Kräfte der Evolution - Ernst & Young
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Dr. Stefan Buchholz,<br />
Leiter Projekthaus ProFerm, Degussa AG<br />
Weiße Biotechnologie – Innovationsmotor für die<br />
chemische Industrie<br />
Die rote Biotechnologie hat die Pharmaindustrie bereits seit langem tief durchdrungen<br />
und revolutioniert. In den letzten Jahren beobachten wir eine ganz ähnliche Entwicklung<br />
im Verhältnis <strong>der</strong> grünen Gentechnik zur Pflanzenzüchtung – zumindest außerhalb<br />
Deutschlands. Die industrielle Anwendung <strong>der</strong> Biotechnologie, die so genannte weiße<br />
Biotechnologie, steht hingegen noch am Anfang ihrer Entwicklung, jedoch sagen ihr<br />
zahlreiche Protagonisten ein vergleichbares Potenzial für die chemische Industrie zu<br />
und sprechen bereits von <strong>der</strong> „dritten Welle“ <strong>der</strong> Biotechnologie.<br />
Degussa hat das Potenzial biotechnologischer Produktionsverfahren<br />
früh erkannt und ihre Entwicklung wesentlich<br />
mitgestaltet. So haben wir bereits Anfang <strong>der</strong> achtziger Jahre das<br />
Acylase-Verfahren zur Herstellung von L-Methionin für<br />
Infusionslösungen in den technischen Maßstab überführt. Ein<br />
weiterer technologischer Meilenstein war in den neunziger Jahren<br />
die Etablierung des L-tertiär-Leucin-Verfahrens. L-tert.-Leucin ist<br />
ein wichtiger Baustein für Pharmaka zum Beispiel gegen Aids. Die<br />
enzymkatalytische Reaktion benötigt mit NADH jedoch einen<br />
teuren Cofaktor. Erst das Verfahren <strong>der</strong> Cofaktorregenerierung<br />
schuf die Basis für die Kommerzialisierung durch die Degussa.<br />
Beide Innovationen beruhten wesentlich auf <strong>der</strong> sehr engen und vertrauensvollen<br />
Zusammenarbeit mit Hochschulen bzw. dem Forschungszentrum Jülich (Prof. Kula und<br />
Prof. Wandrey). Beide Entwicklungen weisen auf ein Gebiet hin, auf dem sich die<br />
Biotechnologie bereits früh als erfolgreich erwiesen hat: die Synthese chiraler<br />
Verbindungen.<br />
Zunehmend wurde aber deutlich, dass die Biokatalyse große Anwendungsfel<strong>der</strong> auch<br />
außerhalb <strong>der</strong> Feinchemie hat. Zudem wurden mo<strong>der</strong>ne molekularbiologische Methoden<br />
wie die gerichtete <strong>Evolution</strong> und das Metagenom-Screening entwickelt und eröffneten<br />
neue Perspektiven auch für die industrielle Forschung. In dieser Zeit traten auch immer<br />
mehr Biotech-Start-ups auf den Plan. Als Entwicklungspartner <strong>der</strong> chemischen Industrie<br />
bieten sie mo<strong>der</strong>ne, schlagkräftige Methoden an und sind zunehmend auch Quelle für<br />
Produktinnovationen.<br />
Um diese neuen Potenziale voll zu nutzen und das Innovationstempo zu erhöhen, hat<br />
Degussa Anfang 2001 das Projekthaus Biotechnologie ins Leben gerufen, in dem ein<br />
internationales und interdisziplinäres Team von Chemikern, Verfahrenstechnikern, Mikround<br />
Molekularbiologen sowie Lebensmittelchemikern biokatalytische Verfahren<br />
entwickelt hat. Dabei war es uns wichtig, die gesamte Prozesskette vom Enzymscreening<br />
und <strong>der</strong> Enzymoptimierung über die Expression und Fermentation bis hin zur<br />
