeutika-Entwicklung auch <strong>der</strong> Herstellung von<br />
Fein- und Spezialchemikalien (Enzyme und an<strong>der</strong>e) auf <strong>der</strong><br />
Basis mo<strong>der</strong>ner biotechnologischer Verfahren widmen.<br />
Ferner sind hier auch Unternehmen zu finden, die mit Hilfe von<br />
Molecular Pharming Futtermitteladditive o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Spezialchemikalien<br />
herstellen. Wie bereits erwähnt, sind hier die Grenzen<br />
zur Grünen Biotechnologie teilweise fließend.<br />
Schließlich sind Unternehmen eingeschlossen, die sich auf<br />
Forschung und Dienstleistungen mit extremophilen Organismen<br />
sowie an<strong>der</strong>en Mikroorganismen spezialisiert haben.<br />
Unter Anwendung dieser Kriterien lassen sich in <strong>der</strong> deutschen<br />
Core-Biotech-Industrie 22 Unternehmen zählen, die zum<br />
Segment Weiße Biotechnologie gehören. Diese Firmen erreichten<br />
2004 mit fast 400 Mitarbeitern einen geschätzten<br />
Umsatz von rund 20 Mio. €; ein Drittel <strong>der</strong> Unternehmen<br />
schreibt dabei bereits schwarze Zahlen.<br />
Deutschland hat als historisch gewachsener Standort <strong>der</strong><br />
Chemie-Industrie sowie als aufstreben<strong>der</strong> Biotech-Standort<br />
gute Voraussetzungen, um bei <strong>der</strong> oft als „dritte Welle <strong>der</strong><br />
Biotechnologie“ charakterisierten Weißen Biotechnologie an<br />
<strong>der</strong> Weltspitze zu bestehen. Eine starke wissenschaftliche<br />
Tradition in diesem Bereich, viele Start-ups und die großen<br />
Player in <strong>der</strong> Industrie stellen die Basis dafür dar. Inbeson<strong>der</strong>e<br />
die bereits existierende hervorragende Vernetzung <strong>der</strong> kleinen,<br />
hoch spezialisierten Biotech-KMU-Szene mit den etablierten<br />
und führenden Anwen<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Groß-Industrie ergibt eine<br />
vergleichbar günstige Stellung im internationalen Wettbewerb.<br />
Ausgewählte deutsche Biotech-Firmen <strong>der</strong> Weißen Biotechnologie<br />
• ASA Spezialenzyme, Wolfenbüttel (Enzyme und mikrobielle Mischkulturen)<br />
• Biospring, Frankfurt (Enzymoptimierung und Nukleinsäuretechnologien)<br />
• Bitop, Witten (Naturstoffe aus Extremophilen)<br />
• BRAIN, Zwingenberg (bioaktive Moleküle und Enzymtechnologie)<br />
• c-lecta, Leipzig (Enzyme und chirale Moleküle)<br />
• Combinature Biopharm, Berlin (neben Schwerpunkt Therapeutika-Entwicklung, Enzyme für die chemische Industrie)<br />
• Direvo, Köln (neben Therapeutika-Entwicklung insbeson<strong>der</strong>e optimierte Enzyme und Proteine für Life Sciences)<br />
• e.gene, Feldafing (Genomanalyse extremophiler Organismen)<br />
• IEP, Wiesbaden (chirale Moleküle und Pharmavorstufen)<br />
• Jülich Fine Chemicals, Jülich (Biotransformation und chirale Synthese)<br />
• Nadicom, Marburg (Mikroorganismengenetik, Enzymoptimierung)<br />
• N-Zyme BioTec, Darmstadt (Transglutaminasen-Plattform zur zielgerichteten Modifikation von Proteinen und Peptiden)<br />
• Phenion, Frankfurt (pharmazeutische und kosmetische Wirkstoffe)<br />
• X-Zyme, Düsseldorf (chirale Moleküle durch Enzyme als Pharmavorstufen)<br />
64 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
3. Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien<br />
3.1 Geschäftsmodelle, Strategien und Erfolgsfaktoren<br />
Die folgenden Ausführungen gehen <strong>der</strong> Frage nach, mit Das beträchtliche Potenzial wurde schließlich auch von <strong>der</strong><br />
Zu diesem Zwecke wurde die noch Anfang 2004 ausgeglie<strong>der</strong>te<br />
1 Quelle: transkript; April 2005<br />
und nachfolgend durch Wagniskapital finanzierte Tochter<br />
welchen Geschäftsmodellen und Strategien die deutschen Core-<br />
Biotech-Unternehmen den Markt erfolgreich erreichen und sich<br />
dort etablieren können.<br />
Dem Motto „Kräfte <strong>der</strong> <strong>Evolution</strong>“ folgend, musste die<br />
deutsche Biotech-Industrie im letzten Jahr einige Rückschläge<br />
hinnehmen (insbeson<strong>der</strong>e Insolvenzen größerer bekannterer<br />
Firmen), was aber letztlich die Funktion einer Stärkung mit sich<br />
GPC Biotech gesehen, die schließlich die Vermögenswerte<br />
übernahm. Sie teilte mit, dass Axximas Know-how eine<br />
hervorragende Ergänzung zu den eigenen internen Fähigkeiten<br />
darstelle.<br />
Somit führt die Konsolidierung gleichzeitig zu einer Stärkung<br />
an<strong>der</strong>er Unternehmen, wie bereits am Beispiel <strong>der</strong> Übernahme<br />
<strong>der</strong> insolventen Munich Biotech durch MediGene gezeigt.<br />
brachte. Nicht jede Insolvenz ist jedoch automatisch auf ein<br />
schlechtes Konzept zurückzuführen. Bei einer Insolvenz<br />
kommen immer verschiedene Ursachen zusammen, die letztlich<br />
den Gang zum Amtsgericht erfor<strong>der</strong>n.<br />
So hatte zum Beispiel nach Aussage des „Biotech-Krisenmanagers“<br />
Dr. Hauke Fürstenwerth 1 , <strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong><br />
Zahlungsunfähigkeit <strong>der</strong> Axxima Pharmaceuticals tätig wurde,<br />
Axxima ein durchaus einzigartiges Konzept zu bieten. Das<br />
Die Frage lautet also, was ist ein erfolgreiches Konzept? O<strong>der</strong><br />
welches ist das beste Geschäftsmodell?<br />
Es wird hierzu keine Einheitslösung geben können, da jedes<br />
Unternehmen im Kontext seines Marktes, seiner Kunden und<br />
auch seiner angebotenen Produkte und Dienstleistungen<br />
gesehen werden muss (siehe auch die Ausführungen zu<br />
Erfolgsfaktoren).<br />
Scheitern war auf einen längeren erosiven Prozess zurückzuführen,<br />
<strong>der</strong> nicht mit einem einzelnen Fehlschlag zu begründen<br />
war.<br />
Mit Blick auf die Geschäftsmodelle, die die an <strong>der</strong> vorliegenden<br />
Studie beteiligten Unternehmen verfolgen, hat sich im<br />
vergangenen Jahr wenig bzw. kaum eine Verän<strong>der</strong>ung ergeben.<br />
Abbildung 3-1:<br />
Im Vorjahr hingegen hatten sich viele Firmen von einer reinen<br />
Geschäftsmodelle <strong>der</strong> Sample-Unternehmen<br />
Produktorientierung abgewandt und eine Kombination von<br />
Service 19 % Produktentwicklung und Service verfolgt, um kurzfristig<br />
davon VC-finanziert 3 %<br />
Produkt 31 %<br />
Einnahmen zu generieren. Es kann davon ausgegangen werden,<br />
ohne VC 16 %<br />
davon VC-finanziert 18 %<br />
dass dieser Strategiewechsel eine gewisse Stabilisierung in <strong>der</strong><br />
ohne VC 13 %<br />
Branche erbrachte und von daher 2004 kein Anlass gesehen<br />
wurde, nochmals größere Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Geschäftsmodelle in<br />
Angriff zu nehmen.<br />
Zu je<strong>der</strong> Regel gibt es natürlich Ausnahmen und so verkündete<br />
die Evotec OAI im Frühjahr, dass sie neben dem reinen<br />
Auftragsforschungsgeschäft, dessen Weiterentwicklung und<br />
Expansion zwar nach wie vor hohe Priorität eingeräumt wird,<br />
Service & Produkt 50 %<br />
davon VC-finanziert 14 %<br />
einen zusätzlichen Fokus auf die eigene Arzneimittelentwicklung<br />
ohne VC 36 %<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
legen wird.<br />
Evotec Neurosciences rückintegriert.<br />
65
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Jörn Aldag, CEO Evotec OAI AG und Jesper Wiklund,<br />
Vice President Business Development, ENS Holdings Inc.<br />
Die neue EVOTEC OAI, o<strong>der</strong> wie das erste europäische,<br />
voll integrierte Biotech-Unternehmen entstand<br />
Evotec OAI hat sich immer als ein Unternehmen verstanden, das sich einerseits eine<br />
eigene Pipeline von Arzneistoffkandidaten aufbaut und sich an<strong>der</strong>erseits mit Auftragsforschung<br />
weltweit einen Namen macht. In eigenen Forschungsprogrammen hat Evotec<br />
OAI Wissen über Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) gesammelt und ist<br />
über ein Joint Venture mit DeveloGen auch im Bereich Stoffwechselerkrankungen aktiv.<br />
Ein wichtiger Teil <strong>der</strong> Wertschöpfungskette des Unternehmens wird durch das Anbieten<br />
von Services abgedeckt. So werden durch Auftragsforschung nahezu alle renommierten<br />
Pharma- und Biotech-Unternehmen weltweit, aber auch die eigenen Forschungsprogramme,<br />
bei <strong>der</strong> Entwicklung pharmazeutischer Wirkstoffe effizient unterstützt. Nicht<br />
zuletzt wurden Technologien und Geräte für die Wirkstoffforschung in Eigenregie und in<br />
Kooperationen mit Novartis, GSK<br />
und Pfizer zur Marktreife gebracht.<br />
Rund 600 Mitarbeiter in Hamburg<br />
und Oxford haben die dafür nötige<br />
Infrastruktur und Expertise aufgebaut.<br />
Die Ausglie<strong>der</strong>ung von Evotec<br />
Neurosciences war notwendig<br />
Zugang zu Kapital ist die Voraussetzung<br />
für die Finanzierung teurer Entwicklungsprojekte. Gleichzeitig werden Biotech-<br />
Unternehmen mit gut gefüllten Produktpipelines an den Kapitalmärkten auch jetzt noch<br />
unterbewertet. Nach den schwierigen Jahren 2001 und 2002 wurde daher entschieden,<br />
Evotec Neurosciences (ENS) aus <strong>der</strong> Evotec OAI auszugründen. Konsequenterweise<br />
verkaufte Evotec OAI im März 2004 einen Großteil seiner Anteile an ENS, um die weitere<br />
Finanzierung <strong>der</strong> ENS-Wirkstoff-Pipeline von außen abzusichern. Die Kapitalmärkte<br />
hätten diesen finanziellen Kraftakt aus <strong>der</strong> Firma heraus zu diesem Zeitpunkt nicht<br />
mitgetragen, obwohl ENS immer als einer <strong>der</strong> Werttreiber des Unternehmens betrachtet<br />
wurde. Mit Hilfe des Kapitals <strong>der</strong> beteiligten Venture-Capital-Unternehmen konnte ENS<br />
die Weiterentwicklung <strong>der</strong> Projekte aus dem Lizenzierungsabkommen mit Roche<br />
finanziell sicherstellen, das den Grundstein für den heutigen – überaus erfolgreichen –<br />
Stand des Unternehmens legte. Diese erste Finanzierungsrunde für Evotec<br />
Neurosciences schloss Anfang April 2004 mit 25 Millionen Euro – und war damit eine<br />
<strong>der</strong> größten im gesamten Jahr 2004. Dieses Kapital trug erheblich zu den großen<br />
Fortschritten in <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Wirkstoff-Pipeline von ENS bei. Die Kooperation mit<br />
Takeda wurde vorangetrieben, eine neue Vereinbarung mit Boehringer Ingelheim und<br />
Evotec OAI konnte ebenfalls abgeschlossen werden. Die Unternehmensentwicklung<br />
wurde durch eine Verstärkung des ENS-Management-Teams positiv beeinflusst, das sich<br />
mit mehr Kraft als zuvor dem Weiterführen dieser Ziele widmen konnte.<br />
Das Marktumfeld än<strong>der</strong>te sich schnell – Die neue Evotec OAI entsteht<br />
Die frühe Forschung hat für Pharma-Unternehmen heute weniger Priorität. Sie<br />
konzentrieren sich auf reifere Arzneistoffkandidaten, um schnell neue Produkte auf den<br />
Markt zu bringen. Auf diesem Strategiewandel basieren die enormen Chancen für ein<br />
vollständig integriertes Biotech-Unternehmen, das neben einem hochwertigen<br />
Dienstleistungsangebot auch Arzneistoffkandidaten für klinische Studien zuliefert. Es<br />
wurde offensichtlich, dass sich auf Grund dieser Konstellation neue Markchancen<br />
ergaben, die jedoch große Anstrengungen im Bereich <strong>der</strong> eigenen Wirkstoffforschung<br />
verlangten. So hat Evotec OAI die Wertschöpfungskette verlängert und den nachhaltigen<br />
Unternehmenserfolg gesichert.<br />
Um den großen Erfolg von ENS mit seinem von Roche lizenzierten NMDA-Programm, den<br />
bestehenden Kooperationsvereinbarungen mit Takeda und Boehringer Ingelheim<br />
auszubauen und weitere Möglichkeiten zur Entwicklung von Wirkstoffen verfolgen zu<br />
können, wäre langfristig aber auch die Investitionssumme von 25 Millionen Euro nicht<br />
ausreichend gewesen. Um ein<br />
Unternehmen mit <strong>der</strong> hinreichenden<br />
kritischen Größe aufzubauen, haben<br />
sich beide Unternehmen entschieden,<br />
wie<strong>der</strong> unter einem<br />
gemeinsamen Dach eine neue<br />
Biotech-Firma zu bilden, die es in<br />
dieser Form in Europa bislang noch<br />
nicht gab.<br />
Gute Aussichten im verän<strong>der</strong>ten Umfeld<br />
Mit dem Erreichen <strong>der</strong> notwendigen kritischen Masse konnten weitere Mittel akquiriert<br />
werden. Die komplette Übernahme von ENS durch Evotec OAI hat zu einer neuen PIPE-<br />
Finanzierung geführt. Der neuen Evotec OAI stehen damit mehr als 60 Mio. € für die<br />
Finanzierung des weiteren Wachstums zur Verfügung. Eine solide Grundlage für den<br />
Ausbau <strong>der</strong> eigenen Forschungsprogramme. Bereits 2006 sollen zwei Arzneistoffkandidaten<br />
in <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> klinischen Entwicklung sein. Zumindest einer soll im Jahr<br />
2008 das Stadium des ‚Proof of Concept' erreicht haben und damit für die<br />
Auslizenzierung an Partner zur Verfügung stehen. Jetzt kommt es darauf an, die Chancen<br />
<strong>der</strong> Transaktion wahrzunehmen. Evotec OAI wird sich auf Wirkstoffforschung im Bereich<br />
ZNS konzentrieren und eine eigene Pipeline von Wirkstoffen aufbauen, die durch<br />
Einlizenzierung von Partnern und möglicherweise durch weitere Übernahmen ergänzt<br />
wird. Das Management hat bereits bewiesen, dass es auf gutem Weg ist, ein auf die<br />
Heilung von ZNS-Erkrankungen ausgerichtetes Biotech-Unternehmen aufzubauen – und<br />
wird dieses Ziel unter <strong>der</strong> Flagge <strong>der</strong> neuen Evotec OAI kraftvoll weiterverfolgen. Die<br />
Service- und Forschungsaktivitäten sowie die eigenen Technologien und Maschinen<br />
ergänzen diesen strategischen Ansatz und sind in dieser Kombination in Europa<br />
wegweisend.<br />
www.evoteccoai.com<br />
www.evotecneurosciences.com<br />
66 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Abbildung 3-2:<br />
Service-Angebote <strong>der</strong> Sample-Unternehmen<br />
DNA & RNA<br />
Services<br />
16 %<br />
Bioinformatik-<br />
Services<br />
8 %<br />
Target & Lead<br />
Discovery Services<br />
17 %<br />
Sonstiges<br />
8 %<br />
Screening & Diagnostik<br />
Services<br />
17 %<br />
Auftragsproduktion<br />
17 %<br />
Protein & Peptid Services<br />
17 %<br />
n = 134 Firmen mit 242 Angaben (Mehrfachnennungen möglich)<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Die Dienstleistungen, die von den befragten Unternehmen<br />
angegeben werden, teilen sich wie in obiger Abbildung<br />
dargestellt auf. Es handelt sich hierbei um Firmen, die rein<br />
serviceorientiert sind, wie auch um solche, die neben <strong>der</strong><br />
Produktentwicklung Dienstleistungen anbieten, um zusätzlich<br />
Einnahmen zu generieren. Unter Betrachtung aller Angaben<br />
(wobei Mehrfachnennungen möglich waren) ergibt sich kein<br />
eindeutiger Schwerpunkt auf eine bestimmte Service-Art.<br />
Kundenstruktur<br />
Die in dieser Studie analysierten Firmen wurden auch nach<br />
ihrer Kundenstruktur befragt. Dabei wurden die Kategorien<br />
Pharma-, Biotech-, Chemie- und Ernährungsindustrie sowie<br />
Akademie, staatliche Institutionen und Endverbraucher<br />
vorgegeben.<br />
Aus Abbildung 3-3 wird ersichtlich, dass die Biotech-<br />
Unternehmen insbeson<strong>der</strong>e auf industrielle Kunden abzielen.<br />
Diese Zielgruppe nennen fast drei Viertel aller antwortenden<br />
Firmen. Entsprechend entfällt auf Kunden aus dem öffentlichen<br />
Bereich nicht ganz ein Viertel <strong>der</strong> Nennungen. Der<br />
Endverbraucher wird in den wenigsten Fällen direkt als Kunde<br />
definiert. Bei den Industriekunden spielen an<strong>der</strong>e Biotechsowie<br />
Pharma-Unternehmen mit je um die 30 Prozent die<br />
größte Rolle.<br />
Eine interessante Verschiebung ergibt sich je nach<br />
Geschäftsfeld <strong>der</strong> analysierten Unternehmen. Bei den therapeutikaorientierten<br />
Firmen spielen zwangsläufig die Biotechund<br />
Pharmaindustrie eine noch bedeuten<strong>der</strong>e Rolle. Dagegen<br />
hat bei Unternehmen, die Spezialchemikalien entwickeln, als<br />
Kunde zwangsläufig die Chemie- und Ernährungsindustrie ein<br />
größeres Gewicht. Schließlich gewinnen bei Firmen, die im<br />
Geschäftsfeld Molekulardiagnostika tätig sind, staatliche<br />
Institutionen sowie insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Endverbraucher<br />
(beispielsweise Vaterschaftstests) an Bedeutung.<br />
Wie wichtig gerade in Zeiten angespannter<br />
externer Finanzierungsmöglichkeiten<br />
die Generierung eigener Umsätze<br />
ist, wird anschaulich im nachfolgenden<br />
Expertenbeitrag <strong>der</strong> PheneX Pharmaceuticals<br />
verdeutlicht.<br />
Abbildung 3-3:<br />
Kundenstruktur <strong>der</strong> Sample-Unternehmen je nach Geschäftsfeld<br />
Anteil <strong>der</strong> Nennungen in % (Mehrfachnennungen möglich)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
6<br />
9<br />
14<br />
6<br />
6<br />
28<br />
31<br />
Alle<br />
(n = 480)<br />
8<br />
5<br />
11<br />
2<br />
31<br />
41<br />
Therapeutika<br />
(n = 199)<br />
13<br />
13<br />
16<br />
4<br />
3<br />
25<br />
26<br />
Molekulardiagnostika<br />
(n = 85)<br />
2<br />
5<br />
2<br />
16<br />
20<br />
23<br />
32<br />
Spezialchemikalien<br />
(n = 44)<br />
Endverbraucher<br />
Staat<br />
Akademie<br />
Ernährung<br />
Chemie<br />
Biotech<br />
Pharma<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
67
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Dr. Claus Kremoser, CEO, und Thomas Hoffmann, CFO<br />
PheneX Pharmaceuticals AG, Heidelberg<br />
Wir brauchen „early stage“-Biotechs in Deutschland,<br />
jetzt und in Zukunft!<br />
Die PheneX AG ist ein Management-Buy-out aus <strong>der</strong> ehemaligen Wirkstoffforschung <strong>der</strong><br />
LION bioscience AG mit privaten Mitteln. Einer <strong>der</strong> Hauptgründe für unseren Erfolg liegt<br />
darin, dass wir aufgrund <strong>der</strong> fehlenden Risikokapitalfinanzierung gezwungen waren, von<br />
Anfang an Umsatz zu erzeugen, um das gute Dutzend an Mitarbeitern halten zu können,<br />
mit dem wir angefangen hatten. Unser Ziel war es aber immer, Wirkstoffforschung an<br />
eigenen, patentgeschützten Molekülen mit Hilfe unserer SNuRM-Technologieplattform<br />
zu betreiben. Die SNuRM-Technologie erlaubt es, in biochemischen und Zellkulturassays<br />
Marker für den therapeutischen Index von Wirkstoffkandidaten zu identifizieren, die an<br />
nukleären Rezeptoren angreifen. Die Forscher <strong>der</strong> F. Hoffmann La-Roche in Basel fanden<br />
diesen Ansatz sehr interessant und waren bereit, in einer Pilotstudie diese Technologie<br />
zu testen. Nach einem Jahr<br />
übernahmen sie eine nicht-exklusive<br />
Kopie dieser Forschungsplattform.<br />
Damit war das Eis gebrochen und<br />
mittlerweile zählen wir zehn namhafte<br />
Pharma- und Biotechfirmen aus<br />
Europa, den USA und Japan zu unseren<br />
Kunden und wurden dadurch bereits<br />
im ersten Geschäftsjahr 2003 und<br />
auch in 2004 eine profitable Firma.<br />
Es ist bezeichnend für den Zustand<br />
<strong>der</strong> deutschen Venture-Capital-Szene,<br />
dass allein diese Validierung unserer Technologie durch den Markt nicht ausreichte, um<br />
uns eine nachhaltige Finanzierung für eigene Drug-Discovery-Projekte zu gewähren. In<br />
Zeiten, in denen führende Venture Partner öffentlich bekennen, dass Deutschland auch<br />
einige Jahre ohne Start-ups auskommen kann, legt sich <strong>der</strong> Fokus <strong>der</strong> VC-Investments<br />
auf late stage, also vermeintlich marktnahe Produktentwicklungen ab Phase II aufwärts.<br />
Das Geld fließt nicht in die besten Firmen, son<strong>der</strong>n in die, die bereits am weitesten<br />
finanziert wurden. Dieses „survival of the fattest“ hat aus unserer Sicht verhängnisvolle<br />
Konsequenzen: Nicht innovative neue Therapieansätze werden gewürdigt, son<strong>der</strong>n allein<br />
die Marktnähe o<strong>der</strong> ehrlicherweise die Exitnähe.<br />
Das verhin<strong>der</strong>t den organischen Aufbau einer Biotech-Industrie, in <strong>der</strong> Start-ups in A-<br />
Runden zu niedrigen Bewertungen finanziert werden, dann sukzessive in Personal- und<br />
Finanzierungsvolumina wachsen, eventuell zu größeren Einheiten fusionieren und<br />
schließlich durch IPO o<strong>der</strong> Pharma-Akquisition zum Exit kommen. In Deutschland fehlt<br />
<strong>der</strong>zeit u. a. die Möglichkeit <strong>der</strong> „fairen Stabübergabe“, also dass Frühphaseninvestoren<br />
nicht durch aberwitzige Liquidationspräferenzen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> Ausdünnung<br />
von den Investoren <strong>der</strong> letzten Runde herausgequetscht werden, son<strong>der</strong>n beim Exit noch<br />
einen fairen Anteil für ihre Risikobereitschaft erhalten.<br />
Nachdem wir in Gesprächen mit zahlreichen VCs zu <strong>der</strong> Erkenntnis gelangt waren, dass<br />
diese uns momentan nicht helfen werden können, haben wir uns um alternative<br />
Finanzierungsformen bemüht. Das ist mittlerweile erfolgreich abgeschlossen und wir<br />
sind froh, Investoren gefunden zu haben, die an uns genau das würdigen, was wir auch als<br />
sinnvoll und zukunftsweisend erachten:<br />
• Langfristiges Denken: Entwicklung innovativer Therapien für Nischenindikationen<br />
(klinische Entwicklung erheblich günstiger und einfacher) mit einem hohen<br />
medizinischen Bedarf; Option zur Fusion o<strong>der</strong> Kooperation mit Firmen, die auf dem<br />
gleichen Gebiet arbeiten.<br />
• Schlanke und „semi-virtuelle“ Organisation: Konzentration auf spezielle, im eigenen<br />
Labor durchgeführte SNuRM-Assays, bei denen ein Vorsprung zur Konkurrenz vorliegt;<br />
zur Kosteneinsparung Outsourcing wesentlicher Teile <strong>der</strong> chemischen Optimierung<br />
und <strong>der</strong> Tierversuche; Aufbau eines Netzes aus kompetenten, wissenschaftlichen<br />
Beratern, die „hands on“ mit den Wissenschaftlern im Labor zusammenarbeiten.<br />
• Umsatzgenerierung durch Kooperationen<br />
und Service-Geschäft: Schonung<br />
<strong>der</strong> eigenen Mittel; Zwang zu<br />
sehr diszipliniertem Arbeiten; Einblick<br />
in die Arbeitsweise gleich<br />
mehrerer großer Pharmaunternehmen,<br />
die auf dem gleichen<br />
Gebiet tätig sind.<br />
Wahrscheinlich kann man das US<br />
amerikanische Standard-Erfolgsmodell<br />
für Biotechs nicht so ohne<br />
weiteres auf deutsche Verhältnisse<br />
übertragen. Deutsche VC-Investoren haben einfach nicht die tiefen Taschen ihrer US-<br />
Pendants, die teilweise bereit sind, dreistellige Millionenbeträge in vorbörsliche Unternehmen<br />
fließen zu lassen. Deswegen müssen wir hier in Deutschland in guter, alter<br />
Tradition einen soli<strong>der</strong>en Weg beschreiten, in dem man kosteneffizient, durch Umsatzgeschäft<br />
flankiert, nach und nach eine Forschungsplattform aufbaut, die letztlich auch<br />
Produktentwicklungen und Marktzulassungen hervorbringen kann.<br />
Vor allem aber brauchen wir auch wie<strong>der</strong> Unternehmensgründungen, denn die<br />
Daseinsberechtigung einer Biotech-Industrie besteht nicht darin, dass man nur Moleküle<br />
einlizenziert und irgendwie in die Phase III o<strong>der</strong> zur Zulassung bringt, um damit an die<br />
Börse o<strong>der</strong> zu einem an<strong>der</strong>en Exit zu gelangen. Die Berechtigung von eigenständigen<br />
Biotechs besteht darin, dass sie neue Therapien hervorbringen für Krankheiten, die Big<br />
Pharma als zu kleine Märkte betrachtet, o<strong>der</strong> darin, dass sie Big Pharma mit innovativen<br />
Therapieansätzen für die großen Indikationen versorgt. Darauf sollten wir hinarbeiten,<br />
und zwar durchaus nach unseren eigenen Vorstellungen, und uns nicht zu sehr von<br />
Vorbil<strong>der</strong>n leiten lassen, die wir nur schlecht kopieren können.<br />
www.phenex-pharma.com<br />
68 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Outsourcing<br />
Aufschlussreich ist auch eine Analyse <strong>der</strong> Outsourcing-<br />
Aktivitäten <strong>der</strong> befragten Biotech-Firmen. Vorgegeben waren<br />
hier die Kategorien Forschung, Entwicklung, Produktion,<br />
Markteinführung und Vertrieb.<br />
Da die meisten Biotech-Unternehmen selbst vornehmlich im<br />
Bereich Forschung und Entwicklung tätig sind, erscheint <strong>der</strong><br />
geringe Anteil, <strong>der</strong> hier an an<strong>der</strong>e Firmen vergeben wird, nicht<br />
weiter verwun<strong>der</strong>lich. Somit nehmen die übrigen Kategorien<br />
den weitaus größeren Anteil, nämlich über drei Viertel, ein.<br />
Produktion und Vertrieb erreichen dabei einen Anteil von<br />
jeweils einem Drittel. Aktivitäten zur Markteinführung werden<br />
zu 20 Prozent nach außen gegeben.<br />
Abbildung 3-4:<br />
Outsourcing-Aktivitäten <strong>der</strong> Sample-Unternehmen<br />
Vertrieb<br />
29 %<br />
Markteinführung<br />
20 %<br />
Erfolge und Erfolgsfaktoren<br />
Forschung<br />
10 %<br />
Entwicklung<br />
11 %<br />
Produktion<br />
30 %<br />
n = 115 Firmen mit 214 Angaben (Mehrfachnennungen möglich)<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Woran kann Erfolg festgemacht werden? Hierzu gibt es<br />
sicherlich die unterschiedlichsten Antworten. Ein relativ<br />
überzeugen<strong>der</strong> Faktor ist gewiss – vor allem in <strong>der</strong> noch<br />
insgesamt verlustreichen deutschen Biotech-Industrie – das<br />
Erreichen <strong>der</strong> Gewinnzone. So ist es im vergangenen Jahr<br />
einigen deutschen Biotech-Firmen gelungen, profitabel zu<br />
werden. Neben <strong>der</strong> Epidauros Biotechnologie aus Bernried bei<br />
München (siehe nachfolgenden Expertenbeitrag) vermeldete<br />
die ebenfalls in München ansässige Bicoll eine positive Bilanz.<br />
Diesen Erfolg konnte die Firma bereits drei Jahre nach ihrer<br />
Gründung erzielen.<br />
Ein prominentes Beispiel für eine auch sonst sehr erfolgreiche<br />
Entwicklung im vergangenen Jahr ist die Münchener<br />
MorphoSys, <strong>der</strong> es nach einem herausragenden Geschäftsjahr<br />
2004 gelang, die Gewinnschwelle zu erreichen. Neben einigen<br />
weiteren finanziellen Erfolgen konnte MorphoSys folgende<br />
positive Nachrichten vermelden:<br />
• Steigerung des Umsatzes um 44 Prozent<br />
• Liquide Mittel um 60 Prozent angestiegen<br />
• Novartis beteiligt sich mit 10 Prozent an MorphoSys<br />
• Aufnahme in den Auswahlindex TecDAX<br />
• Auszeichnung für vorbildliche Corporate Governance<br />
• Abschluss einer weit reichenden, therapeutischen Antikörper-<br />
Kooperation mit <strong>der</strong> Novartis AG<br />
• Ausbau <strong>der</strong> Geschäftseinheit für Forschungsantikörper<br />
„Antibodies by Design“, die durch die Akquisition <strong>der</strong><br />
Biogenesis-Gruppe in UK und in den USA im Januar 2005<br />
nachhaltig gestärkt wurde<br />
• Erster HuCAL ® -Antikörper erhält Zulassung für den Beginn<br />
<strong>der</strong> klinischen Entwicklung: Phase 1 hat im Januar 2005<br />
begonnen.<br />
• Präsentation viel versprechen<strong>der</strong>, präklinischer Ergebnisse für<br />
MOR202, MorphoSys neuestem Antikörperprogramm zur<br />
Behandlung des Multiplen Myeloms<br />
• Unterzeichnung einer Zusammenarbeit mit Novoplant GmbH<br />
für neuartige Anwendungen <strong>der</strong> HuCAL ® -Technologie im<br />
Bereich <strong>der</strong> Veterinärmedizin<br />
• Abschluss einer Marketing-Kooperation mit GeneFrontier<br />
Corporation, um den japanischen Life-Science-Markt für<br />
MorphoSys zu erschließen und die HuCAL ® -Technologie zur<br />
Generierung von Forschungsantikörpern sowie von therapeutischen<br />
Antikörpern zu etablieren<br />
• Start eines neuen therapeutischen Antikörperprogramms im<br />
Bereich <strong>der</strong> Herz-Kreislauf-Erkrankungen in <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />
mit Boehringer Ingelheim<br />
• Vorzeitige Verlängerung <strong>der</strong> bestehenden Vereinbarung mit<br />
Centocor (Johnson & Johnson) bis Ende 2007<br />
• Verlängerung <strong>der</strong> bestehenden Kooperation mit <strong>der</strong> Schering<br />
AG bis 2007<br />
• Erteilung des US-Patents für die firmeneigene<br />
CysDisplay TM Screening-Technologie<br />
69
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Dr. Manfred Zoltobrocki,<br />
CEO EPIDAUROS Biotechnologie AG, Bernried<br />
Profitabilität durch Neuausrichtung<br />
Die EPIDAUROS Biotechnologie AG wurde im Jahre 1997 mit einem kombinierten<br />
Geschäftsmodell im Bereich <strong>der</strong> Pharmakogenetik gegründet. Die drei Elemente dieses<br />
Geschäftsmodells waren „Pharma“ (eigene Arzneimittelentwicklungsprojekte), „Support“<br />
(Serviceanalysen und Forschungskooperationen) und „Diagnostics“ (Auslizenzieren von<br />
pharmakogenetischen Markern zur Entwicklung diagnostischer Tests). Eine erste<br />
Finanzierungsrunde wurde in 1998 erfolgreich abgeschlossen, Anfang 1999 nahm die<br />
Firma die volle operative Geschäftstätigkeit auf. Ende 2001 hatte die Firma 59<br />
Mitarbeiter und 21 Patentanmeldungen. Ein Börsengang wurde in 2001 wegen des<br />
nachlassenden Interesses am Markt abgesagt. Im Jahre 2002 bemühte sich EPIDAUROS<br />
deshalb um eine Folgefinanzierung über Eigenkapital mit dem Ziel, die Fortführung <strong>der</strong><br />
eigenen Forschung und die weitere Kommerzialisierung <strong>der</strong> Resultate zu erreichen.<br />
Die eigene Forschung konnte jedoch das gesetzte Ziel (aus 36<br />
identifizierten Arzneimittelkandidaten, die eine pharmakogenetische<br />
Komponente haben sollten, fünf in „proof-ofconcept“-Studien<br />
bzw. Vertragsverhandlungen mit Pharmafirmen<br />
zu bringen) nicht erreichen. Das Vertrauen von Altaktionären und<br />
potentiellen Neuinvestoren in dieses Geschäftsmodell war zu<br />
diesem Zeitpunkt geschwunden. Zudem war die gesamtwirtschaftliche<br />
Umfeldentwicklung zu dieser Zeit für Biotech-<br />
Investitionen ungünstig. Trotz intensiver Bemühungen gelang es<br />
dem Management daher nicht, die Folgefinanzierung zu sichern.<br />
Im Herbst 2002 stand die Firma vor <strong>der</strong> drohenden Insolvenz.<br />
Die Alternative dazu war eine völlige Umstrukturierung samt<br />
strategischer Neuausrichtung, die im Oktober 2002 entschieden<br />
und zu <strong>der</strong> zusammen mit den Anteilseignern ein Sanierungskonzept mit Fortbestehensprognose<br />
erarbeitet wurde. Das Konzept sah die sofortige Einstellung <strong>der</strong> eigenständigen<br />
Forschung, den Abbau von 50 % <strong>der</strong> Mitarbeiter sowie begleitende Maßnahmen zur<br />
Sicherung <strong>der</strong> Liquidität und Eigenkapitalstützung vor. Sicherzustellen war außerdem<br />
die Erfüllung eines in diesem Jahr über drei Jahre abgeschlossenen Forschungsvertrages<br />
mit einer großen Pharmafirma. Auf Basis einer positiven Fortbestehensprognose begann<br />
im November 2002 die Umsetzung mit <strong>der</strong> Reduzierung <strong>der</strong> Belegschaft auf die Hälfte.<br />
Vom bis dahin 4-köpfigen Vorstand blieb Anfang 2003 nur ein Mitglied bei EPIDAUROS,<br />
<strong>der</strong> das Unternehmen drei Monate später aber ebenfalls verließ. Für ca. drei Monate<br />
übernahm dann <strong>der</strong> Aufsichtsratsvorsitzende vorübergehend die Leitung des Unternehmens,<br />
bis im Frühsommer 2003 ein neuer Vorstand gefunden war.<br />
Die Neuausrichtung beinhaltete die Konzentration auf das Servicegeschäft als<br />
Hauptsäule, begleitet von konsequentem Kostenmanagement. EPIDAUROS führt<br />
Genotypisierungsanalysen im Bereich Pharmakogenetik mit Konzentration auf den<br />
ADME-Komplex (Absorption, Distribution, Metabolismus, Exkretion) für Arzneimittelentwicklungsprojekte<br />
von Pharma- und Biotechfirmen durch. Zwei weitere Säulen<br />
erlangen mittlerweile steigende Bedeutung, nämlich Forschungskooperationen mit<br />
Universitäten/an<strong>der</strong>en Institutionen zur Erarbeitung neuer IP und die Generierung von<br />
Einkommen durch Auslizenzieren eigener IP. Hier ist als Beispiel die Lizenzvergabe zur<br />
Nutzung des Patentes über eine CYP2D6-Variante an Roche Molecular Diagnostics, Inc.<br />
für <strong>der</strong>en AmpliChip® Cyp450-Test zu nennen. Wachsende Bedeutung erlangt zur Zeit<br />
<strong>der</strong> Bereich „Consulting“, <strong>der</strong> die Beratung und Schulung <strong>der</strong> Kunden bezüglich<br />
allgemeiner, pharmakogenetischer Fragen, aber auch die Mitarbeit von EPIDAUROS-<br />
Wissenschaftlern in den Entwicklungsteams <strong>der</strong> Kunden beinhaltet. Heute ist<br />
EPIDAUROS ein weltweit führen<strong>der</strong> Anbieter für pharmakogenetische Analysen,<br />
Forschungskooperationen und Beratung für internationale Pharma- und Biotechfirmen<br />
sowie CROs.<br />
Die Firma untersucht genetische Faktoren, die die<br />
individuelle Reaktion auf ein Arzneimittel beeinflussen. Das<br />
Ziel ist, zur Verbesserung von Wirksamkeit und Verträglichkeit<br />
aber auch zur schnelleren und effizienteren<br />
Entwicklung neuer Arzneimittel beizutragen (Schlagwort:<br />
individualisierte Therapie). Die meisten heute auf dem Markt<br />
befindlichen Arzneimittel wurden ohne Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> genetischen Unterschiede zwischen den Patienten<br />
entwickelt. Die Bedeutung dieser Unterschiede ist in <strong>der</strong><br />
jüngsten Vergangenheit stark gestiegen. Auch die<br />
Zulassungsbehörden haben dies erkannt und reagieren mit<br />
entsprechenden Aktivitäten (z. B. „draft guidance“ <strong>der</strong> FDA<br />
im November 2003, die endgültige Fassung erschien im<br />
März 2005). Auch Pharma- und Auftragsforschungsfirmen<br />
beschäftigen sich vermehrt mit Pharmakogenetik bei den neuen Entwicklungen.<br />
Pharmakogenetische Daten werden deshalb mehr und mehr zu Standardbestandteilen<br />
künftiger Arzneimittelzulassungsanträge. Bereits heute verlangt die amerikanische FDA<br />
die Einreichung solcher Daten, falls „valide Biomarker“ eine Rolle spielen.<br />
Die EPIDAUROS Biotechnologie AG bietet heute über 1500 validierte Assays für mehr<br />
als 4000 Varianten (SNPs, Deletionen, Insertionen, Multiplikationen) für klinische<br />
Prüfungen <strong>der</strong> Phasen I bis IV an. Im Jahre 2003 erreichte die EPIDAUROS Biotechnologie<br />
AG den „break-even“. Auch in 2004 wurde ein positives Ergebnis erwirtschaftet. Die<br />
Geschichte <strong>der</strong> Firma zeigt beispielhaft, wie durch eine grundlegende Umstrukturierung<br />
<strong>der</strong> Turn-around geschafft und <strong>der</strong> Fortbestand <strong>der</strong> Firma gesichert wurde.<br />
www.epidauros.com<br />
70 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Steigerung des Umsatzes.<br />
Einigen deutschen Biotech-Firmen ist dies im letzten Jahr sehr<br />
erfolgreich gelungen, so dass <strong>der</strong> Gesamtumsatz <strong>der</strong> Branche<br />
geringfügig um sieben Prozent gestiegen ist.<br />
Die daran wesentlich beteiligten Unternehmen wurden bereits<br />
genannt: MediGene, MorphoSys, PAION und Probiodrug. Aber<br />
auch die Berliner MOLOGEN konnte mit einer Vervierfachung<br />
<strong>der</strong> Umsatzerlöse eine erfolgreiche Trendwende berichten. Obwohl<br />
<strong>der</strong> Umsatz im Vergleich zu an<strong>der</strong>en börsennotierten<br />
Unternehmen noch auf relativ geringem Niveau liegt, konnte er<br />
von 2003 auf 2004 von 0,5 Mio. € auf 2,1 Mio. € gesteigert<br />
werden. Jedoch lagen zum Zeitpunkt<br />
<strong>der</strong> Veröffentlichung des Jahresabschlusses<br />
2004 signifikante schriftliche<br />
Aufträge vor, die sich bei erfolgreicher<br />
Umsetzung zu einem Umfang<br />
von ca. 9 Mio. € in den nächsten<br />
beiden Jahren summieren werden.<br />
Ferner gab die ebenfalls börsennotierte<br />
november aus Erlangen eine<br />
– wenn auch nicht so drastisch<br />
ausgefallene – Umsatzerhöhung von<br />
26 Prozent für 2004 bekannt: Der<br />
Konzernumsatz stieg von 4,4 Mio. €<br />
im Vorjahr auf 5,6 Mio. €. Die positive<br />
Geschäftsentwicklung im vergangenen<br />
Jahr ist unter an<strong>der</strong>em auf die<br />
neue Ausrichtung als Holding zurückzuführen:<br />
Seit Anfang 2004 sind die<br />
ehemaligen Geschäftsbereiche Produkt- und Markenschutz sowie<br />
Diagnose als eigene Tochtergesellschaften – identif GmbH<br />
und directif GmbH – operativ tätig. Ziel <strong>der</strong> neuen Konzernstruktur<br />
ist es, noch schneller und flexibler auf die Erfor<strong>der</strong>nisse<br />
<strong>der</strong> spezifischen Marktsegmente und auf die Bedürfnisse <strong>der</strong><br />
Kunden zu reagieren sowie Finanz- und strategischen Investoren<br />
den Einstieg in die november-Gruppe zu erleichtern. Neue<br />
Beteiligungen, Folgeaufträge <strong>der</strong> Pharmabranche und Partnerschaften<br />
mit prominenten Industrieunternehmen stützten im<br />
Geschäftsjahr 2004 die positive Entwicklung <strong>der</strong> november.<br />
An vorstehenden Beispielen zeigt sich, dass ein Erfolgsfaktor<br />
hier teilweise die Umstrukturierung o<strong>der</strong> Neuausrichtung<br />
war.<br />
„Obwohl Investmentfirmen immer wie<strong>der</strong> größere<br />
und ausgereiftere Unternehmen for<strong>der</strong>n,<br />
können auch kleine innovative Firmen, die<br />
diesen Ansprüchen auf den ersten Blick nicht<br />
genügen, sich am Markt halten, wachsen und<br />
Erfolge erzielen. Letztlich ist im Hinblick auf die<br />
Biotech-Branche eine genaue und differenzierte<br />
Betrachtung <strong>der</strong> Unternehmen in ihren ganz<br />
unterschiedlichen Größen und Ausrichtungen<br />
wünschenswert und auch notwendig, um alle<br />
Bedürfnisse dieser Branche zu erfüllen und die<br />
momentan bestehenden Probleme zu lösen.“<br />
Dr. Andreas Klostermann, CEO conoGenetix<br />
biosciences GmbH, Martinsried<br />
Während Firmen wie Epidauros und november (die im Übrigen<br />
vor kurzem einen Kooperationsvertrag auf dem Gebiet <strong>der</strong><br />
individualisierten Medizin abgeschlossen haben) eine Umstrukturierung<br />
bzw. Neuausrichtung bereits zum Positiven realisiert<br />
haben, stecken an<strong>der</strong>e Firmen wie co.don, MWG Biotech o<strong>der</strong><br />
LION bioscience jedoch noch mitten drin.<br />
So hatte Anfang April 2004 <strong>der</strong> Vorstand <strong>der</strong> co.don aus Berlin<br />
mit Zustimmung des Aufsichtsrats Umstrukturierungsmaßnahmen<br />
beschlossen, die auf eine Fokussierung des Unternehmens<br />
auf die präklinische und klinische Entwicklung zielen.<br />
Eigene und einlizenzierte Technologien aus dem Tissue<br />
Engineering sollen in Zukunft bis zur<br />
Zulassungsreife entwickelt und anschließend<br />
international an geeignete<br />
Vertriebspartner auslizenziert werden.<br />
Somit konzentriert sich die co.don in<br />
Zukunft auf die Entwicklung von<br />
Produkten. Gleichzeitig wird die<br />
GMP-Produktionsanlage für Auftragsproduktion<br />
aktiv vermarktet. Als<br />
Ergebnis dieser Strategie erwartet das<br />
Unternehmen eine erhebliche Kostenreduzierung.<br />
Zudem kann es Zugang<br />
zu neuen Einnahmenquellen in Form<br />
von Meilensteinzahlungen, Lizenzgebühren,<br />
Umsatzbeteiligungen sowie<br />
Einnahmen aus <strong>der</strong> Auftragsproduktion<br />
gewinnen.<br />
Weiterhin hat <strong>der</strong> Aufsichtsrat einer<br />
umfassenden Restrukturierung des Unternehmens zugestimmt.<br />
Dazu gehörte eine Kapitalerhöhung, die zum Ende des Jahres<br />
2004 jedoch nur teilweise umgesetzt wurde, da nur 309.611 <strong>der</strong><br />
2,35 Millionen angebotenen Aktien platziert werden konnten.<br />
Als Folge musste Anfang Januar diesen Jahres die operative<br />
Burn Rate durch einen Personalabbau um ca. 50 Prozent auf 16<br />
Mitarbeiter gesenkt werden. Zudem wurden die nicht operativ<br />
tätigen Tochtergesellschaften in den USA und Singapur<br />
aufgelöst und <strong>der</strong>zeit wird die strategische Option eines M&A<br />
geprüft. Dennoch kann co.don mit den verfügbaren Ressourcen<br />
eine AMG- und GMP-gemäße Produktion sowie die<br />
wichtigsten Entwicklungsprojekte fortsetzen. Vorstand und<br />
Aufsichtsrat sind zuversichtlich, mit einem strategischen<br />
Vertriebspartner zu einem Vertragsabschluss zu kommen und<br />
die Optionen für einen möglichen Zusammenschluss mit einem<br />
an<strong>der</strong>en Unternehmen klären zu können.<br />
71
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Auch Vorstand und Aufsichtsrat <strong>der</strong> MWG Biotech haben im<br />
Oktober 2004 eine Fokussierung des Unternehmens auf das<br />
Kerngeschäft beschlossen. Damit wird sich die Firma künftig<br />
auf die Produkte und Dienstleistungen <strong>der</strong> Geschäftsbereiche<br />
Genomic Synthesis (Herstellung synthetischer Nukleinsäuren,<br />
Oligonukleotide) und Genomic Information (DNA-Sequenzierung;<br />
Bestimmung des Erbguts von ein- und mehrzelligen<br />
Organismen) konzentrieren. Die beabsichtige Trennung von den<br />
Nicht-Kernbereichen Genomic Diagnosis (Microarrays) und<br />
Genomic Technology (Laborautomation) konnte vor kurzem<br />
abgeschlossen werden. So wurde Anfang Februar diesen Jahres<br />
das Laborautomationsgeschäft mit <strong>der</strong> Liquid-Handling-Plattform<br />
THEONYX an den Automatisierungsspezialisten AVISO<br />
veräußert. Dadurch konnte MWG ein wesentliches Kapitel ihrer<br />
Restrukturierung abschließen.<br />
Allerdings musste das restliche ehemalige Laborautomationsgeschäft<br />
<strong>der</strong> Firma zum Jahresende 2004 abgewickelt werden.<br />
Nachdem zunächst befürchtet wurde, dass dieses Schicksal<br />
auch den Geschäftsbereich Genomic Diagnosis (Microarrays)<br />
trifft, konnte hierfür Ende Februar 2005 ein potentieller Käufer<br />
gefunden werden.<br />
Die Ocimum Biosolutions, ein führen<strong>der</strong> Anbieter von Laborinformations-Managementsystemen<br />
(LIMS), Bioinformatiklösungen<br />
und Auftragsforschung mit Hauptsitz in Hy<strong>der</strong>abad,<br />
Indien, hat eine Absichtserklärung für den Erwerb von Kernaktiva<br />
des „Genomic Diagnosis“ Microarray-Geschäfts <strong>der</strong><br />
MWG Biotech unterzeichnet.<br />
Schließlich hat im November 2004 auch die LION bioscience<br />
mitgeteilt, die Gesellschaft zu reorganisieren. Die Firma will<br />
sich deshalb in Zukunft ausschließlich auf profitable Aktivitäten<br />
konzentrieren und eine optimierte Organisationsstruktur einführen.<br />
Dazu sollen die Geschäftsbereiche Bioinformatik<br />
(Kernprodukt SRS) und Chemieinformatik (Kernprodukt Lead-<br />
Navigator ) in den bereits bestehenden Tochtergesellschaften<br />
an den Standorten Cambridge/UK sowie Cambridge/USA<br />
konzentriert werden. Der Standort Heidelberg soll auf die Kernfunktionen<br />
einer Verwaltung sowie auf die für die Weiterführung<br />
<strong>der</strong> Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Bayer AG notwendigen<br />
Aktivitäten reduziert werden. Neben Verän<strong>der</strong>ungen im Vorstand<br />
sind tiefe Einschnitte im Personalstand geplant.<br />
Unternehmerisch handeln: Viele Wege führen nach Rom<br />
Dr. Karsten Henco, Aufsichtsrat Evotec OAI AG, Hamburg & Dr. Holger Zinke, CEO BRAIN AG, Zwingenberg<br />
In unseren Verbandsgremien werden zunehmend Diskussionen zu Erfolgsfaktoren im Konsolidierungsprozess <strong>der</strong> deutschen<br />
Biotechnologie-Unternehmen geführt. Es fällt auf, dass häufig <strong>der</strong> Schwerpunkt auf den Finanzmarktfragen und ihren Zyklen liegt.<br />
Plattform, Service, Produkt – Zeitgeist o<strong>der</strong> Wahrheit?<br />
Für den langfristigen Erfolg eines unternehmerischen Konzepts bleibt die Marktakzeptanz entscheidend. Wie es typischerweise ein<br />
Fehler ist, den Standort nach Subventions- o<strong>der</strong> steuerlichen Rahmenbedingungen auszusuchen, so dürfen bei <strong>der</strong> langfristigen<br />
strategischen Ausrichtung nicht die Launen des Kapitalmarkts im Vor<strong>der</strong>grund stehen. Unternehmen und Vorstände sollten sich<br />
gegenüber den Mainstream-Modemaximen und Kapitalmarktinteressen emanzipieren.<br />
Heute sehen wir zunehmend „unternehmerische“ Erfolgsbeispiele und eine Diversität von Geschäftsmodellen. Manch<br />
spezialisiertes Unternehmen hat sich im Schatten <strong>der</strong> Moden in beachtlicher Breite und internationaler Marktführerschaft etabliert.<br />
Märkte bereits vor ihrer Offensichtlichkeit zu identifizieren und zeitlich korrekt einzuschätzen, zeichnet den erfolgreichen<br />
Unternehmer aus. Das Finanzierungskonzept kann nur eine Folge, nicht <strong>der</strong> Ausgangspunkt sein. Sind spezialisierte, international<br />
