Kräfte der Evolution - Ernst & Young
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G ESCHÄFTSFELDER, TECHNOLOGIEN UND P RODUKTE<br />
Prof. Dr. Ralf Reski,<br />
Pflanzenbiotechnologie, Universität Freiburg<br />
Innovationspotenziale <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie<br />
konsequent nutzen!<br />
Pflanzen sind die Basis allen Lebens. Sie liefern Nahrung, Papier, Energie, binden CO 2 und<br />
erzeugen hochkomplexe Chemikalien, die zum Teil schon heute als Arzneimittel genutzt<br />
werden. Die Grüne Biotechnologie hat ein hohes Innovationspotenzial und kann einen<br />
Beitrag leisten,<br />
• um einer wachsenden Weltbevölkerung auf sich ständig reduzierenden Anbauflächen<br />
(Urbanisierung, Versteppung) unter sich verän<strong>der</strong>nden Klimabedingungen (globaler<br />
Klimawandel) genügend Nahrung zu sichern und<br />
• um einer alternden Bevölkerung hochwertige Ernährung<br />
(Vitamine, ungesättigte Fettsäuren u. a. zur Krebsvorsorge) zu<br />
liefern.<br />
Zudem sind Innovationen im Bereich<br />
• <strong>der</strong> Herstellung therapeutischer Proteine,<br />
• <strong>der</strong> Entgiftung kontaminierter Böden,<br />
• des umweltschonenden Anbaus sowie<br />
• <strong>der</strong> Produktion von Treibstoff (Biodiesel, Wasserstoff) möglich.<br />
Europa verliert den Anschluss<br />
In <strong>der</strong> Biotechnologie haben beson<strong>der</strong>s Deutschland und Frankreich<br />
einen gewaltigen Nachholbedarf. So betrug unser Anteil an<br />
<strong>der</strong> Entschlüsselung des menschlichen Genoms zusammen nur 5 % (USA 54 %, England<br />
33 %, Japan 7 %, China 1 %). Auch die bisherigen Entschlüsselungen pflanzlicher<br />
Genome (Reis, Pappel, Wildkraut Arabidopsis) erfolgten ausschließlich unter Projektführerschaft<br />
<strong>der</strong> USA bzw. Japans. Während die USA stark in diesen Bereich investieren<br />
(NSF, NIH, DoE), existieren vergleichbare För<strong>der</strong>programme für Pflanzen in <strong>der</strong> EU nicht.<br />
Die Anbaufläche gentechnisch verän<strong>der</strong>ter Pflanzen wuchs 2004 um 20 % auf 81 Mio.<br />
Hektar. Die Zahl <strong>der</strong> beteiligten Landwirte stieg dabei um 18 % auf 8,25 Millionen.<br />
Dieses Wachstum findet außerhalb Europas statt: Die USA haben einen Weltmarktanteil<br />
von fast 60 %. Zu den wichtigsten weiteren Nutzern <strong>der</strong> Grünen Agrartechnologie gehören<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong> wie China, Argentinien, Brasilien und Paraguay mit jeweils<br />
mehr als 1 Mio. Hektar Anbaufläche. In Europa nutzen allein Spanien und Rumänien<br />
diese Technologie in nennenswertem Umfang. In keinem Fall wurden die gerade in<br />
Europa befürchteten negativen Folgen für Mensch o<strong>der</strong> Umwelt beobachtet.<br />
Gesellschaftliche Akzeptanz <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie kann steigen<br />
Der Einsatz <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie stößt in Europa auf Wi<strong>der</strong>stand zahlreicher<br />
Umweltschutzverbände. Dabei reichen die Aktionen von Demonstrationen bis zur<br />
rechtswidrigen Zerstörung von Anbauflächen. In Folge dieser Aktionen werden immer<br />
wie<strong>der</strong> Verbraucherumfragen durchgeführt, die eine zurückhaltende Einstellung <strong>der</strong><br />
Konsumenten gegenüber dieser Technologie zeigen.<br />
Diese Situation ist ähnlich <strong>der</strong>, <strong>der</strong> sich die Biotechnologie in <strong>der</strong> Medizin vor 15–20<br />