Biotransformation kompetent abzudecken. Diese breite Kompetenz hat sich als<br />
entscheiden<strong>der</strong> Erfolgsfaktor erwiesen, wobei es nicht darauf ankommt, alles selbst zu<br />
tun, entscheidend ist vielmehr, mit den Partnern in <strong>der</strong> Akademia und den Biotech-Startups<br />
dialogfähig zu sein – Grundvoraussetzung für ein effizientes Projektmanagement.<br />
Projekthäuser werden je hälftig vom Konzern und von den Geschäftsbereichen<br />
finanziert. Hierdurch stehen die Ressourcen für den Aufbau von Technologieplattformen<br />
zum Nutzen des gesamten Konzerns zur Verfügung und zugleich wird eine<br />
Geschäftsorientierung sichergestellt. Ihre Laufzeit ist auf drei Jahre begrenzt. Am Ende<br />
des Projekthauses Biotechnologie waren die beteiligten Geschäftsbereiche aber so von<br />
den Ergebnissen überzeugt, dass sie sich entschieden haben, die Kompetenz gebündelt<br />
zu lassen und die Aktivitäten in <strong>der</strong> Nachfolgeeinrichtung<br />
„Service Center Biokatalyse“ auch ohne Konzernför<strong>der</strong>ung<br />
fortzuführen.<br />
Gleichzeitig, Anfang 2004, haben wir ein neues Projekthaus<br />
ProFerm, das sich auf die Gebiete Stammentwicklung<br />
und Fermentation konzentriert, gegründet. Auch auf diesem<br />
Gebiet verfügen wir innerhalb des Konzerns, namentlich<br />
im Geschäftsbereich Futtermitteladditive, über umfangreiche<br />
Kompetenz. Konkret arbeiten wir im Projekthaus<br />
beispielsweise an fermentativen Verfahren zur Herstellung<br />
von Pharma-Aminosäuren und Kosmetikvorprodukten wie<br />
Sphingolipiden. Sphingolipide sind humanidentische Lipide,<br />
die die natürliche Barriereschicht <strong>der</strong> Haut aufbauen. Als Inhaltsstoff hochwertiger<br />
Hautcremes sind sie in <strong>der</strong> Lage, Defekte in <strong>der</strong> Schutzschicht <strong>der</strong> Haut zu reparieren.<br />
All die vorgenannten Aktivitäten sind prozessorientiert. Die weiße Biotechnologie ist<br />
aber breiter und umfasst neben den Bioprozessen auch die Fel<strong>der</strong> Bioprodukte und<br />
nachwachsende Rohstoffe. Aufbauend auf unserem umfassenden Bioprozess-Know-how<br />
wollen wir nun auch diese Fel<strong>der</strong> verstärkt erschließen. So planen wir ein Science-to-<br />
Business-Center auf dem Gebiet <strong>der</strong> weißen Biotechnologie, in dem wir nicht nur<br />
Technologien entwickeln, son<strong>der</strong>n auch neue Geschäftsfel<strong>der</strong> aufbauen. Dabei geht es<br />
darum, in einem Public-Private-Partnership alle Akteure entlang <strong>der</strong> Wertschöpfungskette<br />
von <strong>der</strong> universitären Grundlagenforschung und innovativen Start-ups über<br />
Rohstofflieferanten und die Degussa als umsetzungsstarkem Chemieunternehmen bis<br />
hin zu Vertretern unserer Kundenindustrien noch enger zusammenzubringen – zum<br />
Beispiel auch über den Austausch von Personal. Mit solch mo<strong>der</strong>nen<br />
Forschungsansätzen schaffen wir ideale Voraussetzungen, um auch mittel- bis<br />
langfristige Potenziale <strong>der</strong> Biotechnologie – rohstoff-, prozess- wie auch produkt- und<br />
problemlösungsorientiert, frühzeitig zu erkennen und zügig zu heben.<br />
www.degussa.com<br />
www.proferm.com<br />
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