aufgestellte und marktführende „Mittelständler“ nicht eine typisch deutsche Erfolgsgeschichte?<br />
Mit <strong>der</strong> gereiften Biotech-Landschaft werden Produkt- und Kundenakzeptanz auch für die Finanzwelt in den Vor<strong>der</strong>grund rücken.<br />
Wenn wir dieses vor dem Hintergrund eines internationalen Benchmarkings prioritär diskutieren, und so die vorhandenen<br />
unternehmerischen Stärken nutzen, sind wir auf dem richtigen Weg.<br />
72 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
LION bioscience geht davon aus, dass die Personalstärke von<br />
142 Mitarbeitern im September 2004 im Jahresverlauf 2005/<br />
2006 auf ungefähr 50 bis 70 Mitarbeiter reduziert wird. Die<br />
Neuausrichtung soll zwei Ziele verfolgen: Erstens soll ab dem<br />
Geschäftsjahr 2005/2006 die Profitabilität sichergestellt<br />
werden. Hierzu soll die Mittelallokation durch die Obergesellschaft<br />
zukünftig ausschließlich unter Rentabilitätsaspekten<br />
erfolgen. Zweitens soll durch die bessere Darstellung <strong>der</strong><br />
Vermögenswerte die Transparenz für Anleger erhöht werden.<br />
Auf einer im März 2005 einberufenen außerordentlichen<br />
Hauptversammlung wurde die strategische Neuausrichtung <strong>der</strong><br />
Gesellschaft, die Erweiterung und die<br />
Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Satzung u. a. hinsichtlich<br />
des Unternehmensgegenstandes<br />
sowie <strong>der</strong> Ermächtigung zum Erwerb<br />
eigener Aktien durch die Gesellschaft<br />
verabschiedet.<br />
Neben diesen eher mit negativen<br />
Folgen verbundenen Restrukturierungsmaßnahmen<br />
in <strong>der</strong> deutschen<br />
Biotech-Industrie sollen abschließend<br />
noch zwei Beispiele für positive<br />
Umstrukturierung gegeben werden.<br />
So hat im Februar 2004 die<br />
Münchener 4SC die Ausgründung<br />
einer eigenständigen Gesellschaft,<br />
<strong>der</strong> quattro research GmbH bekannt<br />
gegeben. Das neue Unternehmen<br />
entwickelt und vermarktet Software-<br />
Lösungen zur Integration von<br />
chemischen und biologischen Daten<br />
in <strong>der</strong> Medikamentenforschung und<br />
-entwicklung. Mit <strong>der</strong> Ausgründung<br />
kann das Angebot einer breiten<br />
Klientel in <strong>der</strong> Life-Science-Industrie zugänglich gemacht<br />
werden.<br />
Mit einem ähnlichen Ziel – <strong>der</strong> stärkeren Ausrichtung auf Markt<br />
und Kunden – hat im Juli 2004 Jerini ihren Geschäftsbereich<br />
Peptiddienstleistungen als 100-prozentige Tochtergesellschaft<br />
ausgegründet. Die Tochter übernimmt den früheren Geschäftsbereich,<br />
während sich Jerini vollständig auf die Arzneimittelentwicklung<br />
und Vermarktung konzentriert. JPT Peptide<br />
Technologies fokussiert sich auf den Vertrieb und weiteren<br />
Ausbau <strong>der</strong> Produktlinien für die Forschung in den Bereichen<br />
Proteomics, Immunologie und Hochdurchsatz-Screening.<br />
"Die Großwetterlage in <strong>der</strong> Branche ist immer<br />
noch eher wolkig, als von Heiterkeit geprägt - die<br />
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lassen<br />
auch kaum etwas an<strong>der</strong>es zu. Dennoch war in<br />
2004 endlich wie<strong>der</strong> ein wenig mehr Optimismus<br />
zu beobachten – nicht nur bei den Vertretern<br />
<strong>der</strong> deutschen Biotechnologie selbst,<br />
son<strong>der</strong>n auch in Presse und Öffentlichkeit.<br />
Wenn wir es jetzt noch gemeinsam schaffen,<br />
nicht jeden positiven Trend – wie z. B. die beiden<br />
jüngst erfolgten Börsengänge von Biotech-<br />
Unternehmen – sofort wie<strong>der</strong> mit übergroßer<br />
Skepsis zu betrachten und medienwirksam negativ<br />
darzustellen – dann könnte sich die Biotechnologie<br />
tatsächlich mittelfristig wie<strong>der</strong> so<br />
weit erholen, dass uns am Standort Deutschland<br />
nicht sämtliche zukunftssichernden Ansätze<br />
verloren gehen."<br />
Dr. Claudia Ulbrich, CEO LipoNova GmbH,<br />
Hannover<br />
Der Markt und die Kunden bzw. Partner sowie die flexible<br />
Ausrichtung darauf stellen somit einen weiteren wichtigen<br />
Erfolgsfaktor dar. Denn das Erreichen des Markts o<strong>der</strong> das<br />
Abschließen erfolgreicher Partnerschaften führt in <strong>der</strong> Regel zu<br />
Umsatz. Gleichzeitig werden durch diesen „proof of market“<br />
das Produkt o<strong>der</strong> die Dienstleistungen eines Unternehmens<br />
validiert, was weitere Verkäufe und Aufträge mit sich ziehen<br />
kann.<br />
So eröffnete beispielsweise ein Pilotprojekt mit dem Pharma-<br />
Konzern Bristol-Myers Squibb für die börsennotierte november<br />
die Chance, ihr Produkt, ein DNA-basiertes Sicherheitssiegel<br />
zum Schutz vor gefälschten Medikamenten,<br />
gegenüber konkurrierenden<br />
Technologien, zum Beispiel<br />
Hologrammen, durchzusetzen. Denn<br />
in dem Pilotprojekt konnte sich das<br />
DNA-Siegel bewähren, das zukünftig<br />
alle AIDS-Medikamente <strong>der</strong> Pharma-<br />
Firma fälschungssicher machen soll.<br />
Die Kooperation brachte im vergangenen<br />
Geschäftsjahr immerhin<br />
220.000 € Umsatz ein.<br />
Eine beson<strong>der</strong>s flexible Ausrichtung<br />
auf den Kunden (in diesem Falle<br />
sogar den Endverbraucher) erwog die<br />
Frankfurter Humatrix: Bei Vaterschaftstest,<br />
<strong>der</strong>en Testergebnis nicht<br />
innerhalb von drei Tagen nach<br />
Probeneingang im Labor vorliegt,<br />
erhalten Kunden ihr Geld zurück. Der<br />
hohe Automatisierungsgrad des<br />
Labors gewährleistet die kurze<br />
Bearbeitungszeit von nur drei Tagen.<br />
Ein <strong>der</strong>artiger Service lässt sich wohl<br />
nur dann leisten, wenn eine entsprechende Erfolgsbasis zuvor<br />
aufgebaut wurde. Als Konsequenz ihrer dreijährigen<br />
Erfolgsgeschichte bezog die Firma im vergangenen März neue<br />
Gewerbeflächen, da <strong>der</strong> bisherige Standort an seine<br />
Kapazitätsgrenzen gestoßen war.<br />
Eine flexible Reaktion auf den Markt ist sicher auch die<br />
Diversifikation in die Biotechnologie, wie sich an Ausgründungsbeispielen<br />
<strong>der</strong> Fresenius Biotech in München und <strong>der</strong><br />
elbion in Dresden zeigen lässt.<br />
73
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Dr. Thomas Gottwald,<br />
CEO Fresenius Biotech GmbH, München<br />
Diversifizierung in die Biotech-Industrie<br />
Während sich die Biotechfirmen in den USA nach dem Platzen <strong>der</strong> New-Economy-Blase<br />
wie<strong>der</strong> in einer richtiggehenden Hausse befinden, sind viele Firmen hierzulande zumeist<br />
von akuter Finanznot o<strong>der</strong> sogar dem „Aus“ bedroht. Dabei muss das nicht so sein. Im<br />
Gegenteil. Wenn auch in Europa die Ausgaben für Gesundheit an<strong>der</strong>s als in den USA seit<br />
über einem Jahrzehnt nicht gestiegen sind, wächst doch <strong>der</strong> Bedarf an neuen, innovativen<br />
Therapien ständig. Dies hat vielfältige Ursachen, die unter an<strong>der</strong>em in <strong>der</strong> Alterung <strong>der</strong><br />
Bevölkerung sowie <strong>der</strong> Zunahme an Zivilisationserkrankungen und Krebs zu suchen sind.<br />
Gleichzeitig steht die Pharmabranche insgesamt vor <strong>der</strong> Herausfor<strong>der</strong>ung zunehmend<br />
leerer Pipelines bei gleichzeitig auslaufenden Patenten<br />
– zumeist von Blockbuster-Präparaten – und dies trotz<br />
immer höherer Investitionen in die eigene Grundlagenforschung.<br />
Der „gold rush“ zu den Generika ist eine Folge.<br />
Eine an<strong>der</strong>e Folge ist <strong>der</strong> Trend zur Biotechnologie. Das<br />
weltweite Wachstum <strong>der</strong> Pharmaindustrie von rund 10 %<br />
p. a. wird überproportional durch Innovationen aus <strong>der</strong><br />
Biotechnologie getrieben. Ein Beispiel: 2001 betrug <strong>der</strong><br />
Marktanteil von innovativen Biotechnologie-Produkten<br />
10 %, im Jahr 2011 werden es bereits geschätzte 30 %<br />
sein. Und die Umsätze <strong>der</strong> Top 10 <strong>der</strong> Biotech-Branche<br />
werden sich von 2001 bis 2007 verdreifacht haben.<br />
Beson<strong>der</strong>s bei Krebs schaffen die hohe Sterblichkeit und die steigende Inzidenz enormen<br />
Bedarf an Innovation.<br />
Die Rationale für eine Diversifizierung in die Biotechnologie ist somit gegeben: Bessere<br />
Therapieoptionen durch so genannte „targeted therapies“ (z. B. monoklonale Antikörper)<br />
sind möglich, die Humangenomforschung eröffnet neue Einsicht für Biopharmazeutika,<br />
neue therapeutische Fel<strong>der</strong> erschließen sich (z. B. regenerative Medizin), <strong>der</strong> Marktanteil<br />
innovativer Biopharmazeutika, basierend auf medizinischem Bedarf, wächst. Diese<br />
Entwicklung bringt auch für kleinere, zumeist mittelständische Unternehmen, aber auch<br />
größere Konzerne, die in an<strong>der</strong>en Geschäftsfel<strong>der</strong>n tätig sind, die Chance, in die<br />
Biotechnologie zu diversifizieren.<br />
Vor diesem Hintergrund hat Anfang 2004 die Fresenius AG, ein weltweit tätiger<br />
Gesundheitskonzern, die Entscheidung bekannt gegeben, seine Biotechnologie-<br />
Aktivitäten unter dem Dach <strong>der</strong> im Jahr 2003 gegründeten Fresenius Biotech GmbH<br />
auszubauen. Das Biotechnologie-Unternehmen wird zwar vom Know-how und den<br />
Strukturen des Konzerns profitieren, gleichzeitig aber mit einem erfahrenen<br />
Management-Team sowie einer schlanken Struktur und kompetenten Kooperationspartnern<br />
eine klar ausgerichtete Strategie verfolgen. Fresenius Biotech entwickelt<br />
zusammen mit seinem Partner Trion Pharma innovative Antikörper-Therapien zur<br />
Behandlung von Krebs und Zelltherapien für die Behandlung von HIV-Infektionen im<br />
Endstadium sowie zur dauerhaften Vermeidung <strong>der</strong> Abstoßung von transplantierten<br />
Organen. Mit dem Immunsuppressivum ATG Fresenius S verfügt Fresenius Biotech bereits<br />
über ein seit vielen Jahren auf dem Markt etabliertes biotechnologisches Produkt für den<br />
akuten Einsatz bei Transplantationen. Die Firma konzentriert sich auf die klinische<br />
Entwicklung und Zulassung von Biopharmazeutika.<br />
Neue Projekte kommen bei Fresenius Biotech von jungen Biotechnologie-Unternehmen,<br />
Universitäten und Forschungseinrichtungen. Wo erfor<strong>der</strong>lich, wird sich das Unternehmen<br />
über weitere Allianzen und Partnerschaften zusätzliches Know-how und<br />
Vertriebsunterstützung sichern. Diese Strategie ist eine Möglichkeit, den besagten<br />
Problemen mit <strong>der</strong> Forschungs- und Entwicklungs-Produktivität großer<br />
voll integrierter Pharmaunternehmen sowie einer immer stärkeren<br />
Diversifizierung <strong>der</strong> einzelnen Erkrankungen und daraus folgend<br />
kleineren Märkten bei gleichzeitig steigenden regulatorischen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen mit steigenden Entwicklungszeiten und kürzerer<br />
Marktexklusivität zu begegnen. Kleine und mittlere innovative Biotech-<br />
Unternehmen werden so für die Großen zu interessanten, ja<br />
lebenswichtigen Partnern. Dabei geht es vielen nicht um eine<br />
Übernahme; vielmehr wurde verstanden, dass Innovation im Kleinen<br />
besser gedeiht. Das Partnermanagement gewinnt daher immer mehr<br />
an Bedeutung.<br />
Die optionalen Geschäftsmodelle reichen entlang <strong>der</strong> gesamten<br />
Wertschöpfungskette – von komplett eigenständiger Entwicklung<br />
über Auslizenzierung nach erfolgreich abgeschlossenen Phasen <strong>der</strong> Zulassung bis hin<br />
zum Co-Development und später Co-Marketing. Dass diese Modelle funktionieren,<br />
belegen eine Vielzahl von Allianzen zwischen Big Pharma und Biotech. Mittlerweile sind<br />
einige Biotechs sogar in <strong>der</strong> Lage, ihrerseits Allianzen aktiv voranzutreiben – aus <strong>der</strong><br />
Position <strong>der</strong> Stärke heraus.<br />
Schließlich sind finanzielle Ressourcen und Zeit die Schlüssel zum Erfolg für kleine und<br />
mittlere Biotech-Unternehmen. Gleichzeitig brauchen Mittelständler und Großunternehmen<br />
mehr Innovationen als sie selbst generieren können. Hier liegt die Chance<br />
für beide Seiten. Biotechfirmen durchlaufen typischerweise drei Phasen: von <strong>der</strong> Phase<br />
<strong>der</strong> Auslizenzierung, über die eigenständige Zulassung bis zum Einlizenzieren neuer<br />
Produkte. Heute sind potentielle Partner weniger VCs als vielmehr strategische Partner<br />
mit entsprechendem Know-how und langfristigem strategischem Ansatz gefragt. Dies<br />
setzt (auf dieser Seite) idealerweise eine eigene, oftmals neu gegründete Biotech-<br />
Division voraus. Denn Partnermanagement funktioniert nur über entsprechende<br />
Schnittstellen, mit engagierten Fachleuten auf beiden Seiten.<br />
www.fresenius-biotech.de<br />
74 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Dr. Bernd Kastler, CEO elbion AG, Dresden<br />
elbion AG – ein junges Unternehmen mit Tradition<br />
Der 1. Juli 2002 ist <strong>der</strong> formelle Geburtstag unserer elbion AG mit Sitz in Radebeul (bei<br />
Dresden). An diesem Tag wurde unser Management-Buy-out (MBO) aus dem Degussa-<br />
Konzern, genauer aus dem Arzneimittelwerk Dresden, einer Enkelgesellschaft <strong>der</strong><br />
Degussa, wirksam. Die Nennung dieses Geburtstages ist jedoch nur in formeller Hinsicht<br />
richtig. Denn wir konnten in vielen Bereichen nahtlos an Aktivitäten anknüpfen, die wir<br />
zuvor schon unter dem Dach <strong>der</strong> Degussa betrieben hatten.<br />
An<strong>der</strong>erseits markiert <strong>der</strong> 01. Juli 2002 eine scharfe Zäsur,<br />
da es für alle im Unternehmen klar war, dass drastische<br />
Unterschiede zwischen <strong>der</strong> Arbeit in <strong>der</strong> Konzernforschung<br />
eines mittelgroßen, internationalen Pharma-Unternehmens<br />
und <strong>der</strong> Arbeit in einem eigenständigen Unternehmen<br />
bestehen, das sich <strong>der</strong> Findung neuer Wirkstoffe und <strong>der</strong>en<br />
Entwicklung zu Arzneimitteln in den Bereichen Entzündung<br />
und Zentralnervensystem verschrieben hat.<br />
Schnellstart im Bereich <strong>der</strong> Projekte<br />
Anknüpfen konnten wir insbeson<strong>der</strong>e an schon zu Degussa-<br />
Zeiten bearbeitete Projekte in verschiedenen Stadien <strong>der</strong><br />
Entwicklung, die wir fortgeführt haben. Vorausgegangen war<br />
hier ein Prozess, in dem wir rigoros geprüft haben, welches Projekt und wie viele Projekte<br />
wir bei elbion führen können. Den Test hat in jedem Fall unser heute am weitesten<br />
entwickeltes Projekt AWD 12-281 bestanden. Diesen topischen PDE4-Inhibitor, <strong>der</strong> sich<br />
heute in <strong>der</strong> Phase II <strong>der</strong> klinischen Entwicklung für die chronisch-obstruktive<br />
Lungenerkrankung (COPD) und in <strong>der</strong> Phase I für atopische Dermatitis befindet, haben<br />
wir bereits vor dem 01. Juli 2002 an GlaxoSmithKline (GSK) auslizenziert und den<br />
wirtschaftlich sehr interessanten Vertrag dann auf elbion übertragen. Zugleich beteiligte<br />
sich GSK als Aktionärin an elbion. Damit hatten wir vom Start an einen renommierten<br />
globalen Pharmapartner an unserer Seite, <strong>der</strong> die Gewähr dafür bietet, dass <strong>der</strong><br />
Wirkstoff AWD 12-281, <strong>der</strong> für große Indikationen vorgesehen ist, mit den notwendigen<br />
Ressourcen entwickelt wird.<br />
Aus an<strong>der</strong>en Projekten, die sich bei ihrer Übernahme durch elbion in den frühen Phasen<br />
<strong>der</strong> Wirkstoff-Findung befunden hatten, ist inzwischen ein Portfolio von klinischen und<br />
präklinischen Projekten entstanden, an dessen Spitze neben AWD 12-281 die Substanz<br />
ELB139 steht, ein alpha3-subunit-spezifischer Benzodiazepinrezeptor-Agonist, den wir<br />
am Anfang des Jahres 2005 in die Phase II <strong>der</strong> klinischen Prüfung gebracht haben.<br />
Unsere erste Zielindikation ist generalisierte Angst. Danach folgt mit ELB353 ein oral<br />
verfügbarer PDE4-Inhibitor gegen Entzündungen, <strong>der</strong> sich in vertiefter präklinischer<br />
Prüfung befindet. Im Drug-Discovery-Bereich forschen wir nach an<strong>der</strong>en PDE-Inhibitoren,<br />
Adenosin-Antagonisten und Kaliumkanal-Öffnern.<br />
Auch wenn wir teilweise erhebliche Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Entwicklungsrichtungen vorgenommen<br />
haben, so ist dennoch festzuhalten, dass wir den heutigen Projektstand nicht<br />
hätten, wenn wir nicht mit Aufnahme unserer Aktivitäten auf das zuvor Erarbeitete<br />
hätten zurückgreifen können.<br />
Mitarbeiter – Motoren des Wandels<br />
Obwohl Führungsteam und Mitarbeiter seit dem MBO im Wesentlichen identisch<br />
geblieben sind, arbeiten viele von uns heute in an<strong>der</strong>en Funktionen. An wichtigen Stellen<br />
haben wir Ergänzungen vorgenommen. Weitere Personaleinstellungen<br />
stehen an. Mit <strong>der</strong> Gruppe von Mitarbeitern, die von<br />
Anfang an dabei sind, greifen wir auf den Erfahrungsschatz vieler<br />
Jahre in <strong>der</strong> Pharmaindustrie zurück, und zwar auf Erfahrungen,<br />
wie man es machen sollte, aber auch, welche Fehler zu<br />
vermeiden sind. Die bei jungen Unternehmen häufig als Problem<br />
empfundene Findung und Etablierung von gut zusammenarbeitenden<br />
Teams hat sich bei uns kaum gestellt. Das für die<br />
Teamarbeit notwendige gegenseitige Vertrauen hatte sich in <strong>der</strong><br />
nicht einfachen Zeit vor <strong>der</strong> formellen Gründung von elbion<br />
bereits entwickelt.<br />
Die Ausglie<strong>der</strong>ung von elbion aus dem Degussa-Konzern war für<br />
uns alle ein großer Sprung in ein unbekanntes Territorium.<br />
Unseren Mitarbeitern hat hier die Einsicht geholfen, dass in <strong>der</strong> heutigen Zeit<br />
Arbeitsplatzsicherheit auch in großen Unternehmen nur relativ ist. Jetzt wissen alle auf<br />
direkte Weise, dass <strong>der</strong> mittel- und langfristige Erfolg von elbion vom Erfolg unserer<br />
Substanzen abhängig ist.<br />
Anschubfinanzierung durch früheren Eigentümer und staatliche För<strong>der</strong>ung<br />
Unerlässlich für die erste Zeit unserer Eigenständigkeit war die Startfinanzierung durch<br />
Degussa. Zusammen mit För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong>n des Freistaats Sachsen hatten wir so die<br />
finanzielle Basis, um unser Unternehmen zu führen, bis Einnahmen aus Lizenzverträgen<br />
erwartet werden konnten. Inzwischen haben wir unsere Eigenkapitalbasis erheblich<br />
verstärkt und im Dezember 2004 unsere erste Finanzierungsrunde über 25.000.000<br />
Euro mit 3i, Burrill & Company sowie Deutsche Venture Capital als Lead-Investoren<br />
abgeschlossen.<br />
Herkunft und Zukunft<br />
elbion verdankt seine Entstehung einer bestimmten, nicht verallgemeinerbaren<br />
Situation. Wir haben die uns gegebene Chance genutzt. Mit elbion ist ein Unternehmen<br />
entstanden, das im Vergleich zu einer Gründung „auf <strong>der</strong> grünen Wiese“ Vorteile im<br />
Bereich <strong>der</strong> Kompetenzen, des Projektportfolios und <strong>der</strong> Finanzierung hatte. Zugleich<br />
aber standen wir vor <strong>der</strong> Aufgabe, uns von bestimmten Verhaltensweisen <strong>der</strong><br />
Vergangenheit zu lösen und zu akzeptieren, dass sich die Arbeit in einem kleinen von<br />
<strong>der</strong>jenigen in einem großen Unternehmen deutlich unterscheidet. Überwiegend gilt<br />
jedoch ganz eindeutig, dass unsere Herkunft ein positiver Faktor unserer Zukunft ist.<br />
www.elbion.de<br />
75
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Die Frage nach Erfolgsfaktoren ergab,<br />
dass Innovation und gute Produkte für<br />
die an <strong>der</strong> Studie teilnehmenden<br />
Innovationen & gute<br />
Firmen den größten Stellenwert einnehmen.<br />
Danach folgten mit deutlich<br />
Kunden, Markt,<br />
Produkte (Pipeline)<br />
Finanzierung, Controlling, Liquidität<br />
Marketing & Vertrieb<br />
erkennbarer hoher Priorität Finanzierung<br />
(inklusive <strong>der</strong>en Überwa-<br />
Planung, Strategie & Geschäftskonzept<br />
Management<br />
chung mittels geeigneter Controlling-<br />
Qualität <strong>der</strong> Kapitalgeber<br />
Methoden sowie <strong>der</strong> Liquidität),<br />
Organisation<br />
Management, Kunden bzw. Markt<br />
Kooperationen & Partner<br />
(inklusive Marketing & Vertrieb) sowie<br />
Geschäftsplanung und -strategie<br />
Netzwerke<br />
Umsatz & Profit<br />
Technologie & Wissenschaft<br />
bzw. Geschäftskonzept.<br />
Mitarbeiter<br />
Neben dem reinen Finanzierungsaspekt<br />
(Höhe <strong>der</strong> Finanzierung) spielt<br />
& Staat<br />
Öffentlichkeit (Akzeptanz)<br />
Patente<br />
auch die Qualität <strong>der</strong> Kapitalgeber<br />
Transfer<br />
eine Rolle. Dagegen hat nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> antwortenden Unternehmen die<br />
Organisation <strong>der</strong> Firma, wie auch<br />
Kooperationen und Partnerschaften,<br />
Umsatz und Profit, Netzwerke sowie Technologie und Wissenschaft<br />
eine eher untergeordnete Bedeutung als Erfolgsfaktor.<br />
Eher verwun<strong>der</strong>lich ist die geringe Einschätzung <strong>der</strong><br />
Mitarbeiter als Erfolgsfaktor.<br />
In <strong>der</strong> Rangliste die letzten Plätze nehmen – auch eher an<strong>der</strong>s<br />
als erwartet – die Faktoren Öffentlichkeit und Staat, sowie<br />
Patente und <strong>der</strong> (Technologie-)Transfer ein.<br />
Innovative Produkte und Dienstleistungen, Expansion ins<br />
Ausland und motivierte Mitarbeiter sind dagegen die wichtigsten<br />
Erfolgsfaktoren, die von mittelständischen Unternehmen<br />
im Rahmen <strong>der</strong> Studie „Grenzen überwinden – Die Erfolgsfaktoren<br />
von Entrepreneurial Growth Companies 2004“<br />
genannt wurden. Diese Studie wird alljährlich unter <strong>der</strong> Beteiligung<br />
von <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> erstellt und basiert auf Interviews mit<br />
68 mittelständischen Unternehmen, die sich für die Finalrunde<br />
des Unternehmerwettbewerbs „Entrepreneur des Jahres 2004“<br />
qualifiziert hatten. Zudem stellt die Studie Strategien beson<strong>der</strong>s<br />
wachstumsstarker Unternehmen vor und gibt Anregungen, wie<br />
sich Firmen trotz gesamtwirtschaftlicher Schwierigkeiten<br />
behaupten können.<br />
Abbildung 3-5:<br />
Nennungen <strong>der</strong> Sample-Unternehmen zu Erfolgsfaktoren<br />
3<br />
17<br />
16<br />
15<br />
13<br />
13<br />
10<br />
8<br />
6<br />
Anzahl Nennungen von 154 Firmen (Mehrfachnennungen möglich)<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Instrumente zur Geschäftsplanung und -steuerung<br />
Die befragten Unternehmen setzen die in Abbildung 3-6<br />
gezeigten Geschäftsplanungs- und -steuerungsinstrumente ein.<br />
Obwohl <strong>der</strong> stärkste Fokus auf <strong>der</strong> Technologiebeobachtung<br />
liegt, spielen Instrumente zur Analyse von Markt, Wettbewerb<br />
und Kunden ebenfalls eine Rolle. Wie wichtig darüber hinaus<br />
beispielsweise ein professionelles Management von Haftungsrisiken<br />
im Rahmen drohen<strong>der</strong> Überschuldung des Unternehmens<br />
ist, beschreibt <strong>der</strong> nachfolgende Expertenbeitrag.<br />
Abbildung 3-6:<br />
Einsatz von Geschäftsplanungs- und -steuerungsinstrumenten<br />
bei den Sample-Unternehmen<br />
Wettbewerb<br />
14 %<br />
22<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60<br />
Kunden<br />
13 %<br />
44<br />
Risikomanagement<br />
11 %<br />
49<br />
49<br />
48<br />
Wissensmanagement<br />
7 %<br />
SWOT 8 %<br />
Personal 5%<br />
An<strong>der</strong>es 2 %<br />
63<br />
Markt<br />
18 %<br />
n = 166 Firmen mit 563 Angaben<br />
(Mehrfachnennungen möglich)<br />
Technologie<br />
22 %<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
76 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Andreas Crone, Partner bei <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, Mannheim<br />
Professionelles Management zur Vermeidung von<br />
Haftungsrisiken<br />
Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> bestehenden ungünstigen Finanzierungssituation <strong>der</strong><br />
deutschen Biotech-Branche sind Gesellschafter und Vorstände von Biotech-Firmen<br />
zunehmend gefor<strong>der</strong>t, valide und nachvollziehbare Unternehmens- und Finanzkonzepte<br />
für ihr Unternehmen zu entwickeln, um die nächsten notwendigen Finanzierungsrunden<br />
erfolgreich gestalten zu können.<br />
Da die Unternehmen bei den Finanzierungsrunden in den letzten Jahren bekanntermaßen<br />
nicht „aus dem Vollen“ schöpfen konnten, besteht die Notwendigkeit, mit den<br />
oftmals knappen verfügbaren Mitteln, überlegt zu haushalten. Daher<br />
kommt generell einer gut funktionierenden Liquiditätsplanung und<br />
-kontrolle beson<strong>der</strong>e Bedeutung im Rahmen einer professionellen<br />
Unternehmenssteuerung zu. Unternehmen <strong>der</strong> Biotech-Branche<br />
verfügen in <strong>der</strong> Regel über gut funktionierende Kontroll- und<br />
Überwachungsmechanismen in Bezug auf eine adäquate Liquiditätssteuerung.<br />
Es zeigt sich jedoch, dass gerade insolvenzrechtliche Risiken,<br />
aufgrund <strong>der</strong> starken Liquiditätsfokussierung <strong>der</strong> Unternehmen,<br />
oftmals unterschätzt o<strong>der</strong> übersehen werden.<br />
Wir stellen in <strong>der</strong> Praxis zunehmend fest, dass durch die permanente<br />
Überwachung <strong>der</strong> Liquiditätssituation <strong>der</strong> Insolvenzgrund <strong>der</strong><br />
Zahlungsunfähigkeit stets im Blickfeld <strong>der</strong> Geschäftsführung steht<br />
und rechtzeitig erkannt wird. Weniger ausgeprägt ist dagegen die<br />
Sensibilität dafür, dass für juristische Personen neben <strong>der</strong> Zahlungsunfähigkeit auch die<br />
Überschuldung einen zwingenden Insolvenzgrund darstellt, während die drohende<br />
Zahlungsunfähigkeit dem Unternehmen lediglich ein Antragsrecht einräumt.<br />
Da <strong>der</strong> Tatbestand <strong>der</strong> Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne bereits auch dann<br />
eingetreten sein kann, obwohl noch ausreichend Liquidität vorhanden ist, um den<br />
Geschäftsbetrieb für mehrere Monate aufrecht zu erhalten, bestehen hier nicht<br />
unerhebliche Risiken für die Geschäftsführer und Vorstände von Kapitalgesellschaften.<br />
Grundsätzlich hat die Geschäftsführung aufgrund ihrer Sorgfaltspflichten regelmäßig zu<br />
prüfen, ob eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne vorliegt, auch wenn eine<br />
Unterbilanz in <strong>der</strong> Handelsbilanz noch nicht zu Tage getreten ist, jedoch an<strong>der</strong>e<br />
Krisensymptome wie bspw. drohende Zahlungsunfähigkeit vorliegen. Dabei ist zu<br />
beachten, dass die handelsrechtlichen Wertansätze für den Überschuldungsstatus nicht<br />
maßgebend sind.<br />
Denn Ausgangspunkt für die Bewertung <strong>der</strong> Vermögensgegenstände und Schulden stellt<br />
die Prognose über das Fortbestehen des Unternehmens dar. Diese basiert neben dem<br />
Gesamtkonzept des Unternehmens (Business Plan) auf einer hieraus abgeleiteten<br />
integrierten Planungsrechnung (verknüpfte Erfolgs-, Liquiditäts- und Bilanzplanung) mit<br />
einem Planungshorizont von mindestens 12–18 Monaten. Die Fortbestehensprognose<br />
ist also im Kern zunächst eine Zahlungsfähigkeitsprognose, die auf plausiblen Planannahmen<br />
beruhen muss.<br />
Die Fortbestehensprognose fällt positiv aus, wenn sich aus <strong>der</strong> Liquiditätsplanung<br />
ergibt, dass in dem Prognosezeitraum die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens<br />
sichergestellt ist. Bereits vorhandene Kreditlinien o<strong>der</strong> sonstige ernstlich<br />
anzunehmende Mittelzuführungen dürfen in die Betrachtung mit einbezogen werden.<br />
Verbleibt o<strong>der</strong> entsteht eine finanzielle Unterdeckung, fällt die Fortbestehensprognose<br />
negativ aus.<br />
Bei positiver Fortbestehensprognose ist <strong>der</strong> Überschuldungsstatus zu Fortführungswerten,<br />
bei negativer Prognose zu Liquidationswerten aufzustellen. Überschuldung im<br />
insolvenzrechtlichen Sinne und damit Insolvenzantragspflicht liegt in beiden Fällen<br />
immer dann vor, wenn das Reinvermögen die Schulden nicht deckt.<br />
Da eine ungesicherte Finanzierung innerhalb des Prognosezeitraums letztendlich<br />
drohende Zahlungsunfähigkeit bedeutet, führt dies<br />
stets zu einer negativen Fortbestehensprognose mit<br />
entsprechen<strong>der</strong> Bewertung. Dies bedeutet, dass <strong>der</strong><br />
fakultative Insolvenzantragsgrund „drohende Zahlungsunfähigkeit“<br />
indirekt die Insolvenzantragspflicht wegen<br />
eingetretener insolvenzrechtlicher Überschuldung aufgrund<br />
<strong>der</strong> negativen Fortbestehensprognose beeinflusst.<br />
Da sich die Finanzierungsrunden zunehmend schwieriger<br />
und zeitintensiver gestalten sowie die Mittelzusagen und<br />
<strong>der</strong>en Bereitstellung oftmals erst kurz vor Eintritt <strong>der</strong><br />
faktischen Zahlungsunfähigkeit erfolgen, besteht für die<br />
Gesellschafter und Geschäftsführer zunehmend das<br />
Problem <strong>der</strong> Risikoabwägung zwischen den Interessen<br />
<strong>der</strong> Sharehol<strong>der</strong> und eigenen persönlichen Haftungsrisiken zivil- und strafrechtlicher<br />
Art.<br />
Zur Reduzierung dieser Risiken sollte daher eine ausreichende Dokumentation über den<br />
Verhandlungsstand <strong>der</strong> Finanzierungsrunden angefertigt werden, um den Nachweis über<br />
die „ernstlich anzunehmende“ Bereitstellung von weiteren finanziellen Mitteln führen zu<br />
können. Daneben sollte die Dokumentation die zeitnahe Erstellung <strong>der</strong> Fortbestehensprognose<br />
und entsprechende Überschuldungsstatus enthalten, wobei auf die beson<strong>der</strong>e<br />
Problematik bei <strong>der</strong>en Erstellung, insbeson<strong>der</strong>e in Bezug auf die Bewertung <strong>der</strong><br />
immateriellen Vermögensgegenstände (Patente, Rechte u. ä.) an dieser Stelle ebenso<br />
wenig eingegangen werden kann wie auf Möglichkeiten und Maßnahmen zur Beseitigung<br />
<strong>der</strong> Überschuldung.<br />
Letztendlich sind alle Parteien (Unternehmensleitung, Gesellschafter, Aufsichtsgremien<br />
und Investoren) aufgefor<strong>der</strong>t, frühzeitig klare und verbindliche Zusagen, positiver o<strong>der</strong><br />
negativer Art, zu treffen, um Haftungsrisiken für die Geschäftsleitung o<strong>der</strong> auch<br />
Fehlentscheidungen durch vorzeitige Insolvenzantragsstellung zu vermeiden.<br />
andreas.crone@de.ey.com<br />
77
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
3.2 M&A, Partnerschaften und Deals<br />
Obwohl im Rahmen <strong>der</strong> Konsolidierung seit längerem mehr<br />
Fusionen und Übernahmen erwartet werden, war das vergangene<br />
Jahr 2004 davon erneut (noch) nicht geprägt. Drei Fusionen,<br />
zwei Akquisitionen sowie zwei Übernahmen vorher<br />
insolvent gemeldeter Firmen konnten gezählt werden.<br />
Zu einer wahren Explosion kam es jedoch im ersten Quartal<br />
2005, in dem mehr M&A in <strong>der</strong> deutschen Biotech-Industrie<br />
stattfanden als im ganzen Jahr zuvor. Vermutlich wird auch im<br />
Rest dieses Jahres eine höhere M&A-Aktivität anhalten.<br />
Tabelle 3-1:<br />
Fusionen und Akquisitionen in <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Industrie im Jahr 2004/2005<br />
Käufer/Partner 1 Gekaufter/Partner 2 Land Monat Anmerkung<br />
Fusionen & Akquisitionen in 2004<br />
SiREEN AG NAD AG D/D Januar Fusion zu SIRENADE Pharmaceuticals AG<br />
Aldevron LLC Genovac GmbH USA/D März Akquisition <strong>der</strong> Genovac<br />
DeveloGen AG Peptor Ltd D/Israel Mai Fusion zu DeveloGen<br />
Graffinity MyoContract AG D/CH September Fusion zu Santhera Pharmaceuticals AG mit Hauptsitz in <strong>der</strong> Schweiz<br />
Pharmaceuticals AG<br />
Qiagen NV Molecular Staging, Inc. D/USA September Akquisition von MSI für 28,5 Mio. US-$ in bar<br />
Akquisitionen von in 2004 als insolvent gemeldeten Firmen<br />
MediGene AG Munich Biotech AG D/D August Kauf <strong>der</strong> Vermögenswerte <strong>der</strong> Munich Biotech AG<br />
Pharmexa A/S Vectron Therapeutics AG DK/D Dezember Übernahme des Patent-Portfolios im Gebiet Immunotherapie<br />
Fusionen & Akquisitionen in Q1 2005<br />
Biobase GmbH Proteome Inc. D/USA Januar Finanzierung <strong>der</strong> Transaktion durch die Risikokapitalgesellschaft AVIDA<br />
MorphoSys AG Biogenesis D/UK/ Januar Übernahme von 100 % <strong>der</strong> Unternehmensanteile für einen<br />
USA<br />
Kaufpreis von 5,25 Mio. GBP<br />
Genoway Murinus GmbH F/D Januar Übernahme; neuer Name: Genoway Germany GmbH<br />
Wacker Chemie GmbH ProThera GmbH D/D Januar Übernahme; neuer Name Wacker Biotech GmbH<br />
Genzyme Corporation Verigen AG USA/D Februar Übernahme von 96 % <strong>der</strong> Unternehmensanteile für eine Anzahlung<br />
von 10 Mio. US-$<br />
Codexis Inc. Jülich Fine Chemicals GmbH USA/D Februar<br />
Curacyte AG IBFB Pharma GmbH D/D Februar Fusion zu Curacyte AG; Verlegung des Hauptsitzes von München<br />
nach Leipzig<br />
Evotec OAI AG Evotec Neurosciences GmbH D/D März Akquisition über Aktientausch; Ausgabe von etwa 14.300.000<br />
neuen Aktien<br />
TopoTarget AS G2M Cancer Drugs AG DK/D März Übernahme zu 100 % über Aktientausch<br />
GPC Biotech AG Axxima Pharmaceuticals AG D/D März Übernahme <strong>der</strong> Vermögenswerte und Gründung einer Auffanggesellschaft,<br />
die für 13,7 Mio. € in einer zahlungsmittelneutralen Transaktion, durch<br />
die Ausgabe von rund 1,3 Millionen neuer Aktien gekauft wird.<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
78 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Dr. Klaus Schollmeier,<br />
CEO Santhera Pharmaceuticals AG, Basel<br />
M&A als Instrument für Strategiewechsel, Wachstum<br />
und Finanzierung<br />
Mitte 2003 waren sich Vorstand und Aufsichtsrat <strong>der</strong> Graffinity Pharmaceuticals AG<br />
einig, dass die Gesellschaft ihr Geschäftsmodell zu verän<strong>der</strong>n hatte. Dies war auch <strong>der</strong><br />
Startpunkt für eine globale Suche nach geeigneten Akquisitions- o<strong>der</strong> Fusionspartnern,<br />
die <strong>der</strong> Graffinity die Richtung in eine „Product-Company“ eröffnen würden. Zwar war die<br />
Technologie marktreif, aber <strong>der</strong> kurzfristige Aufbau eines signifikanten,<br />
hoch profitablen Geschäftes mit <strong>der</strong> Technologie war<br />
zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite war<br />
das präklinische Programm bei Graffinity für Diabetes Typ2 zwar<br />
schon weit fortgeschritten, aber zum erfolgreichen und schnellen<br />
Übergang in ein produkt-orientiertes Biotechunternehmen musste<br />
die Pipeline ausgeweitet und v. a. mit einem klinischen Programm<br />
ergänzt werden.<br />
Auch Vorstand und Aufsichtsrat <strong>der</strong> MyoContract AG standen in<br />
Diskussionen über die nächsten Schritte. Zur Finanzierung <strong>der</strong><br />
Phase III des ersten Entwicklungsprojektes waren signifikante<br />
finanzielle Mittel nötig. Es mangelte an kritischer Masse und<br />
Management-Kapazität. Als Konsequenz verfolgte das Management<br />
von MyoContract nun eine Doppelstrategie: Abschluss einer weiteren VC-Finanzierungsrunde<br />
o<strong>der</strong> Zusammenschluss mit einer komplementären Biotechnologie-Firma.<br />
Graffinity war im Prinzip für M&A gut gerüstet. Durch den erfolgreichen Abschluss einer<br />
Finanzierungsrunde im Februar 2004 war das Unternehmen mit 10 Mio. € ausgestattet<br />
worden, wobei gleichzeitig eine Zusage <strong>der</strong> Investoren ausgehandelt wurde, bei einem<br />
erfolgreichen Merger mindestens weitere 5 Mio. € zu investieren. Zudem wurde nach<br />
erfolgreichem Abschluss <strong>der</strong> Entwicklungs- und Validierungsarbeit für die Technologieplattform<br />
die Mitarbeiterzahl um ca. 35 % gesenkt, um diese Technologie als profitabel<br />
operierende Geschäftseinheit weiterzuführen.<br />
Die 24 Mitarbeiter zählende MyoContract war zum Zeitpunkt des Mergers so kosteneffizient<br />
in ihrer Personalstruktur, dass sich eine Restrukturierung offensichtlich erübrigte. Im<br />
Gegenteil, dem Management von MyoContract war klar, dass für eine erfolgreiche klinische<br />
Entwicklung des ersten Präparats die Anstellung weiterer Experten dringend nötig war.<br />
Für die Suche nach einem passenden Partner waren für Graffinity folgende<br />
Mindestanfor<strong>der</strong>ungen unabdinglich:<br />
1) Klare Kompetenz in mindestens einem Indikationsgebiet<br />
2) Ein Produkt in <strong>der</strong> Spätphase (Phase II/III) <strong>der</strong> klinischen Entwicklung<br />
3) Präklinisches und pharmakologisches Know-how in dem Kernindikationsgebiet<br />
4) Fokus auf nie<strong>der</strong>molekulare Verbindungen<br />
5) Präferenz für europäische Hauptstandorte<br />
6) Pragmatische VC-Investoren mit klaren und ähnlichen Zielen<br />
Myocontract's Suchparameter für einen Partner waren<br />
1) Top-Tier Internationales Investoren Consortium, um langfristig die klinische Produktpipeline<br />
zu finanzieren<br />
2) Komplementäre Management Expertise (vor allem mit Pharma/Biotech-Erfahrung)<br />
3) Klare Synergien in den präklinischen Forschungs- und Entwicklungskonzepten<br />
4) Europäischer Standort<br />
Beim Eintritt in ernste Verhandlungen mit den Firmen auf <strong>der</strong> erstellten Shortlist,<br />
erwiesen sich die Verhandlungen mit Myocontract in Liestal bei Basel am fruchtbarsten,<br />
weil sehr schnell klar wurde, dass beide Firmen qua ihrer<br />
sich ergänzenden Kernkompetenzen fast wie Schlüssel und<br />
Schloss zusammenpassen würden und dass die Kulturen<br />
bei<strong>der</strong> Firmen in Einklang stehen würden: Graffinity hatte<br />
die Kompetenz in den Bereichen <strong>der</strong> präklinischen Forschung<br />
einschließlich einer proprietären Screening-/<br />
Chemical-Genomics-Plattform, Medizinalchemie sowie umfangreiche<br />
Erfahrung im Pharma- und Biotech- Management<br />
und in <strong>der</strong> Geschäftsentwicklung, während Myocontract<br />
durch sein Phase-II/III-Produkt und seine starke Targetforschung<br />
einen klaren Kompetenz-Vorsprung in den Bereichen<br />
klinische Entwicklung und Biologie hatte. Die Tatsache, dass<br />
beide Firmen starke Projekte in <strong>der</strong> Präklinik einbringen<br />
würden, verstärkte die Synergien. Beson<strong>der</strong>s attraktiv war<br />
auch die Verwandtschaft <strong>der</strong> Therapiegebiete auf denen beide Unternehmen tätig<br />
waren. Somit kam es dann im Juli 2004 zum Merger bei<strong>der</strong> Firmen und <strong>der</strong> Gründung <strong>der</strong><br />
Santhera Pharmaceuticals AG, bei <strong>der</strong>, wegen des hohen Ergänzungspotenzials zwischen<br />
beiden Unternehmen, keine weiteren Mitarbeiter freigesetzt werden mussten.<br />
Heute ist Santhera ein Biotech-Unternehmen mit einer Holding in <strong>der</strong> Schweiz und zwei<br />
operativen Geschäftseinheiten jeweils in <strong>der</strong> Schweiz und in Deutschland. Das<br />
Unternehmen konzentriert sich auf die Identifizierung und Entwicklung neuer Therapien<br />
für neuromuskuläre und metabolische Erkrankungen. Die Schweizer Seite handhabt die<br />
Forschung im Bereich <strong>der</strong> neuromuskulären Krankheiten, die präklinische und klinische<br />
Entwicklung sowie das Marketing und das Management. Die deutsche Tochter hingegen<br />
konzentriert sich auf die Wirkstoffforschung mit <strong>der</strong> proprietären Screening-Technologie<br />
sowie die Identifizierung neuer Leitstrukturen und Entwicklungskandidaten. Die zentrale<br />
Technologieeinheit wird als Fee-for-Service-Geschäft unter dem Namen Graffinity als<br />
unabhängige Einheit weitergeführt.<br />
Im Zuge des Mergers hat Santhera zwei weitere Kapitalerhöhungen mit existierenden<br />
und neuen Investoren durchgeführt und noch einmal 14 Mio. € aufgenommen.<br />
Die Standortwahl für die Holding in <strong>der</strong> Schweiz und damit für Santhera als Schweizer<br />
Unternehmen hatte strategische Gründe insbeson<strong>der</strong>e mit Blick auf den Schweizer<br />
Kapitalmarkt und die Schweizer Börse.<br />
www.santhera-pharmaceuticals.com<br />
79
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Gleich zu Beginn des Jahres 2004 erfolgte die Fusion zwischen<br />
<strong>der</strong> SiREEN und <strong>der</strong> NADAG, beides in München ansässige<br />
Unternehmen, zur Sirenade Pharmaceuticals. Die kombinierte<br />
Firma verfügt über präklinische und klinische Projekte in den<br />
Indikationen ZNS und Onkologie.<br />
Im Mai konnte sich die Göttinger DeveloGen im Rahmen ihrer<br />
Fusion mit <strong>der</strong> israelischen Peptor eine dritte Finanzierungsrunde<br />
über 19 Mio. € sichern. Durch den Zusammenschluss<br />
entstand ein integriertes Biopharma-Unternehmen mit<br />
einer breiten klinischen und präklinischen Wirkstoffpipeline zur<br />
Behandlung metabolischer Krankheiten. Das führende Produkt<br />
von DeveloGen, DiaPep277TM, befindet sich in Phase II <strong>der</strong><br />
klinischen Entwicklung für Diabetes Typ 1. Aventis hat alle<br />
Rechte an DiaPep277TM, die vorher durch Peptor an Aventis<br />
lizenziert waren, an DeveloGen zurückgegeben. Das zusammengeführte<br />
Unternehmen verfügt zusätzlich über zwei weitere<br />
Projekte, die sich <strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> späten präklinischen Phase<br />
befinden und voraussichtlich 2005 in die klinische Entwicklung<br />
eintreten.<br />
Die dritte und letzte Fusion des Jahres 2004 erfolgte im<br />
September zwischen <strong>der</strong> Heidelberger Graffinity Pharmaceuticals<br />
und <strong>der</strong> Myocontract aus <strong>der</strong> Schweiz. Die Hintergründe<br />
und Ziele dieser Fusion finden sich ausführlich im<br />
vorstehenden Expertenbeitrag erläutert.<br />
Die Analyse <strong>der</strong> Fusionen und Übernahmen des ersten Quartals<br />
2005 zeigt, dass sich die innerdeutschen M&A sowie diejenigen,<br />
bei denen ein deutsches Biotech-Unternehmen von<br />
einem ausländischen übernommen wurde, noch die Waage<br />
halten. Jeweils vier deutsche Core-Biotech-Unternehmen waren<br />
so von einer Fusion o<strong>der</strong> Akquisition betroffen.<br />
Zwei deutsche Firmen konnten sich durch Übernahmen eines<br />
ausländischen Biotech-Unternehmens stärken: die MorphoSys<br />
aus München sowie die Biobase aus Wolfenbüttel (siehe zu<br />
einer ausführlicheren Beschreibung dieser Übernahme den<br />
nachfolgenden Expertenbeitrag). Für MorphoSys ist die<br />
Akquisition von Biogenesis ein strategischer Schritt. Die Firma<br />
ist bereits heute eine <strong>der</strong> führenden Quellen für Antikörper-<br />
Therapeutika <strong>der</strong> nächsten Generation. Durch die Akquisition<br />
werden neue Marktsegmente für die firmeneigene HuCAL ®-<br />
Technologie erschlossen. Die Akquisition folgt <strong>der</strong> Etablierung<br />
<strong>der</strong> Geschäftseinheit Antibodies by Design im Jahr 2003, die<br />
den Forschungs- und Diagnostika-Markt mit maßgeschnei<strong>der</strong>ten<br />
monoklonalen Antikörpern beliefert.<br />
Während <strong>der</strong> Geschäftsbereich <strong>der</strong> therapeutischen Antikörper<br />
auch weiterhin <strong>der</strong> Kernbereich und Motor <strong>der</strong> Tätigkeit von<br />
MorphoSys bleibt, nimmt die Bedeutung <strong>der</strong> jetzt erweiterten<br />
Geschäftseinheit für Forschungsantikörper als zweiter Pfeiler<br />
<strong>der</strong> Gesamtstrategie des Unternehmens zu.<br />
Kommerzielle Deals <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Industrie<br />
Neben M&A haben die deutschen Core-Biotech-Unternehmen<br />
im zurückliegenden Jahr eher darauf gesetzt, sich im Rahmen<br />
von Partnerschaften zu stärken.<br />
Für die Erfassung <strong>der</strong> kommerziellen Deals wurden öffentlich<br />
zugängliche Quellen wie Web-Seiten und Pressemitteilungen<br />
analysiert. Auf Basis dieser Quellen belief sich die Anzahl <strong>der</strong><br />
kommerziellen Kooperationen (Partnerschaften mit akademischen<br />
Instituten wurden hier ausgeklammert) im Jahre 2003 auf<br />
105 und im Jahre 2004 auf 147, das heißt, es erfolgte eine<br />
