Kräfte der Evolution - Ernst & Young
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G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Decade of the Brain?<br />
Der in den 90er-Jahren in den USA ausgerufenen Dekade <strong>der</strong><br />
Hirnforschung folgten zahlreiche Forscher und erbrachten<br />
beachtliche Forschungsergebnisse zum Verständnis <strong>der</strong> Gehirnfunktionen<br />
und für die Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen.<br />
Was ist daraus geworden?<br />
Grundsätzlich setzt die neurobiologische Untersuchung des<br />
Gehirns auf drei verschiedenen Ebenen an. Die obere Ebene<br />
klärt die Funktion größerer Hirnareale<br />
bzw. das Zusammenspiel verschiedener<br />
Hirnareale, die kognitive Funktionen,<br />
wie Sprachverstehen, Bil<strong>der</strong>kennung,<br />
Tonwahrnehmung, Musikverarbeitung,<br />
Handlungsplanung, Gedächtnisprozesse<br />
sowie das Erleben von Emotionen,<br />
ermöglichen.<br />
Die mittlere Ebene beschreibt das Geschehen<br />
und das Zusammenwirken<br />
innerhalb von Verbänden von Hun<strong>der</strong>ten<br />
o<strong>der</strong> Tausenden Zellen. Insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Entstehung eines Gewebeverbands wird<br />
in dieser Ebene analysiert.<br />
Die untere Ebene umfasst die Vorgänge auf dem Niveau<br />
einzelner Zellen und Moleküle. Die Zuordnung und Interaktion<br />
von Molekülen zu und in den Zellen sowie die Kommunikation<br />
<strong>der</strong> Zellen miteinan<strong>der</strong> wird in dieser Ebene entschlüsselt.<br />
Gerade hinsichtlich <strong>der</strong> unteren neuronalen Organisationsebene<br />
haben Methoden wie etwa die Patch-clamp-Technik, die<br />
Fluoreszenzmikroskopie o<strong>der</strong> das Xenopus-Oocyten-Expressionssystem<br />
zu einem Erkenntnissprung geführt. Inzwischen ist sehr<br />
viel mehr bekannt über die Ausstattung <strong>der</strong> Nervenzellmembran<br />
mit Rezeptoren und Ionenkanälen sowie über <strong>der</strong>en Arbeitsweise,<br />
die Funktion von Neurotransmittern, Neuropeptiden und<br />
Neurohormonen, den Ablauf intrazellulärer Signalprozesse o<strong>der</strong><br />
die Entstehung und Fortleitung neuronaler Erregung. Selbst was<br />
in einem einzelnen Neuron passiert, kann mit hoher räumlicher<br />
und zeitlicher Auflösung analysiert sowie in Computermodellen<br />
simuliert werden. Dies ist von großer Bedeutung für das<br />
grundlegende Verständnis <strong>der</strong> Arbeitsweise von Sinnesorganen<br />
und Nervensystemen sowie für die gezielte Behandlung<br />
neurologischer und psychischer Erkrankungen.<br />
Bedeutende Fortschritte bei <strong>der</strong> Erforschung des Gehirns gibt es<br />
bislang nur auf <strong>der</strong> unteren Ebene (Entschlüsselung <strong>der</strong><br />
molekularen Ereignisse) sowie auf <strong>der</strong> oberen Ebene<br />
(Zuordnung von Gehirnfunktionen zu den entsprechenden<br />
Regionen). Eines <strong>der</strong> Hauptanliegen <strong>der</strong> Hirnforschung in den<br />
nächsten Jahren wird demnach sein, die gefundenen Moleküle<br />
ihren Funktionen in den Zellen und <strong>der</strong>en Rolle in den<br />
Gewebeverbänden zuzuordnen, um ein Gesamtbild <strong>der</strong><br />
Interaktion zu gewinnen.<br />
Somit ist es <strong>der</strong> interdisziplinären Zusammenarbeit von<br />
Medizinern, Psychologen, Biologen und<br />
Verhaltensforschern, die in den 90er-<br />
Jahren ihre Forschungen ganz in den<br />
Bann <strong>der</strong> damals ausgerufenen Dekade<br />
<strong>der</strong> Hirnforschung stellten, zu verdanken,<br />
dass heute teilweise beachtliche<br />
Fortschritte in <strong>der</strong> Behandlung neurodegenerativer<br />
Erkrankungen erzielt<br />
wurden.<br />
Zahlreiche Biotech- und Pharma-Unternehmen<br />
widmen ihre Forschung zur<br />
Heilung <strong>der</strong> Erkrankungen des zentralen<br />
Nervensystems. Medikamente auf dem<br />
Markt sind zum Beispiel Multiple-Sklerose-Präparate wie β-<br />
Interferon o<strong>der</strong> Wirkstoffe gegen Alzheimer. Diese können<br />
jedoch bislang keine vollständige Heilung, son<strong>der</strong>n lediglich<br />
eine Lin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Symptomatik bewirken.<br />
Gerade bei <strong>der</strong> Alzheimerschen Krankheit besteht ein hoher<br />
medizinischer Bedarf. Denn allein hierzu schätzen Analysten,<br />
dass die Anzahl <strong>der</strong> Betroffenen von 16 Millionen Patienten im<br />
Jahre 2003 auf 21 Millionen Patienten im Jahre 2010 in den<br />
sieben größten pharmazeutischen Märkten (USA, Frankreich,<br />
Deutschland, Italien, Spanien, England und Japan) ansteigen<br />
wird. In diesen Märkten, so schätzen die Analysten, werden<br />
allein die Medikamente zur Behandlung <strong>der</strong> Alzheimerschen<br />
Erkrankung zwischen den Jahren 2005 und 2010 Umsätze über<br />
zwei Milliarden US-$ erzielen.<br />
Auch <strong>der</strong> pharmazeutische Markt zur Behandlung an<strong>der</strong>er<br />
neurodegenerativer Erkrankungen (Parkinson, Huntington,<br />
Neuropathien, amyotrophe Lateral- o<strong>der</strong> Multiple Sklerose)<br />
wird über die nächsten zehn Jahre enorm ansteigen.<br />
28 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005