Jahren in Europa gegenübersah. Auf Grund mangeln<strong>der</strong> politischer Unterstützung<br />
wurden damals Forschung und Entwicklung weitgehend in die USA verlagert mit <strong>der</strong><br />
Folge, dass zum einen viele europäische Wissenschaftler dorthin umsiedelten und zum<br />
an<strong>der</strong>en die europäische Pharmaindustrie einen entscheidenden Innovationsschub<br />
verpasste. Die Folgen sind insbeson<strong>der</strong>e an <strong>der</strong> leidvollen Geschichte <strong>der</strong> deutschen<br />
Pharmaindustrie sichtbar.<br />
Trotz <strong>der</strong> jüngst erfolgten Lockerung <strong>der</strong> EU-Gesetzgebung in Bezug auf die Grüne<br />
Biotechnologie (Koexistenz) werden massiv Forschungskapazitäten von Europa in die<br />
USA verlagert. Der spektakuläre Schritt von Syngenta, <strong>der</strong> weltgrößten AgBiotech-Firma,<br />
die FuE in die USA zu verlagern, ist nur die Spitze des Eisberges. Hier ist massives<br />
politisches Gegensteuern nötig. Die Erfahrung mit <strong>der</strong><br />
Biotechnologie in <strong>der</strong> Medizin, die heute mit <strong>der</strong> Ausnahme<br />
<strong>der</strong> Stammzell-Nutzung nicht mehr kontrovers diskutiert<br />
wird, belegt, dass gesellschaftliche Akzeptanz in dem Maße<br />
steigt, wie <strong>der</strong> einzelne Verbraucher einen unmittelbaren<br />
Nutzen sieht. Pflanzen mit solch einem unmittelbaren<br />
Verbrauchernutzen werden unter dem Begriff „Output-<br />
Traits“ zusammengefasst. Ein entsprechendes Konzept <strong>der</strong><br />
BioRegio Freiburg mit dem Titel: „Output-Traits: Gesundheit<br />
durch Neue Pflanzen“ im Rahmen des BMBF-BioProfile-<br />
Wettbewerbs wurde sogar von Verbraucherinitiativen und<br />
vom Freiburger Öko-Institut unterstützt.<br />
Exzellenzcluster als Innovationskeime einer neuen Industriepolitik<br />
Während Deutschland und Frankreich direkt o<strong>der</strong> über Brüssel enorme finanzielle Mittel<br />
für die Agrarwirtschaft aufwenden, fehlen staatliche Anreize für Innovationen in diesem<br />
Bereich. Dies wird zu einem weiteren drastischen Verlust <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit mit<br />
allen bekannten sozialen und ökonomischen Kosten führen.<br />
In beiden Län<strong>der</strong>n nutzen Wissenschaftler die gesamte Vielfalt <strong>der</strong> Pflanzen (Biodiversität)<br />
und etliche Gruppen haben bereits heute weltweite Alleinstellungsmerkmale<br />
in <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie. Um das große Potenzial dieser Technologie in seiner Breite<br />
zu nutzen, sind Neufokussierungen staatlicher Mittel von Subventionen zu Innovationen<br />
nötig. Neben <strong>der</strong> Landwirtschaft inklusive Weinbau und Forstwirtschaft können hiervon<br />
auch die Gesundheitspolitik (molecular farming) und die Energiewirtschaft (Biodiesel,<br />
Wasserstoff) profitieren.<br />
Aus diesen Gründen halten wir eine deutsch-französische Innovationsoffensive, die sich<br />
auf den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen <strong>der</strong> Grünen Biotechnologie<br />
fokussiert, gerade zum jetzigen Zeitpunkt für erfor<strong>der</strong>lich und chancenreich. Die<br />
Erfahrung mit dem deutschen „Aufbau Ost“ lehrt, dass diese Mittel dann erfolgreich<br />
eingesetzt werden, wenn sie vorhandenen exzellenten Kompetenzen helfen, sich zu<br />
international wettbewerbsfähigen Innovationskeimen zu entwickeln.<br />
www.plant-biotech.net<br />
48 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005