Steigerung von 40 Prozent.<br />
Die hier erfassten kommerziellen Deals schließen Kooperations-,<br />
Lizenz- und Service-Vereinbarungen ein. Letztere<br />
umfassen Vereinbarungen, bei denen ein Biotech-Unternehmen<br />
einer an<strong>der</strong>en Firma in <strong>der</strong> Regel zeitlich und inhaltlich<br />
abgegrenzte Dienstleistungen erbringt. Diese Art Leistung kann<br />
auch als Auftragsforschung o<strong>der</strong> Auftragsproduktion bezeichnet<br />
werden. Dagegen zielen die Kooperationsvereinbarungen<br />
zumeist auf einen längeren Zeitraum und eine enge gemeinsame<br />
Zusammenarbeit bei<strong>der</strong> Partner.<br />
Abbildung 3-7:<br />
Kommerzielle Deals im Jahresvergleich<br />
Anzahl<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
24<br />
33<br />
48<br />
38<br />
49<br />
60<br />
2003 2004<br />
Lizenz-Vereinbarungen<br />
Service-Vereinbarungen<br />
Kooperations-Vereinbarungen<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
80 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Michael Tysiak, CEO & CFO, und Susanne Thiele,<br />
Sr. Manager Sales and Marketing BIOBASE GmbH,<br />
Wolfenbüttel<br />
Den Markt beobachten und Chancen sofort ergreifen,<br />
wenn sie sichtbar werden<br />
Sicherlich war es überraschend, als wir im Januar angesichts <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />
Wirtschaftssituation über eine ungewöhnliche Transaktion informierten: „BIOBASE, <strong>der</strong><br />
deutsche Anbieter expertengepflegter, biowissenschaftlicher Datenbanken übernimmt<br />
die Proteome-Datenbanken inklusive <strong>der</strong> Proteome Division vom US-amerikanischen<br />
Biotech-Unternehmen Incyte Corp.“<br />
Wie kann ein kleines Biotech-Unternehmen wie BIOBASE mit nur<br />
23 Mitarbeitern eine solche Transaktion bewerkstelligen?<br />
Die Antwort ist: Nur mit einer sehr guten Marktkenntnis, einer<br />
sicheren Intuition für Entwicklungstendenzen in <strong>der</strong> Bioinformatikbranche<br />
und natürlich einem zuverlässigen Investor.<br />
Unsere Devise lautet: „Chancen erkennen und zugreifen, nicht<br />
abwarten!“<br />
Historie des Proteome-Deals<br />
So haben wir nicht zu lange gewartet, als die offizielle Mitteilung von<br />
Incyte Corp. kam, sich im Rahmen <strong>der</strong> Fokussierung auf das Drug-<br />
Discovery-Geschäft vom nicht mehr profitablen Geschäft mit ihrer Datenbank Lifeseq zu<br />
trennen. Wir sind aktiv geworden und haben nachgefragt, ob ein Verkauf <strong>der</strong> weltweit<br />
renommierten Proteome BioKnowledge Library, die unser Produktportfolio optimal<br />
ergänzen würde, ebenfalls zur Diskussion stehe. Zu unserer Freude war die Antwort<br />
positiv und die Arbeit begann.<br />
Es folgte eine sehr langwierige, fast einjährige Verhandlung <strong>der</strong> Konditionen, als nur<br />
einer von mehreren Mitbietern. Letztendlich konnte <strong>der</strong> Preis wesentlich<br />
heruntergehandelt werden, weil die Proteome-Datenbanken nicht mehr profitabel waren.<br />
Die Finanzierung gestaltete sich anfangs sehr schwierig, begründet durch das sehr<br />
zurückhaltende Investitionsklima gegenüber <strong>der</strong> unstabil performenden Bioinformatik-<br />
Branche, gefolgt von mangeln<strong>der</strong> Unterstützung durch Banken.<br />
Durch bravouröses Mitziehen des BIOBASE-Hauptinvestors IMH Avida Group und durch<br />
eigene Mittel wurde die Transaktion schließlich ermöglicht.<br />
Mit <strong>der</strong> Entscheidung nicht abzuwarten, bis sich die Randbedingungen als optimal<br />
erwiesen, hat sich wie<strong>der</strong> einmal als richtig herausgestellt. Das war bereits 1996 <strong>der</strong> Fall,<br />
als die erste Datenbank TRANSFAC® (eine Informationsquelle über Genregulationsereignisse)<br />
aus ihren akademischen Wurzel heraus kommerzialisiert wurde. BIOBASE<br />
erkannte frühzeitig den Trend. Die weitere Entwicklung gab dem recht, die erste<br />
Industrie-Lizenz konnte schon 1997 vergeben werden.<br />
Seitdem wurden TRANSFAC® und, als zweites großes Produkt, die Signalpathway-<br />
Datenbank TRANSPATH® von BIOBASE mit einem globalen Netz von Distributionspartnern<br />
erfolgreich auf dem internationalen Markt positioniert. 2003 konnte sogar <strong>der</strong><br />
Break-even in einer für die Biotechnologie sehr schwierigen Situation erreicht werden.<br />
Geschäftsmodell One-Stop-Shopping<br />
Seit 2003/4 verfolgt das Management das Vorreiter-Konzept eines One-Stop-Shops für<br />
biologische Datenbanken für Forscher aus Industrie und Wissenschaft.<br />
Zum Produktportfolio passende Daten („Contents“) mit entsprechen<strong>der</strong> Qualität werden<br />
nicht nur selbst generiert, son<strong>der</strong>n zunehmend einlizenziert bzw. aufgekauft: Bisher<br />
ergänzen die Enzymdatenbank BRENDA® (enzymeta<br />
GmbH, Köln) und die Protein-Interaktionsdatenbank<br />
Netpro (Molecular Connections, Bangalore) das BIOBASE-<br />
Portfolio. Die Akquisition <strong>der</strong> sechs Proteome-Datenbanken<br />
reiht sich lückenlos in dieses Modell ein.<br />
Marktführerschaft<br />
BIOBASE avanciert durch die Proteome-Übernahme zum<br />
Marktführer als Life-Science-Content-Provi<strong>der</strong> aufgrund<br />
seiner kompletten, integrierten Produktlinie, einfacherer<br />
Lizenzierungsbedingungen, gleicher Struktur und Qualität<br />
<strong>der</strong> Datenbanken. Ein weiterer Vorteil vor Konkurrenten<br />
sind außerdem die schon existierenden Vertriebsstrukturen<br />
in den USA, Europa und Asien.<br />
Neue Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
Durch die Fusion stehen wir nun vor neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen. BIOBASE vergrößerte<br />
sich mit einem Schlag auf das Dreifache. Die Zahl <strong>der</strong> Mitarbeiter stieg von 23 auf 72 in<br />
Wolfenbüttel und Beverly.<br />
Der Proteome-Anteil ist <strong>der</strong>zeit noch defizitär. Nach <strong>der</strong> Fusion mussten daher Cost<br />
Savings und Umstrukturierungen durchgeführt werden. Diese wurden bereits<br />
größtenteils abgeschlossen, 16 Mitarbeiter verließen die Firma.<br />
In Beverly konnte aber ein deutlicher Motivationsschub <strong>der</strong> Mitarbeiter erreicht werden,<br />
da BIOBASE im Gegensatz zur Incyte Corp. eine klare Vison hat, eine ähnliche<br />
wissenschaftliche Kultur wie Proteome hat und die Produktlinien komplett bleiben. Sehr<br />
gute Kontakte seitens BIOBASE zum ursprünglichen Grün<strong>der</strong> von Proteome, <strong>der</strong> diese<br />
Firma 2001 an Incyte verkauft hatte, unterstützen ebenfalls das Vertrauen <strong>der</strong><br />
Mitarbeiter in eine Wie<strong>der</strong>belebung <strong>der</strong> eigenen Proteome-Identität. Die neue<br />
Zusammenarbeit <strong>der</strong> Teams in Deutschland und den USA gestaltet sich sehr konstruktiv,<br />
erste gemeinsame Projekte wie die Integration <strong>der</strong> Datenbanken gestalten sich positiv.<br />
Wir sind daher sicher, dass die BIOBASE-Teile in Deutschland und den USA schnell<br />
zusammenwachsen und als Gesamtgesellschaft sehr bald wie<strong>der</strong> in den schwarzen<br />
Zahlen sein werden!<br />
Und bis dahin beobachten wir den Markt und sichten die nächsten Chancen!<br />
www.biobase.de<br />
81
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Abbildung 3-8:<br />
Aufteilung <strong>der</strong> kommerziellen Deals im Jahresvergleich<br />
Anzahl<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
14<br />
17<br />
Forschung<br />
15<br />
20<br />
Marketing/<br />
Vertrieb<br />
2003<br />
2004<br />
12 13<br />
Die vorstehend charakterisierten Vereinbarungen lassen sich<br />
noch weiter unterglie<strong>der</strong>n. So können Kooperation eher für<br />
frühe, die Forschung betreffende Phasen o<strong>der</strong> eher für späte, in<br />
<strong>der</strong> Regel die Produktentwicklung begleitende Phasen abgeschlossen<br />
werden. Darüber hinaus ist schließlich auch eine<br />
Kooperation im Rahmen von Markteinführung o<strong>der</strong> Vertrieb<br />
eines Produktes möglich.<br />
Die Lizenz-Vereinbarungen können sich auf die Ein- o<strong>der</strong><br />
Auslizenzierung eines Produktes o<strong>der</strong> einer Technologie<br />
beziehen.<br />
Unter Berücksichtigung dieser weiteren Aufglie<strong>der</strong>ung ergab<br />
sich für das Jahr 2003 noch eine relative Gleichverteilung von<br />
Kooperationsvereinbarungen in den Kategorien Forschung,<br />
Produktentwicklung sowie Marketing und Vertrieb. Im Jahr<br />
2004 ist dagegen eine Zunahme bei den kommerziellen Deals<br />
zu Produktentwicklung sowie Marketing und Vertrieb zu<br />
verzeichnen. Dies lässt sich als hoffnungsvolles Zeichen für<br />
eine fortschreitende Produktentwicklung und eine Einführung<br />
von Produkten auf dem Markt deuten.<br />
So werden die Berliner Jerini und die Darmstädter Merck<br />
KGaA bei <strong>der</strong> Entwicklung neuer Krebsmedikamente zusammenarbeiten.<br />
Bei den Substanzen handelt es sich um nie<strong>der</strong>molekulare<br />
Wirkstoffe, die als Inhibitoren gegen nicht näher<br />
bezeichnete Zielmoleküle in <strong>der</strong> Onkologie eingesetzt werden<br />
sollen.<br />
19<br />
Kooperations-Vereinbarungen<br />
23<br />
12<br />
25<br />
Einlizenzierung<br />
Produktentwicklung<br />
Auslizenzierung<br />
Lizenz-Vereinbarungen<br />
Eine entsprechende Familie von Leitsubstanzen,<br />
die von Jerini auf Basis des<br />
49<br />
„Peptide-To-Drug“-Konzeptes erfolgreich<br />
identifiziert wurde, soll im Rahmen <strong>der</strong><br />
Zusammenarbeit weiterentwickelt werden.<br />
33<br />
Die Vereinbarung sieht vor, dass Jerini<br />
neben einer Anschubfinanzierung Zahlungen<br />
in Abhängigkeit vom Projektfortschritt<br />
sowie eine Umsatzbeteiligung<br />
erhält. Merck erwirbt im Gegenzug die<br />
weltweiten Rechte für sämtliche Indikationen<br />
bei Krebs, Herz-Kreislauf,<br />
Diabetes und Schilddrüsenerkrankungen.<br />
Die ebenfalls in Berlin ansässige<br />
Service<br />
GenPat77 konnte eine Kooperation mit<br />
<strong>der</strong> US-amerikanischen MedImmune<br />
abschließen. Dabei wird die deutsche<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Firma Wirkstoffe identifizieren und entwickeln,<br />
die auf TIRC7 abzielen, ein Molekül, welches bei <strong>der</strong><br />
Immunregulation und damit möglicherweise bei rheumatoi<strong>der</strong><br />
Arthritis, Multipler Sklerose o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Autoimmunerkrankungen<br />
eine Rolle spielt. MedImmune wird für alle klinischen<br />
Entwicklungen, die Produktion und den weltweiten Vertrieb<br />
verantwortlich sein. GenPat77 erhält eine Einmalzahlung sowie<br />
Meilenstein-Zahlungen und Royalties, sobald Produkte aus <strong>der</strong><br />
Entwicklung erfolgreich registriert und auf den Markt gebracht<br />
werden können.<br />
Ein weiteres Beispiel für eine gemeinsame Produktentwicklung<br />
ist die zwischen <strong>der</strong> Heidelberger Affimed Therapeutics und <strong>der</strong><br />
biopharmazeutischen Geschäftseinheit <strong>der</strong> Schweizer Syngenta<br />
getroffene Vereinbarung zur Ko-Entwicklung eines proprietären<br />
Antikörpers aus <strong>der</strong> Tandab-Klasse.<br />
Wurden die Kooperationen zu Produktentwicklungen<br />
hauptsächlich im Bereich <strong>der</strong> Medikamenten-Entwicklung<br />
abgeschlossen, so beziehen sich die Kooperationen für<br />
Marketing und Vertrieb eher auf bereits marktnähere Produkte<br />
aus dem Diagnostik- o<strong>der</strong> Tool-Bereich.<br />
82 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Im Bereich Diagnostika konnten beispielsweise Adnagen aus<br />
Hannover, vermicon aus München sowie artus aus Hamburg<br />
Verträge mit Vertriebspartnern zur Distribution ihrer angebotenen<br />
Produkte abschließen.<br />
Das Jenaer Biotech-Unternehmen SIRS-Lab kann beim<br />
Vertrieb seiner Produkte künftig gleich auf vier europäische<br />
Partner, die in insgesamt 12 Län<strong>der</strong>n Europas aktiv sind, bauen.<br />
Der Vertrieb <strong>der</strong> Biochips erfolgt künftig in Deutschland und in<br />
<strong>der</strong> Schweiz durch das Heidelberger Unternehmen BioCat. In<br />
<strong>der</strong> Tschechischen Republik und <strong>der</strong> Slowakei werden SIRS-<br />
Lab-Produkte ab sofort von <strong>der</strong> Firma GeneTiCA vertrieben.<br />
Die österreichische Firma genXpress GmbH übernimmt den<br />
Verkauf für Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn.<br />
Kunden in Großbritannien und Irland können schließlich die<br />
gesamte Palette <strong>der</strong> SIRS-Lab-Produkte zukünftig über die<br />
Stratech Scientific beziehen.<br />
Mit <strong>der</strong> gemeinsamen Markteinführung <strong>der</strong> HTAPlattformen<br />
(High-Throughput microArraying) setzen Greiner Bio-One und<br />
die Berliner Scienion einen wichtigen Meilenstein für den<br />
Einsatz <strong>der</strong> Microarray-Technologie im diagnostischen Markt.<br />
Das Design <strong>der</strong> Neuentwicklung ist speziell an die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
im diagnostischen Labor sowie im Pharmascreening<br />
(z. B. Pharmacogenomics, Toxicogenomics) orientiert.<br />
Im Bereich Tools wurden von <strong>der</strong> Heidelberger Gene Bridges<br />
im vergangenen Jahr gleich drei Distributionsverträge<br />
vereinbart: Open Biosystems wird in den USA und Kanada,<br />
Funakoshi in Japan und Cambio in UK und Irland die „Red/ET<br />
Recombination Kits“ <strong>der</strong> deutschen Firma vertreiben. Die<br />
Produkte von Gene Bridges vermitteln Vorteile bei <strong>der</strong><br />
Klonierung von DNA.<br />
Dennoch war es auch einigen Medikamenten-Entwicklern<br />
möglich, Vertriebspartnerschaften abzuschließen. So wird das<br />
seit Mai 2004 auf dem Markt befindliche Medikament Eligard<br />
<strong>der</strong> MediGene von Yamanouchi vertrieben. Auch die Firma<br />
LipoNova, die sich mit ihrem Tumorimpfstoff in <strong>der</strong> Zulassung<br />
befindet, hat bereits einen Vertriebspartner, die Stada aus Bad<br />
Vilbel, festgelegt.<br />
Lag die Anzahl <strong>der</strong> Ein- und Auslizenzierungen im Jahr 2003<br />
noch bei einem ähnlichen Niveau, so haben sich Auslizenzierungen<br />
im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt, wobei<br />
Aktivitäten <strong>der</strong> Firmen Biobase, Ganymed Pharmaceuticals und<br />
Micromet mit je mindestens drei Auslizenzierungen einen<br />
großen Anteil hatten. Weiterhin vergaben die nordrheinwestfälischen<br />
Unternehmen Aplagen und Artemis<br />
Pharmaceuticals Lizenzen an die Schweizer Lonza bzw. die USamerikanische<br />
Regeneron Pharmaceuticals. Auch BioVisioN<br />
aus Hannover und die bayerische EPIDAUROS sowie die<br />
Heidelberger PheneX Pharmaceuticals, die RESprotect aus<br />
Dresden und die Roboscreen aus Leipzig konnten Lizenzen<br />
vergeben.<br />
Inhalte dieser Vereinbarungen waren zum Beispiel Targets,<br />
Bioinformatik-Lösungen, Technologien, Gensequenzen, Wirkstoffe<br />
o<strong>der</strong> diagnostische Antikörper.<br />
Eine sehr deutliche Zunahme war auch bei den so genannten<br />
Service-Deals zu verzeichnen, und zwar von 33 Vereinbarungen<br />
im Jahr 2003 auf 49 im Jahr 2004, das heißt eine Steigerung um<br />
fast 50 Prozent. Für die deutsche Core-Biotech-Industrie ist<br />
dieses eine positive Entwicklung, bedeutet doch je<strong>der</strong> abgeschlossene<br />
Service-Deal gleichzeitig Einnahmen.<br />
Neben Firmen wie 4SC, atugen, BioVisioN, BRAIN, CCS Cell<br />
Culture, Icon Genetics, Ingenium Pharmaceuticals, morphochem,<br />
NascaCell, ProBioGen, Rentschler, Strathmann und Xantos<br />
Biomedicine waren vor allem die Artemis Pharmaceuticals und<br />
die Evotec OAI sehr erfolgreich.<br />
Allein 13 <strong>der</strong> insgesamt 49 Service-Vereinbarungen schlagen<br />
bei Evotec OAI zu Buche, aber auch Artemis Pharmaceuticals<br />
kann sich mit sechs Vertragsabschlüssen im Jahr 2004 sehen<br />
lassen. Die Kölner Firma konnte darüber hinaus große Namen<br />
wie Aventis, Biovitrum, die US-amerikanische Merck o<strong>der</strong><br />
Schering als Partner gewinnen. Evotec OAI, die bereits die<br />
meisten großen Pharma-Konzerne zu ihren Kunden zählt,<br />
konnte im letzten Jahr weitere Biotech-Kunden aus den USA,<br />
aber auch Pharma-Unternehmen in Japan als Kunde gewinnen.<br />
Über die neu vereinbarten Kooperationen hinaus war es<br />
deutschen Core-Biotech-Unternehmen in 28 Fällen möglich,<br />
bereits bestehende Kooperationen zu erweitern o<strong>der</strong> nach<br />
Meilenstein-Zahlungen erfolgreich fortzusetzen.<br />
83
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Dr. Thomas Herget, Director New Ventures Bio, und<br />
Dr. Ralf König, Senior Manager Strategic Business<br />
Development Chemicals, Merck KGaA, Darmstadt<br />
Enge Kooperationen mit Biotech-Start-ups stärken die<br />
Wettbewerbsposition von Merck und schaffen Zukunftsoptionen<br />
für die Biotech-Branche<br />
Die strategische Positionierung <strong>der</strong> Merck KGaA mit Aktivitäten in Pharma und Chemie<br />
geht einher mit einer breiten Ausrichtung <strong>der</strong> eigenen Forschung und Entwicklung. Dabei<br />
spielen die Biotechnologie als Tool und die enge Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Biotechnologiebranche<br />
eine wichtige Rolle und tragen wesentlich zur Stärkung <strong>der</strong><br />
Wettbewerbsposition des Darmstädter Unternehmens in <strong>der</strong> Chemie bei.<br />
Kooperationen und Akquisitionen<br />
Für das Unternehmen sind zielorientierte<br />
Kooperationen mit externen<br />
Partnern essentiell, wenn es um die<br />
schnelle und erfolgreiche Umsetzung<br />
von neuen Erkenntnissen in innovative<br />
Produkte geht. Die Zusammenarbeit<br />
von Merck mit externen Partnern<br />
reicht dabei von <strong>der</strong> Mitwirkung in<br />
Kompetenznetzwerken und Partnerschaften,<br />
über projektbezogene Kooperationen<br />
in Forschung und Entwicklung,<br />
bis hin zum Erwerb von<br />
Patenten und Unternehmen. Ein Beispiel hierfür ist die Zusammenarbeit mit dem<br />
britischen Biotech-Unternehmen British Biocell International (BBI) bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />
von Lateral-Flow-Tests für die mikrobiologische Analytik. Diese Tests liefern einfach und<br />
ohne aufwändige Geräte präzise Ergebnisse bei <strong>der</strong> Analyse von Proben auf<br />
beispielsweise Listerien o<strong>der</strong> Verotoxine und werden für die Umwelt- und<br />
Lebensmittelanalytik eingesetzt. Merck erwarb aber nicht nur die Technologie, son<strong>der</strong>n<br />
bezieht auch wichtige Vorprodukte für die Herstellung dieser Tests.<br />
Die amerikanische Tochtergesellschaft EMD Biosciences evaluiert jedes Jahr weit über<br />
tausend Technologien und Produkte von kleinen Biotech-Start-ups und kann dadurch<br />
jährlich zwischen 500 und 800 neue Artikel für die biomedizinische Forschung<br />
einführen, darunter innovative Entwicklungen auf den für die Wirkstoff-Forschung<br />
wichtigen Gebieten Genomics und Proteomics. Ein Schwerpunkt innerhalb von<br />
Proteomics wurde durch die Akquisition des US-Biotech-Unternehmens ProteoPlex auf<br />
Proteinarrays gesetzt. Dadurch konnte die Angebotspalette von Merck im Bereich <strong>der</strong><br />
Biotech-Werkzeuge in eine neue Richtung erweitern werden.<br />
Dies sind lediglich zwei Beispiele von vielen Kooperationen mit Biotech-Unternehmen.<br />
Sie verdeutlichen, weshalb Dr. Thomas Herget, Leiter <strong>der</strong> Abteilung New Ventures Bio,<br />
und Dr. Ralf König aus dem Bereich Strategic Business Development Chemicals ständig<br />
auf <strong>der</strong> Suche nach neuen Kooperationsmöglichkeiten in <strong>der</strong> Biotech-Branche sind –<br />
Merck stärkt mittels dieses Technologietransfers die eigene Marktposition durch<br />
innovative Produkte.<br />
Bereitstellung von Technologien<br />
Neben <strong>der</strong> Akquisition von Know-how, Technologien und Produkten betreibt Merck auch<br />
Technologietransfer in umgekehrter Richtung. So werden komplette Projekte an Startup-Unternehmen<br />
übertragen, wo sie mit größerem Fokus weiterverfolgt werden, als dies<br />
intern möglich ist. Innerhalb <strong>der</strong> Krebsforschung fielen beispielsweise Ergebnisse an, die<br />
sich als nützlich für die Entwicklung<br />
von Heilmitteln in einer an<strong>der</strong>en Indikation<br />
erwiesen haben. Da dieses Therapiegebiet<br />
jedoch nicht im Fokus von<br />
Merck liegt, ist das Know-how in ein<br />
Start-up eingebracht worden.<br />
Während Merck sich bislang in seiner<br />
Zusammenarbeit auf Projekte für<br />
konkrete, marktnahe Produkte fokussiert<br />
hat, wird Merck in Zukunft auch<br />
stärker mit innovativen Firmen <strong>der</strong><br />
Biotech-Branche kooperieren. Hierdurch<br />
sollen geschäftliche Optionen<br />
für die mittel- und langfristige Zukunft erschlossen werden. Entscheidend ist hierbei <strong>der</strong><br />
konkrete Bezug zu den heutigen beziehungsweise künftigen Geschäften. Reine<br />
Finanzbeteiligungen zieht Merck nicht in Betracht.<br />
Tool Provi<strong>der</strong><br />
Mit einem breiten Produkt-Portfolio und einem mo<strong>der</strong>nen Leistungsprogramm für den<br />
Biotechnologie-Sektor ist Merck eng mit dieser Branche verbunden. Kunden beziehen<br />
weltweit Produkte und Dienstleistungen für das analytische und präparative Labor sowie<br />
für Produktionsprozesse. Mit diesem Programm richtet sich Merck auch an die Biotech-<br />
Industrie. Denn gerade jüngere Unternehmen benötigen starke Partner, um spezifizierte<br />
Wirkstoffe für klinische Prüfungen und den Markteintritt in ausreichenden Mengen<br />
bereitzustellen. Vor allem die dabei notwendigen hohen Anfor<strong>der</strong>ungen an Qualität,<br />
Chargenkonstanz und die Erfüllung regulatorischer Anfor<strong>der</strong>ungen stellen eine<br />
beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung dar. Auf diese Weise unterstützt Merck die gesamte Biotech-Wertschöpfungskette<br />
von <strong>der</strong> Forschung über die Synthese bis hin zur industriellen<br />
Fertigung sowohl von kleinen Wirkstoffmolekülen als auch von Biologicals.<br />
Fe<strong>der</strong>führend auf diesem Gebiet ist dabei die Chemie-Sparte Life Science & Analytics,<br />
die, neben den Merck’schen Pharma- und Kosmetikaktivitäten, die umfangreichsten<br />
Aktivitäten auf dem Biotechnologiesektor aufweist.<br />
www.merck.de<br />
84 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Abbildung 3-9:<br />
Kommerzielle Deals in 2004 nach Partnerland<br />
Europa (Rest)<br />
15 %<br />
Asien/Pazifik<br />
14 %<br />
Deutschland<br />
24 %<br />
Der starke Anteil von Partnerschaften mit schweizerischen<br />
Unternehmen hat sich insbeson<strong>der</strong>e im vergangenen Jahr<br />
ergeben: Im Vergleich zur Anzahl im Jahr 2003 hat sich damit<br />
die Anzahl <strong>der</strong> Partnerschaften mit Schweizer Firmen im letzten<br />
Jahr mehr als verdoppelt. Das Gleiche gilt für Vereinbarungen<br />
mit an<strong>der</strong>en europäischen Firmen. Vor allem Deals mit französischen<br />
(Sanofi-Aventis), nie<strong>der</strong>ländischen und dänischen<br />
Unternehmen haben zugenommen. Dagegen haben Partnerschaften<br />
mit nordamerikanischen Firmen im Jahresvergleich<br />
nur leicht zugenommen.<br />
UK<br />
4 %<br />
Schweiz<br />
14 %<br />
Nordamerika<br />
29 %<br />
Von den 147 öffentlich bekannt gegebenen Deals deutscher<br />
Core-Biotech-Unternehmen im Jahr 2004 wurden drei Viertel<br />
mit ausländischen Firmen abgeschlossen. Jeweils ungefähr ein<br />
Drittel <strong>der</strong> Deals erfolgte dabei mit nordamerikanischen und<br />
europäischen Partnern. 14 Prozent <strong>der</strong> Vereinbarungen wurden<br />
mit asiatischen/pazifischen Firmen getroffen.<br />
Innerhalb Europas lag ein Schwerpunkt bei Partnerschaften mit<br />
Unternehmen aus <strong>der</strong> Schweiz. Dies beruht weitestgehend auf<br />
Deals mit den schweizerischen Pharma-Konzernen.<br />
Sehr aktiv waren hier beispielsweise Roche und Novartis. So hat<br />
Roche im vergangenen Jahr drei Vereinbarungen zur Einlizenzierung<br />
des Know-hows deutscher Biotech-Firmen abgeschlossen:<br />
BioVisioN’s Patent auf die „Differential Peptide<br />
Display ® (DPD)“-Technologie, EPIDAUROS Patent<br />
auf einen Polymorphismus in <strong>der</strong> Promotor-<br />
Region des CYP2D6-Gens und eine nicht exklusive<br />
Kopie <strong>der</strong> „Nuclear Receptor Research (NRR)<br />
toolbox“ von PheneX. Zudem konnten NascaCell<br />
und Xantos einen Service-Deal mit Roche<br />
vereinbaren.<br />
Novartis ging jeweils mit Cellzome und<br />
MorphoSys eine Forschungskooperation ein, die<br />
beide zusätzlich mit einem Investment seitens<br />
Novartis verbunden waren.<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Sogar verfünffacht hat sich die Zahl an Vereinbarungen mit<br />
asiatischen/pazifischen Partnern. Hier wurden vor allem<br />
Marketing- und Vertriebs-Kooperationen sowie Auslizenzierungs-Vereinbarungen<br />
getroffen.<br />
So übernahm die japanische Funakoshi Marketing und Vertrieb<br />
für die Produkte und Dienstleistungen von Gene Bridges und<br />
RNAx im japanischen Markt. MorphoSys traf eine<br />
Vereinbarung mit <strong>der</strong> in Tokio ansässigen GeneFrontier zur<br />
Vermarktung <strong>der</strong> HuCAL ® -Technologie auf dem japanischen<br />
Life-Science-Markt.<br />
Australische Partner haben ein Produkt <strong>der</strong> RESprotect (RP 101<br />
mit abgeschlossener Phase I/II) und die SCA-Technologie von<br />
Micromet einlizenziert. MOLOGEN konnte ihre dSLIM-based<br />
DNABarrier-II-Technologie an die chinesische Starvax<br />
auslizenzieren sowie an<strong>der</strong>e Deals mit weiteren chinesischen<br />
Partnern abschließen (siehe auch nachfolgenden Beitrag).<br />
Schließlich konnte Evotec OAI drei Service-Deals mit<br />
japanischen Partnern abschließen.<br />
Abbildung 3-10:<br />
Kommerzielle Deals nach Partnerland im Jahresvergleich<br />
Anzahl<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
39<br />
36<br />
36<br />
43<br />
9<br />
21<br />
2003<br />
2004<br />
8<br />
6<br />
9<br />
22<br />
4<br />
20<br />
0<br />
Deutschland<br />
Nordamerika<br />
Schweiz<br />
UK<br />
Europa<br />
(Rest)<br />
Asien/<br />
Pazifik<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
85
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Matthias Reichel, CFO Mologen AG, Berlin<br />
Chancen für Biotechnologieunternehmen in China<br />
Zugang zu einem etwas an<strong>der</strong>en Markt<br />
Statistiken über China sind mit Vorsicht zu genießen: Schätzungen über die Größe des<br />
pharmazeutischen Marktes schwanken um fast 50 %. Auch das, was sicher scheint, ist<br />
auf den ersten Blick wi<strong>der</strong>sprüchlich: Die Pro-Kopf-Ausgaben für Pharmazeutika in China<br />
gehören zu den niedrigsten weltweit. Gleichzeitig ist China das erste Land weltweit, in<br />
dem ein Gentherapeutikum (Gendicine) gegen Krebs eine<br />
Zulassung erhalten hat und eingesetzt wird. Der pharmazeutische<br />
Markt in China ist bereits unter den zehn größten weltweit<br />
und – wenn die hohen Wachstumsraten beibehalten werden<br />
– könnte <strong>der</strong> chinesische Markt am Ende des nächsten<br />
Jahrzehnts unter den drei größten sein.<br />
In <strong>der</strong> Vergangenheit besaßen die kleinen o<strong>der</strong> mittelständischen<br />
pharmazeutischen Unternehmen in China kaum<br />
Forschungs- und Entwicklungskapazitäten und produzierten<br />
Generika, die einem starken Preiswettbewerb unterlagen. Um<br />
den Markt zu regulieren und die Entstehung großer<br />
einheimischer Unternehmen zu för<strong>der</strong>n, hat die staatliche<br />
Behörde für Lebensmittel und Arzneimittel (SFDA) begonnen,<br />
die Anzahl <strong>der</strong> einheimischen Hersteller in den nächsten drei Jahren von 5.000 auf 2.000<br />
zu senken, unter an<strong>der</strong>em indem sie die Einhaltung von internationalen Standards <strong>der</strong><br />
Good Manufacturing Practice (GMP) und an<strong>der</strong>e Maßnahmen verlangt und Unternehmen<br />
schließt, die diese Standards nicht erfüllen.<br />
Biotechnologie in China<br />
Im siebenten und achten „Staatlichen Fünf-Jahres-Entwicklungsplan“ wird<br />
biotechnologischen Projekten beson<strong>der</strong>e Priorität eingeräumt. Die Regierung stellt über<br />
1,4 Mrd. $ für Forschung und Entwicklung im Biotechnologiebereich zur Verfügung. Für<br />
die westlichen Biotech- und pharmazeutischen Unternehmen sind bezüglich klinischer<br />
Studien die niedrigen Kosten, eine große Patientenbasis und einfache Rekrutierung und<br />
die relativ hohe Konzentration spezialisierter Krankenhäuser in den Städten attraktiv.<br />
Multinationale Unternehmen wie Roche, Eli Lilly, Astra Zeneca und Novo Nordisk haben<br />
bereits ihre Forschungs- und Entwicklungszentren in einigen Technologie- und<br />
Biowissenschaftsparks in Shanghai und Beijing eingerichtet. Eine beson<strong>der</strong>e Rolle<br />
spielen auch von „Übersee-Rückkehrern“ gegründete einheimische Biotech-<br />
Unternehmen.<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen für ausländische Unternehmen<br />
Die Chancen für westliche Biotechnologie-Unternehmen in China liegen vor allem in zwei<br />
Bereichen: Zugang zu einem <strong>der</strong> am schnellsten wachsenden Märkte weltweit einerseits<br />
und Kosten- und Zeitersparnis bei <strong>der</strong> Entwicklung neuer Arzneimittel an<strong>der</strong>erseits. Zu<br />
beachten sind nach wie vor einige Beson<strong>der</strong>heiten:<br />
Der Schutz von geistigen Eigentumsrechten verdient bei einem China-Engagement<br />
beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit. Die chinesische Regierung hat den Schutz geistiger<br />
Eigentumsrechte und dessen Durchsetzung gestärkt, nachdem sie dem Welthandelsabkommen<br />
2001 beigetreten ist, und es wird erwartet,<br />
dass sich die Situation in naher Zukunft weiter verbessern wird.<br />
Ohne einen hoch qualifizierten Dolmetscher und einen auf China<br />
spezialisierten Berater dürfte die Erfolgswahrscheinlichkeit für<br />
ein China-Projekt gegen null gehen. Die größte und eine<br />
unterschätzte Hürde ist die Sprachbarriere.<br />
Ein viel versprechendes Beispiel: MOLOGEN und Starvax<br />
Die MOLOGEN AG, Berlin, ist in 2004 eine Partnerschaft mit<br />
Starvax, Beijing, eingegangen, einem jungen Unternehmen, das<br />
von einem Team <strong>der</strong> bereits erwähnten „Übersee-Rückkehrer“,<br />
die in den USA studiert und gelernt haben, geführt wird. Ziel ist,<br />
neue Behandlungsmöglichkeiten gegen verschiedene Tumorerkrankungen<br />
auf <strong>der</strong> Basis von MOLOGENs patentrechtlich geschützten und bereits in<br />
klinischen Studien eingesetzten DNA-basierten Immunmodulatoren zu entwickeln.<br />
Starvax, das von einer <strong>der</strong> größten Telekommunikationsgesellschaften Chinas finanziert<br />
wird, hat gegen eine mo<strong>der</strong>ate Gebühr die Lizenzen für die Technologie von MOLOGEN<br />
erworben. Starvax übernimmt die Finanzierung und Durchführung präklinischer Studien<br />
nach internationalen Standards, die Anmeldung und Zulassung zu klinischen Studien mit<br />
dem innovativen Tumortherapeutikum bei <strong>der</strong> SFDA und die darauf folgenden klinischen<br />
Studien ebenfalls nach internationalen Standards.<br />
MOLOGEN partizipiert finanziell über von Starvax zu leistende Meilensteinzahlungen und<br />
Umsatzbeteiligungen in Asien. Strategisch noch wichtiger ist die Vereinbarung, dass<br />
MOLOGEN für die nicht-asiatischen Märkte die exklusiven Rechte an <strong>der</strong> weiteren<br />
Entwicklung und Vermarktung <strong>der</strong> von Starvax entwickelten Produktkandidaten erhält.<br />
Damit werden MOLOGEN und Starvax in die Lage versetzt, zu geringsten Kosten eine<br />
wertvolle Produktpipeline aufzubauen und in verschiedenen Entwicklungsstadien an<br />
große westliche und asiatische Pharmaunternehmen auszulizenzieren.<br />
www.mologen.de<br />
86 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Abbildung 3-11:<br />
Kommerzielle Deals in 2004 nach Partnerart<br />
an<strong>der</strong>e industrielle<br />
Partner<br />
14 %<br />
Biotech<br />
48 %<br />
Bei den Pharma-Deals haben vor allem Partnerschaften mit<br />
europäischen Pharma-Firmen stark zugenommen.<br />
Obwohl sich im Vergleich <strong>der</strong> Entwicklung zweier Jahre sicher<br />
noch kein Trend ableiten lässt, fällt die deutliche Zunahme an<br />
Deals mit Pharma-Firmen aus dem europäischen Ausland<br />
gegenüber Nordamerika auf. Es mag hier die These aufgestellt<br />
werden, dass dies ein Anzeichen für eine innereuropäische<br />
Stärkung <strong>der</strong> Life-Sciences-Industrie ist.<br />
Pharma<br />
38 %<br />
n = 147<br />
Abbildung 3-13:<br />
Kommerzielle Deals nach Partnerherkunft* und<br />
Partnerart im Jahresvergleich<br />
50<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Die Analyse <strong>der</strong> im Jahr 2004 bekannt gegebenen kommerziellen<br />
Deals in <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Industrie nach Art<br />
<strong>der</strong> Partner zeigt, dass sich fast die Hälfte aller Vereinbarungen<br />
auf Partnerschaften mit an<strong>der</strong>en Biotech-Unternehmen beziehen.<br />
Mehr als ein Drittel entfallen auf Partnerschaften mit<br />
Pharma-Unternehmen; 14 Prozent entfallen auf an<strong>der</strong>e industrielle<br />
Partner wie zum Beispiel Chemie-Firmen.<br />
Im Jahresvergleich zeigt sich, dass insbeson<strong>der</strong>e die Deals mit<br />
Pharma-Unternehmen zulegen konnten. Hier liegt die Steigerung<br />
bei knapp 70 Prozent, wohingegen sich die Zunahme von<br />
Partnerschaften mit Biotech-Unternehmen lediglich auf 25<br />
Prozent belief.<br />
Anzahl<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
27<br />
20<br />
20<br />
14<br />
Biotech<br />
2003 2004<br />
11<br />
9<br />
13<br />
23<br />
Pharma<br />
2003 2004<br />
Nordamerika<br />
Europa<br />
*ohne deutsche<br />
Partner<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Abbildung 3-12:<br />
Kommerzielle Deals nach Partnerart im Jahresvergleich<br />
Anzahl<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
56<br />
70<br />
33<br />
56<br />
16<br />
21<br />
Biotech Pharma an<strong>der</strong>e<br />
industrielle<br />
Partner<br />
2003<br />
2004<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Beispiele für Deals mit europäischen Pharma-Unternehmen aus<br />
<strong>der</strong> Schweiz wurden bereits aufgeführt (Roche, Novartis).<br />
Hinzu kommen einige Vereinbarungen mit <strong>der</strong> französischen<br />
Sanofi-Aventis.<br />
So wird Artemis Pharmaceuticals die ArteMice -Plattform<br />
nutzen, um für Sanofi-Aventis genetisch verän<strong>der</strong>te Mäuse<br />
herzustellen. Die Berliner atugen wird siRNA-Komponenten<br />
mit dem Potenzial zur therapeutischen Entwicklung identifizieren.<br />
Ferner erhält Sanofi-Aventis Zugang zur Technologie<br />
<strong>der</strong> Hamburger Indivumed.<br />
Schließlich gingen auch die britischen Pharma-Konzerne Astra<br />
Zeneca (Epigenomics und Qiagen) und GlaxoSmithKline<br />
(LION bioscience) Partnerschaften mit deutschen Biotech-<br />
Unternehmen ein.<br />
87
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Neben den Partnerschaften mit US-amerikanischen und<br />
europäischen Pharma-Konzernen spielen jedoch auch die<br />
deutschen Pharma-Firmen wie Altana, Bayer, Boehringer<br />
Ingelheim, Grünenthal, Merck KGaA, Merz und Schering bei<br />
Partnerschaften in <strong>der</strong> deutschen Biotech-Industrie eine<br />
wichtige Rolle.<br />
Tabelle 3-2:<br />
Ausgewählte veröffentlichte „Deals“ nach Partnerland und Partnertyp im Jahr 2004<br />
Biotech – Biotech<br />
privat<br />
Deutsch-Deutsch Deutsch-Europäisch Deutsch-US<br />
Artemis Pharmaceuticals – Evotec Neurosciences<br />
artus – MWG Biotech<br />
Biobase – GPC Biotech<br />
Invitek – Scienion<br />
Morphochem – Probiodrug<br />
4 SC – Serono<br />
Artemis Pharmaceuticals – Biovitrum<br />
Ganymed –- Genmab<br />
Micromet –- BioInvent<br />
Micromet – Serono<br />
Morphochem – Genetics Company<br />
Prot@gen – NextGen<br />
Roboscreen – Prionics<br />
Xantos – Serono<br />
Artemis Pharmaceuticals – Acceleron<br />
Artemis Pharmaceuticals – Regeneron<br />
BioGenerix – Neose<br />
BRAIN – Genencor<br />
Epigenomics – Biogen<br />
Ganymed – Corixa<br />
GenPat77 – MedImmune<br />
Novosom – Nucleonics<br />
ProBioGen – Millenium<br />
Rentschler – Maxygen<br />
Signalomics – BioCrystal<br />
börsennotiert<br />
Evotec OAI – Xantos<br />
Evotec OAI – Affectis Pharmaceuticals<br />
Evotec OAI – Morphochem<br />
MorphoSys – Novoplant<br />
Evotec OAI – Lectus Therapeutics<br />
Evotec OAI – Guilford Pharmaceuticals<br />
Evotec OAI – Nuvios<br />
Qiagen – Protedyne<br />
Biotech – Pharma<br />
privat<br />
Artemis Pharmaceuticals – Boehringer Ingelheim<br />
Artemis Pharmaceuticals – Schering<br />
Biobase – Bayer<br />
Ingenium Pharmaceuticals – Grünenthal<br />
Jerini – Merck<br />
Morphochem – Boehringer Ingelheim<br />
Morphochem – Schering<br />
NascaCell – Merz<br />
Artemis Pharmaceuticals – Sanofi-Aventis<br />
atugen – Sanofi-Aventis<br />
BioVisioN – Novartis<br />
BioVisioN – Novo Nordisk<br />
BioVisioN – Roche<br />
Cellzome – Novartis<br />
Epidauros – Roche<br />
NascaCell – Roche<br />
PheneX – Roche<br />
Probiodrug – Novartis<br />
Sirenade Ph. – Solvay Pharmaceuticals<br />
Xantos – Roche<br />
Artemis Pharmaceuticals – Merck Inc.<br />
Gene Bridges – Merck Inc.<br />
Genomatix – Pfizer<br />
Icon Genetics – Berlex<br />
Ingenium Pharmaceuticals – Merck Inc.<br />
Ingenium Pharmaceuticals – Wyeth<br />
Micromet – Merck Inc.<br />
börsennotiert<br />
Evotec OAI – Boehringer Ingelheim<br />
Evotec OAI – Altana<br />
MorphoSys – Boehringer Ingelheim<br />
Epigenomics – Astra Zeneca<br />
GPC Biotech – Debiopharm<br />
MorphoSys – Novartis<br />
Qiagen – Astra Zeneca<br />
MorphoSys – Johnson&Johnson<br />
MWG Biotech – Pfizer<br />
november – BMS<br />
Biotech – an<strong>der</strong>er<br />
industrieller Partner<br />
privat<br />
börsennotiert<br />
Biomax – Siemens<br />
BRAIN – Degussa<br />
Complexio – Hölle & Hüttner<br />
Scienion – Greiner Bio-One<br />
Affimed – Syngenta<br />
Aplagen – Lonza<br />
Faustus – Bioaccelerate<br />
NascaCell – GE Healthcare<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
88 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
3.2 Erfolgsfaktor „Wertschöpfungsnetz“<br />
Der Biotechnologie-Report von <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> beschäftigt sich<br />
traditionell mit dem Kern <strong>der</strong> Branche, den so genannten Core-<br />
Biotech-Unternehmen. Dabei ist klar, dass eine umfassen<strong>der</strong>e<br />
Betrachtung auch solche Unternehmen einschließen müsste, die<br />
entwe<strong>der</strong> klassische biotechnische o<strong>der</strong> biochemische Prozesse<br />
als Teil ihrer Wertschöpfungskette nutzen o<strong>der</strong> als Dienstleister<br />
und Zulieferer wichtige Funktionen für die Biotech-Branche<br />
erfüllen.<br />
Abbildung 3-14 stellt das erweiterte Biotech-Netzwerk aus<br />
Dienstleistern, Zulieferern und weiteren Gruppen schematisch<br />
dar.<br />
In diesem Kapitel wird abwechselnd ein ausgewähltes Umfeld<br />
<strong>der</strong> Core-Biotech-Industrie und <strong>der</strong>en Verflechtung beleuchtet.<br />
Im vorliegenden Report liegt <strong>der</strong> Schwerpunkt auf <strong>der</strong><br />
Darstellung <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Diagnostik-Industrie in diesem<br />
Wertschöpfungsnetz. Dabei wird deutlich, dass heutzutage die<br />
mo<strong>der</strong>ne Biotechnologie in viele Bereiche dieser Industrie<br />
Einzug hält und damit die Grenzen zwischen „klassischer“<br />
Diagnostik-Industrie und mo<strong>der</strong>nen (Core-)-Biotech-Firmen<br />
fließend werden.<br />
Diagnostik-Industrie im Überblick<br />
Die Anfänge <strong>der</strong> Diagnostik-Industrie gehen bis in die 50er-<br />
Jahre zurück. Zu ihrer rasanten Weiterentwicklung trugen<br />
wesentlich die enorme Zunahme und Verfeinerung wissenschaftlicher<br />
Methoden in <strong>der</strong> chemischen, biochemischen sowie<br />
immunologischen Analytik bei, und dementsprechend nahm die<br />
Zahl bestimmbarer Parameter immer weiter zu.<br />
Als Pioniere beim Einsatz von Antiseren in <strong>der</strong> Analytik gelten<br />
Landsteiner und Van <strong>der</strong> Scheer, die bereits in den 1930er-<br />
Jahren die Selektivität von Antikörpern zur Differenzierung von<br />
Molekülen nutzten. Es waren Yalow und Berson, die erstmals<br />
im Jahr 1959 einen Immunoassay zur Bestimmung von Insulin<br />
im Humanserum realisierten, bei dem das Insulin mit<br />
radioaktivem Jod markiert war.<br />
Radioimmunoassays (RIA) leiteten somit den Einsatz<br />
immunologischer Nachweisverfahren in <strong>der</strong> Medizin ein.<br />
Handhabung und Lagerung des radioaktiven Materials sowie<br />
die begrenzte Haltbarkeit von mit Radioisotopen markierten<br />
Substanzen waren jedoch problematisch. Durch den Einsatz von<br />
Enzymen als Label gelang es dann 1971, die radioaktiven<br />
Nachweisverfahren abzulösen.<br />
Abbildung 3-14:<br />
Wertschöpfungsnetz Biotechnologie<br />
Chemieindustrie<br />
„Extended-Core”-<br />
Biotech-Firmen<br />
Pharmaindustrie<br />
Core-Biotech<br />
Universitäten/<br />
Forschungseinrichtungen<br />
Zulieferer<br />
Diagnostik-<br />
Industrie<br />
Contract-Research-<br />
Organisations<br />
89
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Der Ausdruck ELISA (Enzyme linked Immunosorbent Assay)<br />
wurde durch die Anwendung von Enzymmarkern und das<br />
Adsorptionsvermögen von Proteinen, einschließlich Antikörpern,<br />
an festen Oberflächen geprägt. Die klassischen<br />
Verfahren <strong>der</strong> In-vitro-Diagnostik beruhen weitestgehend auf<br />
den Prinzipien <strong>der</strong> RIA- und ELISA-Technologien.<br />
Die Gewinnung von Antigenen und Antikörpern erfolgte<br />
zunächst aus <strong>der</strong> Aufreinigung tierischen Materials. Durch<br />
Verunreinigungen unspezifischer Proteine war die Sensitivität<br />
und Spezifität dieser Diagnostik-Assays jedoch geringer als die<br />
<strong>der</strong> heutzutage eingesetzten Testverfahren.<br />
Für einen Aufschwung in <strong>der</strong> Antikörperherstellung sorgte die<br />
Einführung <strong>der</strong> Hybridomatechnik durch Köhler und Milstein<br />
in den 1980er-Jahren, die wesentlich zur Verbesserung <strong>der</strong><br />
Testqualität beitrug. Einen weiteren Meilenstein in <strong>der</strong><br />
Entwicklung <strong>der</strong> klassischen Immunchemie erbrachte die<br />
Gentechnik, die es erlaubt, rekombinante humanisierte Proteine<br />
zu exprimieren. Die deutlich verbesserte Sensitivität und<br />
Spezifität dieser Antigene und Antikörper verbesserte die<br />
Qualität <strong>der</strong> Assays zunehmend.<br />
Ausgehend vom klassischen RIA- und ELISA-Hersteller hat<br />
sich <strong>der</strong> Diagnostikmarkt seither durch zahlreiche, neu entwickelte<br />
Produkte stark gewandelt und erweitert. Die Produkte<br />
sind meist Neuentwicklungen aus Querschnittstechnologien <strong>der</strong><br />
folgenden Bereiche:<br />
• Molekularbiologie<br />
• Medizintechnik<br />
• Miniaturisierung<br />
• Optik<br />
• Nanotechnologie<br />
• Informationstechnik<br />
• Mikrosystemtechnik<br />
Das Kerngebiet zur Anwendung <strong>der</strong> diagnostischen Produkte<br />
ist die medizinische Versorgung, das heißt die klinische<br />
Diagnostik. Beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> medizinischen Diagnostik wurden<br />
Immunoassays früh zur Bestimmung von Proteinen, Hormonen,<br />
Viren und Medikamenten eingesetzt.<br />
Über den Einsatz in <strong>der</strong> klinischen Diagnostik hinaus finden<br />
empfindliche Nachweissysteme auch in den folgenden<br />
Bereichen Anwendung:<br />
• Lebensmittelanalytik<br />
• Umweltanalytik<br />
• Grundlagen- und Pharmaforschung<br />
• Bioprozesstechnik<br />
• Biosensorik<br />
Erst zu Beginn <strong>der</strong> 1980er-Jahre folgte <strong>der</strong> Einsatz in <strong>der</strong><br />
Lebensmittel- und Umweltanalytik. Bei Lebensmitteln spielt<br />
neben mikrobiologischen Tests die Bestimmung von<br />
Fremdproteinen (zum Beispiel auf Allergene wie Soja, Erdnuss,<br />
