Kräfte der Evolution - Ernst & Young
Kräfte der Evolution - Ernst & Young
Kräfte der Evolution - Ernst & Young
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Molecular Pharming<br />
Es wurden mittlerweile mehrere pflanzliche Produktionssysteme<br />
für rekombinante Proteine entwickelt, von denen einige<br />
bereits Marktreife erreichen. Unterschieden wird dabei in verschiedene<br />
Systeme, wie die Vermehrung im abgeschlossenen<br />
Bioreaktor mit Pflanzenzellkulturen (z. B. Tabak und Reis),<br />
Algen, Wasserlinsen und Moos. Daneben konzentrieren sich<br />
manche Firmen auf die Proteinproduktion in Pflanzen für den<br />
Feld- o<strong>der</strong> Gewächshausanbau, etwa bei Tabak, Mais, Luzerne,<br />
Raps und an<strong>der</strong>en.<br />
Es kann auch differenziert werden zwischen transienter (meist<br />
viraler Expression) und stabiler Transformation. Außerdem gibt<br />
es Systeme für die Expression in bestimmten Pflanzenteilen und<br />
Organellen. Um die Proteinproduktion in bestimmten Pflanzenorganen<br />
zu konzentrieren, kann die Expression und Speicherung<br />
des rekombinanten Proteins in Blättern, Samen, Früchten<br />
und Speicherorganen erfolgen.<br />
Des Weiteren stellt die Bindung <strong>der</strong> Proteine in intrazellulären<br />
Ölkörperchen o<strong>der</strong> Proteinkomplexen eine geeignete Methode<br />
zur vereinfachten Aufreinigung dar.<br />
Die Gefahr <strong>der</strong> Verunreinigung <strong>der</strong> Nahrungskette mit Medikamenten<br />
produzierenden gv-Pflanzenbestandteilen wird <strong>der</strong>zeit<br />
kontrovers diskutiert. Eine gute, fachliche Anbaupraxis sowie<br />
technologische Neuerungen sollten dem wirksam entgegenwirken<br />
können. Die Verbreitung des transgenen Pollens wird<br />
beispielsweise durch die Transformation nur <strong>der</strong> Plastiden (bzw.<br />
<strong>der</strong> Chloroplasten) einer Pflanzenlinie fast vollständig verhin<strong>der</strong>t,<br />
da die meisten Pflanzenarten im Pollen keine Plastiden<br />
tragen. Ferner sind die Proteinausbeuten durch Plastidtransformation<br />
meist beachtlich hoch; ein Nachteil jedoch sind die<br />
fehlenden posttranslationellen Modifikationen <strong>der</strong> Proteine. Die<br />
deutsche Firma Icon Genetics präsentierte 2004 ein Hochexpressionssystem<br />
für Proteine (magnICON) in Blattzellen,<br />
welche mittels Agrobakterien mit entschärften RNA-Virenvektoren<br />
transformiert werden. Die Proteinproduktion soll<br />
mehrere hun<strong>der</strong>t Kilogramm pro Hektar Anbaufläche betragen.<br />
Die Pharma-Industrie beobachtet die Bemühungen <strong>der</strong> weltweit<br />
10–30 Start-ups auf diesem Gebiet zwar intensiv, legt sich<br />
allerdings außer einigen strategischen Kooperationen (noch)<br />
nicht definitiv fest.<br />
Pharma-Firmen brauchen verlässliche Standards zur Expression<br />
und ein überzeugendes Proof-of-Concept, das bis zu klinischen<br />
Studien reicht. Da die Etablierung einer neuen Proteinproduktionstechnik<br />
ein Engagement für viele Jahre bedeutet, wagt<br />
kaum eine Pharma-Firma den ersten großen Schritt.<br />
Zugleich konnte die US-Firma Dow 2004 mit dem NIH ein<br />
vierjähriges Forschungsvorhaben mit einem Budget von 5,7<br />
Mio. US-$, abschließen; eine Außenstelle <strong>der</strong> Fraunhofer-<br />
Gesellschaft ist daran mit beteiligt. Dabei geht es um die Produktion<br />
von Impfstoffen in Pflanzen. Über den Anbau im<br />
Gewächshaus soll <strong>der</strong> Impfstoff nach <strong>der</strong> Etablierung <strong>der</strong> Technologie<br />
in drei bis vier Monaten produziert werden können.<br />
Mit mehr als 12 Mio. € wird das 2004 ins Leben gerufene<br />
Pharma-Planta-Konsortium von <strong>der</strong> EU unterstützt. Die 12<br />
Län<strong>der</strong> übergreifende Initiative möchte die beson<strong>der</strong>s Erfolg<br />
versprechenden Methoden zur Impfstoffproduktion in Pflanzen<br />
bis zur Klinikreife etablieren.<br />
Weitere Entwicklungen<br />
Die Auskreuzung von gv-Sorten in Wildformen o<strong>der</strong> konventionelle<br />
Anbausorten durch Pollendrift und Auswil<strong>der</strong>ung<br />
stellen einen Kritikpunkt in <strong>der</strong> Diskussion um GVO dar. Dabei<br />
muss man die Wahrscheinlichkeiten von Sorte zu Sorte unterscheiden;<br />
Rapspollen beispielsweise wird weiträumiger verbreitet<br />
als Maispollen; Kartoffeln halten sich nicht außerhalb von<br />
Ackerflächen; Maispflanzen sind nicht winterhart und bringen<br />
kaum Durchwuchs.<br />
Um die unkontrollierte Verbreitung von gv-Pflanzen weiter<br />
einzugrenzen, gibt es verschiedene Forschungsansätze:<br />
• nicht-sexuelle Samenentstehung, ohne Befruchtung<br />
(Apomixis)<br />
• Samenbefruchtung ohne Blütenöffnung (Kleistogamie)<br />
• Nicht keimungsfähige Samen (Samensterilität, Terminatortechnik)<br />
• Nicht befruchtungsfähige Pollen bzw. männliche Sterilität<br />
• Einbringung des Transgens nur in die Chloroplasten, die<br />
meist nicht mit dem Pollen verbreitet werden.<br />
Nur die Samen- und Pollensterilität sowie die Chloroplastentechnik<br />
sind inzwischen marktnah entwickelt.<br />
53