Haselnussprotein) eine Rolle. Immunoassays für lebensmittelund<br />
umweltanalytische Zwecke haben jedoch bei weitem nicht<br />
den Stellenwert erlangt wie die <strong>der</strong> medizinischen Diagnostik.<br />
In den Bereichen Grundlagen- und Pharmaforschung,<br />
Lebensmittel- und Umweltanalytik kommen neben klassischen<br />
ELISA-Technologien mo<strong>der</strong>ne Technologien <strong>der</strong> Diagnostik<br />
wie Biochip-Technologien, Biosensoren, Detektoren, Robotertechnologien<br />
und biomolekulare Forschungsreagenzien als<br />
empfindliche Nachweissysteme zum Einsatz. Unter an<strong>der</strong>em<br />
hat die mo<strong>der</strong>ne Biotechnologie auch diese Segmente <strong>der</strong><br />
Diagnostik-Industrie revolutioniert.<br />
In-vitro-Diagnostik<br />
Die In-vitro-Diagnostik bezieht sich auf Tests, die außerhalb<br />
des Körpers mittels Körperflüssigkeiten durchgeführt werden<br />
und ermittelt diagnostische Werte aus Blut, Urin und Speichel.<br />
Gewebe, das aus dem Körper entnommen und anschließend<br />
untersucht wird, fällt ebenfalls unter die In-vitro-Bestimmung.<br />
Dieses forschungsintensive Industriesegment unterliegt <strong>der</strong><br />
ständigen Weiterentwicklung. Optimierung bereits bestehen<strong>der</strong><br />
Methoden und eine stetige Entwicklung und Bereitstellung<br />
innovativer neuer diagnostischer Produkte prägen das Bild.<br />
90 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Der Markt <strong>der</strong> „In-vitro-Diagnostik“ unterteilt sich in die Teilsegmente:<br />
Reagenzien, Automatisierungssysteme (Instrumente)<br />
und Software. Eine Marktübersicht ist unten dargestellt. Die<br />
aktuelle Klassifizierung mit einer feineren Unterglie<strong>der</strong>ung des<br />
Markts für Reagenzien, Instrumente und Software ist bei <strong>der</strong><br />
EDMA (European Diagnostic Manufacturers Association;<br />
www.edma-ivd.be) zu finden.<br />
Der Markt <strong>der</strong> klinischen Diagnostik nimmt im Gesundheitswesen<br />
einen hohen Stellenwert ein. Immer sensitivere und<br />
spezifischere Nachweisverfahren ermöglichen Diagnosen zu<br />
einem frühen Zeitpunkt im Krankheitsgeschehen. Früherkennung<br />
eröffnet Möglichkeiten zur Prävention und hilft, auf<br />
Dauer Kosten im Gesundheitswesen zu reduzieren.<br />
In <strong>der</strong> Immundiagnostik sind wichtige Ziele die verbesserte<br />
Nutzerfreundlichkeit, höhere Genauigkeit und Geschwindigkeit,<br />
verbesserte Spezifität, größere Robustheit sowie erhöhte<br />
Sensitivität. Es geht auch darum, bessere Marker zur spezifischen<br />
Bestimmung von Krankheiten zu finden. Bei Proteinmarkern<br />
kommen zum größten Teil immunchemische<br />
Nachweisverfahren zum Einsatz.<br />
Neuere Technologieentwicklungen, wie zum Beispiel<br />
durchflusszytometrische Bestimmungen, haben in den letzten<br />
Jahren stark zugenommen. Die DNA-Diagnostik analysiert<br />
Prädispositionen meist mittels neuer Verfahren wie Biochip-<br />
Technologien o<strong>der</strong> <strong>der</strong> PCR-Diagnostik. Durch die zunehmende<br />
Automation zahlreicher diagnostischer Laboratoriumstechniken<br />
werden Tests in ihrer diagnostischen Qualität verbessert und<br />
weniger anfällig gegenüber Störungen. Die Bearbeitung <strong>der</strong><br />
Proben wird erleichtert und das Diagnosespektrum ständig<br />
erweitert.<br />
Abbildung 3-15:<br />
Die Zusammensetzung des In-vitro-Diagnostik-Markts<br />
Markt für In-vitro-Diagnostik<br />
Reagenzien Instrumente Software<br />
Klinische Diagnostik<br />
Chemische Diagnostik<br />
Immun-Diagnostik<br />
Hämatologie,<br />
Zytologie, Histologie<br />
Infektions-Immunologie<br />
Genetische Tests<br />
DNA-Diagnostik<br />
Instrumente für Chemie,<br />
Immunchemie<br />
Hämatologie-, Histologie-,<br />
Zytologie-Instrumente<br />
Mikrobiologische (Kultur-)<br />
Instrumente<br />
Instrumente für Infektions-<br />
Immunologie<br />
Nukleinsäure-Test-Instrumente,<br />
keine Microarrays<br />
Sample-Prozessor-Systeme,<br />
Aliquotierer, Sortierer, Zentrifugen,<br />
Unterstützende Software für<br />
diagnostische und<br />
klinische Daten<br />
und <strong>der</strong>en Interpretation<br />
Spezielle mikrobielle und<br />
epidemiologische Software<br />
An<strong>der</strong>e Instrumente<br />
Quelle: verän<strong>der</strong>t nach EDMA-Klassifizierung<br />
91
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Der VDGH (Verband <strong>der</strong> Diagnostica-Industrie) nennt folgende<br />
Beispiele als wesentliche Neuentwicklungen <strong>der</strong> Labor-<br />
Diagnostik im letzten Jahrzehnt.<br />
Neuentwicklungen im Labor seit 1990 – Beispiele<br />
Quelle: Labordiagnostika und Gesundheit 2004/2005, VDGH<br />
Allergiediagnostik<br />
Entzündungsparameter wie eosinophiles kationisches Protein<br />
(ECP, automatisiert), Tryptase; Rekombinante Allergene (wie<br />
Birke, Aspergillus); IgE – Western Blot; spezifisches, hochsensitives<br />
IgE (automatisiert); Gesamt-IgE (automatisiert)<br />
Autoimmundiagnostik<br />
Autoantikörper wie Anti-Thyreoglobin Anti-Rezeptor und<br />
mikrosomale Antikörper; rekombinante Antigene (z. B. TPO);<br />
Parameter des systemischen Lupus erythematodes (SLE);<br />
ANA-Differenzierung (automatisiert); Cardiolipin-Antikörper-<br />
Bindung (ß2-Glycoprotein I als Co-Faktor); GBM-Antikörper<br />
(Goodpasture-Syndrom); Zöliakie; ELISA-Alternative zum<br />
Endomysium-IFT; zirkulierende Immmunkomplexe, citrulliniertes<br />
C-Peptid<br />
Blutgruppenserologie<br />
AB0- und Rhesus-Blutgruppenbestimmung (automatisiert)<br />
Drogentests<br />
Einzelparameter und Screening; Amphetamin, Meth-<br />
Amphetamin; Cannabis; Methadon, EDDP als Methadon-<br />
Abbauprodukt; LSD<br />
Durchflusszytometrie<br />
CD4-, CD8-Lymphozyten; HLA-Typisierung<br />
Endokrinologie<br />
hCG (Beta-Untereinheit); SHBG; Schilddrüsenbasistests 3.<br />
Generation (TSH, freies T3 und T4)<br />
Gerinnung<br />
D-Dimer (automatisiert); Faktoren I-XIII, Prothrombin-Fragmente<br />
1 und 2; Faktor-V-Leiden (automatisiert); Fibrinmonomere;<br />
Plasminogen-Aktivator-Inhibitor 1; apc-Resistenz, Protein-<br />
C und -S-Aktivität (automatisiert); freies Protein S, Thrombin-<br />
Antithrombin-Komplex; Von-Willebrand-Faktor-Aktivität (automatisiert);<br />
prothrombin-induzierte Gerinnungszeit; Thrombin-<br />
Generierungstest; ADAMTS-13-Antigen und Aktivität;<br />
ADAMTS-13-Inhibitoren<br />
Hämatologie<br />
Anteil <strong>der</strong> unreifen Reticulozyten (IRF), humane Progenitorzellen<br />
im peripheren Blut (HPC), Erythroblasten (NRBC),<br />
Bestimmung und Zählung unreifer Ganulozyten (IG) auch in<br />
<strong>der</strong> Sepsis-Diagnostik, Bestimmung des Hämoglobingehalts <strong>der</strong><br />
Retikulozyten (CHr o<strong>der</strong> RET-He); mittleres Reticulozytenvolumen<br />
(MRV)<br />
Infektionskrankheiten<br />
Borrelia burgdorferi (Borreliose); Chlamydien-Antikörper;<br />
Epstein-Barr-Virus; Helicobacter pylori; Hepatitis- und HIV-<br />
Antigen/Antikörper; Noro-Virus (Norwalk-like-Virus); Parvovirus<br />
B 19; Toxoplasma gondii (Toxoplasmose); Treponema<br />
pallidum (Syphilis); IgG-Antikörper gegen chlamydiales Heat-<br />
Shock-Protein, Nachweis multiresistenter Staphylokokken<br />
Kardiologie<br />
Homocystein; Myoglobin; Oxidiertes LDL; NT pro-BNP, BNP;<br />
Troponin I und T; CRP, ultrasensitiv<br />
Klinische Chemie<br />
HbA1c (automatisiert); HDL-Cholesterin (direkt); LDL-<br />
Cholesterin (direkt); Creatinin (enzymatisch), Harnsäure;<br />
Enzymdiagnostik (standardisiert nach IFCC, 37 °C)<br />
Knochenstoffwechsel<br />
TRACP 5b (Osteoklastenaktivität); Pyridinoline; Desoxypyridinolin;<br />
Typ-I-Kollagen Telopeptide; Typ-I-Prokollagen-<br />
Propeptide (P1NP und P1CP)<br />
Molekularbiologie<br />
• Nachweis von DNA- und DNA-Polymorphismen und<br />
Mutationen: Apo B; Apo E; Lp(a); cystische Fibrose;<br />
heriditäre Hämochromatose; Telomer-Längenbestimmung;<br />
Faktor II (Prothrombin), Faktor-V-Leiden; Cytochrom P 450<br />
• Direktnachweis von Infektionserregern: Chlamydien,<br />
Cytomegalievirus (CMV)<br />
• Hepatitis-B-Virus (HBV) und HBV-Viruslast, Hepatitis-C-<br />
Virus (HCV) und HCV-Viruslast; Humanes Immundefizienzvirus<br />
(HIV), HIV-Viruslast und HIV-Resistenztestung;<br />
Gonokokken; Tuberkulose; SARS; methillicin-resistente<br />
Staphylokokken aureus (MRSA); parodontitis- assoziierte<br />
Keime<br />
• Hämatologische Onkologie: BCR/abl; t 9/22; CLL-Klassifizierung;<br />
t 14/18<br />
• HLA-Typisierung<br />
• Pränataldiagnostik und postnatales Screening: Trisomie 21;<br />
Wolf-Hirschhorn<br />
• Sepsisdiagnostik<br />
92 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Diagnostik-Industrie weltweit<br />
Die Diagnostik-Industrie setzt sich weltweit aus einer Vielzahl<br />
von kleinen und mittelständischen Unternehmen zusammen.<br />
Die Anzahl <strong>der</strong> Firmen, die zumeist Reagenzien anbieten, wird<br />
hierbei vom VDGH weltweit auf ca. 400–500 geschätzt. Allein<br />
in Deutschland zählt <strong>der</strong> VDGH rund 80 Mitgliedsfirmen,<br />
darunter große und mittelständische Anbieter sowie kleine,<br />
innovative Unternehmen. Weltweit haben sich durch die große<br />
Welle <strong>der</strong> Akquisitionen in den späten 1990er-Jahren etwa 10<br />
große Anbieter etabliert. Der Fokus dieser Großunternehmen,<br />
die ca. 80 Prozent des globalen Umsatzes generieren, liegt dabei<br />
auf kompletten Systemlösungen.<br />
Neue Trends, die sich im Portfolio <strong>der</strong> großen Systemanbieter<br />
abzeichnen, sind patientennahe Diagnosesysteme (Point-of-<br />
Care-Diagnostik), Selbsttests, Schnelltests, sowie molekulardiagnostische<br />
Analysesysteme. Das Umsatzpotenzial dieser<br />
Marktsegmente wird die Marktposition <strong>der</strong> Big Player auch<br />
zukünftig sichern.<br />
Laut einer Studie von Booz, Allen & Hamilton stehen die<br />
Entwicklungs- und Produktionskosten einiger Diagnostik-<br />
Produkte den hohen Entwicklungskosten von Arzneimitteln in<br />
nichts nach. Trotz <strong>der</strong> gleich hohen Kosten generieren Pharma-<br />
Unternehmen jedoch wesentlich mehr Umsatz als Diagnostik-<br />
Firmen. Innovative neue Technologien werden zumeist nur von<br />
den Top-Playern entwickelt, die das Risiko einer Neuentwicklung<br />
eingehen können. Um erfolgreich am Markt bestehen<br />
zu können, müssen sich kleine und mittelständische<br />
Unternehmen, die sich auf Entwicklungen in innovativen<br />
Bereichen spezialisiert haben, meist frühzeitig einen strategisch<br />
starken Produktions- und Vertriebs-Partner suchen.<br />
Einige Nischenanbieter – darunter Bio-Rad Laboratories,<br />
Diagnostic Products Corporation, Gen-Probe, Sysmex,<br />
TheraSense und Cytyc – haben in spezifischen Marktsegmenten<br />
wie <strong>der</strong> Molekulardiagnostik, einigen Subsegmenten <strong>der</strong><br />
Immundiagnostik, Selbsttests sowie einigen Point-of-Care-<br />
Diagnostik-Produkten weltweit ein hohes Wachstum erzielt.<br />
Tabelle 3-3:<br />
Ausgewählte globale Top-Player <strong>der</strong> Diagnostik-Industrie<br />
Firma Geschäftsbereiche Firma Geschäftsbereiche<br />
Roche Diagnostics, Diabetis care, Near-Patient-Tests, Becton Dickinson, USA Klinische Instrumente<br />
Schweiz<br />
zentralisierte Diagnostik (klinische Chemie,<br />
Immundiagnostik, multiple Analysesysteme<br />
und Assays), Molekulardiagnostik<br />
Bayer Diagnostics, Hämatologie, Immunologie, Dade Behring, USA Kardiale Diagnostik, klinische Chemie und<br />
Deutschland klinische Chemie (Immunoassays), Immunchemie, Analysegeräte, Drogen und Arzneimittel-<br />
Analysesysteme, Laborautomation,<br />
diagnostik, Infektionsdiagnostik, mikrobiologische<br />
Molekulardiagnostik, Harnchemie<br />
Bestimmungen, Hämostase, Plasmaproteine<br />
Abbott Diagnostics, Blutzuckerselbstkontrolle, Hämatologie- bioMerieux, Frankreich Klinische Diagnostik, industrielle mikrobiologische<br />
USA Systeme, Immundiagnostik-Systeme, Diagnostik<br />
klinische Chemie, Molekulardiagnostik,<br />
Point-of-Care-Diagnostik<br />
Ortho Clinical Blutzuckerdiagnostik, Blutbank, Bluttests, Beckmann Coulter, USA Klinische Diagnostik, Laborautomation, Analysesysteme,<br />
Diagnostics, Chemie und Immundiagnostik, Hämatologie, Immunoassays, Immunhistochemie,<br />
USA Laborautomatisierung, Spen<strong>der</strong> Screening Schnelltests<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
93
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Die Diagnostik-Industrie in Deutschland<br />
Alle bereits genannten ausländischen Großunternehmen unter<br />
den Diagnostik-Firmen besitzen Tochtergesellschaften in<br />
Deutschland. Dennoch ist die deutsche Diagnostik-Industrie<br />
weiterhin geprägt von einer Vielzahl kleiner und mittelständischer<br />
Unternehmen (meist Reagenzienanbieter). Laut Aussage<br />
des VDGH wird <strong>der</strong> Umsatzanteil dieser Unternehmen am<br />
weltweiten Gesamtumsatz <strong>der</strong> Diagnostik-Produkte im<br />
Reagenzienmarkt auf circa 20 Prozent geschätzt. Das Angebot<br />
<strong>der</strong> Firmen liegt meist in <strong>der</strong> Bereitstellung von Test-Assays wie<br />
zum Beispiel ELISA, RIA und Immunfluoreszenztests, die<br />
kompatibel mit den Analysesystemen <strong>der</strong> großen Anbieter sind.<br />
Einige Firmen bieten auch Produkte aus dem Bereich Selbsttests<br />
an, wie beispielsweise die Gießener Schebo Biotech, die<br />
neue Lösungen zur Selbstkontrolle und Frühdiagnose von<br />
Darmkrebs mittels eines einfach durchzuführenden Stuhltests<br />
und anschließen<strong>der</strong> fachmännischer Überprüfung in einem<br />
klinischen Labor anbietet.<br />
Die Firma B.R.A.H.M.S hat mit <strong>der</strong> kürzlichen Zulassung ihres<br />
Procalcitonin (PCT)-Tests in den USA einen wichtigen Meilenstein<br />
in <strong>der</strong> Intensivmedizin erreicht. Die PCT-Assays werden<br />
bereits auch in europäischen Krankenhäusern eingesetzt. Der<br />
immunchromatographische Schnellteststreifen dieser Tests<br />
liefert dabei die Diagnose einer schwerwiegenden, bakteriellen<br />
Infektion und Sepsis in nur 30 Minuten.<br />
Tabelle 3-4:<br />
Ausgewählte deutsche Diagnostik-Anbieter und Produkte<br />
Firma<br />
Produkte<br />
Firma<br />
Produkte<br />
Allergopharma KG<br />
Immunoassays für die In-vitro- und In-vivo-<br />
Allergiediagnostik, spezialisiert auf Typ-1-Allergie<br />
B.R.A.H.M.S. AG<br />
Immunoassays, RIA, ELISA, Point of Care, vollautomatisches<br />
Laboranalysesystem abgestimmt auf die<br />
Reagenzien <strong>der</strong> B.R.A.H.M.S<br />
IMTEC GmbH<br />
Enzym-Immunoassays, Immunofluoreszenz-Tests<br />
und Objektträger, Immunoblot-Tests, Line-Immunassays,<br />
Latex-Agglutinierungs-Tests<br />
Mediagnost GmbH<br />
Enzymimmunoassays, PCR-Diagnostik, RIA, Kaninchen-Antiseren<br />
zum Einsatz in Western Blots,<br />
Immunhistochemie und Radioimmunoassays, PCR-<br />
Lebensmitteldiagnostik, Herstellung monoklonaler<br />
Antikörper<br />
Euroimmun AG<br />
ELISA, Immunfluoreszenz, Western Blot,<br />
Euroassay, Euroline-Assays<br />
Medac AG<br />
ELISA, Immunfluoreszenztest, ELA, immunologische<br />
Reagenzien, Kits für die Durchflusszytometrie<br />
DPC Biermann GmbH<br />
Assays: RIA, ELISA, Blot-Latex- und Enzym-Tests,<br />
Analysesysteme<br />
Viramed Biotech AG<br />
Immunoblot, ELISA, Immunofluoreszenz, Antigene<br />
Biomed<br />
Labordiagnostik GmbH<br />
Systemreagenzien für Analysegeräte, Enzymimmunoassays,<br />
Schnelltests, Immunfluoreszenztests,<br />
Färbelösungen für Hämatologie, Enzyme für<br />
die PCR-Molekulardiagnostik<br />
Orgentec<br />
Diagnostika<br />
GmbH<br />
ELISA-Testassays für Rheumatologie, Thrombose<br />
Vaskulitis, Schilddrüsenerkrankungen, Gastroenterologie<br />
und für Diabetes<br />
BA GmbH<br />
Testkits und Antiseren zur Immunchemie<br />
Biotest AG<br />
Infektionsdiagnostik ELISA<br />
R-Biopharm AG<br />
RIDA-Screens plus Instrumentation: POC-<br />
Diagnostik-Allergie, Immunoblot, ELISA<br />
Schebo Biotech AG<br />
ELISA-Lebensmittelanalytik, ELISA zur Veterinärdiagnostik,<br />
ELISA-Onkologie, Selbsttest Frühdiagnostik<br />
Darmkrebs, ELISA-Gastroenterologie, Stuhltest<br />
Gastroenterologie<br />
Utecht & Lüdemann<br />
GmbH<br />
Western-Blot-Immunoassays, ELISA, monoklonale<br />
Antikörper, generelle Assay-Reagenzien<br />
Diamed<br />
Diagnostika GmbH<br />
Analysegeräte<br />
IBL GmbH<br />
Immunchemische, labordiagnostische Produkte,<br />
Enzymimmunoassays, Radioimmunoassays, Lumineszenz-Immunoassays<br />
Medipan GmbH<br />
Radioimmunoassays, Enzymimmunoassays Typ-1-<br />
Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
94 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Der Markt <strong>der</strong> Diagnostik-Industrie<br />
Der europäische Markt <strong>der</strong> Instrumente und Reagenzien wird<br />
nach Angaben des VDGH für das Jahr 2003 auf 7,34 Mrd. €<br />
geschätzt. Deutschland stellt dabei im Vergleich mit an<strong>der</strong>en<br />
europäischen Län<strong>der</strong>n einen reifen Markt mit einem hohen<br />
Marktanteil von 24 Prozent dar, gefolgt von Frankreich und<br />
Italien mit einem Anteil von jeweils 18 Prozent. Der Marktanteil<br />
Englands liegt hingegen nur bei sieben Prozent. Beim<br />
Umsatzwachstum <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> zeigt sich jedoch ein umgekehrtes<br />
Verhältnis. In Deutschland lag das Umsatzwachstum <strong>der</strong> Jahre<br />
2002/2003 mit 1,7 Prozent deutlich unter dem Wachstum<br />
an<strong>der</strong>er europäischer Län<strong>der</strong>, wie zum Beispiel England mit<br />
rund neun, Italien mit 3,5 und Frankreich mit 7,5 Prozent.<br />
In Deutschland wurden nach Angaben des VDGH im Jahre<br />
2003 Diagnostika im Wert von ca. 1,75 Mrd. € verkauft, davon<br />
Reagenzien im Wert von ca. 1,55 Mrd. €. Circa 35 Prozent<br />
dieser Reagenzien, nach Schätzung des VDGH mit einem<br />
Umsatzvolumen von ungefähr 550 Mio. €, wurden mittels<br />
biotechnologischer Verfahren produziert.<br />
Marktprognosen<br />
Bezogen auf die weltweite jährliche Wachstumsrate bewegt sich<br />
die klassische In-vitro-Diagnostik-Industrie (IVD) in einem<br />
reifen Markt. Das Wachstum dieses reifen IVD-Weltmarkts<br />
schätzen Analysten von RBC Capital Markets auf jährlich rund<br />
fünf bis sieben Prozent. Einigen Segmenten des Marktes wird<br />
jedoch in den nächsten Jahren ein großes Wachstum<br />
zugesprochen.<br />
Dazu zählen neue Technologien und Anwendungen <strong>der</strong> In-vitro-<br />
Diagnostik-Industrie, wie beispielsweise pharmakogenetische<br />
Tests. Analysen von Clinica Reports zufolge besitzt <strong>der</strong> Markt<br />
für Selbsttests ebenfalls ein sehr großes Potenzial und wird<br />
daher als <strong>der</strong> neue große Trend in <strong>der</strong> Diagnostik-Industrie<br />
gesehen.<br />
Angeführt wird <strong>der</strong> Selbsttest-Markt von Diabetes- und Glukose-Tests.<br />
Subsegmenten <strong>der</strong> In-vitro-Diagnostik, wie <strong>der</strong><br />
Molekulardiagnostik und den Herz-Tests (kardiale Diagnostik),<br />
wird laut RBC Capital Markets ein Wachstum von mehr als 20<br />
Prozent vorausgesagt.<br />
Die gestiegenen Anfor<strong>der</strong>ungen an Prozessgeschwindigkeit, <strong>der</strong><br />
enorme Kostendruck sowie die hohen Anfor<strong>der</strong>ungen an gleich<br />
bleibende Qualität werden in Zukunft die Investition in<br />
Automatisierungsanlagen erfor<strong>der</strong>n.<br />
Aus diesen Gründen stellt dieses Marktsegment ein enormes<br />
Potenzial für die Diagnostik-Unternehmen dar.<br />
Schließlich wird die Produktpalette <strong>der</strong> Diagnostik-<br />
Unternehmen durch folgende Dienstleistungen erweitert:<br />
• Informationsmanagement,<br />
• Internet-Berichterstattung,<br />
• Beratung und<br />
• Ergebnisauswertung <strong>der</strong> Point-of-Care- bzw. molekularbiologischen<br />
Tests.<br />
Weltweite Markttrends<br />
Der vermehrte Einsatz von bereits entwickelten Automatisierungstechniken<br />
und die stetige Neuentwicklung von Geräten<br />
zur multiplen Anwendung werden in den kommenden Jahren<br />
wichtige Treiber <strong>der</strong> In-vitro-Diagnostik sein. Zudem verstärkt<br />
sich <strong>der</strong> Einfluss von Genomics und Proteomics zur<br />
Identifizierung neuer molekularer und Protein-Marker bei <strong>der</strong><br />
Diagnose von Krankheiten.<br />
Analysten prognostizieren, dass folgende Technologietrends in<br />
<strong>der</strong> klinischen Diagnostik zukünftig einen wichtigen<br />
Stellenwert einnehmen:<br />
• Molekulardiagnostik<br />
• Point-of-Care Tests, Selbsttests<br />
• Microarrays und Lab-on-a-Chip-Devices<br />
• Flüssig-Bead-Array-Technologien und durchflusszytometrische<br />
Bestimmungen<br />
• Laborautomation<br />
• Webbasiertes Datenmanagement und drahtlose Kommunikation<br />
• Softwareentwicklung<br />
Darüber hinaus spielen die Bereiche Pharmakogenetik sowie<br />
personalisierte Medizin und Theranostik eine zunehmend<br />
bedeutende Rolle, die nachfolgend kurz skizziert wird.<br />
95
G ESCHÄFTS- UND KOMMERZIALISIERUNGSSTRATEGIEN<br />
Das Segment <strong>der</strong> Molekulardiagnostik, dem ein sehr großes<br />
Wachstumspotenzial zugeschrieben wird, wird sich zunehmend<br />
ausweiten. Handelte es sich ursprünglich vor allem um die<br />
Diagnose von Infektionskrankheiten, wird die Molekulardiagnostik<br />
zukünftig die Bereiche Krebs, Gentests sowie<br />
Pharmakogenetik umfassen.<br />
Pharmakogenetik-Tests bilden den größten Trend in diesem<br />
Marktsegment und liefern einerseits Aussagen über die genetischen<br />
Ursachen bestimmter Krankheiten und an<strong>der</strong>erseits<br />
Aufschluss über das persönliche DNA-Muster. Das große<br />
Versprechen <strong>der</strong> Pharmakogenetik, maßgeschnei<strong>der</strong>te Medikamente,<br />
abgestimmt auf die individuellen,<br />
genetischen Anlagen und den<br />
jeweiligen Metabolismus zu ermöglichen,<br />
gewinnt langsam eine größere<br />
Bedeutung in <strong>der</strong> Entwicklung von<br />
Arzneimitteln. Genutzt wird dieser Ansatz<br />
zum Beispiel bei <strong>der</strong> Identifizierung<br />
spezifischer Biomarker, die mit<br />
bestimmten Genen und Krankheiten<br />
assoziiert werden können.<br />
Die zukünftige Nachfrage nach personifizierter<br />
Medizin, die mit einer umfangreichen<br />
molekularen Diagnostik<br />
einhergeht, wird von vielen Herstellern<br />
im Markt als substanziell angesehen.<br />
Dennoch liegt vielfach die Einschätzung<br />
vor, dass bis zu ihrem Einsatz<br />
noch weitere fünf Jahre Entwicklungszeit vergehen werden.<br />
Angesichts <strong>der</strong> oft hohen „Non-response“-Raten (30–80 %,<br />
abhängig von jeweiligen Substanzen) bei bereits auf dem Markt<br />
zugelassenen Medikamenten besteht großer Verbesserungsbedarf.<br />
Pharmakogenetik bietet die Ermittlung optimaler<br />
Respon<strong>der</strong>-Raten und damit die Möglichkeit, zukünftig vorab<br />
zu ermitteln, wie Patientengruppen auf neu entwickelte<br />
Medikamente reagieren. Damit kann dann nur die effektivste<br />
Therapie auf den Markt gebracht werden.<br />
Erwartet wird zudem, dass zukünftig die zuweilen hohen<br />
Kosten in <strong>der</strong> Entwicklung von Medikamenten, die die<br />
Fehlinvestitionen mit einschließen, besser kontrollierbar und<br />
kalkulierbar werden.<br />
Pharmakogenetik<br />
untersucht, ob und welchen Einfluss die<br />
individuellen Erbanlagen auf die Reaktion<br />
von Medikamenten im Körper eines<br />
Menschen haben.<br />
Personalisierte Medizin<br />
ist eine auf den einzelnen Patienten zugeschnittene<br />
Behandlung.<br />
Theranostik<br />
ist eine Kombination <strong>der</strong> Begriffe Therapie<br />
und Diagnostik; sie stellt eine therapiebegleitende<br />
Diagnose dar, <strong>der</strong>en Ziel die<br />
patientenspezifische Therapie ist.<br />
Durch die kosteneffizientere Entwicklung personifizierter<br />
Medikamente soll ein verbesserter Return on Investment erzielt<br />
werden. Auch die FDA hat den dringenden Einsatz pharmakogenetischer<br />
Tests erkannt und ermutigt Firmen, mehr Daten<br />
zur Zulassung einzureichen. Um den Prozess voranzutreiben,<br />
hat die FDA im Dezember 2004 Guidelines zur Zulassung<br />
pharmakogenetischer Daten erstellt, die im März 2005 in einer<br />
endgültigen Fassung erschienen.<br />
Die personifizierte Medizin wird ferner als Grundlage für die<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Theranostik angesehen. Durch die Kombination<br />
von Diagnostik und Therapie eröffnet Theranostik<br />
zukünftig einen Weg für eine gezielte<br />
Patientenbehandlung. Ein Beispiel hierfür<br />
ist die molekulare Diagnostik<br />
potentiell auftreten<strong>der</strong> Resistenzen bei<br />
<strong>der</strong> Behandlung mit Antiinfektiva: Der<br />
Arzt kann vorab ermitteln, welcher<br />
Patient zukünftig Resistenzen aufweisen<br />
wird und sich rechtzeitig für die<br />
geeignete Therapie entscheiden. Theranostik<br />
kann dem Arzt zusätzlich verbesserte<br />
Informationen darüber liefern,<br />
wie oft ein Medikament verabreicht<br />
werden muss.<br />
Auf dem Markt befinden sich beispielsweise<br />
bereits die Theranostik-Produkte<br />
von <strong>der</strong> belgischen Innogenetics. Sie<br />
ermöglichen die Messung des Levels<br />
an pathologischen Molekülen, die bei <strong>der</strong> Alzheimerschen<br />
Krankheit auftreten. Da bei an<strong>der</strong>en Demenz-Erkrankungen<br />
zum Teil dieselbe Symptomatik vorliegt, kann hierdurch eine<br />
exakte Diagnose erstellt werden.<br />
Theranostik-Anwendungen können somit in drei Kategorien<br />
eingeteilt werden:<br />
• Genetische Prädispositionsdiagnostik<br />
• Diagnostik klinischer Studien<br />
• Bestimmung des für den jeweiligen Patienten geeigneten<br />
Medikaments sowie dessen Dosierung<br />
Dem durchschnittlich eher geringen jährlichen Wachstum von<br />
drei bis sechs Prozent in <strong>der</strong> Diagnostik-Industrie steht ein<br />
erwartetes jährliches Wachstum des Theranostik-Marktes von<br />
über 20 Prozent gegenüber.<br />
96 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
4. Finanzierung und Kapitalmarkt<br />
4.1 Biotech-Investoren im Blickfeld<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> vorliegenden Studie wurde auch eine Umfrage<br />
unter Investoren durchgeführt, die Beteiligungen an deutschen<br />
Biotech-Unternehmen halten.<br />
Fragen zur Firmen- bzw. Investitionsstruktur umfassten dabei<br />
die Faktoren Kapitalquelle, Fundraising sowie bevorzugter Exit<br />
bzw. bevorzugter Börsenplatz. Weiterhin wurden Daten zu Art<br />
und Ziel <strong>der</strong> Investition sowie zu den Biotech-Investitionsaktivitäten<br />
im Jahr 2004 erhoben.<br />
Zum Punkt Kapitalquelle findet sich eine Übersicht in<br />
Abbildung 4-1, die die Antworten des jeweiligen aktuellen<br />
Samples an Investoren wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />
Im Jahresvergleich haben sich hier sichtbare Verschiebungen<br />
bei den Privatinvestoren sowie – allerdings schwächer ausgeprägt<br />
– bei den strategischen Investoren und den öffentlich/<br />
staatlichen Quellen ergeben.<br />
Im Vergleich zum Jahr 2003 fällt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Privatinvestitionen<br />
wesentlich geringer aus; <strong>der</strong> Anteil strategischer Investoren<br />
und öffentlich/staatlicher Quellen ist dagegen leicht gestiegen.<br />
Abbildung 4-1:<br />
Kapitalquellen des Investorensamples<br />
institutionelle<br />
Investoren<br />
28<br />
öffentlich/staatlich 29<br />
private<br />
Investoren<br />
strategische<br />
Investoren<br />
sonstige Quellen<br />
6 7 9<br />
7<br />
Ansonsten machen im aktuellen Sample nach wie vor institutionelle<br />
Investoren als Geldgeber den größten Anteil aus, gefolgt<br />
von öffentlichen bzw. staatlichen Kapitalquellen. Insgesamt <strong>der</strong><br />
geringste Anteil entfällt wie im Vorjahr auf strategische<br />
Investoren (in <strong>der</strong> Regel Industrieunternehmen).<br />
9<br />
14<br />
14<br />
18<br />
21<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />
Anteil <strong>der</strong> Nennungen in % (Mehrfachnennungen möglich; 2004 n = 64)<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
31<br />
34<br />
36<br />
36<br />
Lediglich drei <strong>der</strong> antwortenden 36 Investoren haben im Jahr<br />
2004 einen neuen Fonds aufgelegt. So gelang beispielsweise <strong>der</strong><br />
Wellington Partners aus München noch kurz vor Jahresschluss<br />
ein erstes, 85 Mio. € umfassendes Closing für einen neuen<br />
Fonds, den WP III Tech. Zu den Geldgebern gehörten: Access<br />
Capital, AlpInvest, Lexington Partners, Swiss Re, VCM und<br />
von Braun & Schreiber. Hinzu kommt mit einem Anteil von<br />
rund 25 Prozent <strong>der</strong> Europäische Investitionsfonds (EIF), <strong>der</strong><br />
seit Anfang März 2004 offiziell Gel<strong>der</strong> aus dem „ERP-EIF<br />
Dachfonds“ vergibt. Mit bereits vorliegenden, weiteren Zusagen<br />
über 25 Mio. € wird <strong>der</strong> neue Wellington-Fonds im Jahr 2005<br />
mit einer Summe von mindestens 120 Mio. € aufgelegt werden<br />
können. Investitionsaktivitäten wurden Anfang 2005 gestartet.<br />
Vor dem Investment in den Wellington-Fonds war die erste<br />
verbindliche Investitionszusage des Dachfonds mit einem<br />
namhaften Betrag an den – laut Branchenbeobachtern – aktuell<br />
im Fundraising befindlichen Fonds „TVM Life Science<br />
Ventures VI“ <strong>der</strong> Münchner Venture Capital Gesellschaft TVM<br />
gegangen. Der ERP-EIF Dachfonds wurde<br />
zum Jahresanfang vom EIF und dem<br />
Bundesministerium für Wirtschaft und<br />
Arbeit (BMWA) aufgelegt und soll in<br />
deutsche Beteiligungskapitalfonds für<br />
Frühphasen- und Wachstumsunternehmen<br />
investieren.<br />
Neben Wellington konnte die Investitionsbank<br />
Berlin (IBB) 2004 einen neuen<br />
Fonds, den VC Fonds Berlin, auflegen.<br />
Zunächst soll ein Fondsvolumen von 20<br />
Mio. € (davon 13,75 Mio. € Mittel aus<br />
dem EFRE – Europäischer Fonds für<br />
Regionale Entwicklung) erreicht werden.<br />
Im zweiten Schritt wird dann ein<br />
Volumen von 45 Mio. € angestrebt. Dies<br />
soll über das Engagement weiterer, vorrangig privater<br />
Investoren erzielt werden.<br />
97
F INANZIERUNG UND K APITALMARKT<br />
Nach den Angaben des Investoren-<br />
Samples besteht Einigkeit darin, dass<br />
gerade die klassischen deutschen<br />
institutionellen Investoren wie Banken<br />
und Versicherungen nach wie vor bei<br />
Investitionen sehr risikoscheu sind.<br />
Institutionelle Investoren wollen lokale<br />
Investments als Teil des Syndikats; dies<br />
ist jedoch auf Grund <strong>der</strong> Tatsache, dass<br />
Risikokapitalfonds überregional ausgerichtet<br />
sind, kaum umzusetzen. Ferner<br />
gaben die befragten Investoren an, dass<br />
in Deutschland wie auch in Gesamteuropa<br />
Buy-outs als Anlageklasse noch<br />
immer stark bevorzugt sind, wohingegen<br />
in den USA bereits die „Wie<strong>der</strong>entdeckung“<br />
<strong>der</strong> VC-Investments erfolgt. Somit hängt <strong>der</strong><br />
europäische VC-Markt dem amerikanischen bezüglich<br />
Wertentwicklung, Volumen und Exit-Märkten noch weit<br />
hinterher.<br />
Auf Grund <strong>der</strong> nach wie vor fehlenden attraktiven Exit-<br />
Möglichkeiten in Europa weisen die Fonds eine schlechte<br />
Performance auf. Insofern sind die deutschen Biotech-VCs sehr<br />
stark abhängig vom letzten Glied <strong>der</strong> Investitionskette, <strong>der</strong><br />
(fehlenden) Exit-Möglichkeit. Das bewirkt einen Teufelskreis:<br />
Fehlende Exits bedeuten fehlende Track Records, die wie<strong>der</strong>um<br />
die Attraktivität für neue Investoren beim Fundraising<br />
verringern. Gleichzeitig sind vor allem deutsche Investoren<br />
auch bei positiver Performance von VC-Fonds stark<br />
zurückhaltend.<br />
Die Frage nach den bevorzugten Exit-Möglichkeiten<br />
beantworteten die befragten Investoren ähnlich wie in den<br />
Jahren zuvor. Insgesamt wären ein Börsengang o<strong>der</strong> ein Trade<br />
Sale, das heißt <strong>der</strong> Verkauf <strong>der</strong> Beteiligung an einen<br />
strategischen Käufer (in <strong>der</strong> Regel an<strong>der</strong>e Unternehmen), die<br />
bevorzugte Option für das Veräußern <strong>der</strong> Beteiligungen (siehe<br />
Abbildung 4-2). Beide Alternativen wurden zu je mehr als ein<br />
Drittel genannt. Daneben sind – entgegen <strong>der</strong> negativen Rolle<br />
beim Fundraising – institutionelle Investoren als Abnehmer von<br />
Beteiligungen immerhin zu 10 Prozent gefragt. Kaum eine<br />
Bedeutung als Exit-Option im Biotech-Bereich haben dagegen<br />
Buy-backs (Rückkauf durch Altgesellschafter), MBOs<br />
(Management-Buy-out) und MBIs (Management-Buy-in) im<br />
untersuchten Investorensample.<br />
Abbildung 4-2:<br />
Bevorzugter Exit <strong>der</strong> Investoren im Jahresvergleich<br />
Anteil <strong>der</strong> Nennungen in %<br />
(Mehrfachnennungen möglich; 2004 n = 67)<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
41 41 39<br />
IPO<br />
41<br />
48<br />
43<br />
Trade Sale<br />
9<br />
6<br />
Buy-back/MBO/<br />
MBI<br />
Wäre ein Börsengang eines Portfolio-Unternehmens denkbar,<br />
so würden die befragten Unternehmen die Frankfurter<br />
Wertpapierbörse FWB bevorzugen. Fast ein Drittel aller<br />
Antworten entfällt auf die deutsche Börse, dicht gefolgt von <strong>der</strong><br />
Schweizer Börse SWX mit 24 Prozent. Im Jahresvergleich hat<br />
<strong>der</strong>en Attraktivität stark zugelegt. Gründe sind womöglich, dass<br />
<strong>der</strong> Life-Sciences-Sektor in <strong>der</strong> Schweiz eine starke Tradition<br />
hat und die SWX diesen <strong>der</strong>zeit zusätzlich stark för<strong>der</strong>t. Der<br />
Markt ist zudem nicht weit entfernt.<br />
Immerhin 22 Prozent <strong>der</strong> Nennungen des Investorensamples<br />
entfallen auf die US-Börse NASDAQ; diese liegt damit noch<br />
vor den britischen Märkten LSE und AIM. Allerdings hat die<br />
Bedeutung <strong>der</strong> NASDAQ im aktuellen Investoren-Sample<br />
abgenommen. Die sehr hohen Anfor<strong>der</strong>ungen beim dortigen<br />
Listing könnten eine Ursache hierfür sein.<br />
4<br />
6<br />
3<br />
2002<br />
2003<br />
2004<br />
10<br />
Institutioneller<br />
Investor<br />
Abbildung 4-2a:<br />
Bevorzugter Börsenplatz <strong>der</strong> Investoren im<br />
Jahresvergleich<br />
FWB 27<br />
27<br />
SWX 18<br />
24<br />
NASDAQ<br />
16 22<br />
27<br />
LSE 18<br />
16<br />
AIM 11<br />
10<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
2003<br />
2004<br />
0 5 10 15 20 25 30<br />
Anteil <strong>der</strong> Nennungen in %<br />
(Mehrfachnennungen möglich; 2004 n = 49)<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
98 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Rolf Mathies, Managing Partner<br />
Earlybird Venture Capital, Hamburg<br />
Internationalisierung für nachhaltigen Erfolg<br />
Deutschland hat es geschafft, in den letzten Jahren eine kritische Masse an<br />
Biotechnologiefirmen aufzubauen. Auch wenn die Finanzierung im Durchschnitt weit<br />
unter <strong>der</strong> Kapitalausstattung US-amerikanischer Firmen liegt und <strong>der</strong> Reifegrad <strong>der</strong><br />
Unternehmen gemessen an Umsatz o<strong>der</strong> auch gemessen an <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Produkte in<br />
späteren klinischen Phasen gering ist, gibt es eine hohe Qualität und Quantität<br />
insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> präklinischen Entwicklung. Darüber hinaus ist Deutschland aller<br />
Unkenrufe zum Trotz nach wie vor in <strong>der</strong> Spitzenliga bei den Forschungsausgaben in<br />
Relation zum Bruttosozialprodukt o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong><br />
wissenschaftlichen Veröffentlichungen und <strong>der</strong> Patentanmeldungen in<br />
Relation zur Einwohnerzahl.<br />
Trotz <strong>der</strong> Erfolge <strong>der</strong> letzten Jahre ist es 2004 wie<strong>der</strong> zu erheblichen<br />
Rückschlägen gekommen. Eine Reihe Erfolg versprechen<strong>der</strong> Biotechnologie-Firmen<br />
musste mangels Folgefinanzierung aufgeben o<strong>der</strong><br />
ihre erzielten Ergebnisse wurden weit unter Wert von an<strong>der</strong>en Firmen<br />
übernommen. Firmen im IT-Technologiesektor dagegen haben häufig mit<br />
dem Weg zur Profitabilität den Pfad aus <strong>der</strong> Krise gefunden und können<br />
nun – mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> entspannt – gemeinsam mit ihren Investoren auf<br />
das Aufgehen eines Börsenfensters warten. Dieser Weg bleibt den<br />
meisten Biotechnologiefirmen aufgrund <strong>der</strong> langen Entwicklungszeiten<br />
und des hohen Aufwandes für klinische Prüfungen verschlossen.<br />
Welche Optionen verbleiben Biotechnologie-Unternehmen angesichts <strong>der</strong><br />
vorherrschenden Situation? Eine Möglichkeit ist die frühzeitige internationale<br />
Ausrichtung. Schon zur ersten institutionellen Finanzierungsrunde muss die Firma<br />
richtig aufgestellt werden. Dazu gehört in erster Linie ein international erfahrener,<br />
kommerziell ausgerichteter CEO o<strong>der</strong> zumindest die Bereitschaft <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> einen Top-<br />
CEO an Bord zu lassen, ein starker, gut kommunizierbarer Wettbewerbsvorteil und eine<br />
Anpassung des Geschäftsmodells, das einen raschen Übergang von <strong>der</strong> Forschung zur<br />
Entwicklung erlaubt. Darüber hinaus müssen die europäischen Investoren von Anfang an<br />
angesehene US-Investoren mit in ihr Konsortium aufnehmen o<strong>der</strong> zumindest in ihrem<br />
eigenen Beziehungsnetz haben, um später eine ausreichende Vernetzung und<br />
Glaubwürdigkeit in den USA für die Rekrutierung von Top-Mitarbeitern, den CEO o<strong>der</strong><br />
weitere Finanzierungsrunden darstellen zu können.<br />
Ein Beispiel für diese Strategie ist das Unternehmen Alantos aus Heidelberg. Aufbauend<br />
auf einer Technologie des Nobelpreisträgers für Chemie Jean-Marie Lehn stellte das<br />
Team um den sehr erfahrenen CSO und „acting CEO“ (<strong>der</strong> die internationale Big-Pharma-<br />
Forschungserfahrung mitbrachte), unterstützt durch einen Ex-Mitarbeiter des deutschen<br />
Co-Lead-Investors Earlybird (inzwischen VP-Finance bei Alantos), eine 24 Mio. Euro große<br />
Finanzierungsrunde in 2003 auf die Beine. Direkt nach dieser Finanzierungsrunde wurde<br />
mit Hilfe des amerikanischen Lead-Investors Oxford Bioscience Partners ein Top-CEO (ex-<br />
Millennium) gefunden. Zeitgleich wurde das Business Modell auf Basis <strong>der</strong> gewonnenen<br />
Erkenntnisse und IP (intellectual property) auf Drug Development ausgerichtet und<br />
mehrere Top-Leute wurden für die Tochtergesellschaft in Cambridge (USA) rekrutiert.<br />
Ergebnis ist, dass nun die ehemalige Tochter in den USA zur Mutter wird (ein so genannter<br />
„Flip“) und weiter die wettbewerbsfähige und<br />
exzellente Entwicklungsmannschaft von über 20<br />
Mitarbeitern in Heidelberg nutzt. Dieser Flip<br />
ermöglicht Alantos, die starke europäische Forschungsarbeit<br />
zu nutzen, gleichzeitig jedoch die US-<br />
Refinanzierungsmöglichkeiten und schlussendlich<br />
IPO- und Exit-Märkte zu erreichen sowie Top-Talente<br />
und Medikamentenentwicklungs-Know-how im wichtigsten<br />
Markt zu adressieren.<br />
Problematisch ist, dass dieser Weg fast immer zu<br />
spät und erst auf Drängen <strong>der</strong> Investoren erfolgt.<br />
Steht eine Firma mit einem Management ohne<br />
internationale Erfahrung und nur mit Überbrückungsdarlehen von zittrigen<br />
Investorenhänden gefüttert kurz vor <strong>der</strong> Wand, wird man we<strong>der</strong> gutes Management noch<br />
internationale Investoren begeistern können. Lei<strong>der</strong> fehlt es in Deutschland nach wie vor<br />
sowohl an Management-Kapazität als auch an Life Science erfahrenen Investoren. Wie<br />
im vergangenen Jahr beobachtet, bleibt daher in dem meisten Fällen nur <strong>der</strong> Ausverkauf<br />
an Big-Pharma o<strong>der</strong> besser finanzierte Mitbewerber.<br />
Sicherlich ist Internationalisierung kein Allheilmittel und macht nicht für jedes<br />
Unternehmen Sinn, zumal die notwendigen Voraussetzungen nicht überall gegeben sind.<br />
Dennoch ist dies auch ein Weg, die schwierigen Zeiten in Europa zu überbrücken, bis die<br />
Branche so weit gereift ist, dass die VC-Märkte und IPO-Märkte erwachsen genug sind,<br />
um auch wie<strong>der</strong> Risiko einzugehen. Der Unterschied zu den USA ist, dass in Deutschland<br />
nach erst einem Börsenzyklus immer noch eine Strategie <strong>der</strong> Risikovermeidung die<br />
Börse beherrscht, wohingegen die 20 Jahre ältere Branche in den USA gelernt hat,<br />
kontrolliert Risiken einzugehen. Es ist jedoch absehbar, dass sowohl Mitarbeiter <strong>der</strong><br />
ersten Generation erfolgreicher Biotechfirmen von Morphosys bis GPC, als auch<br />
zunehmend die „Expatriates“, also die Wissenschaftler und Manage,r die lange im<br />
Ausland gelebt haben, die vergleichsweise hohe Lebensqualität in Europa nutzen<br />
werden, um erfolgreiche Neugründungen zu ermöglichen o<strong>der</strong> als erfahrene Manager zur<br />
Verfügung zu stehen.<br />
www.earlybird.com<br />
99
F INANZIERUNG UND K APITALMARKT<br />
Mit <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong> Mehrfachnennung gaben 43 bzw. 31<br />
Prozent <strong>der</strong> befragten Investment-Gesellschaften an, auch auf<br />
Investitionen in Unternehmen aus dem europäischen bzw. nichteuropäischen<br />
Ausland zu zielen.<br />
Bei <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Investitionen liegt die deutliche Mehrheit bei<br />
offenen Beteiligungen (77 %), wovon jedoch fast die Hälfte nur<br />
Min<strong>der</strong>heitsbeteiligungen hält. Immerhin setzt fast ein Drittel<br />
des Investorensamples ausschließlich auf offene Beteiligungen.<br />
Dagegen gibt gut ein Drittel <strong>der</strong> befragten Gesellschaften auch<br />
stille Beteiligungen als Investitionsart an.<br />
Die Kapitalbindungsdauer liegt bei durchschnittlich knapp fünf<br />
Jahren, die maximale Grenze bei sieben bis zehn Jahren.<br />
61 Prozent <strong>der</strong> Investoren schlossen im letzten Jahr auch Erstfinanzierungen<br />
ab; 77 Prozent meldeten Folgefinanzierungen.<br />
Immerhin fünf Investoren tätigten in 2004 nur Erstinvestments,<br />
das sind zwei mehr als im vergangenen Jahr. Dagegen lag die<br />
Zahl <strong>der</strong> Investoren, die nur Folgeinvestments tätigten, bei zehn<br />
und damit leicht höher als in 2003. Der Trend zur weiteren<br />
Durchfinanzierung von Portfolio-Unternehmen scheint damit<br />
anzuhalten, da Exits nach wie vor schwierig zu realisieren sind.<br />
15 Investment-Gesellschaften verfolgten im vergangenen Jahr<br />
eine zweigleisige Strategie von Erst- und Folgeinvestments.<br />
Abbildung 4-3 gibt einen Überblick über die größten Hemmnisse<br />
für Neuinvestitionen und somit wichtige Entscheidungskriterien<br />
von Investoren im Jahresvergleich.<br />
Danach wird weiterhin die fehlende Qualität des Managements<br />
als das größte Investitionshin<strong>der</strong>nis angesehen, dessen Bedeutung<br />
sogar noch zugenommen hat. Es folgt eine fehlende<br />
Alleinstellung bzw. Innovation <strong>der</strong> Technologie sowie (neu)<br />
fehlendes Kapital, zukünftiger Kapitalbedarf, fehlen<strong>der</strong><br />
Patentschutz und zu hoher Kapitalverbrauch. Ein inkonsistentes<br />
Geschäftskonzept wie auch die Kapitalmarktlage, eine fehlende<br />
Produkt-Pipeline, schlechte Marktpositionierung sowie die<br />
Unternehmensbewertung haben dem aktuellen Sample zufolge<br />
in ihrem Rang als Investitionshemmnis zwar abgenommen, sind<br />
jedoch nach wie vor von mittlerer Bedeutung.<br />
Weitere Barrieren, <strong>der</strong>en Bedeutung im aktuellen Investorensample<br />
sogar noch zugenommen hat, sind fehlende klinische<br />
Studienergebnisse, ein fehlen<strong>der</strong> Lead-Investor sowie die<br />
zukünftige Verwässerung. Wenn <strong>der</strong> Break even noch zu weit<br />
entfernt liegt o<strong>der</strong> zu wenig Business-Development-Aktivitäten<br />
erfolgen, wird das von den Investoren ebenfalls negativ<br />
eingeschätzt – ebenso wie die bestehende Gesellschafter- bzw.<br />
Kapitalstruktur, die Gesetzgebung o<strong>der</strong> fehlen<strong>der</strong> Umsatz.<br />
Abbildung 4-3:<br />
Ranking von Investitionshemmnissen im Jahresvergleich<br />
fehlende Qualität des Managements<br />
fehlende Alleinstellung/Innovation <strong>der</strong> Technologie<br />
inkonsistentes Geschäftskonzept<br />
zu hoher Kapitalverbrauch<br />
Kapitalmarktlage<br />
fehlende Produkt-Pipeline<br />
zukünftiger Kapitalbedarf<br />
fehlende Markpositionierung<br />
Unternehmensbewertung<br />
fehlen<strong>der</strong> Patentschutz<br />
fehlendes Kapital<br />
Break-Even zu weit entfernt<br />
fehlende Business-Development-Aktivitäten<br />
fehlende klinische Studienergebnisse<br />
zukünftige Verwässerung<br />
bestehende Kapital-/Gesellschafterstruktur<br />
Gesetzgebung<br />
fehlen<strong>der</strong> Lead-Investor<br />
fehlen<strong>der</strong> Umsatz<br />
2,11<br />
2,14<br />
2,12<br />
2,03<br />
1,98 2,06<br />
1,82 1,9<br />
1,80<br />
1,79<br />
1,77<br />
1,62<br />
1,69<br />
1,97<br />
1,65<br />
1,62<br />
2,45<br />
2,22<br />
2,40<br />
2,34<br />
2,40<br />
2,2<br />
2,35<br />
2,35<br />
2,34<br />
2,33<br />
2,33<br />
2,74<br />
2,47<br />
2,48 2,59<br />
2,62<br />
2,61<br />
2,69<br />
2,88<br />
3,16<br />
3,61<br />
3,87<br />
2003<br />
2004<br />
1,00 2,00<br />
unbedeutend = 1<br />
3,00<br />
4,00<br />
bedeutend = 6<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
100 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Hendrik Liebers,<br />
Head of Life Science IBG GmbH, Magdeburg<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen für ein aktives Life-Science-<br />
Portfoliomanagement<br />
In <strong>der</strong> Hochzeit <strong>der</strong> Kapitalmärkte für technologiegetriebene Life-Science-Unternehmen<br />
wurden oft Geschäftsideen finanziert, die auf einer Technologie mit einem (vermeintlichen<br />
o<strong>der</strong> tatsächlichen) USP basierten. Zu wenig Berücksichtigung fand oftmals, dass<br />
es sich bei Pharmaentwicklung um einen industriellen Prozess handelt, <strong>der</strong> nicht primär<br />
von <strong>der</strong> innovativen Höhe <strong>der</strong> einzelnen Technologiebausteine lebt, son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong>en<br />
Integration. Die Kommerzialisierung an sich innovativer Insellösungen, <strong>der</strong>en Validierung<br />
in eben dieser Integration noch nicht erfolgt ist, erwies sich daher als zunehmend<br />
kompliziert. Hinzu kam, dass sich wichtige Technologietransaktionen<br />
<strong>der</strong> Pharmaindustrie als (bislang) nicht rentable Investitionen darstellen<br />
mit <strong>der</strong> Folge einer zurückhaltenden Haltung bzgl. des Eingehens<br />
weiterer Transaktionen. Erschwerend wirkte sich speziell in<br />
Deutschland zudem die Tatsache aus, dass einerseits die pharmanahe<br />
Biotech-Industrie als quasi „Zulieferer“ von <strong>der</strong> Pharmaindustrie<br />
„gezogen“ werden muss, uns an<strong>der</strong>erseits aber gerade diese in den<br />
letzten Jahren abhanden gekommen ist. (Bedauerlicherweise ist <strong>der</strong><br />
deutsche Industriestandort auf gutem Wege, dieses Muster in <strong>der</strong><br />
Agrobioindustrie zu wie<strong>der</strong>holen.)<br />
Als Resultat dieser Tendenzen konnten viele deutsche Biotech-<br />
Unternehmen nicht die „klassische“ Entwicklung – Technologieentwicklung,<br />
Amortisation <strong>der</strong> Plattform über Partnering, durch Partnering Aufbau von<br />
internen, industriekompatiblen Entwicklungsstrukturen, Nutzung <strong>der</strong> so gewonnenen<br />
Finanzmittel und Expertisen für eigene Produktentwicklungen – durchlaufen. An<strong>der</strong>erseits<br />
gelang einer immer größeren Zahl von angloamerikanischen Unternehmen diese<br />
Metamorphose zu Produktunternehmen. Diese setzen somit die Benchmark für<br />
international agierende Investoren.<br />
Zum Aufbau strategischer Optionen erscheint es unumgänglich, die Unternehmen mit<br />
(idealerweise klinischen) Entwicklungsprogrammen auszustatten, die nur selten aus<br />
interner Forschung resultieren (können). Als ein Ansatzpunkt bietet sich <strong>der</strong> Einkauf<br />
aus <strong>der</strong> Pharmaindustrie an. Hier gibt es ein Angebot, da diese immer wie<strong>der</strong> Programme<br />
zur Disposition stellt, die z. B. aufgrund <strong>der</strong> Zielindikation die internen Renditevorgaben<br />
nicht erfüllen. Kleinere und Nischenindikationen sind aber die eigentlichen Märkte für<br />
Biotech-Unternehmen – zumindest dann, wenn perspektivisch an ein eigenes Franchise<br />
gedacht ist.<br />
Der Zusammenschluss mit an<strong>der</strong>en Unternehmen ist ein weiterer Ansatz. Er ist im Kern<br />
aus vier Gründen angezeigt. Zum ersten ist es finanziell und managementtechnisch nicht<br />
darstellbar, in jedem Unternehmen fundierte Pharmaentwicklungsstrukturen und<br />
-expertise aufzubauen. Zweitens ist ein wesentliches Element von Pharmaentwicklung<br />
das Managen und Priorisieren eines Entwicklungsportfolios, welches gegenüber den<br />
unvermeidbaren Ausfällen hinreichend robust ist. Der Aufbau eines solchen Portfolios<br />
stellt ein wichtiges Rational von Fusionen dar. Drittens sind die Kapitalmärkte<br />
anzuführen. Abgesehen davon, dass diese klar Fusionen als Voraussetzung für ein<br />
weiteres Engagement for<strong>der</strong>n, stellt sich die praktische Frage, wie viele wettbewerbsfähige<br />
Pharmaentwickler <strong>der</strong> deutsche Kapitalmarkt (<strong>der</strong>zeit) eigentlich tragen<br />
kann. Die Anzahl dürfte eher im ein- denn im zweistelligen Bereich liegen. Viertens<br />
verbessern portfolio- und managementtechnisch breit aufgestellte Unternehmen ihre<br />
Akquisitionskraft hinsichtlich <strong>der</strong> Aufnahme weiterer<br />
Entwicklungsprogramme bzw. Firmen. Denn neben dem<br />
initial zu zahlenden Preis ist für die abgabewillige Seite<br />
die Entwicklungskapazität und Stabilität des Erwerbers<br />
von hoher Bedeutung, da diese ihnen die zügige Fortentwicklung<br />
und damit die entsprechende Wertgenerierung<br />
sichern.<br />
Für sich auf Pharmaentwicklung umorientierende Unternehmen<br />
stellt sich die Frage, wie denn <strong>der</strong> Technologieteil<br />
so verwertet werden kann, dass zumindest ein Teil<br />
<strong>der</strong> investierten Mittel wie<strong>der</strong> freigesetzt wird. Als<br />
Lösungsansatz bietet sich in einem ersten Schritt die<br />
Abspaltung <strong>der</strong> Technologieplattform in eine eigene Gesellschaft an. Nicht zu unterschätzen<br />
ist, dass dies eine effektive und transparente betriebswirtschaftliche<br />
Optimierung ermöglicht. Auch unterscheidet sich die hierzu erfor<strong>der</strong>liche Managementexpertise<br />
teilweise von <strong>der</strong> eines Pharmaentwicklers. In einem zweiten Schritt kann dann<br />
an eine Verwertung dieses Bereiches gegangen werden. Zu beobachten ist in den letzten<br />
Jahren, dass im Bereich <strong>der</strong> pharmanahen Serviceindustrie ebenfalls ein Konzentrationsund<br />
Integrationsprozess abgelaufen ist und noch anhält – immer weniger Firmen bieten<br />
<strong>der</strong> Pharmaindustrie eine immer umfassen<strong>der</strong>e Produktpalette an. Hier dürften in <strong>der</strong><br />
Mehrzahl <strong>der</strong> Fälle auch die potentiellen Partner für einen Trade Sale zu suchen sein.<br />
Die IBG als mittelgroße VC-Gesellschaft mit einem Schwerpunkt im Life-Science-Bereich<br />
verfolgt in ihrem Portfolio Strategien, die den genannten Herausfor<strong>der</strong>ungen aktiv<br />
begegnen. Die Fusion des Portfoliounternehmens IBFB GmbH mit <strong>der</strong> Curacyte AG war<br />
ein erster, wichtiger Schritt in dieser Richtung, <strong>der</strong>, wie wir glauben, <strong>der</strong> Konsolidierung<br />
im deutschen Biotech-Markt ein weiteres Momentum verleiht. Wir sind zuversichtlich,<br />
dass weitere Transaktionen in 2005 folgen.<br />
www.ibg-vc.de<br />
101
F INANZIERUNG UND K APITALMARKT<br />
Tabelle 4-1:<br />
Investorensample<br />
Investorenname<br />
www<br />
Investorenname<br />
www<br />
3i Deutschland<br />
www.3i.com<br />
Leonardo Venture Capital<br />
www.leonardoventure.de<br />
Aurelia Private Equity<br />
www.aurelia-pe.de<br />
Life Sciences Partners Services Deutschland www.lspvc.com<br />
Bayerische HypoVereinsbank<br />
Bayern Kapital<br />
www.hvb.de<br />
www.bayernkapital.de<br />
MBG Mittelständische Beteiligungsgesellschaft<br />
Baden-Württemberg<br />
www.mbg.de<br />
BayTech Venture Capital<br />
www.btvc.de<br />
MBG H Mittelständische Beteiligungsgesellschaft<br />
Hessen<br />
www.mbg-hessen.de<br />
Berlin Capital Fund<br />
www.berlin-capitalfund.de<br />
BioM<br />
www.bio-m.de<br />
Mittelständische Beteiligungsgesellschaft<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
www.mbmv.de<br />
bmp<br />
www.bmp.com<br />
Mittelständische Beteiligungsgesellschaft<br />
bm-t beteiligungsmanagement thüringen www.bm-t.com<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen<br />
www.mbg-hannover.de<br />
Breslin Biotech<br />
www.breslin.ch<br />
Mittelständische Beteiligungsgesellschaft<br />
BW VENTURE CAPITAL<br />
www.bw-venture.de<br />
Sachsen<br />
www.mbg-sachsen.de<br />
DVC Deutsche Venture Capital<br />
www.dvcg.de<br />
Mulligan BioCapital<br />
www.mulliganbio.com<br />
Earlybird Venture Capital<br />
www.earlybird.com<br />
NexTech Venture<br />
www.nextechventure.com<br />
EMBL Ventures<br />
www.embl-ventures.com PEPPERMINT. Financial Partners<br />
www.peppermint-vc.de<br />
First Ventury Equity<br />
www.firstventury.com<br />
PolyTechnos Venture-Partners<br />
www.polytechnos.com<br />
Global Life Science Ventures<br />
www.glsv-vc.com<br />
Sachsen LB Corporate Finance Holding www.cfh.de<br />
Grazia Equity<br />
www.grazia-equity.de<br />
SHS Gesellschaft für Beteiligungsmanagement www.shsvc.net<br />
Heidelberg Innovation<br />
www.hd-innovation.de<br />
Techno Venture Management<br />
www.tvmvc.com<br />
IBB Beteiligungsgesellschaft<br />
www.ibb-bet.de<br />
VI Partners<br />
www.vipartners.ch<br />
IBG Beteiligungsgesellschaft<br />
Wellington Partners Venture Capital<br />
www.wellington.de<br />
Sachsen-Anhalt www.ibg-vc.de Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Neben diesen Investitionshemmnissen gibt es weitere Punkte,<br />
die bei <strong>der</strong> Selektion von Investments von den Investoren als<br />
wichtig erachtet werden.<br />
So sollte zum Beispiel <strong>der</strong> Investorenkreis in <strong>der</strong> Lage sein, das<br />
Unternehmen bei planmäßiger Entwicklung bis zum Break even<br />
zu finanzieren, das heißt, es sollte ein starkes Syndikat<br />
vorhanden sein. Einige <strong>der</strong> Gesellschaften gaben auch explizit<br />
an, den Fokus auf nachhaltige, produktgetriebene sowie international<br />
ausgerichtete Unternehmen zu legen. Zudem wird eine<br />
sehr stringente und fokussierte Unternehmensentwicklung als<br />
essentiell erachtet wie auch ein funktionsfähiges Controlling.<br />
Als interessant werden ferner Unternehmen eingeschätzt, die in<br />
Nischenindikationen mit einem „unmet medical need“ aktiv<br />
sind und über Orphan-Drug-Zulassung Chancen auf eine relativ<br />
schnelle Zulassung haben.<br />
Zur frühzeitigen Planung von Exitoptionen sollten bereits beim<br />
Erst-Investment entsprechende Zielpartner identifiziert werden.<br />
Bereits vorliegende wirtschaftliche Kooperationen mit einem<br />
Pharma- o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Biotech-Unternehmen sind ebenfalls von<br />
Vorteil.<br />
Insgesamt werden zudem folgende Trends gesehen:<br />
• Das Funding Gap im Early-Stage-Bereich wird anhalten und<br />
sich vergrößern. Es bleibt abzuwarten, welche Folgen das<br />
mittelfristig für den Standort und die Finanzierungslandschaft<br />
hat.<br />
• Falls keine neuen Fonds aufgelegt werden, gibt es keine neuen<br />
Investments und Deutschland droht <strong>der</strong> Rückfall in ein<br />
Szenario wie Anfang <strong>der</strong> 1990er.<br />
• Zunahme <strong>der</strong> Bedeutung von Business Development und<br />
Projektfinanzierung als alternatives Finanzierungsinstrument.<br />
• Weiterhin Tendenz zu großen Runden.<br />
• Schnellerer und stärkerer Ausbau <strong>der</strong> Service-Bereiche in<br />
Portfoliofirmen zwecks schnellerer Umsatzgenerierung.<br />
• Suche nach Low Risk o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Bereichen (Medizintechnik,<br />
Diagnostik, Specialty Pharma).<br />
• Einige ganz frühe Geschäftsideen werden ggf. länger im<br />
universitären Umfeld arbeiten müssen.<br />
• Die Positionierung von stillen Geldgebern sowie <strong>der</strong>en Rolle<br />
in Finanzierungsrunden bleibt eine große Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />
102 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
4.2 Die Finanzierung <strong>der</strong> Biotech-Firmen<br />
Wie die Umfrage unter den Core-Biotech-Unternehmen ergab,<br />
sind nicht alle auf externe Eigenkapital-Finanzierung angewiesen.<br />
Gut ein Drittel <strong>der</strong> Unternehmen finanzieren sich<br />
bereits komplett durch eigene Umsätze (siehe Abbildung 4-4).<br />
Angesichts <strong>der</strong> weiterhin angespannten externen Finanzierungssituation<br />
in <strong>der</strong> Branche ist dies ein erfreulicher Anteil.<br />
Die Frage stellt sich, wie die restlichen Firmen finanziert sind,<br />
wenn lediglich – wie bereits dargestellt – insgesamt ein weiteres<br />
knappes Drittel <strong>der</strong> Firmen auf Basis von Risikokapital agiert.<br />
Neben <strong>der</strong> Marktpräsenz und <strong>der</strong> reinen VC-Finanzierung<br />
nutzen die Biotech-Unternehmen ebenfalls Privatvermögen,<br />
strategische Investoren sowie För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong> als Finanzierungsquelle.<br />
Auch hier kann dann von verschiedenen Finanzierungsphasen<br />
bzw. -runden gesprochen werden.<br />
Der geringste Anteil an Firmen ist börsennotiert (6 %), jeweils<br />
um die zehn Prozent entfällt auf Unternehmen in <strong>der</strong><br />
Gründungs- und in späteren Finanzierungsphasen. Mit je etwa<br />
20 Prozent sind diejenigen Firmen vertreten, die bereits eine<br />
erste o<strong>der</strong> zweite Finanzierungsrunde durchlaufen haben.<br />
In <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> VC-finanzierten Biotech-Unternehmen<br />
entfällt <strong>der</strong> größte Anteil auf Firmen nach einer zweiten<br />
Finanzierungsrunde. Der Anteil an Unternehmen, die bereits<br />
eine Erstrunde o<strong>der</strong> sogar eine spätere Finanzierungsrunde (ab<br />
<strong>der</strong> dritten Runde) abgeschlossen haben, liegt bei jeweils rund<br />
einem Drittel. Mit Risikokapital finanzierte, noch vor einer<br />
ersten Finanzierungsrunde befindliche Unternehmen kommen<br />
auf zwei Prozent, das heißt zwei antwortenden Firmen waren in<br />
<strong>der</strong> Lage, eine Seed-Finanzierung zu realisieren.<br />
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich <strong>der</strong> Anteil an Unternehmen<br />
nach einer dritten Finanzierungsrunde durch einige Later-Stage-<br />
Finanzierungen erhöht (von 24 auf 27 %). Entsprechend ist die<br />
Zahl an Firmen, die sich nach <strong>der</strong> zweiten Runde befinden,<br />
zurückgegangen, zumal diese Anzahl nicht durch neue<br />
Zweitfinanzierungsrunden ausgeglichen werden konnte. Mit<br />
Blick auf die Risikokapitalfinanzierung erfolgten im Jahresvergleich<br />
2003 und 2004 in <strong>der</strong> Tat sehr viel weniger dieser<br />
Runden.<br />
Es bleibt zu hoffen, dass sich <strong>der</strong> Anteil an Biotech-Firmen, die<br />
sich über den Markt finanzieren können, in Zukunft zunehmen<br />
wird. Die folgenden Zahlen geben dabei Anlass zur Hoffnung.<br />
Abbildung 4-4:<br />
Finanzierungsphase <strong>der</strong> Sample-Unternehmen<br />
alle Firmen<br />
nicht<br />
zutreffend/Markt<br />
32 %<br />
Gründung/vor<br />
VC-Finanzierung<br />
10 %<br />
nach 1.<br />
Finanzierungsrunde<br />
21 %<br />
VC-finanzierte Firmen<br />
spätere<br />
Finanzierungsrunde<br />
27 %<br />
Gründung<br />
2 %<br />
nach 1.<br />
Finanzierungsrunde<br />
30 %<br />
börsennotiert<br />
6 %<br />
spätere<br />
Finanzierungsrunde<br />
11 %<br />
nach 2.<br />
Finanzierungsrunde<br />
20 %<br />
nach 2.<br />
Finanzierungsrunde<br />
41 %<br />
n=195 n = 66<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
103
F INANZIERUNG UND K APITALMARKT<br />
Noch in 2005 könnten 20 Biotech-Unternehmen den Break<br />
even erreichen. Es handelt sich hierbei vornehmlich um Firmen,<br />
die in den Geschäftsfel<strong>der</strong>n Diagnostik, Tissue Engineering<br />
o<strong>der</strong> Tools tätig sind bzw. Service anbieten. Rund 30 Firmen<br />
erwarten das Erreichen <strong>der</strong> Gewinnzone für 2006. Neben<br />
einigen börsennotierten Biotech-Unternehmen sind darunter<br />
sogar ein paar private Medikamentenentwickler zu finden, die<br />
über den frühen Verkauf o<strong>der</strong> Auslizenzierung ihrer Produkte<br />
Umsatz generieren. Zudem spielen hier wie<strong>der</strong>um Diagnostikund<br />
Tool-Entwickler eine Rolle. Für 2007 planen einige weitere<br />
Medikamentenentwickler profitabel zu sein. Zusammen mit<br />
an<strong>der</strong>en Unternehmen beläuft sich die Anzahl auf gut ein<br />
Dutzend.<br />
Damit glaubt insgesamt gut ein Drittel <strong>der</strong> antwortenden<br />
Biotech-Firmen, dass sie innerhalb <strong>der</strong> nächsten drei Jahre die<br />
Gewinnzone erreichen können. Fast 40 Prozent (26 Firmen)<br />
davon entfallen auf VC-finanzierte Firmen, wobei <strong>der</strong> Anteil an<br />
Medikamentenentwicklern hier immerhin nochmals fast die<br />
Hälfte ausmacht. Diese Erwartungen lassen nahezu optimistisch<br />
stimmen und wären auf jeden Fall ein Signal für die weitere<br />
Erstarkung <strong>der</strong> deutschen Biotech-Branche.<br />
Darüber hinaus glauben 27 <strong>der</strong> Biotech-Firmen mit Angaben<br />
zur Erreichung <strong>der</strong> Gewinnzone, diese im Zeitraum <strong>der</strong><br />
nächsten drei bis fünf Jahre realisieren zu können. Der Anteil an<br />
VC-finanzierten Unternehmen liegt hier bei 63 Prozent (17<br />
Firmen). Medikamentenentwickler kommen davon bereits auf<br />
einen Anteil von 82 Prozent. Somit erwartet <strong>der</strong> größte Teil <strong>der</strong><br />
risikokapitalfinanzierten Medikamentenentwickler erst nach<br />
dem Jahr 2007 die Profitabilität. Dies deckt sich im Grunde mit<br />
dem Status <strong>der</strong> Wirkstoff-Pipeline <strong>der</strong> deutschen Biotech-<br />
Industrie.<br />
Das Erreichen <strong>der</strong> Gewinnzone würde für die investierenden<br />
VC-Gesellschaften jedoch nicht zwangsläufig einen Exit<br />
bedeuten. Allerdings erhöhen sich dementsprechend die<br />
Chancen eines Trade Sales o<strong>der</strong> eines Börsenganges <strong>der</strong><br />
Portfolio-Firmen.<br />
Derartige Exits haben im vergangenen Jahr jedoch noch nicht<br />
ausreichen<strong>der</strong> Anzahl stattgefunden.<br />
Da viele <strong>der</strong> Biotech-Firmen noch nicht profitabel arbeiten, das<br />
heißt die Weiterentwicklung des Unternehmens nicht aus<br />
eigenen Mitteln bestreiten können, sind sie nach wie vor auf<br />
externe Finanzierung bzw. Investoren angewiesen, die das<br />
nötige Eigenkapital zur Verfügung stellen.<br />
Im Jahr 2004 konnte in <strong>der</strong> deutschen Biotech-Branche eine<br />
sehr deutliche Verbesserung <strong>der</strong> Eigenkapitalfinanzierung<br />
erzielt werden. Insgesamt wurden 548 Mio. € an Eigenkapital<br />
über Risikokapitalfinanzierungen, Kapitalerhöhungen bereits<br />
börsennotierter Unternehmen (Follow-on & other offerings)<br />
sowie einen Börsengang aufgenommen. Im Vergleich zum<br />
Vorjahr entspricht dies einer Steigerung um 150 Prozent, da<br />
2003 lediglich eine Summe von 219 Mio. € realisiert werden<br />
konnte. Mit dem Gesamt-Volumen des Jahres 2004 liegt die<br />
deutsche Biotech-Branche gleichauf mit ihrem zweitbesten<br />
Finanzierungsjahr 2001, erreicht allerdings bei weitem nicht die<br />
Spitzensumme von 1,4 Mrd. € aus dem Jahr 2000. Dieses war<br />
das Jahr <strong>der</strong> Börsengänge in <strong>der</strong> deutschen Biotech-Industrie,<br />
wie aus Abbildung 4-5 ersichtlich ist.<br />
Die klare Verbesserung <strong>der</strong> Finanzierungssituation basiert im<br />
Wesentlichen auf den Kapitalerhöhungen einiger börsennotierter<br />
Biotech-Unternehmen sowie auf dem einzigen Biotech-Börsengang<br />
des Jahres 2004, <strong>der</strong> Berliner Epigenomics. Das Volumen<br />
<strong>der</strong> VC-Finanzierungen stieg zwar geringfügig an, macht jedoch<br />
nur einen Anteil von 43 Prozent an <strong>der</strong> Gesamtfinanzierung aus.<br />
Abbildung 4-5:<br />
Aufgenommenes Eigenkapital im Jahresvergleich<br />
Mio. €<br />
1400<br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
153<br />
655<br />
565<br />
23<br />
525<br />
1 3<br />
207 216<br />
Follow on &<br />
other offerings<br />
IPO<br />
VC<br />
270<br />
236<br />
2000 2001 2002 2003 2004<br />
Bei allen Angaben sind nur deutsche Core-Biotech-Unternehmen berücksichtigt.<br />
42<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
104 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
VC-Finanzierung<br />
Mit einer Summe von 236 Mio. € erhöhte sich das in deutsche<br />
Core-Biotech-Firmen investierte Risikokapital im Jahresvergleich<br />
um neun Prozent. Mit dieser Entwicklung lässt sich<br />
sicher keine Erholung, zumindest jedoch eine gewisse Stabilisierung<br />
nach dem drastischen Einbruch in 2002 erkennen.<br />
Abbildung 4-6:<br />
VC-Finanzierung <strong>der</strong> Core-Biotech-Unternehmen<br />
seit 1996<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
21<br />
1996<br />
61<br />
1997<br />
145<br />
1998<br />
175<br />
1999<br />
Ohne die Boomjahre wäre – wie aus Abbildung 4-6 ersichtlich<br />
– die Entwicklung bei <strong>der</strong> Risikokapitalfinanzierung <strong>der</strong> Biotech-Firmen<br />
recht konstant gewesen. Immerhin konnte – unter<br />
Ausblendung <strong>der</strong> Spitzenjahre 2000 und 2001 – seit 1999 eine<br />
durchschnittliche jährliche Steigerung von etwa fünf Prozent<br />
(insgesamt 30 %) realisiert werden.<br />
Durch den insgesamt stark gestiegenen Anteil an Eigenkapital-<br />
Aufnahmen <strong>der</strong> börsennotierten Firmen hatte die Risikokapitalfinanzierung<br />
im Jahr 2004 eine relativ geringere<br />
Bedeutung gegenüber <strong>der</strong> Situation im Vorjahr. 2003 waren VC-<br />
Finanzierungen noch die einzige Quelle für Eigenkapital<br />
gewesen.<br />
Die relativ hohe Gesamtsumme <strong>der</strong> Eigenkapitalfinanzierungen<br />
in 2004 sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwar<br />
einerseits eine leichte Verbesserung <strong>der</strong> Situation bei <strong>der</strong><br />
Risikokapitalfinanzierung eingetreten ist, an<strong>der</strong>erseits das<br />
erzielte Volumen sich im Vergleich zu europäischen und<br />
insbeson<strong>der</strong>e US-amerikanischen Verhältnissen auf relativ<br />
niedrigem Niveau bewegt.<br />
565<br />
2000<br />
525<br />
2001<br />
207<br />
2002<br />
216<br />
2003<br />
236<br />
2004<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
So liegt die Summe <strong>der</strong> VC-Finanzierungen in <strong>der</strong> UK-Biotech-<br />
Industrie im Jahr 2004 mit gut 300 Mio. € deutlich höher als in<br />
<strong>der</strong> hiesigen Branche. Die Zahl <strong>der</strong> dortigen Runden übersteigt<br />
die Zahl in Deutschland um das Doppelte. In <strong>der</strong> Schweiz<br />
wurden 125 Mio. € in 11 Runden aufgebracht und in Frankreich<br />
konnte die Biotech-Industrie insgesamt 200 Mio. € VC in 25<br />
Runden einnehmen.<br />
Jedoch sind nicht allein die absoluten Zahlen von Bedeutung,<br />
son<strong>der</strong>n auch die durchschnittliche Höhe <strong>der</strong> Finanzierungsrunden.<br />
Aus dieser Perspektive betrachtet, konnte – wie Abbildung<br />
4-6a zeigt – im Jahr 2004 wie<strong>der</strong> eine deutliche<br />
Steigerung erzielt werden. Die deutsche Biotech-Branche ist<br />
damit führend vor <strong>der</strong> britischen: Gut 7 Mio. € im Schnitt in<br />
Deutschland versus gut 5 Mio. € in UK. Dagegen fallen beide<br />
Industrien deutlich im Vergleich zur durchschnittlichen<br />
Finanzierung <strong>der</strong> Schweizer Biotech-Unternehmen (11,4 Mio. €)<br />
ab. Die französischen Biotech-Unternehmen kommen immerhin<br />
noch auf einen Durchschnittsbetrag von 8 Mio. €, <strong>der</strong> somit<br />
geringfügig über dem Wert in Deutschland liegt.<br />
Absolut führend ist dagegen wie<strong>der</strong>um die amerikanische Biotech-<br />
Branche im Hinblick auf die VC-Finanzierung. Um die 3,5 Mrd.<br />
US-$ konnten dort in 2004 an Risikokapital eingenommen werden,<br />
so viel wie nie zuvor. Obwohl sich diese Summe auch auf eine<br />
größere Anzahl an Runden verteilte, lag <strong>der</strong> durchschnittliche Betrag<br />
bei rund 20 Mio. US-$ und somit international an <strong>der</strong> Spitze.<br />
Abbildung 4-6a:<br />
VC-Runden nach Anzahl und durchschnittlichem Volumen<br />
im Jahresvergleich<br />
Anzahl Runden<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
93<br />
6,08<br />
7,50<br />
70<br />
4,60<br />
45<br />
42<br />
5,14<br />
7,15<br />
33<br />
2000 2001 2002 2003 2004<br />
9,00<br />
8,00<br />
7,00<br />
6,00<br />
5,00<br />
4,00<br />
3,00<br />
2,00<br />
1,00<br />
0,00<br />
Mio. €<br />
Runden<br />
im Schnitt<br />
pro Runde<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
105
F INANZIERUNG UND K APITALMARKT<br />
Dr. Hubert Birner, General Partner,<br />
Techno Venture Management, München<br />
Popmusik und Biotech<br />
Im Moment weisen Tendenzen <strong>der</strong> deutschsprachigen Popmusik und Marktentwicklungen<br />
in <strong>der</strong> deutschen Biotechnologieindustrie vergleichbare Strömungen auf.<br />
Auf das Revival deutscher Popsongs nach längerer Durststrecke, z. T. von NDW- (Neue<br />
Deutsche Welle) Veteranen wie Nena, aber auch Newcomern wie <strong>der</strong> Band Juli und den<br />
Söhnen Mannheims erfolgreich weiterentwickelt und interpretiert, wird nach ähnlichem<br />
Muster das Aufblühen <strong>der</strong> deutschen Biotech-Szene folgen. Aus Sicht <strong>der</strong> Risikofinanzierer<br />
wird Deutschland im Jahr 2005 ein guter Platz sowohl für<br />
Investitionen als auch für Exits sein. Durch die nun stattfindende<br />
Marktbereinigung wird <strong>der</strong> Weg frei gemacht für eine „neue deutsche<br />
Welle“ von Biotech-Unternehmen mit starkem Wachstumspotenzial. VC-<br />
Unternehmen haben den Standort Deutschland immer als einen guten<br />
Platz zur Kultivierung neuer und überlebensfähiger Biotech-Unternehmen<br />
gesehen. Doch <strong>der</strong> Weg, <strong>der</strong> zu diesem Ziel führt, wurde in <strong>der</strong><br />
Vergangenheit mit Schlaglöchern durchsetzt, die sich aus <strong>der</strong> Überschwänglichkeit<br />
mancher Investoren mit nicht erfüllbaren Erwartungen<br />
und dem Zusammenbruch des Aktienmarktes für Biotech-Unternehmen<br />
gebildet hatten.<br />
Unternehmen, die in den späten 90er-Jahren entstanden sind, hatten oft<br />
drei Dinge gemeinsam: Sie waren von einem einzelnen, dominierenden<br />
Investor finanziert, basierten eher auf Technologien als auf Wirkstoffen und es mangelte<br />
ihnen an erprobten Veteranen aus <strong>der</strong> pharmazeutischen Industrie.<br />
Erfolgreiche deutsche Biotech-Unternehmen haben sich jetzt über ihren originären<br />
Technologieansatz hinaus zu künftigen Anbietern von therapeutischen Produkten<br />
entwickelt. Das gilt gleichermaßen für Unternehmen, die schon längere Zeit börsennotiert<br />
sind, wie Medigene und Morphosys, wie für Unternehmen, die sich erst kürzlich<br />
in diese strategische Richtung neupositioniert haben, wie Evotec. Auch börsenreife<br />
Unternehmen, Beispiel Jerini, o<strong>der</strong> Börsenneuzugänge wie Paion, weisen dieses Merkmal<br />
auf. An<strong>der</strong>s als in den 90er-Jahren werden diese Unternehmen ausnahmslos von starken<br />
Investorenkonsortien getragen. In manchen Fällen bauen diese Konsortien die neue<br />
Generation von deutschen Biotech-Start-ups und diesmal sind die Teams in den<br />
Unternehmen und bei den Investoren mit den Mechanismen <strong>der</strong> pharmazeutischen<br />
Industrie bestens vertraut.<br />
Ich glaube fest daran, dass die neue Generation von Biotech-Unternehmen in<br />
Deutschland nicht nur wegen eines nachhaltigeren Geschäftsmodells überlebensfähig<br />
sein wird. Geschäftsmodelle allein produzieren noch keinen nachhaltigen Geschäftserfolg.<br />
Nein, die neue deutsche Biotech-Welle verfügt über dieselben Zutaten, die auch<br />
<strong>der</strong> deutschen Popmusik zu neuem Erfolg verholfen haben und die sich vielleicht – wie<br />
einst die amerikanische Erfindung Hip-Hop – zu einem Exportschlager entwickelt: ein<br />
Sampling aus neuen Ideen, Know-how, Erfahrung und realen Marktpotenzialen, das in<br />
dieser Zusammensetzung neu ist.<br />
Diese Faktoren begründen den Erfolg <strong>der</strong> neuen Biotech-Generation:<br />
• Firmengrün<strong>der</strong> haben eine ausgeprägtere wirtschaftliche Orientierung.<br />
• Europäische Investorenkonsortien, die in neue Unternehmen investieren, sind<br />
finanzkräftiger und größer – sie haben daher einen längeren Atem.<br />
• Durch die Konsolidierung <strong>der</strong> Pharmaindustrie stehen mehr therapeutische Produkte<br />
für Spezialanbieter zur Verfügung, Stichworte: Aus-Lizenzierung und Ausgründung.<br />
• Erfahrene Pharma-Manager stehen dem Markt zur Verfügung.<br />
• „Selektiveres” Kapital von <strong>der</strong> KfW-Mittelstandsbank<br />
• Aus <strong>der</strong> Konsolidierung <strong>der</strong> Biotech-Branche gehen kraftvolle und innovative<br />
Unternehmen hervor.<br />
2005 ist ein Schlüsseljahr für die Branche, weil viele<br />
Firmen den Punkt erreichen, <strong>der</strong> über Fortbestand<br />
o<strong>der</strong> Ende entscheidet. Nach allem was wir wissen,<br />
werden für ca. die Hälfte aller VC-finanzierten Life-<br />
Science-Unternehmen in Deutschland dieses Jahr<br />
die finanziellen Ressourcen auslaufen. Zusätzlich ist<br />
die natürliche Kapital-Quelle dieser Unternehmen –<br />
die VC-Fonds, die bereits zum Investorenkreis zählen<br />
– nahezu versiegt. Ich gehe davon aus, dass fast alle<br />
deutschen VC-Investoren in 2005 im Fundraising<br />
sind o<strong>der</strong> sein werden und daher limitierte Mittel zur<br />
Verfügung haben.<br />
Es ist ein Zeichen für das Funktionieren des Systems, wenn Konsolidierung zu Gunsten<br />
<strong>der</strong> wirklich überlebensfähigen Firmen stattfindet. Niemand konnte ernsthaft erwarten,<br />
dass alle in den späten 90er-Jahren gegründeten Unternehmen wirklich überleben<br />
würden. Der Kampf um limitierte Ressourcen war daher abzusehen. Tatsächlich hat <strong>der</strong><br />
Prozess <strong>der</strong> Konsolidierung, <strong>der</strong> Neuordnung <strong>der</strong> Aktiva und <strong>der</strong> Akquisitionen längst<br />
begonnen. Die verbleibenden Unternehmen sind finanziell besser ausgestattet und<br />
werden neue Technologien sowie neue Investoren anziehen. Unternehmen, die sich <strong>der</strong><br />
Restrukturierung beugen müssen, können ihre werthaltigen Technologien und Produkte<br />
als Aktiva bei den Überlebenden einbringen. Wenn die Neuordnung des Marktes<br />
abgeschlossen ist und sich die Unternehmen auf die oben aufgeführten Faktoren<br />
konzentrieren, dann wird es viele kommerziell interessante Transaktionen in Deutschland<br />
geben.<br />
Das sich öffnende Börsenfenster bietet weiteren Anreiz, sich auf die wirklich<br />
wesentlichen Dinge bei <strong>der</strong> Unternehmensentwicklung zu konzentrieren und dadurch<br />
nachhaltig Wachstum zu generieren. Das Ergebnis, das wir uns für 2008 und 2009<br />
erwarten, ist ein neuer Beat, noch besser als Hip-Hop.<br />
www.tvmvc.de<br />
106 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Die Steigerung des durchschnittlichen Finanzierungsvolumens<br />
kann als Zeichen einer zunehmenden Reife <strong>der</strong> Biotech-<br />
Unternehmen gewertet werden. Sie ergibt sich bei annähernd<br />
konstantem Gesamtvolumen <strong>der</strong> Finanzierungen aus einer<br />
sichtbaren Reduktion <strong>der</strong> Zahl an VC-Runden, die mit 33 im<br />
Jahr 2004 nochmals deutlich niedriger lag als in den beiden<br />
Jahren zuvor (2002: 45; 2003: 42).<br />
Obwohl die großen Runden von über 35 Mio. € <strong>der</strong> Jahre 2000<br />
und 2001 nicht wie<strong>der</strong>holt werden konnten, erhöhte sich im<br />
letzten Jahr <strong>der</strong> Anteil von Finanzierungsrunden zwischen 20<br />
und 35 Mio. € recht deutlich (siehe Abbildung 4-7). Auch<br />
absolut gesehen ist eine Steigerung <strong>der</strong> Zahl dieser Runden zu<br />
verzeichnen (2002: 2; 2003: 3 2004: 4). Damit konnte in dieser<br />
Kategorie das Niveau <strong>der</strong> Jahre 2000 (5) und 2001 (7) fast<br />
erreicht werden.<br />
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich im Jahr 2004 zudem <strong>der</strong><br />
Anteil an Runden mit einem Volumen zwischen 5 und 20 Mio. €<br />
sichtbar vergrößert und Runden kleiner als 5 Mio. € waren stark<br />
rückläufig. Bei <strong>der</strong> erstgenannten Gruppe erhöhte sich die<br />
Anzahl <strong>der</strong> Runden im Jahresvergleich immerhin von neun auf<br />
elf und bei <strong>der</strong> letztgenannten Kategorie reduzierte sie sich<br />
deutlich von 30 auf 18. Es ist also ein deutlicher Trend zu<br />
größeren Runden zu verzeichnen.<br />
Die höchste Einzelrunde des letzten Jahres konnte die Berliner<br />
Jerini mit 31 Mio. € abschließen.<br />
Abbildung 4-7:<br />
VC-Runden nach Volumen (in Mio. €) im Jahresvergleich<br />
Anteil an Gesamt-Rundenanzahl in % (2004: n = 33)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
3<br />
5<br />
20<br />
72<br />
2000<br />
4<br />
10<br />
17<br />
69<br />
5<br />
33<br />
62<br />
2001 2002 2003 2004<br />
7<br />
21<br />
72<br />
12<br />
33<br />
55<br />
Vor dem Hintergrund von relativ geringen Einzelvolumina <strong>der</strong><br />
Finanzierungsrunden stellt sich die Frage, wie die deutschen<br />
Biotech-Firmen – insbeson<strong>der</strong>e diejenigen, die kostenaufwändige<br />
klinische Entwicklung von Wirkstoffen betreiben –<br />
ihre Produktentwicklung voranbringen können. Denn obwohl<br />
Firmen wie DeveloGen, Heidelberg Pharma, elbion, Evotec<br />
Neurosciences o<strong>der</strong> Jerini jeweils Finanzierungen in einer Höhe<br />
zwischen 19 und 31 Mio. € abschließen konnten, erhalten<br />
manche europäische Wettbewerber weitaus höhere Beträge: Die<br />
schweizerische Arpida etwa konnte 2004 insgesamt über<br />
50 Mio. € an Risikokapital einnehmen, Arakis (UK) erhielt<br />
43 Mio. € und die französische Novexel 40 Mio. €.<br />
Arpida wurde 1997 mit Hilfe einer Seed-Finanzierung von<br />
HBM Bioventures gegründet und verfügt heute über ein<br />
Leitprodukt im Bereich Antibiotika, das die Phase II <strong>der</strong><br />
klinischen Prüfung abgeschlossen hat und bereits über eine<br />
Genehmigung für die Phase III verfügt. Im Mai 2004 konnte<br />
sich das Unternehmen 33 Mio. € in einer dritten Finanzierungsrunde<br />
sichern, an <strong>der</strong> sich führende internationale<br />
Investoren wie die swissfirst Bank (Schweiz), Temasek<br />
Holdings (Singapore), Carnegie Fund (Schweden), CDIB<br />
Bioscience Ventures I (Taiwan), CITA (Frankreich), MVI<br />
Finance (UK), Schro<strong>der</strong> ISF Swiss Small & Mid Cap Equity<br />
Fund, Schro<strong>der</strong> ISF Swiss Equity Fund sowie an<strong>der</strong>e<br />
institutionelle, private und die bisherigen Investoren (Alta<br />
Berkeley, Aventic, BioMedinvest, CDC IXIS<br />
Innovation, HBM BioVentures, HealthCap,<br />
3i und Partners Group) beteiligten. Hinzu<br />
kamen im Oktober 2004 weitere 21 Mio. €<br />
im Rahmen <strong>der</strong> Übernahme <strong>der</strong> dänischen<br />
Combio. In dieser Runde stiegen weitere<br />
internationale, insbeson<strong>der</strong>e skandinavische<br />
strategische und institutionelle Investoren<br />
neu ein, darunter Carlsberg, Novo, Dansk<br />
Kapitalanlaeg, LD Pensions und Scandinavian<br />
Life Science Venture.<br />
Bei diesen Größenordnungen kann in<br />
Deutschland nur Jerini mithalten, die 2004<br />
35 bis 50<br />
20 bis 35<br />
5 bis 20<br />
kleiner 5<br />
in einer dritten Runde 31 Mio. € plus eine<br />
Erweiterung von 15 Mio. € im Februar 2005<br />
erzielen konnte.<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
107
F INANZIERUNG UND K APITALMARKT<br />
Doch auch die Erstrundenfinanzierungen <strong>der</strong> Firmen elbion und<br />
Evotec Neurosciences (ENS) sind mit jeweils 25 Mio. €<br />
erwähnenswert. Allerdings haben beide Firmen eine Entwicklungsgeschichte,<br />
die sich von üblichen Start-ups unterscheidet:<br />
elbion wie auch ENS hatten als Spin-off von großen, erfolgreichen<br />
Unternehmen (ASTA/Degussa und Evotec OAI) günstigere<br />
Startbedingungen. Bei den bisherigen VC-Finanzierungen<br />
<strong>der</strong> deutschen Biotech-Industrie gab es bisher nur zwei Firmen,<br />
die einen noch höheren Betrag in ihrer ersten Finanzierungsrunde<br />
aufnehmen konnten: Die frühere MetaGen (Ausgründung<br />
aus Schering; in 2003 von <strong>der</strong> britischen Astex übernommen)<br />
im März 2001 mit 42 Mio. € sowie PAION (von Schering<br />
wurde ein Wirkstoff lizenziert) im November 2000 mit knapp<br />
29 Mio. €. Im selben Monat konnte Epigenomics in einer ersten<br />
Runde ebenfalls 25 Mio. € einnehmen.<br />
Tabelle 4-2 zeigt die zehn größten, publizierten VC-Runden <strong>der</strong><br />
deutschen Biotech-Industrie des vergangenen Jahres.<br />
Nach dem Spitzenreiter Jerini findet sich – neben den bereits<br />
erwähnten Runden von elbion und Evotec Neurosciences – mit<br />
25 Mio. € eingeworbenem Eigenkapital die Heidelberg Pharma<br />
auf dem zweiten Platz. Die Beson<strong>der</strong>heit an dieser Runde ist das<br />
hohe Investment eines Business Angels, dem ehemaligen SAP-<br />
Mitgrün<strong>der</strong> Dietmar Hopp.<br />
Der dritte Platz geht an die Göttinger DeveloGen, die sich im<br />
Rahmen ihrer Fusion mit Peptor 19 Mio. € Risikokapital<br />
sichern konnte.<br />
Weiteres VC in Höhe von 15 bzw. 10 Mio. € nahmen die<br />
Heidelberger Graffinity Pharmaceuticals (heute nach <strong>der</strong><br />
Fusion mit Myocard, Tochter <strong>der</strong> Schweizer Santhera Pharmaceuticals)<br />
sowie die Antisense Pharma aus Regensburg ein. Bei<br />
Antisense handelte es sich um ein Second Closing <strong>der</strong> zweiten<br />
Finanzierungsrunde, die bereits im November 2003 zu einem<br />
ersten Abschluss in Höhe von 6,5 Mio. € kam.<br />
Tabelle 4-2:<br />
Top-10-VC-Runden deutscher Core-Biotech-Firmen im Jahr 2004<br />
Unternehmen Volumen Runde Bekanntgabe Lead Investor Ausgewählte weitere Investoren<br />
(Mio. €)<br />
Healthcap Venture 3i Group, bmp, IBB, PolyTechnos,<br />
Jerini AG 31 3 Juni Capital San<strong>der</strong>s Morris Harris, TVM<br />
elbion AG 25 1 Dezember 3i Group 3i Group, AGF Private Equity, BayTech, Burrill & Company,<br />
DVCG, Marubeni, Quintiles Transnational<br />
Evotec Neurosciences GmbH 25 1 März 3i Group, TVM 3i Group, MVM, Star Ventures Management, Ventech<br />
Heidelberg Pharma GmbH 25 2 März D. Hopp<br />
DeveloGen AG 19 3 Juli Alpinvest, Aventis, Dansk Kapitalanlaeg, DVCG, GLSV,<br />
Nomura, TVM<br />
Graffinity Pharmaceuticals AG 15 3 Januar Merlin Biosciences 3i Group, Carnegie Bank, Dow Chemical Company, GIMV,<br />
Heidelberg Innovation, Oxford Bioscience Partners,<br />
TechnoStart<br />
Axxima Pharmaceuticals AG* 10 3 Juni TVM HBM Partners AG, Heidelberg Innovation, Süd VC<br />
Antisense Pharma GmbH 10 2 April S-Refit<br />
PAION AG 9.8 4 Mai Innoven Partenaires 3i Group, Genevest, NeoMed Management,<br />
OTC Asset Management, S-UBG<br />
Immatics Biotechnologies 8,25 1 Februar 3i Group, EMBL Ventures, Grazia Equity, L-EA, Merifin Capital<br />
GmbH<br />
Wellington Partners<br />
* Die 10 Mio. € <strong>der</strong> Axxima waren laut Investorenkreisen lediglich zugesagt und an den Vollzug einer Übernahme o<strong>der</strong> Fusion geknüpft.<br />
Insofern müsste dieser Betrag – da ein M&A nie aktiv zustande kam, son<strong>der</strong>n erst nach <strong>der</strong> Insolvenz in 2005 in Form <strong>der</strong> Übernahme<br />
durch GPC Biotech erfolgte – streng genommen von <strong>der</strong> Gesamtsumme an VC in <strong>der</strong> deutschen Biotech-Branche abgezogen werden.<br />
Quelle: Venture One, <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
108 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Abbildung 4-8:<br />
VC-Runden nach Phase (ohne Bridge) im Jahresvergleich<br />
Anteil an Gesamt-Rundenanzahl in % (2004: n = 29)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
15 11<br />
33<br />
41<br />
25<br />
39<br />
49 35<br />
54<br />
39<br />
20<br />
10 24<br />
29 31<br />
10<br />
6<br />
11 8<br />
0<br />
1<br />
2001 2002 2003 2004<br />
2001 2002<br />
Anteil an Gesamt-Volumen in % (2004: n = 226 Mio. €)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
29 28<br />
70<br />
60<br />
50 42 40<br />
40<br />
30<br />
52<br />
44<br />
2<br />
2003<br />
48<br />
25<br />
Later Stage<br />
27<br />
2. Runde<br />
1. Runde<br />
Seed<br />
2004<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
Die großvolumigen Erstrunden von elbion und ENS sowie<br />
weitere Erstrunden haben das Bild <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> VC-<br />
Finanzierungen nach Phasen im Jahr 2004 erheblich verän<strong>der</strong>t.<br />
Wie aus Abbildung 4-8 ersichtlich, ist <strong>der</strong>en zahlenmäßiger<br />
Anteil im Jahr 2004 (24 %) gegenüber 2003 (10 %) enorm<br />
gestiegen. Auch absolut gesehen nahmen die Erstrunden zu,<br />
und zwar von vier auf sieben. Auf Grund <strong>der</strong> relativ hohen VC-<br />
Summen <strong>der</strong> beiden vorgenannten Firmen wurde auch<br />
volumenmäßig ein drastischer Anstieg erzielt (von 4 auf 62<br />
Mio. €). Dazu beigetragen hat ebenfalls die Finanzierung <strong>der</strong><br />
immatics mit gut 8 Mio. €. Dagegen erfolgte 2004 keine einzige<br />
Seed-Finanzierung.<br />
Da auch <strong>der</strong> Anteil an Later-Stage-Runden (ab <strong>der</strong> dritten<br />
Finanzierungsrunde) 2004 nochmals sichtbar anstieg,<br />
verringerte sich zwangsläufig <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
Zweitrundenfinanzierungen. Insgesamt spielten die späteren<br />
VC-Finanzierungen mit 41 Prozent <strong>der</strong> Gesamtzahl und mit 48<br />
Prozent des Gesamtvolumens die Hauptrolle im<br />
Finanzierungsgeschehen. Der Trend zu Later Stage ist also nach<br />
wie vor deutlich zu erkennen.<br />
Abbildung 4-9 zeigt die Verteilung <strong>der</strong> Risikokapitalfinanzierungen<br />
des Jahres 2004 auf verschiedene Geschäftsfel<strong>der</strong>.<br />
Demnach beschäftigen sich über die Hälfte <strong>der</strong> im Jahr<br />
2004 risikokapitalfinanzierten Unternehmen (57 %) mit <strong>der</strong><br />
Entwicklung von Medikamenten auf Basis einer eigenen<br />
Technologie-Plattform. Ein weiteres knappes Drittel (28 %)<br />
entwickelt Therapeutika ohne den Einsatz einer Technologie-<br />
Plattform. An dritter Stelle folgen, jedoch mit einem Anteil von<br />
nur noch neun Prozent, Finanzierungsrunden, die an Anbieter<br />
von Molekulardiagnostika gingen. Einen sehr geringen Anteil<br />
nahmen diejenigen Finanzierungsrunden ein, die von Unternehmen<br />
aus den Bereichen Bioinformatik und Molecular<br />
Pharming abgeschlossen wurden (jeweils 3 %).<br />
Abbildung 4-9:<br />
VC-Runden nach Geschäftsfel<strong>der</strong>n<br />
Therapeutika<br />
28 %<br />
Damit ist Frühphasenfinanzierung nach wie vor problematisch,<br />
ein Umstand, <strong>der</strong> auf Grund <strong>der</strong> fehlenden Seed-Runden noch<br />
verstärkt wird. Zudem beruht die Zunahme <strong>der</strong> Erstrundenfinanzierung<br />
auf Einzelereignissen. Demgegenüber wurden<br />
2001 noch 26 und 2002 noch 14 Erstrunden abgeschlossen. In<br />
<strong>der</strong> Branche wird daher zunehmend von einem so genannten<br />
Frühphasen-Gap gesprochen, dem versucht wird, mit verschiedenen<br />
Mitteln entgegenzutreten (siehe auch Kapitel 5).<br />
Molecular Pharming<br />
3 %<br />
Bioinformatik<br />
3 %<br />
Molekulardiagnostika<br />
9 %<br />
Therapeutika<br />
(Plattform)<br />
57 %<br />
n = 33<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
109
F INANZIERUNG UND K APITALMARKT<br />
Abbildung 4-10:<br />
VC-Runden nach Herkunft <strong>der</strong> Investoren im Jahresvergleich<br />
alle Runden Runden > 5 Mio. €<br />
Anteil an Gesamt-Investorenzahl in % (2004: n = 98)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
5<br />
16<br />
79<br />
2002<br />
4<br />
12<br />
25<br />
59<br />
2003<br />
2<br />
12<br />
39<br />
47<br />
2004<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
6<br />
24<br />
70<br />
2002<br />
8<br />
20<br />
34<br />
38<br />
2003<br />
2<br />
10<br />
46<br />
42<br />
2004<br />
Asien<br />
USA<br />
Europa (Rest)<br />
Deutschland<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
Aufschlussreich ist ferner die Analyse <strong>der</strong> Risikokapitalfinanzierungen<br />
<strong>der</strong> Core-Biotech-Unternehmen in Bezug auf<br />
die Herkunft <strong>der</strong> Geldgeber bzw. die Beteiligung von deutschen<br />
und internationalen Investoren.<br />
Unter deutschen Investoren werden diejenigen VC-Firmen<br />
gezählt, die ihren Hauptsitz in Deutschland haben. Analoges<br />
gilt für VC-Unternehmen aus dem europäischen Ausland, den<br />
USA und Asien. Beispiele für europäische Investoren sind in<br />
<strong>der</strong> Schweiz die HBM BioVentures o<strong>der</strong> Index Ventures, in UK<br />
3i o<strong>der</strong> Merlin Biosciences, in den Nie<strong>der</strong>landen ABN Amro<br />
Ventures o<strong>der</strong> Gilde und in Frankreich Auriga Partners o<strong>der</strong><br />
Soffinova Partners. Aus den USA stammen beispielsweise Alta<br />
Partners, Atlas Venture, Burrill & Company, Bear Stearns,<br />
Polaris Venture Partners o<strong>der</strong> Schro<strong>der</strong> Ventures Life Sciences.<br />
In Asien sind beheimatet die Vertex Management o<strong>der</strong> Bio*One<br />
Capital.<br />
Nachdem sich <strong>der</strong> Anteil an internationalen, nichtdeutschen<br />
Investoren im Jahresvergleich 2002 und 2003 von 21 auf 41<br />
Prozent fast verdoppelt hat, fiel die Zunahme 2004 nicht mehr<br />
so deutlich aus. Immerhin erreichte <strong>der</strong> Anteil an ausländischen<br />
Investoren im Jahr 2004 mehr als 50 Prozent. Dabei spielen<br />
Geldgeber aus dem europäischen Ausland mit 39 Prozent eine<br />
größere Rolle als US-amerikanische Investoren (12 %).<br />
Asiatische Investoren sind mit zwei Prozent nur sehr gering<br />
vertreten.<br />
Bei <strong>der</strong> Betrachtung von Finanzierungsrunden mit einem<br />
Volumen von mehr als 5 Mio. € ergibt sich – insbeson<strong>der</strong>e im<br />
Jahresvergleich – ein unterschiedliches Bild (siehe Abbildung<br />
4-10 rechter Teil).<br />
Zum einen nahm <strong>der</strong> Anteil deutscher Investoren leicht zu. Zum<br />
an<strong>der</strong>en fiel die Erhöhung des Anteils von Geldgebern aus dem<br />
europäischen Ausland wesentlich geringer aus, und <strong>der</strong> Anteil<br />
von Investoren aus den USA halbierte sich. Es stellt sich hier<br />
die Frage, ob damit bereits wie<strong>der</strong> ein Rückzug <strong>der</strong> USamerikanischen<br />
VC-Gesellschaften stattfindet, nachdem sich<br />
<strong>der</strong>en Anteil im Jahresvergleich 2002 und 2003 drastisch erhöht<br />
hatte. Um wirklich eine Trendaussage machen zu können, wäre<br />
jedoch eine Betrachtung über einen längeren Zeitraum hinweg<br />
nötig. Die gleiche Feststellung gilt für die asiatischen<br />
Finanziers.<br />
Die Stabilisierung des Anteils deutscher Investoren ist insofern<br />
erfreulich, als sich die Geldgeber hierzulande insbeson<strong>der</strong>e<br />
auch bei größeren Runden wie<strong>der</strong> vermehrt engagieren.<br />
110 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Alternative Finanzierungsmöglichkeiten<br />
Die wichtigste und am häufigsten diskutierte Alternative zur<br />
Aufnahme von Eigenkapital ist <strong>der</strong> Börsengang. Vor allem aus<br />
Sicht <strong>der</strong> Investoren ist <strong>der</strong> Börsengang eine wichtige Ablösemöglichkeit<br />
ihrer Engagements in<br />
Mezzanine-Kapital<br />
Biotech-Firmen.<br />
Daneben sind strategische Investments<br />
(corporate) und Mezzanine-Kapital<br />
Finanzierungsoptionen für Biotech-<br />
Unternehmen. Beispielsweise haben<br />
deutsche Biotech-Firmen wie Cellzome<br />
o<strong>der</strong> MorphoSys im Rahmen ihrer<br />
Partnerschaft strategische Investments<br />
durch Novartis erhalten. Mezzanine-<br />
Finanzierungen stellen eine Kombination<br />
aus Fremd- und Eigenkapital dar<br />
und werden des Öfteren bei Bridge-<br />
Finanzierungen eingesetzt.<br />
PIPE-Investments (Private Investments<br />
in Public Entities) und Wandelanleihen (Convertibles) zählen<br />
ebenfalls zu den alternativen Finanzierungsformen. Gerade in<br />
<strong>der</strong> US-Biotech-Branche sind diese Finanzierungsinstrumente<br />
bereits weit verbreitet, sie haben jedoch im vergangenen Jahr<br />
auch in <strong>der</strong> deutschen Biotech-Branche an Bedeutung zugenommen.<br />
So waren beispielsweise die letztjährigen Kapitalerhöhungen<br />
<strong>der</strong> bereits börsennotierten deutschen Biotech-<br />
Firmen Evotec OAI, Qiagen, MediGene, MOLOGEN,<br />
MorphoSys o<strong>der</strong> MWG Biotech Finanzierungen über PIPEs,<br />
Convertibles o<strong>der</strong> Mischformen.<br />
Des Öfteren wird in<br />
<strong>der</strong> Branche auch<br />
über die zunehmende<br />
Zeitstruktur von Private-Equity-Investments<br />
Venture Capital<br />
Bedeutung<br />
von Private Equity<br />
Seed Early Stage Expansion<br />
(PE) diskutiert.<br />
Dabei ist PE ein<br />
Oberbegriff, <strong>der</strong> den gesamten Markt für privates<br />
Beteiligungskapital umfasst, oft jedoch für die Bezeichnung<br />
von Spätphasen-Finanzierungen verwendet wird. Venture<br />
Capital kommt dagegen, als Teil des PE-Marktes, bei früheren<br />
Phasen zum Einsatz. Da Biotech-Firmen sich in <strong>der</strong> Regel noch<br />
in einer frühen Lebens- bzw. Finanzierungsphase befinden, ist<br />
<strong>der</strong> Einsatz von PE <strong>der</strong>zeit noch beschränkt.<br />
Mezzanine-Kapital ist eine „hybride“<br />
Finanzierungsform, die, obwohl es sich<br />
um Fremdkapital handelt, im Insolvenzfall<br />
für dritte Gläubiger eine eigenkapitalähnliche<br />
Haftungsfunktion übernimmt.<br />
Im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en<br />
hybriden Formen vermitteln Mezzanine-<br />
Darlehen dem Kapitalgeber über den<br />
Equity-Kicker neben einer „normalen“<br />
festen Verzinsung des Darlehens eine<br />
Beteiligung am Unternehmenswert.<br />
Schließlich sind För<strong>der</strong>möglichkeiten von Bund und Län<strong>der</strong>n<br />
bzw. <strong>der</strong> EU eine wichtige Finanzierungsquelle für deutsche<br />
Biotech-Unternehmen.<br />
Innerhalb des sechsten europäischen Forschungs-Rahmenprogramms<br />
erhält zum Beispiel die Berliner Combinature Forschungsgel<strong>der</strong>:<br />
Als industrieller Netzwerkpartner<br />
zweier Konsortien wird die<br />
Firma an einer För<strong>der</strong>summe von 3,6<br />
Mio. € über eine Laufzeit von drei<br />
Jahren partizipieren. Mit den Mitteln<br />
sollen Forschungsprogramme zur Identifikation<br />
neuer Antibiotika durchgeführt<br />
werden.<br />
Die in Köln ansässige Direvo Biotech<br />
gab im September 2004 bekannt, dass<br />
sie im Rahmen des För<strong>der</strong>programms<br />
BioChancePLUS vom BMBF Mittel für<br />
ein Vierjahresprojekt erhält, in dem neuartige<br />
Enzyme für industrielle Anwendungen<br />
produziert werden sollen. Die<br />
Firma nutzt hierbei eine von ihr selbst entwickelte Technik, mit<br />
<strong>der</strong> sie Enzyme spezifisch für das gewünschte Zielmolekül<br />
herstellen kann. Das Projekt soll zu neuen Produkten für Futterund<br />
Lebensmittelherstellung, industrielle Konsumgüter, Agrobiotechnologie<br />
sowie Biokatalyse führen. Der För<strong>der</strong>betrag<br />
beläuft sich auf 2 Mio. €.<br />
Im Rahmen des gleichen Programms wird die Göttinger<br />
DeveloGen mit 1,4 Mio. € unterstützt. Mit den För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong>n<br />
ermöglicht das BMBF die klinische Entwicklung von<br />
Somatoprim, die bis zum ersten Quartal 2006 beginnen soll.<br />
Somatoprim stellt einen neuen Therapieansatz zur Behandlung<br />
diabetischer Komplikationen<br />
dar.<br />
Private Equity<br />
Auch die Pieris<br />
Buy-out Secondary Buy-out Proteolab erhält<br />
eine För<strong>der</strong>ung<br />
Zeit von insgesamt 2<br />
Mio. € über einen<br />
Zeitraum von zwei Jahren im Rahmen dieses Programms, um<br />
ihre therapeutischen Anticalin ® -Projekte weiterzuentwickeln.<br />
In <strong>der</strong> ersten Entscheidungsrunde von BioChancePLUS im<br />
April 2004 konnten neben Pieris fünf weitere Firmen För<strong>der</strong>bescheide<br />
von insgesamt 4,7 Mio. € erhalten: SIRS-Lab und<br />
Oncoscreen aus Jena, Epigenomics und MOLOGEN in Berlin<br />
sowie die Dr. Petry Genmedics aus Reutlingen.<br />
111
F INANZIERUNG UND K APITALMARKT<br />
Holger Siebenthaler,<br />
Partner bei <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, Hannover<br />
Alternative Finanzierungsmöglichkeiten für Biotech-<br />
Unternehmen und ihre Bilanzierung<br />
Unternehmen <strong>der</strong> Biotech-Branche sind in <strong>der</strong> Regel dadurch gekennzeichnet, dass es<br />
ihnen nicht möglich ist, die Finanzierung über Bankkredite sicherzustellen. Dazu kommt,<br />
dass zumindest in <strong>der</strong> Start-up-Phase nicht genügend Cashflow erwirtschaftet wird, um<br />
die weitere Entwicklung von Produkten und das Wachstum des Unternehmens zu<br />
finanzieren. Insbeson<strong>der</strong>e die Finanzierung <strong>der</strong> Produktentwicklung in den klinischen<br />
Phasen 1, 2 und 3 bis hin zur Zulassung verschlingt finanzielle Mittel, die diese Unternehmen<br />
in <strong>der</strong> Regel nicht aus eigenem Cashflow erwirtschaften können. Die Deckung des<br />
Kapitalbedarfs dieser Unternehmen erfolgt deshalb über Eigenkapital bzw. eigenkapitalähnliche<br />
Mittel, die von Venture-Capital-Gesellschaften zur Verfügung gestellt werden.<br />
Dabei haben sich in <strong>der</strong> Vergangenheit die verschiedensten Finanzierungsformen am<br />
Markt herausgebildet.<br />
Der nachfolgende Beitrag stellt die gängigsten Finanzierungsformen<br />
kurz dar und untersucht <strong>der</strong>en Auswirkungen auf das<br />
Bilanzbild des Biotech-Unternehmens. Dabei wird insbeson<strong>der</strong>e<br />
auf die unterschiedlichen Auswirkungen <strong>der</strong> Finanzierungsformen<br />
auf das Bilanzbild nach den Rechnungslegungsvorschriften des<br />
Handelsgesetzbuchs (HGB), <strong>der</strong> International Financial Reporting<br />
Standards (IFRS) und <strong>der</strong> US Generally Accepted Accounting<br />
Principles (US GAAP) eingegangen. Letztere sind im Biotech-<br />
Bereich oft Standard, da die Investoren von Biotech-Unternehmen<br />
häufig international investieren und die Kapital suchenden<br />
Unternehmen deshalb schon in <strong>der</strong> Start-up-Phase im internationalen<br />
Wettbewerb stehen.<br />
Ausgewählte Finanzierungsformen und ihre Auswirkungen<br />
Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Kategorien bei den Finanzierungsmöglichkeiten<br />
einteilen: Eigenkapital, Fremdkapital und so genanntes Mezzanine Equity,<br />
Finanzierungsformen, die sowohl Eigen- als auch Fremdkapital-Charakter haben. In <strong>der</strong><br />
Praxis werden häufig verschiedene Finanzierungsformen im Rahmen einer<br />
Finanzierungsrunde miteinan<strong>der</strong> verbunden.<br />
Ausgabe von Common Shares<br />
Im Rahmen einer Finanzierung über Eigenmittel stehen so genannte Common Shares<br />
uneingeschränkt als Haftkapital bzw. Eigenkapital nach HGB, IFRS und US GAAP zur<br />
Verfügung. Die Ausgabe neuer Common Shares im Rahmen einer Finanzierungsrunde<br />
mit Venture-Capital-Gebern geht in <strong>der</strong> Regel mit einer Verwässerung <strong>der</strong> Anteilsrechte<br />
<strong>der</strong> Altanteilseigner (sog. Dilution) einher, da sich <strong>der</strong>en prozentualer Anteil am<br />
Eigenkapital des Unternehmens durch die Aufnahme neuer Gesellschafter verringert.<br />
Zwar mag sich dadurch die unternehmerische Freiheit des Altanteilseigners verringern,<br />
auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite erhalten die Altanteilseigner durch die Aufnahme eines Venture-<br />
Capital-Gebers häufig einen kompetenten Partner, <strong>der</strong> sie durch die Zurverfügungstellung<br />
seines Netzwerkes und seines Know-hows, insbeson<strong>der</strong>e bei betriebswirtschaftlichen<br />
Fragestellungen, unterstützt.<br />
Wird im Rahmen <strong>der</strong> Ausgabe <strong>der</strong> neuen Common Shares aufgrund <strong>der</strong> Bewertung des<br />
Unternehmens ein Aufgeld (Agio) gezahlt, ist dieses nach HGB in voller Höhe als Kapitalrücklage<br />
innerhalb des Eigenkapitals in <strong>der</strong> Bilanz auszuweisen. Nach IFRS und US GAAP<br />
ist die auszuweisende Kapitalrücklage allerdings um die Kosten <strong>der</strong> Kapitalbeschaffung<br />
(nach Steuereffekt) zu reduzieren. Zu den Kosten <strong>der</strong> Kapitalbeschaffung gehören<br />
insbeson<strong>der</strong>e entsprechende Rechts- und Beratungskosten sowie Notariats- und<br />
Registergebühren. Diese Reduzierung <strong>der</strong> Kapitalrücklage nach US GAAP und IFRS<br />
entlastet die Gewinn- und Verlustrechnung, ist aber letztlich nur eine Umglie<strong>der</strong>ung<br />
zwischen Bilanzgewinn und Kapitalrücklage, so dass die Gesamtsumme des Eigenkapitals<br />
<strong>der</strong> Bilanz davon nicht tangiert wird.<br />
Ausgabe von Preferred Shares<br />
Preferred Shares sind Anteilsrechte, die dem Anteilseigner<br />
bestimmte Vorzugsrechte gegenüber an<strong>der</strong>en Anteilseignern<br />
einräumen. Dies sind in <strong>der</strong> Regel Vorzugsrechte im<br />
Rahmen einer möglichen Liquidation, bei <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong><br />
Dividende o<strong>der</strong> bei den Stimmrechten. Darüber hinaus sind<br />
in <strong>der</strong> Praxis weitere vielfältige Formen von Vorzugsrechten<br />
anzutreffen. Dazu gehören insbeson<strong>der</strong>e Einziehungsrechte<br />
(sog. Redemption Rights), die es dem Anteilseigner<br />
erlauben, unter bestimmten Bedingungen (z. B. Eintritt eines<br />
Exit-Szenarios bis zu einem festgeschriebenen Zeitpunkt)<br />
seine Anteile zurückzugeben und dafür eine entsprechende<br />
Kompensation zu erhalten. Der Ausweis <strong>der</strong> Preferred Shares<br />
erfolgt nach den Vorschriften des HGB im gezeichneten Kapital (Stammkapital/Grundkapital),<br />
allerdings mit beson<strong>der</strong>en Angabepflichten in Bilanz und/o<strong>der</strong> im Anhang. Auch<br />
das mit den Preferred Shares in Zusammenhang gezahlte Agio wird im Eigenkapital unter<br />
<strong>der</strong> Kapitalrücklage ausgewiesen.<br />
Der Ausweis von Preferred Shares nach IFRS o<strong>der</strong> US GAAP richtet sich dagegen nach<br />
dem überwiegenden, wirtschaftlichen Gehalt <strong>der</strong> jeweiligen Preferred Shares. Haben<br />
die Preferred Shares eher Verbindlichkeiten-Charakter, hat <strong>der</strong> Ausweis nach IFRS unter<br />
den Verbindlichkeiten zu erfolgen; hat das jeweilige Finanzierungsinstrument dagegen<br />
eher Eigenkapitalcharakter, erfolgt <strong>der</strong> Ausweis unter dem Eigenkapital. Die IFRS lassen<br />
den Ausweis von Mischformen als so genanntes Mezzanine Equity nicht zu, d. h. nach den<br />
IFRS muss eine vollständige Zuordnung zum Eigenkapital o<strong>der</strong> Fremdkapital erfolgen.<br />
Dies gilt im Übrigen auch für ein eventuell gezahltes Aufgeld, das beim Ausweis <strong>der</strong><br />
Klassifizierung <strong>der</strong> jeweiligen Preferred Shares zu folgen hat. Insbeson<strong>der</strong>e Preferred<br />
Shares mit Redemption Rights haben nach IFRS Fremdkapitalcharakter, da sie unter<br />
Umständen dem Unternehmen nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen und ggf. –<br />
112 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
häufig unter Berücksichtigung einer Schlusskompensation – den Kapitalgebern zurückzuzahlen<br />
sind. Der Ausweis solcher Preferred Shares und des entsprechenden Aufgeldes<br />
hat deshalb nach den IFRS unter den Verbindlichkeiten zu erfolgen.<br />
Nach US GAAP war es früher möglich, solche Preferred Shares mit Redemption Rights als<br />
so genanntes Mezzanine Equity zwischen Eigenkapital und Fremdkapital auszuweisen. Im<br />
Zuge <strong>der</strong> Annäherung von IFRS und US GAAP regelt <strong>der</strong> relativ neue Financial Accounting<br />
Standard (FAS) 150 eine ähnliche Vorgehensweise zum Ausweis solcher Preferred<br />
Shares wie <strong>der</strong> International Accounting Standard (IAS) 32. Allerdings gibt es noch im<br />
Einzelfall gravierende Unterschiede.<br />
Diese im Vergleich zum HGB fundamentalen Unterschiede haben in <strong>der</strong> Regel einen<br />
dramatischen Einfluss auf das Bilanzbild, da sich dadurch die aus den jeweiligen<br />
Bilanzen abgeleiteten Eigen- und Fremdkapitalquoten sowie weitere Kennzahlen, wie z. B.<br />
Verschuldungsgrad etc., deutlich unterscheiden.<br />
Stille Beteiligungen<br />
Stille Beteiligungen sind grundsätzlich Fremdkapital und werden als solches sowohl<br />
nach HGB, IFRS und US GAAP ausgewiesen. Die Beson<strong>der</strong>heit bei stillen Beteiligungen<br />
liegt in <strong>der</strong> Regel darin, dass diese Finanzierungsmittel für den Fall einer Insolvenz im<br />
Rang hinter an<strong>der</strong>en Gläubigern zurückgetreten sind. Zusätzlich sind den still Beteiligten<br />
durch vertragliche Regeln normalerweise beson<strong>der</strong>e Mitbestimmungs- und Kontrollrechte<br />
gegeben.<br />
Da es sich bei stillen Beteiligungen um Fremdkapital handelt, verlangen die Kapitalgeber<br />
häufig auch eine Verzinsung des Kapitals, wenn sich das jeweilige Unternehmen in einer<br />
Verlustsituation befindet. In <strong>der</strong> Praxis haben sich deshalb gemischte Zinssätze, je nach<br />
Verlust- o<strong>der</strong> Gewinnsituation, herausgebildet. In <strong>der</strong> Verlustsituation wird ein fester<br />
Minimalzins gezahlt, in <strong>der</strong> Gewinnsituation wird ein deutlich höherer, variabler, gewinnabhängiger<br />
Zinssatz verlangt. Häufig sind auch Regeln anzutreffen, bei denen in<br />
Verlustjahren keine Zinsen zu zahlen sind, dafür dann aber in späteren Perioden<br />
überproportional höhere; o<strong>der</strong> eine Kompensation <strong>der</strong> nicht gezahlten Zinsen erfolgt für<br />
den Investor im Rahmen einer Schlussvergütung zu einem bestimmten Stichtag, ggf.<br />
gekoppelt mit einem Exit-Szenario im Rahmen eines Börsengangs (Initial Public<br />
Offering/IPO).<br />
Finanzierung durch Zuschüsse<br />
Eine bedeutende Rolle von Finanzierungsmitteln für Biotech-Unternehmen sind<br />
Zuschüsse, die im Rahmen von För<strong>der</strong>programmen von Gebietskörperschaften, den<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n, dem Bund und <strong>der</strong> Europäischen Union gewährt werden. Grundsätzlich<br />
sind zwei Arten von Zuschüssen zu unterscheiden: Investitionszuschüsse und Zuschüsse<br />
zu Forschungs- und Entwicklungskosten wie Personalkosten und/o<strong>der</strong> Sachmittelkosten.<br />
Investitionszuschüsse dürfen nach HGB, IFRS und US GAAP nicht sofort ertragswirksam<br />
vereinnahmt werden, son<strong>der</strong>n letztlich nur verteilt über die Nutzungsdauer <strong>der</strong><br />
geför<strong>der</strong>ten Wirtschaftsgüter. Nach handelsrechtlichen Regelungen wird deshalb <strong>der</strong><br />
Ausweis eines Son<strong>der</strong>postens für Investitionszuschüsse auf <strong>der</strong> Passivseite <strong>der</strong> Bilanz<br />
präferiert, <strong>der</strong> entsprechend <strong>der</strong> Nutzungsdauer <strong>der</strong> geför<strong>der</strong>ten Wirtschaftsgüter<br />
sukzessive ertragswirksam aufgelöst wird. Allerdings ist auch ein Absetzen des<br />
Zuschusses von den Anschaffungskosten <strong>der</strong> geför<strong>der</strong>ten Wirtschaftsgüter zulässig.<br />
Die ertragswirksame Vereinnahmung erfolgt dann über die geringere Abschreibung<br />
während <strong>der</strong> Nutzungsdauer. Da dies auch die nach IFRS und US GAAP zulässigen<br />
Varianten <strong>der</strong> Erfassung von Investitionszuschüssen sind, lässt sich ein Gleichklang des<br />
Ausweises und <strong>der</strong> sukzessiven ertragswirksamen Vereinnahmung nach HGB, IFRS und<br />
US GAAP erreichen.<br />
Zuschüsse zu Forschungs- und Entwicklungskosten wie Personalkosten und Sachmittelkosten<br />
werden in <strong>der</strong> Regel im Rahmen von Forschungsför<strong>der</strong>programmen<br />
gewährt. Solche Zuschüsse können unmittelbar ertragswirksam vereinnahmt werden.<br />
Unterschiedliche Behandlungen in den verschiedenen Rechnungslegungsvorschriften<br />
existieren insoweit nicht.<br />
Für alle Zuschüsse (Investitionszuschüsse und Zuschüsse zu Forschungs- und<br />
Entwicklungskosten) ist aber zu berücksichtigen, dass die Zuschussbedingungen und<br />
-auflagen eingehalten werden, da diese Zuschüsse ansonsten zurückgezahlt werden<br />
müssen. Insbeson<strong>der</strong>e bei Investitionszuschüssen sind die jeweiligen Auflagen teilweise<br />
für mehrere Jahre zu erfüllen und <strong>der</strong>en Einhaltung durch Verwendungsnachweise zu<br />
dokumentieren. Ist absehbar, dass die jeweiligen Auflagen nicht erfüllt werden können,<br />
ist eine ertragswirksame Vereinnahmung <strong>der</strong> Zuschüsse nicht zulässig und die Bildung<br />
einer Rückstellung für die mögliche Rückzahlungsverpflichtung zu prüfen. Insgesamt<br />
kommt <strong>der</strong> Finanzierung über Zuschüsse eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu, da sie dem<br />
Biotech-Unternehmen finanzielle Mittel bringen, die keinerlei Kapitaldienst unterliegen.<br />
Fazit<br />
Bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Finanzierungselemente ist aufgrund <strong>der</strong> unterschiedlichen<br />
Bilanzierung je nach anzuwendenden Rechnungslegungsstandards nicht nur die Höhe<br />
des jeweiligen Kapitaldienstes zu berücksichtigen, son<strong>der</strong>n auch die Außenwirkung, die<br />
durch das unter Umständen vollständig an<strong>der</strong>e Bilanzbild entsteht. Je nach Rechnungslegungsstandard<br />
können sich bei ein und demselben Finanzierungsmittel erhebliche<br />
Unterschiede bei <strong>der</strong> Eigenkapitalquote und den an<strong>der</strong>en Bilanzkennzahlen ergeben.<br />
Die Auswahl des richtigen Finanzierungsinstruments sollte deshalb auch unter<br />
Berücksichtigung des zukünftigen Adressatenkreises <strong>der</strong> Rechnungslegung des Biotech-<br />
Unternehmens erfolgen und erfor<strong>der</strong>t eine frühzeitige Beschäftigung mit Bilanzierungsfragen,<br />
um unerwünschte Auswirkungen auf die Positionierung des Biotech-<br />
Unternehmens zu vermeiden.<br />
holger.siebenthaler@de.ey.com<br />
113
F INANZIERUNG UND K APITALMARKT<br />
Kapitalbedarf und Bar-Reserven<br />
Obwohl sich die Kapitalsituation <strong>der</strong> Core-Biotech-Industrie<br />
nach den erfolgreichen Finanzierungen im vergangenen Jahr<br />
leicht entspannt hat, besteht nach wie vor ein beachtlicher<br />
Kapitalbedarf.<br />
Die für die Studie befragten Unternehmen haben nach eigenen<br />
Angaben einen aktuellen Kapitalbedarf von über 600 Mio. €<br />
(2003: knapp 800 Mio. €), <strong>der</strong> sich auf rund 88 Firmen, das<br />
heißt 45 Prozent <strong>der</strong> analysierten Unternehmen verteilt. Von den<br />
Firmen, die einen Kapitalbedarf anführten, entfiel im vergangenen<br />
Jahr <strong>der</strong> größere Anteil (57 %) auf nicht mit Risikokapital<br />
finanzierte Firmen. Diese Unternehmen benötigen zusätzliches<br />
Kapital, um weiteres Wachstum o<strong>der</strong> das Überleben zu sichern.<br />
Es hat sich hier eine Wende ergeben, da im Jahr 2003 die VCfinanzierten<br />
Gesellschaften noch den größeren Anteil (56 %)<br />
<strong>der</strong> kapitalsuchenden Firmen ausmachten. Deren Anzahl hat<br />
sich jedoch deutlich reduziert (minus 32 %).<br />
Hinsichtlich des benötigten Kapital-Volumens unterscheiden<br />
sich VC- und nicht-VC-finanzierte Unternehmen zwar nach wie<br />
vor, jedoch hat die Differenz im Jahresvergleich abgenommen<br />
(siehe Abbildung 4-11, rechter Teil). Die 38 bereits mit VC<br />
ausgestatteten, jedoch neues Kapital suchenden Firmen <strong>der</strong><br />
Studie benötigen 355 Mio. € und damit einen Anteil von 59<br />
Prozent des Gesamtkapitalbedarfs.<br />
Abbildung 4-11:<br />
Sample-Unternehmen mit Angaben zum Kapitalbedarf<br />
Anzahl Firmen<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
45<br />
56<br />
+11 %<br />
–32 %<br />
50<br />
38<br />
2003 2004<br />
Volumen (Mio. €)<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
156<br />
640<br />
+69 %<br />
–45 %<br />
263<br />
355<br />
2003 2004<br />
Abbildung 4-12:<br />
VC-finanzierte Sample-Unternehmen mit<br />
Angaben zu Cash-Reserven<br />
Anzahl Firmen<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
18<br />
27<br />
11<br />
Eine mit 69 Prozent enorme Steigerung bezüglich des<br />
gesuchten Kapitals ist bei den nicht VC-finanzierten Firmen zu<br />
verzeichnen, und zwar von 156 Mio. € im Vorjahr auf 263 Mio.<br />
€ im Jahr 2004.<br />
Wie Abbildung 4-12 belegt, ist <strong>der</strong> Zeitdruck bei den Firmen,<br />
die Kapital aufnehmen wollen, beträchtlich. Bei 57 Prozent <strong>der</strong><br />
VC-finanzierten Unternehmen (mit Angaben dazu) reichen die<br />
Bar-Reserven für weniger als ein Jahr. Im Jahresvergleich hat<br />
dabei die Anzahl <strong>der</strong>jenigen Firmen,<br />
<strong>der</strong>en Finanzierung noch für sieben bis<br />
zwölf Monate ausreicht (Stichtag Ende<br />
2004), drastisch abgenommen.<br />
Für 2005 ist damit wohl erneut mit weiteren<br />
Insolvenzen zu rechnen.<br />
nicht VCfinanziert<br />
VC-finanziert<br />
12<br />
12<br />
2003 2004<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
18<br />
über 12 Monate<br />
7 bis 12 Monate<br />
0 bis 6 Monate<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
114 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
4.3 Börse und Kapitalmarkt<br />
Nachdem sich Ende 2003 das Börsenfenster in den USA wie<strong>der</strong><br />
geöffnet hatte, konnte im vergangenen Jahr auch erstmals seit<br />
2001 wie<strong>der</strong> ein deutsches Biotech-Unternehmen einen<br />
Börsengang realisieren.<br />
Die Berliner Epigenomics, ein Molekulardiagnostik-Unternehmen,<br />
das Diagnostik-Tests auf Basis <strong>der</strong> DNS-Methylierung<br />
entwickelt, gab am 16. Juli 2004 den Ausgabepreis seiner<br />
Aktien bekannt, die in <strong>der</strong> Zeit vom 5. bis 16. Juli 2004<br />
öffentlich angeboten wurden und am 14. Juli 2004 erstmals zum<br />
Handel an <strong>der</strong> Frankfurter Wertpapierbörse im amtlichen Markt<br />
(Prime Standard) zugelassen waren. Der Angebotspreis betrug<br />
neun Euro pro Aktie. Mit rund 4,6 Millionen ausgegebenen<br />
Aktien belief sich <strong>der</strong> Bruttoemissionserlös auf ca. 41,6 Mio. €.<br />
Die Notierungsaufnahme erfolgte am 19. Juli 2004 unter dem<br />
Börsenkürzel ECX.<br />
Für den Rest des Jahres 2004 wagte kein Biotech-Unternehmen<br />
mehr den Sprung an die Börse, obwohl einige weitere Firmen in<br />
den Startlöchern für einen IPO (Initial Public Offering) stehen.<br />
Als weitere Kandidaten wurden und werden unter an<strong>der</strong>em<br />
DeveloGen, Jerini, micromet, PAION und Wilex gehandelt. Von<br />
<strong>der</strong> genannten Gruppe hat dann im ersten Quartal 2005<br />
lediglich PAION den Börsengang erfolgreich in Angriff<br />
genommen.<br />
Nach einem spannenden Poker um den Ausgabekurs für die<br />
neuen Aktien – diese waren im Rahmen eines öffentlichen<br />
Angebots zuletzt mit einer Preisspanne von acht bis 14 Euro<br />
angeboten worden – wurde <strong>der</strong> Preis auf acht Euro pro Aktie<br />
festgesetzt. Bei fünf Millionen platzierten Aktien (ohne<br />
Mehrzuteilung) – dies entspricht 33,3 Prozent des Grundkapitals<br />
<strong>der</strong> PAION nach dem Börsengang – betrug das<br />
Emissionsvolumen 40 Mio. €. Die rechnerische Marktkapitalisierung<br />
<strong>der</strong> Firma belief sich zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Erstnotierung<br />
auf 120 Mio. €. Die Emission war deutlich überzeichnet:<br />
Nachfrage bestand beson<strong>der</strong>s bei institutionellen Anlegern aus<br />
Großbritannien, <strong>der</strong> Schweiz und den Vereinigten Staaten.<br />
Für das Jahr 2004 erhöhte sich mit dem Börsengang <strong>der</strong><br />
Epigenomics die Zahl <strong>der</strong> gelisteten deutschen Core-Biotech-<br />
Unternehmen von zuvor elf auf zwölf Gesellschaften.<br />
Abbildung 4-15 zeigt die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesamt-Marktkapitalisierung<br />
<strong>der</strong> börsennotierten Core-Biotech-Unternehmen<br />
für den Zeitraum Januar 2003 bis März 2005 auf. Es handelt<br />
sich hierbei nicht um eine Kurs- o<strong>der</strong> Indexdarstellung, son<strong>der</strong>n<br />
um die Summe <strong>der</strong> Unternehmenswerte in Millionen Euro<br />
dargestellt.<br />
Die Gesamt-Marktkapitalisierung konnte sich im Verlauf von<br />
2003 sichtbar erhöhen.<br />
Abbildung 4-13:<br />
Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesamt-Marktkapitalisierung <strong>der</strong> börsennotierten Core-Biotech-Unternehmen<br />
(Stichtag: jeweils Ende des Monats)<br />
Marktkapitalisierung in Mio. €<br />
2.300<br />
2.100<br />
1.900<br />
1.700<br />
1.500<br />
1.300<br />
1.100<br />
900<br />
0<br />
Börsengang Epigenomics<br />
Jan 03<br />
Mär 03<br />
Mai 03<br />
Jul 03<br />
Sep 03<br />
Nov 03<br />
Jan 04<br />
Mär 04<br />
Mai 04<br />
Jul 04<br />
Sep 04<br />
Nov 04<br />
Jan 05<br />
Mär 05<br />
Quelle: Deutsche Börse, <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
115
F INANZIERUNG UND K APITALMARKT<br />
Sie fiel jedoch bis zur Jahresmitte 2004 nochmals deutlich<br />
zurück, um dann zum ersten Quartal 2005 fast wie<strong>der</strong> auf den<br />
Wert von Anfang des Jahres 2004 zu steigen. Gründe für die<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Gesamt-Marktkapitalisierung in <strong>der</strong> zweiten<br />
Jahreshälfte waren zum einen <strong>der</strong> Börsengang von Epigenomics<br />
sowie die Kapitalerhöhung von GPC Biotech. Zum an<strong>der</strong>en<br />
erholten sich ab diesem Zeitpunkt auch die Kurse <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
gelisteten Biotech-Unternehmen, so dass die Unternehmenswerte<br />
in <strong>der</strong> zweiten Jahreshälfte 2004 um gut 20 Prozent<br />
anstiegen.<br />
Jedoch ist diese scheinbare Erholung lediglich auf einzelne<br />
Unternehmen zurückzuführen: Eine sichtbare positive Entwicklung<br />
ab Mitte 2004 zeigten zum Beispiel die Werte von GPC<br />
Biotech, MediGene und MorphoSys (siehe Abbildung 4-14).<br />
Bei GPC beruht <strong>der</strong> starke Sprung auf <strong>der</strong>en Kapitalerhöhung<br />
mit <strong>der</strong> Ausgabe neuer Aktien Ende Juni 2004.<br />
Insgesamt hat sich mit <strong>der</strong> aufgezeigten Entwicklung die<br />
Gesamt-Marktkapitalisierung <strong>der</strong> gelisteten Core-Biotech-<br />
Firmen im Zweijahreszeitraum 2003 und 2004 ungefähr<br />
verdoppeln können. Dieses beruht jedoch hauptsächlich auf <strong>der</strong><br />
positiven Entwicklung im Jahr 2003, da das Jahr 2004 an sich<br />
keine Erhöhung, son<strong>der</strong>n eher eine leichte Reduktion <strong>der</strong><br />
Marktwerte <strong>der</strong> deutschen Biotech-Unternehmen brachte.<br />
Nach dem Tiefstand Mitte 2002 liegt damit dennoch eine<br />
durchaus erfreuliche Verbesserung vor, wenn auch die<br />
„goldenen Zeiten“ des Börsen-Booms von Ende 1999 bis Ende<br />
2000 bei weitem nicht wie<strong>der</strong> erreicht werden konnten.<br />
Bei <strong>der</strong> Kursentwicklung konnten im Vergleich von Anfang und<br />
Ende des Jahres 2004 lediglich die Aktien von MediGene und<br />
MorphoSys deutlich zulegen. Die Werte <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en gelisteten<br />
Biotech-Firmen blieben entwe<strong>der</strong> auf ähnlichem Niveau o<strong>der</strong><br />
mussten sogar Verluste von zum Teil mehr als 50 Prozent<br />
hinnehmen.<br />
Spitzenreiter bei <strong>der</strong> positiven Entwicklung war die Aktie von<br />
MorphoSys, <strong>der</strong>en Wert sich ungefähr vervierfachen konnte<br />
(von rund 10 Euro auf rund 40 Euro). Der Kurs <strong>der</strong> MediGene-<br />
Aktie konnte immerhin noch fast eine Verdopplung von sechs<br />
auf zehn Euro realisieren. Bei beiden Unternehmen beruht <strong>der</strong><br />
Kursanstieg auf einer positiven Unternehmensentwicklung.<br />
Wie die meisten <strong>der</strong> deutschen börsennotierten Core-Biotech-<br />
Unternehmen haben diese beiden Firmen 2004 erfolgreich eine<br />
Kapitalerhöhung platziert (siehe Tabelle 4-3).<br />
Ein öffentliches Angebot von neuen Aktien über die US-Börse<br />
NASDAQ hat GPC Biotech Ende Juni letzten Jahres realisiert.<br />
Abbildung 4-14:<br />
Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Marktkapitalisierung <strong>der</strong> börsennotierten Core-Biotech-Unternehmen*<br />
(Stichtag: Ende des Monats)<br />
350<br />
300<br />
Marktkapitalisierung in Mio. €<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
GPC Biotech AG<br />
Evotec OAI AG<br />
MediGene AG<br />
MorphoSys AG<br />
LION bioscience AG<br />
Epigenomics AG<br />
november AG<br />
MWG-Biotech AG<br />
Genescan Europe AG<br />
CO.DON AG<br />
MOLOGEN AG<br />
0<br />
Mär 03<br />
Mai 03<br />
Jul 03<br />
Sep 03<br />
Nov 03<br />
Jan 04<br />
Mär 04<br />
Mai 04<br />
Jul 04<br />
Sep 04<br />
Nov 04<br />
Jan 05<br />
Mär 05<br />
* Ohne Darstellung von Qiagen, da sich <strong>der</strong>en weitaus höhere Marktkapitalisierung (rund 1,3 Mrd. €) in dieser Abbildung nicht vernünftig darstellen lässt.<br />
Seit Anfang 2003 hat sich <strong>der</strong> Kurs von rund 6 € auf 12 € verdoppeln können und liegt <strong>der</strong>zeit bei rund 10 €.<br />
Quelle: Deutsche Börse, <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
116 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Dr. Mirko Scherer, CFO, und Martin Brändle,<br />
Assoc. Director Investor Relations & Corp. Comm.<br />
GPC Biotech AG, München<br />
Kapitalerhöhung in Verbindung mit NASDAQ-Listing<br />
Mit Finanzmitteln von rund 85 Millionen Euro zum 31. März 2004 war GPC Biotech zu<br />
diesem Zeitpunkt eines <strong>der</strong> am besten finanzierten Biotech-Unternehmen in Europa. Im<br />
Sommer 2004 wurde eine weitere Kapitalerhöhung durchgeführt, die mit einer<br />
Notierung von American Depositary<br />
Shares (ADS) des Unternehmens an<br />
<strong>der</strong> NASDAQ verbunden war. Mit<br />
einem Bruttoerlös von rund 87<br />
Millionen Euro war diese Kapitalmaßnahme<br />
die größte Finanzierung<br />
eines deutschen Biotech-Unternehmens<br />
über den Kapitalmarkt seit<br />
dem Jahr 2000.<br />
Gründe für die Kapitalerhöhung im<br />
Sommer 2004<br />
Die GPC Biotech AG ist in <strong>der</strong> Entdeckung<br />
und Entwicklung neuartiger Krebsmedikamente tätig. Der am weitesten in <strong>der</strong><br />
Entwicklung fortgeschrittene Medikamentenkandidat Satraplatin befindet sich <strong>der</strong>zeit<br />
in einer Phase-3-Zulassungsstudie als Zweitlinien-Chemotherapie zur Behandlung von<br />
Patienten mit hormonresistentem Prostatakrebs.<br />
Satraplatin gehört zur Gruppe <strong>der</strong> Platin-Derivate, die zur Behandlung einer breiten<br />
Palette von Krebsarten eingesetzt werden. Im Gegensatz zu den drei verfügbaren Vertretern<br />
dieser Wirkstoffklasse, die alle intravenös verabreicht werden müssen, können Patienten<br />
Satraplatin oral als Kapsel zu Hause einnehmen. Wir sind <strong>der</strong> Auffassung, dass<br />
auch Satraplatin potenziell bei verschiedenen Krebsarten eingesetzt werden könnte.<br />
Eine weitere potenzielle Anwendungsmöglichkeit von Satraplatin ist die Kombination<br />
mit Bestrahlungstherapie. Da die Bestrahlungszentren in <strong>der</strong> Regel nicht dafür<br />
eingerichtet sind, Chemotherapeutika intravenös zu verabreichen, ist die orale<br />
Verabreichungsform von Satraplatin beson<strong>der</strong>s vorteilhaft.<br />
Zu unserer Strategie gehört es, den kommerziellen Wert von Satraplatin zu steigern<br />
sowie die potenziellen Anwendungsmöglichkeiten wie beschrieben auszuweiten. Daher<br />
stellte sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt, eine Partnerschaft für die weitere<br />
Entwicklung und die zukünftige Vermarktung einzugehen. Ohne die im Sommer 2004<br />
erfolgreich durchgeführte Kapitalerhöhung hätte GPC Biotech zeitnah einen Partner für<br />
Satraplatin finden müssen. Wir sind jedoch <strong>der</strong> Auffassung, eine höhere Wertschöpfung<br />
für das Unternehmen und unsere Aktionäre erzielen zu können, indem wir die Entwicklung<br />
zunächst alleine weiter vorantreiben. Das Know-how ist hierfür vorhanden, die finanziellen<br />
Ressourcen waren jedoch beschränkt. Mit dem erfolgreichen Abschluss <strong>der</strong><br />
Kapitalerhöhung verfügen wir nun über beide Komponenten – die klinische Expertise<br />
und die nötigen Finanzmittel – um den Wert von Satraplatin steigern zu können.<br />
Kapitalerhöhung in Verbindung mit NASDAQ-Listing<br />
Die Aktien des Unternehmens werden seit dem Jahr 2000 an <strong>der</strong> Frankfurter<br />
Wertpapierbörse gehandelt. Im Zuge <strong>der</strong> Kapitalerhöhung wurden auch ADS an <strong>der</strong> US-<br />
Technologiebörse NASDAQ eingeführt.<br />
Die weltweite Verteilung <strong>der</strong> Biotechnologie-Branche ist sehr US-lastig. Daher sind mit<br />
weitem Abstand die meisten spezialisierten Biotech-Investoren am US-Kapitalmarkt<br />
aktiv. Diese asymmetrische Verteilung <strong>der</strong> Biotech-Industrie wird voraussichtlich in den<br />
kommenden Jahren noch weiter zunehmen, da die USA nicht nur <strong>der</strong> größte Absatzmarkt<br />
für Therapeutika sind, son<strong>der</strong>n vor allem<br />
auch die US-Biotech-Firmen neue Produkte<br />
einführen werden.<br />
Die individuellen Faktoren bei GPC Biotech<br />
waren letztlich jedoch <strong>der</strong> entscheidende<br />
Grund für das NASDAQ-Listing.<br />
So ist rund die Hälfte <strong>der</strong> Mitarbeiter des<br />
Unternehmens in den USA beschäftigt;<br />
außerdem befindet sich dort ein<br />
großer Teil <strong>der</strong> Wertschöpfung. Ein<br />
Börsenlisting in den USA war für GPC<br />
Biotech daher ein logischer Schritt.<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen und Erfahrungen beim und nach dem NASDAQ-Listing<br />
Um den großen Pool an Biotech-Investoren in den USA aktiver und direkter ansprechen<br />
zu können, müssen mit einem NASDAQ-Listing auch einige Herausfor<strong>der</strong>ungen in Kauf<br />
genommen werden. Als ein an <strong>der</strong> Deutschen Börse notiertes Unternehmen gestaltet<br />
sich bereits <strong>der</strong> Prozess des „Dual Listing“ als kompliziert. So gelten für beide<br />
Börsenplätze verschiedene Rechtssysteme; außerdem müssen bei <strong>der</strong> Erstellung des<br />
Verkaufsprospektes zwei unterschiedliche Börsenordnungen beachtet werden, die in<br />
einigen Bereichen zu Wi<strong>der</strong>sprüchen führen können. Sowohl auf Seiten <strong>der</strong> Anwälte wie<br />
auch <strong>der</strong> Wirtschaftsprüfer müssen daher spezialisierte Teams in Deutschland und in<br />
den USA involviert sein. Der zeitkritische Abstimmungsprozess wird dadurch wesentlich<br />
komplexer.<br />
Nach Aufnahme <strong>der</strong> Notierung ist die Einhaltung <strong>der</strong> US-Wertpapiervorschriften sehr<br />
zeitaufwendig und kostenintensiv.<br />
Hierbei darf man jedoch nie vergessen, dass die meisten unserer Vergleichsunternehmen<br />
US-Biotechs sind, welche die gleichen, harten Anfor<strong>der</strong>ungen erfüllen<br />
müssen. Erst durch das NASDAQ-Listing spielen wir in den Augen <strong>der</strong> amerikanischen<br />
Investoren „in <strong>der</strong> gleichen Liga“ wie die amerikanischen Biotech-Firmen. Erste<br />
„Indizien“ bestätigen uns darin, dass dies langfristig <strong>der</strong> richtige Schritt für GPC Biotech<br />
war: Das Interesse von US-Investoren an Gesprächen ist spürbar gestiegen, einzelne US-<br />
Analysten zeigen Interesse daran, Research-Coverage aufzunehmen, Einladungen zu<br />
zahlreichen Investorenkonferenzen in den USA werden ausgesprochen, ein erheblicher<br />
Anteil <strong>der</strong> Teilnehmer an Telefonkonferenzen kommt aus den USA und es erscheinen<br />
bereits neue US-Investoren auf den Aktionärslisten.<br />
www.gpc-biotech.com<br />
117
F INANZIERUNG UND K APITALMARKT<br />
Tabelle 4-3:<br />
Übersicht zu den Kapitalmaßnahmen deutscher, börsennotierter Core-<br />
Biotech-Unternehmen aus dem Jahre 2004<br />
Name Datum Kategorie Erlös (Mio. €)<br />
Epigenomics AG 19.07.2004 IPO 41,6<br />
Qiagen NV 04.08.2004 Convertible 124 (150 Mio. $)<br />
GPC Biotech AG 30.06.2004 Follow-on/PIPE 87<br />
MediGene AG 24.03.2004 PIPE/Follow-on/Convertible 16,7<br />
MediGene AG 15.11.2004 Follow-on/PIPE 21,6<br />
MorphoSys AG 19.05.2004 Convertible (Novartis) 9<br />
Evotec OAI AG 15.07.2004 PIPE 7,5<br />
MWG Biotech AG 12.07.2004 Follow-on 3,9<br />
MWG Biotech AG 23.12.2004 Convertible (Eurofins u. a.) 6,5<br />
MOLOGEN AG 20.12.2004 PIPE 1,9<br />
co.don AG 03.11.2004 Follow-on 0,3<br />
Eine Übersicht über die Kapitalmaßnahmen <strong>der</strong> deutschen,<br />
börsennotierten Core-Biotech-Unternehmen im Jahr 2004 gibt<br />
die Tabelle 4-3.<br />
Neben dem IPO von Epigenomics zählen dazu Follow-ons<br />
(Ausgabe von neuen Aktien an bereits bestehende Aktionäre<br />
bzw. über die Börse), PIPEs sowie die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen<br />
(Convertibles) o<strong>der</strong> Kombinationen<br />
daraus.<br />
Jüngst hinzugekommen ist eine erneute Kapitalerhöhung <strong>der</strong><br />
Münchener MorphoSys: Am 16. März 2005 konnte die Firma<br />
490.133 Aktien im Rahmen einer Privatplatzierung zu 35,50<br />
Euro pro Aktie platzieren. Das Unternehmen hat damit einen<br />
Bruttoemissionserlös in Höhe von rund 17,4 Mio. € erzielt. Die<br />
WestLB begleitete die Transaktion als Sole-Lead-Manager. Der<br />
Emissionserlös soll für existierende und zukünftige Expansionsmöglichkeiten<br />
eingesetzt werden, um das interne und<br />
externe Umsatzwachstum – hauptsächlich im Bereich <strong>der</strong><br />
Forschungsantikörper – zu beschleunigen.<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Die hohen Kosten eines Listings an <strong>der</strong><br />
US NASDAQ haben im November 2004<br />
LION dazu bewogen, ein Delisting zu<br />
beschließen. Die Meldung dazu lautete:<br />
„Die LION bioscience AG hat heute die<br />
freiwillige Einstellung ihrer Börsennotierung<br />
(American Depositary Shares:<br />
ADSs) am NASDAQ und damit die<br />
Beendigung des ADR-Programmes<br />
(American Depositary Receipts: ADRs)<br />
mit Wirkung zum Handelsschluss am 22.<br />
Dezember 2004 bekannt gegeben. Von<br />
diesem Datum an werden von LION<br />
bioscience ausgegebene ADSs nicht<br />
mehr an <strong>der</strong> NASDAQ gehandelt werden<br />
können. Wie die Gesellschaft bereits am<br />
23. Juni 2004 bekannt gab, hat <strong>der</strong><br />
Vorstand die Vor- und Nachteile des<br />
Delistings von <strong>der</strong> NASDAQ und <strong>der</strong> Beendigung des ADR-<br />
Programms untersucht. Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> geringen<br />
Handelsumsätze an <strong>der</strong> NASDAQ und den Kosten in<br />
Verbindung mit den Notierungsfolgepflichten und <strong>der</strong><br />
Aufrechterhaltung des ADR-Programmes sowie den Kosten in<br />
Zusammenhang mit den Reporting-Anfor<strong>der</strong>ungen gemäß<br />
Securities Exchange Act, hat <strong>der</strong> Vorstand von LION bioscience<br />
keine wesentlichen Vorteile in <strong>der</strong> Fortsetzung des ADR-<br />
Programms und <strong>der</strong> Notierung an <strong>der</strong> NASDAQ festgestellt.“<br />
„Der positive Trend an den Kapitalmärkten hinsichtlich Biotech-<br />
IPOs in 2004 sowie die abgeschlossenen, größeren Finanzierungsrunden<br />
sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass<br />
Nachhaltigkeit des Geschäftmodells und damit verbunden das<br />
Erreichen <strong>der</strong> Profitabilität, die wichtigsten Themen bleiben<br />
werden. Firmen aus Sicht von VCs in einer Art zu finanzieren, dass<br />
dies erreicht werden kann, wird dann auch dazu führen, dass<br />
institutionelle Investoren eher bereit sind, einen adäquaten IPO-<br />
Preis zu bezahlen und diese Firmen zu unterstützen. In diesem<br />
Zusammenhang erscheint eine Vorwärtsintegration, z. B. bis hin<br />
zur eigenen Vermarktung von Orphan-Drug- o<strong>der</strong> Nischen-<br />
Produkten unausweichlich. Die größte Herausfor<strong>der</strong>ung für VCs in<br />
2005 wird aber trotz <strong>der</strong> immer reiferen Biotech-Firmen weiterhin<br />
<strong>der</strong> IPO-Markt speziell in Deutschland bleiben.“<br />
Dr. Klaus Stöckemann, Partner, 3i Deutschland, München<br />
118 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
5. Standort Deutschland<br />
Die Attraktivität des Standorts Deutschland ist <strong>der</strong>zeit<br />
Gegenstand vieler Diskussionen. Arbeitslosigkeit, Verlagerung<br />
von Arbeitsplätzen ins Ausland, Abwan<strong>der</strong>ung von Firmen, zu<br />
hohe Abgaben, Rückstände bei Forschung und Innovation sowie<br />
viele an<strong>der</strong>e Themen betreffen auch die Biotech-Industrie.<br />
Doch von außen betrachtet sieht manches an<strong>der</strong>s aus, denn<br />
Deutschland genießt bei internationalen Unternehmen nach wie<br />
vor einen guten Ruf. Das ist das Ergebnis einer im letzten Jahr<br />
durchgeführten Umfrage von <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> unter mehr als 500<br />
ausländischen, international tätigen Unternehmen. 19 Prozent<br />
dieser Unternehmen gaben an, dass Deutschland für sie einer<br />
<strong>der</strong> drei attraktivsten Standorte weltweit ist.<br />
Beson<strong>der</strong>s geschätzt wird Deutschland wegen seiner Infrastruktur<br />
(Verkehrswege und Telekommunikation), <strong>der</strong> Qualität<br />
von Forschung und Entwicklung, <strong>der</strong> Ausbildung<br />
<strong>der</strong> Arbeitskräfte und <strong>der</strong> Produktivitätssteigerungen,<br />
die am Standort<br />
Deutschland erreicht werden können. Die<br />
wichtigsten Nachteile sind aus Sicht <strong>der</strong><br />
ausländischen Unternehmen die Arbeitskosten<br />
und die fehlende arbeitsrechtliche<br />
Flexibilität für Firmen.<br />
Bei internationalen Unternehmen gelten<br />
nur China und die USA mit 37 bzw. 30<br />
Prozent als attraktivere Standorte. Deutschland<br />
wird gefolgt von Großbritannien (16<br />
%), Polen (15 %), Tschechien (11 %) und<br />
Indien (11 %).<br />
40 Prozent <strong>der</strong> befragten internationalen<br />
Unternehmen gab an, in Zukunft Aktivitäten<br />
in Deutschland auf- o<strong>der</strong> bestehende<br />
Nie<strong>der</strong>lassungen ausbauen zu wollen.<br />
30 Prozent <strong>der</strong> Befragten glauben zudem,<br />
dass sich die Attraktivität Deutschlands<br />
als Investitionsstandort in Zukunft noch<br />
erhöhen wird. 45 Prozent gehen von einer gleich bleibenden<br />
Attraktivität aus und nur 19 Prozent rechnen damit, dass<br />
Deutschland an Attraktivität verlieren wird.<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> vorliegenden Studie wurden die Biotech-<br />
Unternehmen auch zur Einschätzung wichtiger Standortfaktoren<br />
befragt. Die Ergebnisse dazu stellt Abbildung 5-1 dar.<br />
Als wichtigste Voraussetzungen für einen attraktiven Standort<br />
gelten demnach das wissenschaftliche Umfeld, die Infrastruktur<br />
sowie <strong>der</strong> Zugang zu (Fach-)Mitarbeitern.<br />
Deutlich dahinter folgen die Verkehrsanbindung bzw. Erreichbarkeit,<br />
Netzwerke sowie Kosten für Mieten und ähnliches.<br />
Einen weiteren Block bilden die Nähe zu Kliniken, die<br />
Lebensqualität, das politische Umfeld sowie För<strong>der</strong>möglichkeiten<br />
und an<strong>der</strong>e Finanzierungsquellen, vor allem Risikokapital.<br />
Kunden bzw. Pharma-Unternehmen müssen offensichtlich nicht<br />
in <strong>der</strong> unmittelbaren Nähe sein. Ihre globale Präsenz lässt<br />
regionale Standorte offenbar weniger wichtig erscheinen.<br />
Abbildung 5-1:<br />
Ranking von wichtigen Standortfaktoren<br />
Wissenschaftliches Umfeld<br />
Infrastruktur<br />
Mitarbeiter (Verfügbarkeit und Kompetenz)<br />
Verkehrsanbindung/Erreichbarkeit<br />
Netzwerk/Biotechfirmen vor Ort<br />
Geringe Kosten für Mieten u. a.<br />
Kliniknähe<br />
Lebensqualität<br />
Politisches Umfeld<br />
För<strong>der</strong>möglichkeiten<br />
Finanzierungsquellen (v. a. VC)<br />
Kunden/Marktnähe<br />
Nähe zu Phamafirma<br />
6<br />
5<br />
5<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
9<br />
9<br />
8<br />
13<br />
13<br />
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20<br />
Anteil gruppierter Freitext-Nennungen in %<br />
(n = 335 Angaben von 148 Firmen; Mehrfachnennungen möglich)<br />
19<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
119
S TANDORT D EUTSCHLAND<br />
Aktivitäten von Bund und Län<strong>der</strong>n<br />
Obwohl das politische Umfeld sowie För<strong>der</strong>möglichkeiten<br />
lediglich mit zehn Prozent <strong>der</strong> Angaben als wichtige Standortfaktoren<br />
eingeschätzt werden, sind die Bemühungen auf Seiten<br />
von Bund und Län<strong>der</strong>n groß, die Attraktivität des Forschungsund<br />
Innovationsstandortes Deutschlands zu sichern bzw. zu<br />
steigern. So haben Bund und Län<strong>der</strong> im<br />
November 2004 einen Pakt für Forschung<br />
und Innovation beschlossen.<br />
Der Pakt ist Teil <strong>der</strong> Agenda 2010 und <strong>der</strong><br />
Innovationsinitiative <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
und sieht vor, den großen Forschungs-<br />
und Wissenschaftsorganisationen<br />
mit einer fest zugesagten jährlichen<br />
Erhöhung <strong>der</strong> institutionellen För<strong>der</strong>ung<br />
um drei Prozent finanzielle Planungssicherheit<br />
zu geben. Profitieren werden<br />
davon die Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft<br />
Deutscher Forschungszentren<br />
(HGF), die Max-Planck- (MPG) und die<br />
Fraunhofer-Gesellschaft (FhG), die Leibniz-Gemeinschaft<br />
(WGL) sowie die deutsche<br />
Forschungsgemeinschaft (DFG).<br />
Nach den <strong>der</strong>zeitigen Planungen werden<br />
sich in 2005 die gemeinsamen Zuwendungen von Bund und<br />
Län<strong>der</strong>n auf rund 3,8 Mrd. € belaufen. Die Deutsche<br />
Forschungsgemeinschaft bekommt vor allem für die För<strong>der</strong>ung<br />
von Hochschulen rund 1,3 Mrd. €.<br />
Mit dem Pakt soll sichergestellt werden, dass nicht nur mehr<br />
Geld an die Forschungsorganisationen fließt, son<strong>der</strong>n auch, dass<br />
sich die Organisationen im Gegenzug dazu verpflichten, die<br />
Qualität ihrer Forschung zu steigern. Insbeson<strong>der</strong>e sollen die<br />
För<strong>der</strong>ung von Exzellenz in <strong>der</strong> Forschung, die Nachwuchsund<br />
Frauenför<strong>der</strong>ung, die Steigerung von Wettbewerb innerhalb<br />
<strong>der</strong> Organisationen und die Intensivierung <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />
mit an<strong>der</strong>en außeruniversitären Forschungseinrichtungen und<br />
<strong>der</strong> universitären Forschung, einschließlich <strong>der</strong> Wirtschaft,<br />
verfolgt werden.<br />
Neben <strong>der</strong> Forschungsför<strong>der</strong>ung wurde im vergangenen Jahr<br />
auch die Finanzierung von Unternehmen „angepackt“: Im<br />
November hat die KfW-Mittelstandsbank ihre neue Programmstruktur<br />
im Bereich <strong>der</strong> Beteiligungsfinanzierung vorgestellt.<br />
Drei Programme bilden nun den Kern <strong>der</strong> Beteiligungsfinanzierung.<br />
"Auch mit einer zaghaften Aufhellung des<br />
biotechnologischen Geschäftsklimas in<br />
Deutschland sehen wir die Schere zu den<br />
USA und auch neuerdings zu den asiatischen<br />
Clustern, wie Singapur, weiter aufgehen.<br />
Viele deutsche Unternehmen<br />
agieren zunehmend aus einem großen<br />
Kostendruck heraus, <strong>der</strong> zu Lasten <strong>der</strong><br />
Innovationen geht.<br />
CureVac versucht dem gegenzusteuern,<br />
indem schon seit Gründung eine umsatzgesteuerte<br />
Business-Einheit aufgebaut<br />
wurde, die Innovationen stützt und zur<br />
Finanzierung beiträgt.“<br />
Dr. Ingmar Hörr, CEO CureVac GmbH,<br />
Tübingen<br />
Im Early-Stage-Bereich bietet <strong>der</strong> neue ERP-Startfonds, <strong>der</strong> seit<br />
1. November 2004 verfügbar ist, Eigenkapital für junge<br />
Technologieunternehmen bis 5 Jahre. Die KfW-Mittelstandsbank<br />
wird sich hier, parallel zu einem privaten Co-Investor,<br />
direkt an jungen, technologieorientierten Unternehmen<br />
beteiligen. Ein spezielles Modul „Frühphase“ stellt Beteiligungen<br />
für neu gegründete Unternehmen bereit. Insgesamt<br />
stehen im ERP-Startfonds 250 Mio. € zur<br />
Verfügung, die das Bundesministerium<br />
für Wirtschaft und Arbeit aus dem ERP-<br />
Son<strong>der</strong>vermögen sowie die KfW eingelegt<br />
haben.<br />
Der Later-Stage-Bereich <strong>der</strong> KfW-<br />
Beteiligungsfinanzierung bietet mit dem<br />
ERP-Beteiligungsprogramm Eigenkapitalfinanzierungen<br />
für etablierte Mittelständler.<br />
Die KfW-Mittelstandsbank<br />
investiert dabei nicht direkt in das<br />
Unternehmen, son<strong>der</strong>n stellt einem<br />
Beteiligungsgeber (i. d. R. mittelständische<br />
Beteiligungsgesellschaften) ein Refinanzierungsdarlehen<br />
zur Verfügung.<br />
Mit <strong>der</strong> Initiative „Eigenkapital für den<br />
breiten Mittelstand“ versucht die KfW-<br />
Mittelstandsbank darüber hinaus, die<br />
bestehende „Angebotslücke“ bei Beteiligungen zwischen 1 und<br />
5 Mio. € zu schließen. Ein erster Pilotfonds in Bayern ist bereits<br />
gestartet.<br />
Zudem wurde jüngst die Auflegung eines High-Tech<br />
Grün<strong>der</strong>fonds angekündigt, <strong>der</strong> Wagniskapital für junge<br />
Technologieunternehmen bereitstellen soll. 260 Mio. € werden<br />
bis 2010 im Rahmen <strong>der</strong> Innovationsinitiative, mit <strong>der</strong> Politik,<br />
Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften Deutschlands<br />
Platz an <strong>der</strong> internationalen Spitze <strong>der</strong> Industrielän<strong>der</strong> sichern<br />
wollen, zur Verfügung gestellt.<br />
Der Bund, die KfW-Bankengruppe und die Firmen BASF,<br />
Deutsche Telekom und Siemens haben hierfür einen gemeinsamen<br />
Fonds aufgelegt. Dieser ist das Ergebnis des Arbeitskreises<br />
„Wagniskapital“, eine von 13 Fachgruppen <strong>der</strong> Initiative<br />
„Partner für Innovation“, in denen neue Projekte zur<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Innovationsfähigkeit Deutschlands erarbeitet<br />
werden.<br />
120 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Neben <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Forschung und Innovation hat <strong>der</strong><br />
Bund im vergangenen Jahr jedoch auch Maßnahmen ergriffen,<br />
die <strong>der</strong> deutschen Biotech-Branche erneut Steine in den Weg<br />
legen: die Verabschiedung des neuen Gentechnikgesetzes, das<br />
seit Anfang 2005 in Kraft ist.<br />
Die umstrittene Novellierung bezieht sich vor allem auf verschärfte<br />
Regelungen für den Bereich <strong>der</strong> Grünen Gentechnik,<br />
umfasst jedoch auch Erleichterungen bei gentechnischen Arbeiten<br />
in geschlossenen Systemen.<br />
Nach diversen Einsprüchen gegen das Gesetz (s. u.) wird seit<br />
Mitte März an einer Kompromisslösung gearbeitet, bei <strong>der</strong><br />
Nachbesserungen bei den restriktiven Regelungen erfolgen<br />
sollen. Im Einzelnen sollen vor allem die öffentlichen Angaben<br />
zu Anbauflächen eingeschränkt sowie ein vom Bund mitfinanzierter<br />
Haftungsfond eingerichtet werden. Nachbesserungen<br />
wurden dabei auch von <strong>der</strong> Europäischen Kommission<br />
(„Blauer Brief“) gefor<strong>der</strong>t, da das Gentechnikgesetz nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> Kommission in zahlreichen Punkten gegen die geltenden<br />
EU-Richtlinien verstößt.<br />
Stellungnahme deutscher Biotechnologie-Verbände zur Verabschiedung des neuen Gentechnikgesetzes<br />
im Deutschen Bundestag<br />
BIO Deutschland (26.11.2004): Ein Ende <strong>der</strong> „schizophrenen Politik“ <strong>der</strong> Bundesregierung for<strong>der</strong>t angesichts <strong>der</strong> Verabschiedung<br />
des neuen Gentechnikgesetzes heute im Bundestag <strong>der</strong> Branchenverband <strong>der</strong> Biotechnologie-Industrie, die BIO Deutschland. Es<br />
kann nicht sein, dass Wirtschafts- und Forschungsministerium die Biotechnologie hierzulande nach Kräften unterstützen, während<br />
Landwirtschafts- und Umweltministerium mit gesetzgeberischen Mitteln die Entwicklung <strong>der</strong> Biotech-Branche zu verhin<strong>der</strong>n<br />
suchen. Mit dem neuen Gentechnikgesetz aus dem Hause von Agrarministerin Renate Künast wird die Grüne Biotechnologie – also<br />
die Pflanzenzüchtung mit Hilfe <strong>der</strong> Gentechnik – aus Deutschland vertrieben, allen wissenschaftlichen Erkenntnissen und <strong>der</strong><br />
Politik <strong>der</strong> Europäischen Union zum Trotz. Als rohstoffarmes Land ist Deutschland auf die Entwicklung zukunftsträchtiger Technologien<br />
angewiesen, um auch künftig auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Doch ein Teil <strong>der</strong> Bundesregierung ist dabei, einen<br />
kompletten Technologiezweig, in dem Deutschland sogar eine Führungsposition einnimmt, mitsamt <strong>der</strong> bestehenden und<br />
zukünftigen Arbeitsplätze ins Ausland zu treiben.<br />
Angesichts <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Biotechnologie für die Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschland ist die Verabschiedung dieses<br />
Gentechnikgesetzes ein völlig falsches Signal: Statt die junge Branche nach Kräften zu unterstützen, wird sie aus ideologischen<br />
Gründen einem praxisfernen Regelwerk unterworfen, das nicht im Einklang mit den entsprechenden wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen steht. Die BIO Deutschland geht außerdem davon aus, dass das neue Gentechnikgesetz in wesentlichen Teilen im<br />
Wi<strong>der</strong>spruch zu den einschlägigen Vorschriften <strong>der</strong> Europäischen Union steht, und erwartet, dass die EU-Kommission Deutschland<br />
gemäß §226 EG-Vertrag abmahnen wird („Blauer Brief“).<br />
Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (26.11.2004): Die Wirtschaft ist tief enttäuscht, dass die Bundesregierung ein<br />
innovationsfeindliches Gentechnikgesetz verabschiedet hat, obwohl das zuständige Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft<br />
(BMVEL) die Mängel im Gesetz selbst erkannt hat, zum Beispiel die Rechtsunsicherheiten bei <strong>der</strong> neu gefassten Definition für<br />
„Freisetzung“ und „Inverkehrbringen“. Daher wollte das BMVEL eine Klärung bei <strong>der</strong> EU-Kommission herbeiführen. „Innovationen<br />
werden per Gesetz blockiert und die Zusagen von Frau Künast, die sie erst vor kurzem vor dem Bundesrat gemacht hat, werden<br />
nicht eingehalten“, kritisierte Peter Stadler, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB), das Abstimmungsergebnis<br />
heute im Bundestag. „Wir steuern damit in Deutschland in <strong>der</strong> Pflanzenbiotechnologie auf ein langjähriges Koma<br />
zu.“<br />
Die Probleme, die die Wirtschaft dargelegt hat, wurden bisher vom Künast-Ministerium nicht aufgegriffen. Das Gesetz zementiert<br />
die von <strong>der</strong> Wirtschaft und <strong>der</strong> EU-Kommission kritisierte einseitige Belastung von Landwirten, die gentechnisch verän<strong>der</strong>te Pflanzen<br />
anbauen möchten. Die nachbarschaftliche Koexistenz wird letztlich unmöglich gemacht und Wahlfreiheit wird nur auf dem<br />
Papier bestehen. Weiterhin enthält das Gesetz unzumutbare Haftungsregelungen, verhin<strong>der</strong>t praxisnahe Forschung und Produktentwicklung<br />
und gefährdet weitere Investitionen <strong>der</strong> Wirtschaft in Deutschland.<br />
Dr. Ricardo Gent, Geschäftsführer <strong>der</strong> DIB, erklärte: „Für Wissenschaft, Wirtschaft und Landwirtschaft wird das Gesetz einen<br />
jahrelangen Innovationsstau nach sich ziehen. Die ökologischen und ökonomischen Vorteile <strong>der</strong> Biotechnologie bleiben weiterhin<br />
dem Ausland vorbehalten, während wir die Produkte zunehmend importieren. Pflanzenbiotechnologie aus Deutschland wird im<br />
globalen Wettbewerb keine ernst zu nehmende Rolle mehr spielen. Wir verstehen nicht, warum Gesetze, bei denen <strong>der</strong> Gesetzgeber<br />
selbst Probleme sieht, trotzdem beschlossen werden. Deshalb werden wir diese Entscheidung nicht einfach hinnehmen.“<br />
121
S TANDORT D EUTSCHLAND<br />
5.1 Wertschöpfungsnetz „Life Sciences“<br />
Bisher wurden Technologien und Produkte,<br />
Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien<br />
sowie die Finanzierungssituation<br />
<strong>der</strong> Biotech-Industrie im Detail<br />
beleuchtet. Deren Entwicklung steht jedoch<br />
in engem Zusammenhang mit<br />
allgemeinen Rahmenbedingungen des<br />
Life-Sciences-Standorts Deutschland.<br />
Von daher wurden die Biotech-Unternehmen<br />
zusätzlich zu Faktoren befragt,<br />
die eine erfolgreiche Geschäftsentwicklung<br />
hemmen. Es ergab sich ein Profil,<br />
das in Abbildung 5-2 dargestellt ist.<br />
Dabei werden vor allem die unterschätzten<br />
langen Entwicklungs- und<br />
entsprechend lange Zulassungszeiten bis<br />
zur Einführung von Innovationen am<br />
Markt als schwierigste Hürde angegeben.<br />
An dritter Stelle stehen bereits staatliche<br />
Rahmenbedingungen wie Steuern, Bürokratie und die Gesetzgebung<br />
(insbeson<strong>der</strong>e Gentechnikgesetz bzw. Freisetzungsproblematik).<br />
Die Konfrontation mit konventionellen Technologien<br />
bzw. dem Wettbewerb folgen mit ähnlich hohen<br />
Wertungen. Als weitere hemmende Faktoren werden an<strong>der</strong>e<br />
allgemeine Rahmenbedingungen genannt.<br />
Bei diesen spielen die Faktoren Netzwerke, Wissen und<br />
Erfahrung, das Gesundheitssystem, Kapital, die öffentliche<br />
Einstellung, die Kunden sowie die Pharma-Industrie eine Rolle.<br />
Die Entwicklung <strong>der</strong> Unternehmen kann also nicht losgelöst<br />
von Rahmenbedingungen und dem näheren Umfeld <strong>der</strong> Firmen<br />
gesehen werden.<br />
Abbildung 5-2:<br />
Ranking von Bedingungen, die die Einführung von Innovationen<br />
am Markt behin<strong>der</strong>n<br />
Längere Entwicklungszeiten als geplant<br />
Langwierige Zulassungsverfahren<br />
Steuern, Bürokratie und Gesetzgebung<br />
Konventionelle Technologien<br />
Hoher Wettbewerbsdruck<br />
Starres Netzwerk aus herkömmlichen<br />
Interessensverbünden<br />
Fehlendes Wissen und mangelnde Erfahrung<br />
Gesundheitssystem<br />
Kapitalmangel*<br />
Öffentliche Einstellung<br />
Unbeständigkeit <strong>der</strong> Pharma-Industrie*<br />
Geldmangel <strong>der</strong> Kunden*<br />
2<br />
3<br />
0 2 4 6 8 10 12 14 16<br />
Anteil Nennungen in % (n = 317 Angaben von 152 Firmen;<br />
Mehrfachnennungen möglich)<br />
*diese Optionen waren nicht vorgegeben und entstammen <strong>der</strong> optionalen Freitextangabe<br />
Quelle: <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>, 2005<br />
Verschiedene Ebenen sind dabei denkbar:<br />
5<br />
6<br />
8<br />
8<br />
11<br />
10<br />
10<br />
• Life-Sciences-Cluster<br />
• Konvergenz <strong>der</strong> verschiedenen Life-Sciences-Gebiete<br />
• Wertschöpfungskette Life Sciences<br />
Für die weitere Entwicklung des Life-Sciences-Standorts<br />
Deutschland ist die Frage nach <strong>der</strong> geographischen Kräftebündelung<br />
im Gegensatz zur gegenwärtigen, stark regionalisierten<br />
Aufstellung zu stellen. Dem Vorbild <strong>der</strong> amerikanischen<br />
Life-Science-Cluster folgend wären ähnliche Fokussierungen<br />
auch in Deutschland denkbar.<br />
11<br />
14<br />
13<br />
Es erscheint daher angebracht, die Biotech-Industrie in<br />
Deutschland als Teil eines Netzwerkes zu betrachten und<br />
folglich die Positionierung und die Entwicklungsmöglichkeiten<br />
auch in Abhängigkeit vom Funktionieren dieses Netzwerkes zu<br />
beurteilen.<br />
Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung <strong>der</strong> deutschen<br />
Biotech-Industrie ist zu beachten, dass die einzelnen Gebiete<br />
<strong>der</strong> Life-Sciences-Industrie deutlich aufeinan<strong>der</strong> zu wachsen.<br />
Diese Konvergenzen erzeugen neue Innovationspotenziale an<br />
den Schnittstellen, die durch gezieltes Forcieren möglicherweise<br />
deutlich besser genutzt werden könnten, zumal Deutschland<br />
beispielsweise als Standort für die Medizintechnik bereits<br />
einen wichtigen internationalen Status einnimmt.<br />
122 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Wertschöpfungskette Life Sciences<br />
Die Wertschöpfungskette Life Sciences umfasst den Weg von<br />
Innovationen aus <strong>der</strong> Grundlagenforschung, ihrer Überführung<br />
in kommerzielle Forschung und Entwicklung bis zum Markteintritt.<br />
Die Biotech-Industrie ist in dieser Betrachtung eingebettet<br />
zwischen <strong>der</strong> Grundlagenforschung und <strong>der</strong> auf Entwicklung<br />
und vor allem Vermarktung fokussierten Pharma-Industrie.<br />
Abbildung 5-3:<br />
Wertschöpfungskette Life Sciences<br />
Abbildung 5-4:<br />
Problemstellungen in <strong>der</strong> deutschen Biotech-Industrie<br />
Grundlagenforschung<br />
Translation Gap<br />
Biotechnologie<br />
Seed Early Mid Late<br />
Financing Gap<br />
Partnering Gap<br />
Pharma<br />
Grundlagenforschung<br />
- Technische Neuerungen<br />
- Experimentelle Daten,<br />
Modelle<br />
- Innovationsideen,<br />
Konzepte<br />
- (Patentanmeldungen)<br />
Biotechnologie<br />
- Technologieplattform<br />
- Validierte Targets<br />
- Produktkandidaten<br />
- Services<br />
- Patente<br />
Pharma-<br />
Industrie<br />
- Entwicklungsprodukte<br />
- Marktprodukte<br />
Translation Gap sowie Partnering Gap werden im Folgenden<br />
ausführlicher erläutert, nachdem auf den Financing Gap bereits<br />
im Kapitel 4 eingegangen wurde.<br />
Translation Gap und Technologie-Transfer<br />
Streng genommen existieren auch Biotech-Firmen, die bis zum<br />
Markt vorwärts integriert sind; ebenso wie viele Pharma-Firmen<br />
nach wie vor forschend tätig sind. Dennoch gilt für das Gros <strong>der</strong><br />
Biotech-Branche die geschil<strong>der</strong>te Segmentierung.<br />
Dem Netzwerkgedanken folgend, ergeben sich weitere Erfolgsfaktoren,<br />
die mit <strong>der</strong> Präsenz und Qualität <strong>der</strong> Partner – Forschung<br />
und Pharma – und noch viel wichtiger mit dem Funktionieren<br />
<strong>der</strong> Schnittstellen zwischen den Segmenten zusammenhängen.<br />
In einer breiter angelegten Benchmarkstudie zur Beurteilung<br />
<strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> deutschen Life-Sciences-Industrie<br />
wurden von <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> explizit die hier aufgezeigte Life-<br />
Sciences Wertschöpfungskette analysiert und mit Hilfe einer<br />
Stärken-Schwächen-Analyse Aspekte identifiziert, die für die<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Biotech-Industrie große Bedeutung haben:<br />
• Translation Gap: Der Übergang von <strong>der</strong> Grundlagen- zur<br />
angewandten, kommerziellen Forschung ist unzureichend.<br />
• Financing Gap: Es fehlt speziell an Frühphasenkapital, und<br />
zwar sowohl in Deutschland als auch in Europa.<br />
• Partnering Gap: Für deutsche Biotech-Firmen ist zusehends<br />
auch <strong>der</strong> Abschluss von Partnerschaften schwierig.<br />
Translation steht für den Übergang von Ergebnissen aus <strong>der</strong><br />
Grundlagenforschung in die kommerzielle Entwicklung. Hier<br />
stellt die Biotechnologie ein wichtiges Bindeglied dar.<br />
Wenngleich die Forschung in Deutschland nach wie vor hoch<br />
angesehen ist und insbeson<strong>der</strong>e die Forscher international<br />
Anerkennung finden, so stecken die Prozesse zur Nutzung <strong>der</strong><br />
Ergebnisse noch in den Kin<strong>der</strong>schuhen. Erst nach dem Fall des<br />
Hochschullehrerprivilegs konnten die Hochschulen Eigentümer<br />
und Erstverwerter von Erfindungen an den Universitäten<br />
werden und folglich erst jüngst daran gehen, Verwertungsstrukturen<br />
für Patente aufzubauen. Es wird zwangsweise noch<br />
eine Weile dauern, bis solche Strukturen auch effizient arbeiten<br />
und entsprechende Einkünfte für die Universitäten generieren.<br />
Dagegen haben die USA mit einer sehr viel längeren Tradition<br />
<strong>der</strong> Patentverwertung bereits einen deutlichen Vorsprung.<br />
Insgesamt haben die amerikanischen Universitäten ihre Lizenzeinkommen<br />
zwischen 1991 und 2001 von 186 Mio. US-$ auf<br />
1,3 Mrd. US-$ steigern können. Diese Einkommen tragen inzwischen<br />
bei den amerikanischen Eliteuniversitäten in erheblichem<br />
Maße zur Finanzierung <strong>der</strong> Spitzenforschung bei.<br />
So bestreitet alleine die Stanford University mit Lizenzeinkommen<br />
in <strong>der</strong> Größenordnung von 50 Mio. US-$/Jahr (2002)<br />
etwa 12 Prozent ihres jährlichen Forschungsetats.<br />
123
S TANDORT D EUTSCHLAND<br />
Dr. Dieter Treichel,<br />
Garching Innovation GmbH, München<br />
Vom Labor zum Kunden – aber wie?<br />
Theoretisch ist <strong>der</strong> Technologietransfer als Weg aus dem Labor hin zum Kunden laut<br />
einer Definition <strong>der</strong> US-Regierung in nur 13 Worten zu beschreiben: „The process of<br />
transferring scientific findings from research laboratories to the commercial sector.“ In<br />
<strong>der</strong> Praxis bedarf es hierfür nicht selten 13 Jahre – wenn alles gut läuft. Wenn es nicht<br />
gut läuft, scheitern die Projekte bereits beim Start, da<br />
sich entwe<strong>der</strong> kein Lizenznehmer findet o<strong>der</strong> die<br />
Finanzierung einer geplanten Ausgründung scheitert,<br />
ein Problem, das gerade in <strong>der</strong> Biotechnologie häufig<br />
auftritt.<br />
Schnell wird dann <strong>der</strong> Ruf nach Patentrezepten laut. Die<br />
einen trauern um die guten, alten Zeiten, als mit Venture<br />
Capital alles möglich war, ganz so, als würde es sich um<br />
frei verfügbare För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong> handeln und als hätte <strong>der</strong><br />
Neue Markt tatsächlich funktioniert. Die an<strong>der</strong>en sehen<br />
die Lösung aller Probleme in dem aktuellen Zauberwort<br />
private public partnership und übersehen dabei völlig,<br />
dass die meisten wichtigen Entdeckungen, die später zu<br />
Durchbruchsinnovationen geführt haben, in <strong>der</strong> Grundlagenforschung gemacht wurden,<br />
ohne dass irgend jemand <strong>der</strong>en spätere Bedeutung auch nur geahnt hätte. So sind<br />
Einsteins Formeln notwendig für Raumfahrt und GPS, die Arbeiten von Heisenberg und<br />
Planck waren die Basis für die Entwicklung <strong>der</strong> Transistoren in Computern und<br />
Mobiltelefonen, und ohne Arber, Nathans und Smith gäbe es keine Biotechnologie. Die<br />
Vergangenheit zeigt, dass gerade die Projekte, die zu weit vom Markt entfernt sind, um<br />
einen Industriepartner zu finden, oft diejenigen mit einem beson<strong>der</strong>s hohen<br />
Innovationsgrad sind – sie bestimmen unsere Zukunft. O<strong>der</strong> mit den Worten Albert<br />
Einsteins: „Wenn man die Forschung nur den Ingenieuren überlässt, hätte man perfekt<br />
funktionierende Petroleumlampen, aber keinen elektrischen Strom.“<br />
Dass die Qualität <strong>der</strong> Forschung in Deutschland durchaus international konkurrenzfähig<br />
ist, kann man an verschiedenen Punkten aufzeigen. So zitieren zum Beispiel US-Patente<br />
nach einer OECD-Statistik öfter die Artikel deutscher Wissenschaftler als diejenigen <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en sieben großen Industrienationen. Auch die Unternehmen, die auf Basis <strong>der</strong><br />
Grundlagenforschung in den letzten Jahren entstanden sind, können sich international<br />
messen. Beispiele hierfür sind unter an<strong>der</strong>em die Max-Planck-Ausgründungen<br />
EvotecOAI, GPC Biotech, Morphosys, Epigenomics, Alnylam o<strong>der</strong> Sugen.<br />
Einen Vorwurf muss sich das deutsche Wissenschaftssystem jedoch berechtigterweise<br />
gefallen lassen: Den wissenschaftlichen Ergebnissen fehlt oft die nötige Reife für die<br />
wirtschaftliche Verwertung. Daher ist es nicht nur den Unternehmen als potentiellen<br />
Lizenznehmern o<strong>der</strong> den VCs als Finanzierern anzulasten, wenn <strong>der</strong> Technologietransfer<br />
und damit die Innovationsrate in Deutschland ins Stocken geraten sind. Mit an<strong>der</strong>en<br />
Worten: Wir leisten uns eine qualitativ hochwertige Forschung, verzichten aber auf die<br />
notwendigen Instrumente, um die Ergebnisse <strong>der</strong> Forschung effizient weiterzuentwickeln<br />
und wirtschaftlich zu nutzen.<br />
Aus diesem Grund hat Garching Innovation als Technologietransfer-Organisation <strong>der</strong><br />
Max-Planck-Gesellschaft ein neues Konzept in die politische Diskussion eingebracht,<br />
um genau diesen Flaschenhals in <strong>der</strong> Innovationskette wirksam zu beseitigen –<br />
unabhängig davon, ob die Ergebnisse von Universitäten o<strong>der</strong> außeruniversitären<br />
Forschungseinrichtungen, aus <strong>der</strong> Grundlagen- o<strong>der</strong> angewandten Forschung stammen,<br />
auslizenziert o<strong>der</strong> für eine Ausgründung genutzt werden sollen. Dieses Konzept eines<br />
Innovationsfonds <strong>der</strong> Deutschen Forschung (IFDF), das inzwischen dem<br />
Bundeskanzleramt und dem BMBF vorliegt, hat die Ziele<br />
• das geistige Eigentum aus <strong>der</strong> Forschung optimal bis zur<br />
Anwendungsnähe zu entwickeln,<br />
• das vorhandene Know-how in <strong>der</strong> Forschung und <strong>der</strong> Industrie<br />
effizient zu bündeln,<br />
• damit die wirtschaftliche Verwertbarkeit <strong>der</strong> akademischen<br />
Forschungsergebnisse signifikant zu erhöhen und somit<br />
• die daraus resultierenden Ausgründungen und Lizenzprojekte für<br />
zusätzliche private Investitionen attraktiver zu machen sowie<br />
• die Innovationskraft <strong>der</strong> deutschen, insbeson<strong>der</strong>e mittelständischen,<br />
Industrie zu stärken.<br />
Um dies zu erreichen, enthält das IFDF-Konzept folgende Kernpunkte:<br />
• Antragsberechtigt sind alle deutschen Forschungsorganisationen.<br />
• Die Projektauswahl erfolgt ausschließlich nach wirtschaftlichen<br />
Gesichtspunkten, es erfolgt daher keine direkte För<strong>der</strong>ung von<br />
Grundlagenforschung.<br />
• Die Mittelvergabe erfolgt als meilensteinabhängige Projektför<strong>der</strong>ung.<br />
• Das gesamte geistige Eigentum an dem Projekt verbleibt vollständig bei <strong>der</strong><br />
beantragenden Institution, daher erfolgt die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln.<br />
• Die Projekte sollen von industrieerfahrenen Entwicklungsspezialisten bewertet und<br />
inhaltlich sowohl in <strong>der</strong> Vorbereitung als auch in <strong>der</strong> meilensteinorientierten<br />
Durchführung begleitet werden.<br />
• Die zur Projektdurchführung notwendige Infrastruktur wird zentral vom IFDF<br />
koordiniert.<br />
• Die Infrastruktur besteht aus einem Stamm fester Vertragslabore und projektweise<br />
einbezogenen Servicelaboren, die so weit als möglich die bestehende Infrastruktur in<br />
Wissenschaft und Wirtschaft nutzen.<br />
Trotz aller Hürden bietet die Grundlagenforschung ein enormes Innovationspotenzial –<br />
gerade in Deutschland. Voraussetzung hierfür ist jedoch ein erfolgreicher Technologietransfer<br />
mit den richtigen Instrumenten, damit aus einer Definition in 13 Worten<br />
schließlich neue Produkte und Arbeitsplätze für die Menschen werden.<br />
www.garching-innovation.de<br />
124 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Dr. Peter Ruile und Dr. Christian A. Stein,<br />
Ascenion GmbH, München<br />
Geistiges Eigentum an öffentlichen Forschungseinrichtungen<br />
– Rohstoff für die Biotech-Industrie<br />
Jedes Jahr fließen viele Milliarden Euro an Steuergel<strong>der</strong>n in die Forschung an deutschen<br />
Forschungseinrichtungen. Das Ergebnis: Spitzenforschung – auch im internationalen Vergleich.<br />
Volkswirtschaftlich gesehen <strong>der</strong> beste Rohstoff für eine Wertschöpfungskette,<br />
die von <strong>der</strong> akademischen Forschung über neue Technologien und Produktideen<br />
schließlich zu vermarktbaren Produkten, Dienstleistungen und damit neuen Arbeitsplätzen<br />
führt. Soweit zumindest die Theorie. Gerade im Bereich Biotechnologie sieht die<br />
Realität jedoch an<strong>der</strong>s aus. „Forschungsleistung spitze – Umsetzung und wirtschaftliches<br />
Ergebnis nach wie vor mangelhaft“,<br />
so eine häufige Einschätzung.<br />
Woran liegt das?<br />
Schwachpunkt <strong>der</strong> Kette<br />
Am Anfang <strong>der</strong> Wertschöpfungskette<br />
stehen oftmals Hochschulen und<br />
außeruniversitäre Forschungseinrichtungen;<br />
am Ende stehen meist globale<br />
Industriekonzerne. Dazwischen nehmen<br />
kleine und mittelständische<br />
Biotech-Unternehmen eine Schlüsselrolle<br />
ein: Oft sind sie es, die frühe<br />
Technologien und Produktideen aus <strong>der</strong> öffentlichen Forschung aufnehmen und bis zur<br />
o<strong>der</strong> nahe an die Marktreife weiterentwickeln. Eine Schwachstelle <strong>der</strong> gesamten Kette<br />
liegt häufig im Übergang von Projekten aus <strong>der</strong> öffentlichen Forschung zu Firmen <strong>der</strong><br />
Biotech- und Pharmaindustrie. Unter an<strong>der</strong>em sind dabei zwei Aspekte kritisch: zum<br />
einen die Selektion geeigneter Projekte für den Transfer und zum an<strong>der</strong>en die<br />
rechtzeitige und richtige schutzrechtliche Absicherung – denn ohne entsprechende<br />
Absicherung, meist durch Patente, lassen sich akademische Forschungsergebnisse,<br />
insbeson<strong>der</strong>e im Pharmabereich, nur selten erfolgreich in vermarktbare Produkte<br />
umsetzen. Beides erfor<strong>der</strong>t professionelles „IP- (Intellectual Property) Asset-<br />
Management“ von Seiten <strong>der</strong> öffentlichen Forschungseinrichtungen. Was bedeutet dies<br />
in <strong>der</strong> Praxis?<br />
IP-Asset-Management an öffentlichen Forschungseinrichtungen<br />
Fachwissen, Marktkenntnis und rechtliche Expertise müssen zusammenfinden, um in<br />
<strong>der</strong> Flut neuer Forschungsresultate kommerziell aussichtsreiche Projekte frühzeitig zu<br />
erkennen und anschließend optimal wirtschaftlich zu verwerten. Es müssen<br />
systematische Prozesse zum fortlaufenden Screening von Forschungsergebnissen<br />
etabliert, umfassende Markt- und Patentrecherchen durchgeführt, Strategien zum<br />
rechtlichen Schutz und zur Kommerzialisierung entworfen, Kooperationen o<strong>der</strong><br />
Verwertungsverträge zum Abschluss und Spin-offs auf den Weg gebracht werden.<br />
Spezifischer Service gefragt<br />
IP-Asset-Management ist für viele öffentliche Forschungseinrichtungen Neuland.<br />
Ausnahmen bilden die Helmholtz-Gemeinschaft, die Max-Planck- und die Fraunhofer-<br />
Gesellschaft. Um dies zu än<strong>der</strong>n, sind in Deutschland in den letzten Jahren, teils geför<strong>der</strong>t<br />
von Bund und Län<strong>der</strong>n, eine ganze Reihe Technologie-Transferagenturen entstanden, die<br />
fast ausschließlich regional operieren. Die lebenswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen<br />
<strong>der</strong> Helmholtz-Gemeinschaft haben speziell für den Bereich Life Science mit<br />
<strong>der</strong> Ascenion ein sektoriell fokussiertes IP-Asset-Management-Unternehmen gegründet.<br />
Entscheidend war dabei die Überlegung, dass gerade im komplexen Feld Life Science<br />
spezielle Expertise, ein branchenspezifisches Netzwerk und vor allem eine kritische<br />
Masse an Patenten und vermarktbaren Technologien notwendig sind, um eine hohe<br />
Qualität und Effizienz bei Bewertung, Schutz und Verwertung <strong>der</strong> IP-Assets zu erzielen.<br />
Und das wirtschaftliche Ergebnis?<br />
Erfahrungen z. B. aus den USA zeigen,<br />
dass erfolgreiche Technologietransfer-<br />
Agenturen etwa alle sieben bis zehn<br />
Jahre Schutzrechte für eine Erfindung<br />
lizenzieren, die ein Blockbuster (Jahresumsatz<br />
größer 1 Mrd. €) werden. Berücksichtigt<br />
man die langen Entwicklungszeiten<br />
im Pharma- und Biotech-<br />
Sektor, wird deutlich, dass die Technologietransferlandschaft<br />
in Deutschland<br />
noch viel zu jung ist, um Bilanz zu<br />
ziehen. Die ersten Ergebnisse für den sektoriellen Ansatz im Technologietransfer sind<br />
aber viel versprechend: So betreut Ascenion inzwischen acht Forschungsinstitute aus <strong>der</strong><br />
Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft, managt ein Portfolio von rund 500 Patentfamilien,<br />
hat seit ihrer Gründung im Jahr 2001 über 100 Verwertungsverträge abgeschlossen und<br />
die Gründung von mehr als einem Dutzend Start-ups unterstützt, an denen sie zum Teil<br />
auch beteiligt ist.<br />
Hochwertiger Technologietransfer aus <strong>der</strong> akademischen Forschung in die Industrie ist<br />
natürlich nur einer von vielen Faktoren, die für den kommerziellen Erfolg <strong>der</strong> Biotechnologie<br />
notwendig sind. Wird er aber nicht professionell betrieben, setzt sich dieses<br />
Versäumnis zwangsläufig durch die ganze Wertschöpfungskette fort und schmälert am<br />
Ende nicht nur das wirtschaftliche Ergebnis, son<strong>der</strong>n führt potentiell sogar zu einer<br />
Innovationslücke im High-Tech-Segment. Ganz entscheidend wird <strong>der</strong> Erfolg des Biotechstandortes<br />
Deutschland auch von <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Kapitalmärkte abhängen,<br />
von <strong>der</strong> Verbesserung steuerlicher Rahmenbedingungen in Deutschland, von <strong>der</strong> Einrichtung<br />
innovativer Finanzierungsinstrumente – für die Lücke im Seedkapitalisierungsgeschäft<br />
und die Weiterentwicklung von kommerziell interessanten Technologien an<br />
öffentlichen Forschungseinrichtungen – und natürlich davon, in wie weit es den vielen<br />
jungen Biotechs in Deutschland gelingt, aus dem globalen Selektionsprozess erfolgreich<br />
hervorzugehen.<br />
www.ascenion.de<br />
125
S TANDORT D EUTSCHLAND<br />
In Deutschland kann im Blick auf die Anzahl an Patenten und<br />
Lizenzen bisher lediglich die Garching Innovation an die Liga<br />
<strong>der</strong> führenden Technologie-Transfereinheiten heranreichen<br />
(siehe Abbildung 5-5).<br />
Abbildung 5-5:<br />
Technologietransfer im internationalen Vergleich<br />
(Stand 2003)<br />
Anzahl<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
67<br />
323<br />
208<br />
826<br />
University of<br />
California System<br />
379<br />
27<br />
152<br />
114<br />
MIT<br />
45<br />
117 128 377<br />
Stanford<br />
University<br />
119<br />
69<br />
Harvard<br />
University<br />
Die Weiterverwertung von Patenten braucht Zeit. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
im Bereich Life Sciences verzögern die langen Zeitspannen bis<br />
zum Markteintritt <strong>der</strong> Produkte Rückzahlungen auf Lizenzverträge<br />
bzw. beschränken die Lizenzzahlungen auf Abschlussgebühren<br />
und erfolgsabhängige Meilensteinzahlungen.<br />
Dieses Verzögerungsphänomen war auch bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />
des Technologietransfers zwischen den Jahren 1991 und 2001 in<br />
den USA zu erkennen.<br />
Obwohl eine prinzipiell gute Position Deutschlands bei <strong>der</strong><br />
Anzahl von Patenten Anlass zur Hoffnung gibt, muss<br />
Deutschland also zunächst einen Zeitvorsprung aufholen. Erfolgreicher<br />
Technologietransfer erfor<strong>der</strong>t daher auch eine professionelle<br />
und kommerzielle Ausrichtung <strong>der</strong> Transferstellen<br />
an folgenden Merkmalen:<br />
• wissenschaftliche und industrielle Erfahrung zur Beurtei-lung<br />
innovativer Projekte,<br />
• Expertise in <strong>der</strong> strategischen Formulierung von Schutzrechtsansprüchen<br />
und <strong>der</strong>en Auslizenzierung,<br />
• aktive Interaktion zwischen Forschungslabor und Patentexperten;<br />
proaktiver Scouting Prozess.<br />
18<br />
erteilte US-Patente in 2003<br />
Lizenzverträge in 2003<br />
Gesamtzahl an Einkommen<br />
generierenden Lizenzen<br />
Lizenzeinkommen in 2003<br />
* US und EU-Patente<br />
246<br />
218<br />
159<br />
95<br />
7<br />
Johns Hopkins<br />
University<br />
19<br />
62* 84103<br />
Garching<br />
Innovation<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Mio. US$<br />
Quelle: AUTM 2004, <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> 2005<br />
Eine weitere Komponente des Translations-Prozesses sollte<br />
neben <strong>der</strong> Selektion Erfolg versprechen<strong>der</strong> Projekte die präkommerzielle<br />
Profilierung sein, die neue Ansätze bis zum<br />
„Proof of Principle“ weiterentwickelt. Hier sind bereits<br />
Kompetenzen aus dem Industriebereich und virtuelle o<strong>der</strong> reale<br />
Strukturen notwendig, die unter Einbeziehung von Contract<br />
Research Organizations (CROs) professionelle Projektentwicklung<br />
betreiben. In dieser Kombination, die durch eine enge<br />
Interaktion von Forscher und „Entwicklungshelfer“ geprägt ist,<br />
können einerseits Projekte qualifiziert auf eine höhere Wertstufe<br />
gebracht werden, so dass sie für Ausgründungen o<strong>der</strong><br />
Auslizenzierungen attraktiver werden. An<strong>der</strong>erseits umfasst<br />
dieses Modell auch das Heranführen von Forschern an mögliche<br />
spätere Karrieren als Unternehmer.<br />
Schließlich ist auch die „Exit“-Seite deutlich professioneller zu<br />
besetzen, und zwar mit Fachkräften, die eine Vermarktung<br />
betreiben, die über eine Internetdarstellung weit hinausgeht.<br />
Entsprechende erfolgsabhängige Inzentivierung wäre Anreiz<br />
für Qualität und Effizienz.<br />
Für die Ausgestaltung und Finanzierung von Lösungsansätzen<br />
zum Translation Gap (so genannte Translationsmodelle) gibt es<br />
konkrete Vorschläge, die von staatlich finanzierten Organisationen<br />
über klassische Public-Private-Partnerships in virtuellen<br />
Strukturen bis hin zu fondsfinanzierten Projektför<strong>der</strong>ungen<br />
reichen. Beispielsweise hat Garching Innovation<br />
bereits einen konkreten Vorschlag zur präkommerziellen<br />
Projektför<strong>der</strong>ung erarbeitet und Bundeskanzleramt sowie<br />
BMBF vorgelegt. Weitere Ansätze werden von Professor<br />
Domdey (BioM, München) und <strong>der</strong> EMBLEM Technology<br />
Transfer GmbH (Heidelberg) verfolgt.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e das Modell von Prof. Domdey setzt die zuvor<br />
beschriebenen Anfor<strong>der</strong>ungen am anschaulichsten um (siehe<br />
Abbildung 5-6). Prinzipiell verfolgt dieses Modell die gleichen<br />
Ziele wie <strong>der</strong> Vorschlag <strong>der</strong> Garching Innovation (siehe auch<br />
Beitrag Garching Innovation). Der wesentliche Unterschied<br />
besteht darin, dass keine feste Organisation etabliert wird,<br />
son<strong>der</strong>n vor allem das Coaching von Wissenschaftlern und<br />
<strong>der</strong>en Projekten im Vor<strong>der</strong>grund steht. Die „Inkubation“ erfolgt<br />
somit in den Forschungsgruppen; man verspricht sich dadurch<br />
eine engere Anbindung an diese, effizientere Bearbeitung durch<br />
Einbeziehung <strong>der</strong> Forscher selbst und direktes „Heranführen“<br />
<strong>der</strong> involvierten Forscher an die Kommerzialisierung ihrer<br />
Projekte.<br />
126 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Abbildung 5-6:<br />
„Domdey“-Modell <strong>der</strong> Translation<br />
Evaluationsprozess<br />
Auswahl<br />
Projekte<br />
Betreuung <strong>der</strong> Inkubationsphase<br />
TT-Agentur<br />
TT-Stelle<br />
• Patente, IP<br />
• Sicherung<br />
• Verwertung<br />
Formale<br />
Bewertung<br />
Präsentation<br />
Projekte<br />
Stop/Go<br />
Formale<br />
Bewertung<br />
Entscheidung<br />
über Fortführung<br />
Stop/Go<br />
Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3<br />
Inkubatororganisation<br />
Gremium:<br />
Vertreter Industrie/<br />
Wissenschaft<br />
Projekt<br />
• Idee/Konzept<br />
• Team<br />
• F&E<br />
• Projektlaufzeit durchschnittlich<br />
2 Jahre,<br />
max. 3 Jahre<br />
• Formale Bewertung nach<br />
12 bzw. 24 Monaten<br />
• Bei Entscheidung über<br />
Projektabbruch<br />
2 Monate „Kündigungsfrist“<br />
Inkubatororganisation<br />
• Identifizierung<br />
• Bewertung<br />
• Aktives Coaching<br />
• Teambildung<br />
• Businessplan<br />
• Investorenansprache<br />
Ein wesentlicher weiterer Effekt dieser Modelle bzw. generell<br />
einer verstärkten präkommerziellen „Inkubation“ von erfolgversprechenden<br />
Forschungsprojekten ist die zu erwartende<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Chancen für Gründungs- und Frühphasenfinanzierungen<br />
durch die existierenden Kapitalinstrumente (zum<br />
Beispiel VC). Mit einer Hinauszögerung von Firmengründungen<br />
bis zu einem deutlich soli<strong>der</strong>en Reifegrad würden solche<br />
Ausgründungen das Risikoprofil vieler existieren<strong>der</strong> Biotech-<br />
Unternehmen sicherlich unterbieten können.<br />
Das Inkubatormodell von Prof. Domdey geht in dieser Richtung<br />
einen Schritt weiter und enthält daher einen Seed-Fonds. Sein<br />
Konzept vereinigt die Vorteile <strong>der</strong> Inkubationsför<strong>der</strong>ung mit<br />
aussichtsreichen Finanzierungsvoraussetzungen für einen Seed-<br />
Fonds (staatliche Mittel mit Hebelwirkung auf private<br />
Zusatzgel<strong>der</strong>).<br />
Wesentliche Voraussetzung für den Erfolg solcher Modelle sind<br />
staatliches Commitment zur Gründung und Unterstützung von<br />
Technologie-Transfer-Fonds bzw. die Finanzierung <strong>der</strong><br />
vorgeschlagenen Organisationen. Längerfristig sollten diese<br />
Organisationen durch ihre Erfolge am Markt (Lizenzen,<br />
Ausgründungen, Services) zu tragfähigen Geschäftseinheiten<br />
auszubauen sein.<br />
Kompensation<br />
Vorgründungsinkubation<br />
Startup<br />
Volkswirtschaftlich gesehen sollte die Überwindung des<br />
Translation Gaps dazu beitragen, dass Wertschöpfung aus<br />
umfangreich geför<strong>der</strong>ter Forschung mit höherer Wahrscheinlichkeit<br />
entsteht.<br />
Basis-Betreuungsgebühr<br />
(ca. 8–9 %)<br />
För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong><br />
Betreuungsgebühr Erfolg<br />
(60 T€/Start-up)<br />
Inkubatororganisation<br />
Technologietransferorganisation<br />
Success Fee<br />
(5–7 % Anteile)<br />
Transfer Fee<br />
(5–7 % Anteile)<br />
Das Coaching-Programm umfasst hier sowohl IP- als auch<br />
Inkubatorleistungen zur Weiterentwicklung <strong>der</strong> Projekte. Dabei<br />
werden die experimentellen Arbeiten im Wesentlichen durch<br />
För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong> zu finanzieren sein. Die Leistungen des Inkubators<br />
(IP, Bewertung, Coaching) sollen hingegen erfolgsabhängig<br />
aus Kommerzialisierungserlösen bei Auslizenzierung,<br />
Verkauf o<strong>der</strong> Ausgründung bezahlt werden. Damit enthält<br />
dieses Modell eine Finanzierungskomponente aus Privatkapital<br />
und nähert sich einer Private-Public-Partnership.<br />
Partnering Gap<br />
Das Hauptgeschäftsmodell <strong>der</strong> Biotech-Unternehmen<br />
beinhaltet Allianzen mit Partnerunternehmen – mit dem<br />
gegenwärtigen Schwerpunkt <strong>der</strong> Roten Biotechnologie sind<br />
dies vor allem Partnerschaften mit Pharma-Firmen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
sind Partnerschaften für die (gemeinsame) Entwicklung<br />
von Medikamenten wichtig. Die Pharma-Partner spielen hier<br />
verschiedene Rollen als strategischer Investor, Know-how-<br />
Lieferant und Exit-Option.<br />
Nach Meinung <strong>der</strong> befragten Biotech-Unternehmen spielt die<br />
lokale Präsenz <strong>der</strong> Pharma-Firmen offensichtlich keine<br />
dominierende Rolle (siehe Abbildung 5-2).<br />
127
S TANDORT D EUTSCHLAND<br />
Vermeintlich wird hier die generell globale Ausrichtung <strong>der</strong> Big-<br />
Pharma-Unternehmen als Indiz genommen, dass diese unabhängig<br />
von Standorten erreichbar und für Partnerschaften<br />
gewonnen werden können. Die genaue Analyse von Allianzen<br />
zeigt allerdings, dass in den letzten Jahren die Pharma-Biotech-<br />
Deals gerade auf interkontinentaler Ebene zurückgehen und<br />
regionale Allianzen überwiegen. Nähe von Pharma und Biotech<br />
stellt daher weiterhin einen relevanten Erfolgsfaktor für die<br />
internationalen Life-Science-Cluster dar. Deutlich sichtbar wird<br />
dies in Massachusetts (Boston) o<strong>der</strong> in Kalifornien, wo große<br />
Pharma-Konzerne aktive Ansiedlung in Biotech-Hochburgen<br />
betreiben.<br />
Wenn die Präsenz von Pharma-Firmen aus dieser Sicht einen<br />
weiteren Erfolgsfaktor für die Life-Sciences-Wertschöpfungskette<br />
darstellt, dann muss die Situation <strong>der</strong> Pharma-Industrie in<br />
Deutschland und ihre Verfügbarkeit als Partner für deutsche<br />
Biotech-Firmen näher beleuchtet werden.<br />
Die früher als „Apotheke <strong>der</strong> Welt“ apostrophierte deutsche<br />
Pharma-Industrie hat ihre einstige Spitzenposition in den<br />
letzten 25 Jahren weitgehend eingebüßt. Während Bayer 1980<br />
noch an Position 1 rangierte, findet sich heute kein einziges<br />
deutsches Unternehmen unter den globalen Top 10.<br />
Ursachen liegen einerseits darin, dass Deutschland durch eine<br />
innovationsfeindliche Haltung und gesetzgeberische Blockadepolitik<br />
viel zu spät – erst in den 90er Jahren – den Paradigmenwechsel<br />
vollzogen hat, <strong>der</strong> die chemiedominierte Pharma-<br />
Industrie in eine durch die Molekularbiologie bestimmte<br />
Branche verwandelte.<br />
Abbildung 5-7:<br />
Paradigmenwechsel in <strong>der</strong> Pharmaindustrie<br />
Komplexität<br />
Serenipitous<br />
Observation<br />
Aspirin<br />
Sulfonamide<br />
Antibiotika<br />
Tranquilizers<br />
Antihypertensive<br />
Fokus auf<br />
Biochemie von Geweben<br />
Biotechnologie<br />
Beta-Blocker<br />
Anti-Arthritis<br />
Krebstherapie<br />
Fokus auf<br />
Biochemie <strong>der</strong> Zelle<br />
Behandlung für<br />
Autoimmunerkrankungen<br />
ZNS-<br />
Medikamente<br />
Fokus auf<br />
molekulare Strukturen<br />
1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010<br />
Quelle: Boston Consulting Group<br />
Die zweite Ursache für den Bedeutungsverlust <strong>der</strong> hiesigen<br />
Pharma-Industrie liegt im Konzentrierungsprozess <strong>der</strong> Branche,<br />
<strong>der</strong> die Top-20-Pharma-Firmen von 1990 auf <strong>der</strong>zeit nur noch<br />
zehn reduziert hat. Deutschland hat auch an dieser Entwicklung<br />
nicht teilgenommen und war allenfalls <strong>der</strong> Verlierer. Prominente<br />
Beispiele sind Hoechst – Aventis – Sanofi-Aventis, Boehringer-<br />
Mannheim – Roche, BASF/Knoll – Abbott.<br />
Was in Deutschland bleibt, sind Firmen, die nur deshalb noch<br />
bestehen, weil sie nach wie vor in Familienbesitz sind (z. B.<br />
Merck, Boehringer Ingelheim) und weil sie sich stark spezialisiert<br />
haben (z. B. Schering). Dominiert wird die nationale Szene<br />
von etwa 500 kleinen und mittelständischen Pharma-Unternehmen,<br />
die trotz bestehen<strong>der</strong> Innovationsdefizite und trotz<br />
meist veralteter Produktportfolien aufgrund enger Finanzspielräume<br />
FuE-Aktivitäten weiter stark zurückfahren.<br />
Mit Blick auf die Interaktion Pharma-Biotech ergibt sich somit<br />
eigentlich ein düsteres Bild. Die noch forschenden Unternehmen<br />
im Pharmamittelstand tun sich schwer mit Innovationen<br />
und einer Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Biotech-Branche in<br />
Deutschland. Die wenigen verbliebenen großen Spieler sind<br />
zusammengenommen nicht in <strong>der</strong> Lage, genügend Kooperationspotenzial<br />
darzustellen. Verschärft wird diese Situation<br />
dadurch, dass im Zuge des Gesundheitsmo<strong>der</strong>nisierungsgesetzes<br />
weitere Einschnitte bei den FuE-Aktivitäten von<br />
Pharma-Firmen unausweichlich sein werden. Internationale<br />
Pharma-Konzerne sind deshalb auch mit ihren FuE-Aktivitäten<br />
auf dem Rückzug aus Deutschland und fallen als lokale Partner<br />
ebenso zusehends aus.<br />
Die For<strong>der</strong>ung an die Politik ist daher, die oft propagierte<br />
Innovationspolitik auch tatsächlich durch eine entsprechende<br />
Legislative zu demonstrieren. Dazu zählt einerseits die<br />
Korrektur <strong>der</strong> Gesundheitsgesetzgebung, die Innovationen<br />
bestraft. An<strong>der</strong>erseits sind direkte Investitionsanreize für die<br />
Ansiedlung von Pharma-Unternehmen und Investitionen in FuE<br />
in diesem Zusammenhang nicht als Kosten bzw. entgangene<br />
Steuereinnahmen zu sehen, son<strong>der</strong>n als Investition in die<br />
Zukunft des Innovationsstandorts Deutschland.<br />
Die hier angestellte Betrachtung soll auch hervorheben, dass<br />
die gesamte Wertschöpfungskette Life Sciences inhaltlich zusammenhängt;<br />
eine För<strong>der</strong>ung von Einzelelementen ohne entsprechende<br />
Berücksichtigung <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Glie<strong>der</strong> könnte in<br />
Summe kontraproduktiv für den Innovationsstandort<br />
Deutschland sein.<br />
128 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
5.2 Bio-Regionen im Visier<br />
Die BioTech-Region München<br />
Die BioTech-Region München hat sich in den letzten 10 Jahren zu einem <strong>der</strong> führenden<br />
Biotechnologie-Zentren in Europa entwickelt. Eine breite wissenschaftliche Basis und ein<br />
beson<strong>der</strong>er Grün<strong>der</strong>geist führten dazu, dass sich hier in den späten 90er-Jahren in einem<br />
wahren Gründungsboom zahlreiche Biotechnologie-Unternehmen etablierten. 1997<br />
gehörte München zu einer <strong>der</strong> drei Gewinnerregionen des BioRegio-Wettbewerbs des<br />
Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Innerhalb Deutschlands liegt <strong>der</strong><br />
Cluster in Bezug auf die Anzahl an Unternehmen, an Mitarbeitern und vor allem an<br />
Arzneimittelkandidaten, die diese Firmen in <strong>der</strong> Pipeline haben, an <strong>der</strong> Spitze.<br />
Zwar musste in den letzten Jahren das dynamische Wachstum <strong>der</strong> Konsolidierung<br />
weichen – die Zahl <strong>der</strong> Firmen stagnierte, es gab weniger<br />
Neugründungen, erste Insolvenzen und einen Rückgang <strong>der</strong><br />
Mitarbeiter. Der Großraum München bleibt jedoch weiterhin<br />
einer <strong>der</strong> wichtigsten Biotechnologie-Standorte Deutschlands.<br />
Einige <strong>der</strong> größeren, reiferen Unternehmen konnten in<br />
<strong>der</strong> Phase <strong>der</strong> Konsolidierung sogar an Stärke gewinnen. So<br />
sei hier nur verwiesen auf die im vorliegenden Report<br />
ausführlich vorgestellten Erfolge <strong>der</strong> „Pioniere“ MediGene,<br />
GPC Biotech und Morphosys.<br />
Starke Arzneimittelpipeline<br />
Die Unternehmen in <strong>der</strong> BioTech-Region München haben<br />
einen starken Fokus auf die so genannte rote Biotechnologie<br />
– die Entwicklung von Therapeutika und Diagnostika.<br />
Vor allem was die Zahl <strong>der</strong> Produkte in <strong>der</strong> präklinischen und klinischen Entwicklung<br />
anbelangt, konnte sich <strong>der</strong> Cluster daher im Vergleich aller Regionen durchsetzen. Die<br />
Biotechnologie-Unternehmen im Großraum München testeten zum Ende des Jahres 2004<br />
über 70 potenzielle Arzneimittel in insgesamt mehr als 90 präklinischen und klinischen<br />
Studien. Nach dem erfolgreich eingeführten Eligard® gibt es mehrere weitere<br />
Arzneimittelkandidaten, die bald den Markt erreichen könnten: So soll etwa für eine<br />
zusätzliche Substanz von MediGene, Polyphenon E, dieses Jahr die Zulassung beantragt<br />
werden und 4 weitere Substanzen befinden sich <strong>der</strong>zeit in Phase III.<br />
Starke Wissenschaftsbasis<br />
Die Basis für die Erfolge in München sind vor allem die hervorragenden akademischen<br />
Institutionen – sowohl die beiden Münchener Universitäten, die Technische Universität<br />
München (TUM) und die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), als auch die<br />
Max-Planck-Institute für Biochemie, Neurobiologie und Psychiatrie sowie das GSF-<br />
Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit und die Fachhochschulen<br />
Weihenstephan und München. Diese beachtliche wissenschaftliche Infrastruktur leistet<br />
eine hervorragende, international angesehene Forschung im Bereich <strong>der</strong> Lebenswissenschaften<br />
und speziell <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Biotechnologie.<br />
Die starke Wissenschaftsinfrastruktur bildet die Basis für neue Geschäftsideen und die<br />
Gründung von Unternehmen. Während es im Jahr 2003 im Zuge <strong>der</strong> Konsolidierung<br />
allerdings kaum Neugründungen gab, wurden in 2004 doch immerhin wie<strong>der</strong> 7 Unternehmen<br />
gegründet.<br />
Hervorragendes Netzwerk<br />
Die Biotechnologie-Unternehmen <strong>der</strong> Region sind damit eingebunden in ein umfassendes<br />
Netzwerk aus Wissenschaft, Wirtschaft, Finanzen und Politik.<br />
Eine beson<strong>der</strong>e Funktion bei <strong>der</strong> Gründung, Beratung und Finanzierung junger<br />
Biotechnologie-Unternehmen übernimmt auch die Bio M AG. Sie ist die zentrale<br />
Koordinierungsstelle <strong>der</strong> Region und damit <strong>der</strong> zentrale Anlaufpunkt für Biotechnologie-<br />
Unternehmen und Firmengrün<strong>der</strong>. Als Service-, Beratungs- und<br />
Finanzierungsgesellschaft verfolgt die Bio M AG das Ziel, die<br />
Entwicklung <strong>der</strong> BioTech-Region München zu einem <strong>der</strong> führenden<br />
Biotechnologiezentren Europas voranzutreiben Als wichtiger<br />
Kristallisationspunkt für das Wachstum <strong>der</strong> BioTech-Region<br />
München gilt auch das Innovations- und Grün<strong>der</strong>zentrum<br />
Biotechnologie in Martinsried. Hier finden junge innovative<br />
Biotechnologie-Unternehmen für die ersten Jahre ihren Firmensitz<br />
in Laborräumen mit hoher technischer Grundausstattung und in<br />
unmittelbarer Nähe zu einer großen Zahl weiterer Biotechnologiefirmen<br />
und den bekannten Forschungseinrichtungen.<br />
Nachhaltigkeit als neues und wichtiges Erfolgskriterium<br />
Mittlerweile gewinnt neben den bekannten Cluster-Erfolgskriterien<br />
– wie Anzahl <strong>der</strong> Beschäftigten, erfolgreich abgeschlossene Finanzierungsrunden,<br />
Börsengänge, Zahl von Produkten in <strong>der</strong> klinischen Erprobung, generierte<br />
Umsätze und erwirtschaftete Gewinne – ein weiteres zunehmend an Bedeutung, nämlich<br />
die Nachhaltigkeit dieser spezifischen Parameter. In Bezug auf die BioTech-Region<br />
München kann man dabei zwei zunächst scheinbar konträre Entwicklungen beobachten:<br />
Zum Einen mussten wir in den vergangenen Jahren eine deutlich gestiegene Anzahl von<br />
Unternehmensschließungen, bedingt durch Liquidation o<strong>der</strong> Insolvenz, beobachten –<br />
ein Trend, <strong>der</strong> aufgrund <strong>der</strong> extrem angespannten Lage auf dem Kapitalmarkt nicht<br />
verwun<strong>der</strong>lich ist. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite sehen wir jedoch eine deutliche Festigung und<br />
Stabilisierung einer ausgewählten Gruppe von Unternehmen, bedingt durch eine<br />
gesteigerte Anzahl von Kooperationen, durch deutlich erhöhte Umsätze o<strong>der</strong> sogar das<br />
Erreichen <strong>der</strong> Gewinnschwelle. Es gibt also einen Aufbau zu gefestigten, zukunftssicheren<br />
Strukturen, <strong>der</strong> begleitet ist von einem Abbau von Strukturen, die sich nicht langfristig<br />
behaupten können. Dieser Konsolidierungsprozess wird die BioTech-Region München mit<br />
Sicherheit auch in <strong>der</strong> Zukunft begleiten und letztendlich auch stärken.<br />
Von Prof. Dr. Horst Domdey, Geschäftsführer Bio M AG, München<br />
www.bio-m.de<br />
129
S TANDORT D EUTSCHLAND<br />
Biotechnologie in Nie<strong>der</strong>sachsen – Hervorragende<br />
Perspektiven für das Biotech-Business<br />
Forschung und Wissenschaft bewegen sich in Nie<strong>der</strong>sachsen in vielen Gebieten auf<br />
international anerkanntem Spitzenniveau – allen voran die Infektions-, Neuro- und<br />
Stammzellbiologie.<br />
Herausragende wissenschaftliche Leistungen in einen wirtschaftlichen Erfolg zu lenken,<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen als Biotech-Standort zu profilieren und die Wettbewerbsfähigkeit in<br />
diesem Zukunftsfeld zu stärken, ist das Ziel <strong>der</strong> BioRegioN GmbH. Als eine auf Life<br />
Sciences spezialisierte Beratungsgesellschaft, die im Auftrag des Landes<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen als zentrale Anlaufstelle für Life<br />
Sciences fungiert, steht die BioRegioN GmbH<br />
Start-ups bei <strong>der</strong> Entwicklung des Geschäftsmodells<br />
und in Fragen <strong>der</strong> Finanzierung, des<br />
Marketings und Vertriebs zur Seite.<br />
Interdisziplinäre Vernetzung wird wichtiger<br />
Ein Schwerpunkt <strong>der</strong> BioRegioN GmbH ist die<br />
Organisation des nie<strong>der</strong>sächsischen Biotechnologie-Netzwerks.<br />
Interdisziplinäre Verknüpfung<br />
von Teilbereichen <strong>der</strong> Biotechnologie und<br />
die strategische Ausrichtung <strong>der</strong> gesamten<br />
Branche werden daher immer wichtiger. In den<br />
vergangenen Jahren hat sich <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> gegenseitigen Ergänzung deutlich erhöht. Ein<br />
Beispiel für diese Vernetzung ist die enzymatische Herstellung von Chitosan. In einem<br />
Verbund aus <strong>der</strong> FH Emden, <strong>der</strong> Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in<br />
Braunschweig, <strong>der</strong> seinerzeitigen Außenstelle des Stuttgarter Fraunhofer Instituts für<br />
Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Hannover und <strong>der</strong> Universität Hannover<br />
wurde das Enzym zur Herstellung identifiziert und kloniert. Die Entwicklung des<br />
technischen Prozesses übernimmt ein Unternehmen in Wolfenbüttel.<br />
Infektions-, Neuro- und Stammzellbiologie – Schwerpunkte des BioProfils<br />
‚Funktionelle Genomanalyse'<br />
Das biotechnologische Potenzial des Landes erstreckt sich räumlich von <strong>der</strong> marinen<br />
Biotechnologie im Norden und Nordwesten über die landesweit verteilten Unternehmen<br />
aus den Bereichen Saatzucht, Pflanzen- und Umweltbiotechnologie bis hin zum<br />
Städtedreieck Braunschweig-Göttingen-Hannover. Inhaltlich glie<strong>der</strong>t es sich in folgende<br />
Kompetenzfel<strong>der</strong> und Forschungsschwerpunkte:<br />
• Biomedizin/ Genomforschung<br />
• Bioverfahrenstechnik<br />
• Meeresbiotechnologie<br />
• Pflanzenbiotechnologie<br />
• Umweltbiotechnologie<br />
Beim BioProfile-Wettbewerb des BMBF vor vier Jahren hat dieses Städtedreieck den<br />
Zuschlag für die ,Funktionelle Genomanalyse‘ erhalten – und damit auch insgesamt 15<br />
Millionen Euro an För<strong>der</strong>ung für Projekte, die in <strong>der</strong> Neuro-, Stammzell- und Infektionsbiologie<br />
angesiedelt sind. In <strong>der</strong> Region sind erstklassige Einrichtungen <strong>der</strong> Grundlagenforschung<br />
beheimatet, die bereits große Erfolge in <strong>der</strong> Genomanalyse erzielt haben. Die<br />
international renommierten Max-Planck-Institute und die Universitätskliniken in<br />
Göttingen und Hannover zählen ebenso dazu wie die GBF in Braunschweig, die ihren<br />
Fokus auf die Infektionsforschung legt.<br />
Das BioProfil „Funktionelle Genomanalyse“ ist eine Initiative von Forschungseinrichtungen,<br />
Hochschulen und Biotechnologie-Unternehmen aus Süd-<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen. Im Rahmen des BioProfils begleitet und betreut die<br />
BioRegioN GmbH Existenzgrün<strong>der</strong> und Firmen, die sich um För<strong>der</strong>mittel aus<br />
dem BioProfile-Programm bewerben.<br />
Pulsieren<strong>der</strong> Standort Nie<strong>der</strong>sachsen<br />
Viele Biotech-Start-ups sind Ausgründungen aus wissenschaftlichen<br />
Instituten. Nie<strong>der</strong>sachsen bietet noch reichlich Reserven für weitere<br />
Neugründungen sowie Erfolg versprechende Projekte, und zählt zu den fünf<br />
wichtigsten Biotechnologie-Regionen Deutschlands. Das Bundesland steht<br />
für innovative und international führende Grundlagenforschung. Rund 5000<br />
Wissenschaftler arbeiten hier an 17 Universitäten und Fachhochschulen,<br />
80 Forschungsinstituten und über 230 biotechnologischen Arbeitsgruppen,<br />
die den internationalen Vergleich bestehen. Und im Süden des Bundeslandes findet sich<br />
die europaweit höchste Konzentration an natur- und ingenieurwissenschaftlichen<br />
Forschungseinrichtungen.<br />
In direkter Nachbarschaft zu Forschungsinstitutionen und Hochschulen bietet<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen Existenzgrün<strong>der</strong>n und Unternehmen ausreichend Labor- und Büroflächen<br />
in den zahlreichen Grün<strong>der</strong>zentren. Seit 1995 sind im Städtedreieck Braunschweig-<br />
Göttingen-Hannover über 60 Life-Science-Start-ups gegründet worden – und über 90 in<br />
ganz Nie<strong>der</strong>sachsen. Mittlerweile arbeiten mehr als 170 Unternehmen in diesem Sektor.<br />
Der Anteil junger Firmen ist dabei unverän<strong>der</strong>t hoch. Auch in den vergangenen drei<br />
Jahren konnte Nie<strong>der</strong>sachsen einen konstanten Zuwachs an Biotech-Firmen<br />
verzeichnen. Beson<strong>der</strong>s erfreulich: Entgegen dem bundesweiten Trend gab es im<br />
vergangenen Jahr keine Insolvenzen.<br />
Fazit: Innovative Forschungsarbeit und herausragende wissenschaftliche Leistungen zur<br />
wirtschaftlichen Reife zu führen und dauerhaft im Markt zu positionieren, wird auch in<br />
den kommenden Jahren die größte Herausfor<strong>der</strong>ung bleiben. Dazu bieten das Life-<br />
Science-Netzwerk Nie<strong>der</strong>sachsen – kurz BioRegioN – und die BioRegioN GmbH mit ihrer<br />
Beratungskompetenz ideale Voraussetzungen.<br />
Von Dr. Thomas Wagner, BioRegioN GmbH, Hannover<br />
www.bioregion.de<br />
130 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
131
Anhang<br />
Methodik und Definitionen<br />
Methodik<br />
Die vorliegende Studie basiert auf einer Befragung von<br />
deutschen Core-Biotech-Unternehmen. Es wurden dazu die 346<br />
Unternehmen angeschrieben, die <strong>der</strong> Definition eines Core-<br />
Biotech-Unternehmens von <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> entsprechen. Der<br />
Rücklauf an Antworten betrug fast 60 Prozent. Bei risikokapitalfinanzierten<br />
Unternehmen betrug <strong>der</strong> Rücklauf 70<br />
Prozent. Bei den 48 Firmen mit mehr als 50 Mitarbeitern betrug<br />
<strong>der</strong> Rücklauf 85 Prozent.<br />
Zudem wurde eine Befragung bei in- und ausländischen Investoren,<br />
die in deutsche Firmen <strong>der</strong> Biotechnologie investieren,<br />
durchgeführt.<br />
Der Inhalt wurde ferner durch intensive Sekundärrecherchen<br />
ergänzt. Die themenbezogenen Beiträge wurden von externen<br />
Experten verfasst und stellen somit <strong>der</strong>en Meinung dar.<br />
Definition Biotechnologie<br />
Die <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>-Definition von „Biotechnologie“ ist<br />
weitestgehend angelehnt an die OECD-Definition zur<br />
mo<strong>der</strong>nen Biotechnologie. Demnach werden unter „mo<strong>der</strong>ner<br />
Biotechnologie“ alle innovativen Methoden, Verfahren o<strong>der</strong><br />
Produkte verstanden, die die Nutzung von lebenden Organismen<br />
o<strong>der</strong> ihrer zellulären und subzellulären Bestandteile<br />
beinhalten. Ferner umfasst diese auch die kommerzielle<br />
Umsetzung von Erkenntnissen <strong>der</strong> Molekularbiologie, Virologie,<br />
Mikrobiologie und Zellbiologie.<br />
Zu den Verfahren zählen vor allem rekombinante DNA-<br />
Techniken; cDNA-Techniken und Biochips; Herstellung von<br />
und Arbeiten mit Antikörpern sowie Proteinen als Therapeutika<br />
und Diagnostika; Auftragsproduktion, wenn rekombinante<br />
Verfahren involviert sind; biologische Assays und zelluläre<br />
Systeme; Zellkulturen für Therapie und Produktion; Gentherapie<br />
und Drug Delivery; molekulare Diagnostik sowie<br />
mo<strong>der</strong>ne pflanzenbiotechnologische Verfahren.<br />
Ebenfalls hinzugezählt werden Produkte und Verfahren, die<br />
nicht im engeren Sinne „bio“-technologisch sind, jedoch<br />
wichtige Bausteine in <strong>der</strong> Wertschöpfungskette <strong>der</strong> Biotech-<br />
Industrie darstellen (zum Beispiel Bioinformatik, Proteomics,<br />
Small Molecules).<br />
Definition Core-Biotech-Unternehmen<br />
Beruhend auf dieser Definition <strong>der</strong> Biotechnologie wurden von<br />
<strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> Unternehmen selektiert, <strong>der</strong>en Hauptgeschäftszweck<br />
die Kommerzialisierung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
molekularen Biotechnologie ist. Die Kommerzialisierung<br />
umfasst die Erforschung, Entwicklung und Vermarktung von<br />
Produkten, Technologien und Dienstleistungen auf Basis <strong>der</strong><br />
mo<strong>der</strong>nen Biotechnologie.<br />
Diese Firmen werden als Core-Biotech-Firmen bezeichnet. Ziel<br />
<strong>der</strong> Fokussierung ist es, den „Kern“ <strong>der</strong> Branche abzubilden<br />
und somit eine homogene Menge von Firmen zu erfassen, die<br />
mit ähnlichen Methoden arbeiten und deshalb bezüglich <strong>der</strong><br />
untersuchten Parameter (Geschäftsmodell, Geschäftsfel<strong>der</strong> etc.)<br />
besser vergleichbar sind.<br />
Die fachliche/technologische Ausrichtung des Unternehmens<br />
ist das primäre Selektionskriterium. Ein weiteres Merkmal eines<br />
Core-Biotech-Unternehmens ist die Neuartigkeit bzw. Originalität<br />
<strong>der</strong> Technologie (Innovationskriterium), welches sich<br />
durch Patente bzw. Patentanmeldungen belegen lässt. Eine auf<br />
Wachstum ausgerichtete Geschäftsstrategie, die beispielweise<br />
auf Kooperationen mit an<strong>der</strong>en Biotech-Unternehmen abzielt<br />
sowie <strong>der</strong> Einsatz von Risikokapital sind weitere wichtige, aber<br />
nicht ausschließliche Kriterien <strong>der</strong> Zuordnung.<br />
132 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Ausschlusskriterien<br />
Diese Studie beinhaltet nicht Firmen, die sich mit klassischen<br />
Methoden <strong>der</strong> Biotechnologie beschäftigen, also zum Beispiel<br />
Verfahren aus <strong>der</strong> Umweltbiotechnologie (klassische biologische<br />
Verfahren <strong>der</strong> Schadstoffbeseitigung wie Abwasserreinigung<br />
o<strong>der</strong> Biofilter), <strong>der</strong> Pflanzenbiotechnologie (klassische<br />
Pflanzenzucht und Vermehrung, Saatgutherstellung), <strong>der</strong><br />
Nahrungsmittelherstellung (Bierbrauer) und <strong>der</strong> industriellen<br />
Biotechnologie, wenn rein traditionelle Methoden eingesetzt<br />
werden (Fermentation/Transformationen zur Herstellung von<br />
Antibiotika o<strong>der</strong> Feinchemikalien, klassische Enzymtechnologie).<br />
Ebenso werden Firmen ausgeschlossen, die allein analytische<br />
Techniken einsetzen (außer <strong>der</strong> Bereich Proteomics). Auch rein<br />
biochemisches Arbeiten (zum Beispiel klassische Labor-,<br />
klinische und genetische Diagnostik) sowie mikroskopische<br />
Diagnostik werden nicht berücksichtigt. Der Fokus liegt stark<br />
auf dem Einsatz <strong>der</strong> Molekularbiologie und an<strong>der</strong>er mo<strong>der</strong>ner<br />
Technologien. So sind zum Beispiel Firmen, die sich vorwiegend<br />
mit gängigen Technologien <strong>der</strong> Immunologie (ELISA<br />
und ähnliches) beschäftigen, ebenfalls nicht in die Untersuchung<br />
eingeschlossen. Eine Ausnahme stellen Firmen dar, die<br />
in eigener Entwicklung beispielsweise Antigene für immundiagnostische<br />
Zwecke in größerem Maße rekombinant<br />
herstellen.<br />
Firmen, die Diagnostikgeräte (basierend auf SPR o<strong>der</strong> Fluoreszens<br />
u. ä.) anbieten, sowie an<strong>der</strong>e Gerätehersteller (hierzu<br />
zählen auch Biosensoren, selbst wenn ein biologisches Molekül<br />
zur Messung von biologischen und nicht biologischen<br />
Parametern eingesetzt wird) und reine Verbrauchsmaterial-<br />
Lieferanten werden ebenfalls nicht berücksichtigt.<br />
Ebenfalls ausgeschlossen sind Firmen, die sich ausschließlich<br />
mit dem Vertrieb von biologischen Produkten (zum Beispiel<br />
Biochemikalien o<strong>der</strong> nachwachsenden Rohstoffen) beschäftigen<br />
o<strong>der</strong> die Biotechnologie nicht als Hauptgeschäftszweck<br />
betreiben.<br />
Damit sind auch traditionelle Mittelstands- und Großunternehmen<br />
aus <strong>der</strong> Pharma- und Agroindustrie ausgeschlossen,<br />
auch wenn sie mit Methoden <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Biotechnologie<br />
arbeiten. Denn <strong>der</strong> Einsatz <strong>der</strong> Biotechnologie ist hier nicht<br />
Hauptgeschäftszweck, son<strong>der</strong>n wird meist nur am Rande<br />
betrieben. Auch Unternehmen aus <strong>der</strong> Medizintechnik sowie<br />
Nie<strong>der</strong>lassungen ausländischer Core-Biotech-Firmen bleiben<br />
unberücksichtigt. Ausnahme dazu bilden Tochterfirmen, die<br />
komplett selbständig agieren bzw. lediglich ein finanzielles<br />
Investment aufweisen o<strong>der</strong> börsennotiert sind.<br />
Diese Ausschlusskriterien sind nicht als negative Selektion zu<br />
verstehen. Tatsächlich stehen viele <strong>der</strong> nicht berücksichtigten<br />
Firmen in engem Zusammenhang mit <strong>der</strong> Core-Biotech-<br />
Industrie. Die klare Abgrenzung soll vielmehr dem interessierten<br />
Leser Daten zur Verfügung stellen, die auf einem<br />
vergleichbaren Sample beruhen.<br />
Abgrenzung zu an<strong>der</strong>en Erhebungen<br />
Mit dieser bewusst sehr restriktiven, aber klar definierten<br />
Auswahl von Core-Biotech-Firmen bestehen Unterschiede zu<br />
Erhebungen an<strong>der</strong>er Institutionen, wie zum Beispiel des<br />
InformationsSekretariats Biotechnologie (ISB) o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
BIOCOM AG. Die wesentlichen Unterschiede liegen darin,<br />
dass <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> we<strong>der</strong> Großunternehmen noch Firmen, die<br />
sich nicht ausschließlich mit <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Biotechnologie<br />
beschäftigen, in seine Untersuchung einschließt. Darüber<br />
hinaus werden in <strong>der</strong> <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong>-Studie keine Firmen <strong>der</strong><br />
klassischen Biotechnologie berücksichtigt.<br />
Die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Selektionskriterien<br />
beruhen auf unterschiedlichen Zielsetzungen <strong>der</strong><br />
angesprochenen Erhebungen. So veröffentlicht die BIOCOM<br />
AG ein jährlich erscheinendes „BioTechnologie Jahr- und<br />
Adressbuch“, das ISB publiziert im Internet einen<br />
„Firmenatlas“.<br />
<strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> fokussiert sich auf die vertiefte Analyse <strong>der</strong><br />
Schlüsselfaktoren <strong>der</strong> Core-Biotech-Industrie und daraus<br />
abzuleitenden Trends.<br />
133
Verzeichnis <strong>der</strong> Expertenbeiträge<br />
Kapitel 2: Geschäftsfel<strong>der</strong>, Technologien und Produkte<br />
Gensynthese – Schlüsselfaktor in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Biotechnologie<br />
Prof. Dr. Ralf Wagner, GENEART GmbH 26<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Neurologie<br />
Dr. Frank Striggow, KeyNeurotek AG 29<br />
Renaissance <strong>der</strong> Targets – Antizyklizität verspricht langfristig höhere Werte<br />
Dr. Rainer Wessel und Dr. Özlem Türeci, Ganymed Pharmaceuticals AG 32<br />
Auf dem Weg zur Marktzulassung: Die gewandelten Anfor<strong>der</strong>ungen an biopharmazeutische Unternehmen<br />
in Phase III<br />
Prof. Dr. Olaf G. Wilhelm, Wilex AG 34<br />
Produkterfolge auf Basis risikooptimierter Drug-Delivery-Technologie<br />
Prof. Dr. Gregor Cevc, IDEA AG 36<br />
Angewandte Proteomanalyse in <strong>der</strong> klinischen Diagnostik<br />
Prof. Dr. Dr. Harald Mischak, mosaiques diagnostics & therapeutics AG 45<br />
Innovationspotentiale <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie konsequent nutzen!<br />
Prof. Dr. Ralf Reski, Universität Freiburg 48<br />
Pflanzenbiotechnologie – Europa vor <strong>der</strong> Entscheidung<br />
Dr. Hans Kast, BASF Plant Science GmbH 52<br />
Das Potenzial von Pflanzen für die Weiße Biotechnologie<br />
Dr. Ludger Benning und Dr. Gregor Benning, Genistry GmbH 55<br />
Die Weiße Biotechnologie ist die „dritte Welle“ <strong>der</strong> Biotechnologie<br />
Dr. Holger Zinke, BRAIN AG 58<br />
Weiße Biotechnologie – Innovationsmotor für die chemische Industrie<br />
Dr. Stefan Buchholz, Degussa AG 63<br />
Kapitel 3: Geschäfts- und Kommerzialisierungsstrategien<br />
Die neue EVOTEC OAI, o<strong>der</strong> wie das erste europäische, voll integrierte Biotech-Unternehmen entstand<br />
Jörn Aldag und Jesper Wiklund, Evotec OAI und ENS Holdings Inc. 66<br />
Wir brauchen „early stage“-Biotechs in Deutschland, jetzt und in Zukunft!<br />
Dr. Claus Kremoser und Thomas Hoffmann, Phenex Pharmaceuticals AG 68<br />
Profitabilität durch Neuausrichtung<br />
Dr. Manfred Zoltobrocki, EPIDAUROS Biotechnologie AG 70<br />
Diversifizierung in die Biotech-Industrie<br />
Dr. Thomas Gottwald, Fresenius Biotech GmbH 74<br />
elbion AG – ein junges Unternehmen mit Tradition<br />
Dr. Bernd Kastler, elbion AG 75<br />
134 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Professionelles Management zur Vermeidung von Haftungsrisiken<br />
Andreas Crone, <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> AG 77<br />
M&A als Instrument für Strategiewechsel, Wachstum und Finanzierung<br />
Dr. Klaus Schollmeier, Santhera Pharmaceuticals AG 79<br />
Den Markt beobachten und Chancen sofort ergreifen, wenn sie sichtbar werden<br />
Michael Tysiak und Susanne Thiele, BIOBASE GmbH 81<br />
Enge Kooperationen mit Biotech-Start-ups stärken die Wettbewerbsposition von Merck<br />
und schaffen Zukunftsoptionen für die Biotech-Branche<br />
Dr. Thomas Herget und Dr. Ralf König, Merck KGaA 84<br />
Chancen für Biotechnologieunternehmen in China<br />
Matthias Reichel, Mologen AG 86<br />
Kapitel 4: Finanzierung und Kapitalmarkt<br />
Internationalisierung für nachhaltigen Erfolg<br />
Rolf Mathies, Earlybird Venture Capital 99<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen für ein aktives Life-Science-Portfoliomanagement<br />
Hendrik Liebers, IBG Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH 101<br />
Popmusik und Biotech<br />
Dr. Hubert Birner, Techno Venture Management 106<br />
Alternative Finanzierungsmöglichkeiten für Biotech-Unternehmen und ihre Bilanzierung<br />
Holger Siebenthaler, <strong>Ernst</strong> & <strong>Young</strong> AG 112<br />
Kapitalerhöhung in Verbindung mit NASDAQ-Listing<br />
Dr. Mirko Scherer und Martin Brändle, GPC Biotech AG 117<br />
Kapitel 5: Der Biotech-Standort Deutschland<br />
Vom Labor zum Kunden – aber wie?<br />
Dr. Dieter Treichel, Garching Innovation GmbH 124<br />
Geistiges Eigentum an öffentlichen Forschungseinrichtungen – Rohstoff für die Biotech-Industrie<br />
Dr. Peter Ruile und Dr. Christian A. Stein, Ascenion GmbH 125<br />
Bio-Tech Region München<br />
Prof. Dr. Horst Domdey, BioM AG 129<br />
Biotechnologie in Nie<strong>der</strong>sachsen – Hervorragende Perspektiven für das Biotech-Business<br />
Dr. Thomas Wagner, BioRegioN GmbH 130<br />
135
Verzeichnis <strong>der</strong> Tabellen und Abbildungen<br />
Tabelle 1-1 Eckdaten <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Industrie 9<br />
Tabelle 2-1 Anzahl <strong>der</strong> Wirkstoffe in <strong>der</strong> Entwicklungspipeline nach Firmenstatus 33<br />
Tabelle 2-2 Deutsche Saatgutfirmen mit biotechnologischer Forschung 50<br />
Tabelle 2-3 Ausgewählte deutsche Forschungsstätten mit Bezug zur industriellen Biotechnologie 61<br />
Tabelle 2-4 Auswahl an Chemiefirmen, die die industrielle Biotechnologie nutzen 62<br />
Tabelle 3-1 Fusionen und Akquisitionen in <strong>der</strong> deutschen Core-Biotech-Industrie im Jahr 2004/2005 78<br />
Tabelle 3-2 Ausgewählte veröffentlichte „Deals“ nach Partnerland und Partnertyp im Jahr 2004 88<br />
Tabelle 3-3 Ausgewählte globale Top-Player <strong>der</strong> Diagnostik-Industrie 93<br />
Tabelle 3-4 Ausgewählte deutsche Diagnostik-Anbieter und Produkte 94<br />
Tabelle 4-1 Investorensample 102<br />
Tabelle 4-2 Top-10-VC-Runden deutscher Core-Biotech-Firmen im Jahr 2004 108<br />
Tabelle 4-3 Übersicht zu den Kapitalmaßnahmen deutscher, börsennotierter Core-Biotech-Unternehmen aus dem Jahre 2004 118<br />
Abbildung 1-1 Historische Entwicklung <strong>der</strong> Anzahl an Core-Biotech-Unternehmen 10<br />
Abbildung 1-2 Übersicht zu Abgängen und Neugründungen <strong>der</strong> letzten Jahre 11<br />
Abbildung 1-3 Zusammensetzung <strong>der</strong> Abgänge 11<br />
Abbildung 1-4 Neugründungen nach Finanzierungsbasis 12<br />
Abbildung 1-5 Ursache <strong>der</strong> Mitarbeiter-Reduktion 12<br />
Abbildung 1-6 Entwicklung <strong>der</strong> Anzahl an Mitarbeitern in Core-Biotech-Unternehmen 13<br />
Abbildung 1-7 Mitarbeiterverteilung <strong>der</strong> Core-Biotech-Unternehmen im Jahresvergleich 13<br />
Abbildung 1-8 Umsatzverteilung im Jahresvergleich 14<br />
Abbildung 1-9 Ursache <strong>der</strong> Reduktion des FuE-Aufwandes 15<br />
Abbildung 1-10 Mitarbeiterverteilung <strong>der</strong> Insolvenzen im Jahresvergleich 17<br />
Abbildung 1-11 Firmenalter <strong>der</strong> Insolvenzen im Jahresvergleich 17<br />
Abbildung 1-12 Finanzierungsstatus <strong>der</strong> insolventen Firmen im Jahresvergleich 18<br />
Abbildung 1-13 Konsolidierung von 2000 bis 2004 18<br />
Abbildung 1-14 Aussagen <strong>der</strong> Sample-Unternehmen zur Einstellung neuer Mitarbeiter in 2005 19<br />
Abbildung 1-15 Einstellung neuer Mitarbeiter in 2005 nach Bereich 19<br />
Abbildung 1-16 Aussagen <strong>der</strong> Sample-Unternehmen zu zukünftigen Geschäftsstrategien 20<br />
Abbildung 1-17 Aussagen <strong>der</strong> Sample-Unternehmen zur Planung von M&A 20<br />
Abbildung 1-18 Aussagen <strong>der</strong> Sample-Unternehmen zu Trends im Jahr 2005 21<br />
Abbildung 1-19 Europäische Län<strong>der</strong> nach Anzahl Biotech-Unternehmen 22<br />
136 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
Abbildung 2-1 Geschäftsfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sample-Unternehmen 23<br />
Abbildung 2-2 Technologiebasis <strong>der</strong> Sample-Unternehmen 24<br />
Abbildung 2-3 Wirkstoff-Pipeline nach Phase 30<br />
Abbildung 2-4 Wirkstoff-Pipeline nach Anzahl <strong>der</strong> Unternehmen im Jahresvergleich 31<br />
Abbildung 2-5 Wirkstoffportfolio im Jahresvergleich 35<br />
Abbildung 2-6 Herkunft <strong>der</strong> Wirkstoffe: Eigenentwicklung versus Einlizenzierung im Jahresvergleich 37<br />
Abbildung 2-7 Entwicklungspartner bei den Wirkstoffen 38<br />
Abbildung 2-8 Wirkstoffportfolio nach Indikation 38<br />
Abbildung 2-9 Wirkstoffportfolio nach Art des Wirkstoffes im Jahresvergleich 39<br />
Abbildung 2-10 Vergleich <strong>der</strong> Wirkstoff-Pipeline bei deutschen Biotech- und Pharma-Unternehmen in 2004 40<br />
Abbildung 2-11 Pipeline deutscher Pharmaunternehmen nach Wirkstoffart 40<br />
Abbildung 2-12 Indikationsgebiete deutscher Tissue-Engineering-Unternehmen 41<br />
Abbildung 2-13 Technologien deutscher Tissue-Engineering-Unternehmen 42<br />
Abbildung 2-14 Weltweite Anbaufläche von gv-Pflanzen 46<br />
Abbildung 2-15 Län<strong>der</strong>anteile <strong>der</strong> weltweiten Anbaufläche von gv-Pflanzen in 2004 46<br />
Abbildung 2-16 Anteil transgener Pflanzen an <strong>der</strong> jeweiligen, weltweiten Anbaufläche in 2004 47<br />
Abbildung 2-17 Schematische Darstellung einer möglichen Pipeline von gv-Pflanzen 49<br />
Abbildung 2-18 Schema eines Ansatzes für gerichtete <strong>Evolution</strong> 60<br />
Abbildung 3-1 Geschäftsmodelle <strong>der</strong> Sample-Unternehmen 65<br />
Abbildung 3-2 Service-Angebote <strong>der</strong> Sample-Unternehmen 67<br />
Abbildung 3-3 Kundenstruktur <strong>der</strong> Sample-Unternehmen je nach Geschäftsfeld 67<br />
Abbildung 3-4 Outsourcing-Aktivitäten <strong>der</strong> Sample-Unternehmen 69<br />
Abbildung 3-5 Nennungen <strong>der</strong> Sample-Unternehmen zu Erfolgsfaktoren 76<br />
Abbildung 3-6 Einsatz von Geschäftsplanungs- und steuerungsinstrumenten bei den Sample-Unternehmen 76<br />
Abbildung 3-7 Kommerzielle Deals im Jahresvergleich 80<br />
Abbildung 3-8 Aufteilung <strong>der</strong> kommerziellen Deals im Jahresvergleich 82<br />
Abbildung 3-9 Kommerzielle Deals in 2004 nach Partnerland 85<br />
Abbildung 3-10 Kommerzielle Deals nach Partnerland im Jahresvergleich 85<br />
Abbildung 3-11 Kommerzielle Deals in 2004 nach Partnerart 87<br />
Abbildung 3-12 Kommerzielle Deals nach Partnerart im Jahresvergleich 87<br />
Abbildung 3-13 Kommerzielle Deals nach Partnerherkunft und Partnerart im Jahresvergleich 87<br />
Abbildung 3-14 Wertschöpfungsnetz Biotechnologie 89<br />
Abbildung 3-15 Die Zusammensetzung des In-vitro-Diagnostik-Markts 91<br />
137
Abbildung 4-1 Kapitalquellen des Investorensamples 97<br />
Abbildung 4-2 Bevorzugter Exit <strong>der</strong> Investoren im Jahresvergleich 98<br />
Abbildung 4-2a Bevorzugter Börsenplatz <strong>der</strong> Investoren im Jahresvergleich 98<br />
Abbildung 4-3 Ranking von Investitionshemmnissen im Jahresvergleich 100<br />
Abbildung 4-4 Finanzierungsphase <strong>der</strong> Sample-Unternehmen 103<br />
Abbildung 4-5 Aufgenommenes Eigenkapital im Jahresvergleich 104<br />
Abbildung 4-6 VC-Finanzierung <strong>der</strong> Core-Biotech-Unternehmen seit 1996 105<br />
Abbildung 4-6a VC Runden nach Anzahl und durchschnittlichem Volumen im Jahresvergleich 105<br />
Abbildung 4-7 VC-Runden nach Volumen im Jahresvergleich 107<br />
Abbildung 4-8 VC-Runden nach Phase (ohne Bridge) im Jahresvergleich 109<br />
Abbildung 4-9 VC-Runden nach Geschäftsfel<strong>der</strong>n 109<br />
Abbildung 4-10 VC-Runden nach Herkunft <strong>der</strong> Investoren im Jahresvergleich 110<br />
Abbildung 4-11 Sample-Unternehmen mit Angaben zum Kapitalbedarf 114<br />
Abbildung 4-12 VC-finanzierte Sample-Unternehmen mit Angaben zu Cash-Reserven 114<br />
Abbildung 4-13 Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesamt-Marktkapitalisierung <strong>der</strong> börsennotierten Core-Biotech-Unternehmen 115<br />
Abbildung 4-14 Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Marktkapitalisierung <strong>der</strong> börsennotierten Core-Biotech-Unternehmen 116<br />
Abbildung 5-1 Ranking von wichtigen Standortfaktoren 119<br />
Abbildung 5-2 Ranking von Bedingungen, die die Einführung von Innovationen am Markt behin<strong>der</strong>n 122<br />
Abbildung 5-3 Wertschöpfungskette Life Sciences 123<br />
Abbildung 5-4 Problemstellungen in <strong>der</strong> deutschen Biotech-Industrie 124<br />
Abbildung 5-5 Technologietransfer im internationalen Vergleich 126<br />
Abbildung 5-6 „Domdey“-Modell <strong>der</strong> Translation 127<br />
Abbildung 5-7 Paradigmenwechsel in <strong>der</strong> Pharma-Industrie 128<br />
138 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
139
140 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005
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