Kräfte der Evolution - Ernst & Young
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Rolf Mathies, Managing Partner<br />
Earlybird Venture Capital, Hamburg<br />
Internationalisierung für nachhaltigen Erfolg<br />
Deutschland hat es geschafft, in den letzten Jahren eine kritische Masse an<br />
Biotechnologiefirmen aufzubauen. Auch wenn die Finanzierung im Durchschnitt weit<br />
unter <strong>der</strong> Kapitalausstattung US-amerikanischer Firmen liegt und <strong>der</strong> Reifegrad <strong>der</strong><br />
Unternehmen gemessen an Umsatz o<strong>der</strong> auch gemessen an <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Produkte in<br />
späteren klinischen Phasen gering ist, gibt es eine hohe Qualität und Quantität<br />
insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> präklinischen Entwicklung. Darüber hinaus ist Deutschland aller<br />
Unkenrufe zum Trotz nach wie vor in <strong>der</strong> Spitzenliga bei den Forschungsausgaben in<br />
Relation zum Bruttosozialprodukt o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong><br />
wissenschaftlichen Veröffentlichungen und <strong>der</strong> Patentanmeldungen in<br />
Relation zur Einwohnerzahl.<br />
Trotz <strong>der</strong> Erfolge <strong>der</strong> letzten Jahre ist es 2004 wie<strong>der</strong> zu erheblichen<br />
Rückschlägen gekommen. Eine Reihe Erfolg versprechen<strong>der</strong> Biotechnologie-Firmen<br />
musste mangels Folgefinanzierung aufgeben o<strong>der</strong><br />
ihre erzielten Ergebnisse wurden weit unter Wert von an<strong>der</strong>en Firmen<br />
übernommen. Firmen im IT-Technologiesektor dagegen haben häufig mit<br />
dem Weg zur Profitabilität den Pfad aus <strong>der</strong> Krise gefunden und können<br />
nun – mehr o<strong>der</strong> min<strong>der</strong> entspannt – gemeinsam mit ihren Investoren auf<br />
das Aufgehen eines Börsenfensters warten. Dieser Weg bleibt den<br />
meisten Biotechnologiefirmen aufgrund <strong>der</strong> langen Entwicklungszeiten<br />
und des hohen Aufwandes für klinische Prüfungen verschlossen.<br />
Welche Optionen verbleiben Biotechnologie-Unternehmen angesichts <strong>der</strong><br />
vorherrschenden Situation? Eine Möglichkeit ist die frühzeitige internationale<br />
Ausrichtung. Schon zur ersten institutionellen Finanzierungsrunde muss die Firma<br />
richtig aufgestellt werden. Dazu gehört in erster Linie ein international erfahrener,<br />
kommerziell ausgerichteter CEO o<strong>der</strong> zumindest die Bereitschaft <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> einen Top-<br />
CEO an Bord zu lassen, ein starker, gut kommunizierbarer Wettbewerbsvorteil und eine<br />
Anpassung des Geschäftsmodells, das einen raschen Übergang von <strong>der</strong> Forschung zur<br />
Entwicklung erlaubt. Darüber hinaus müssen die europäischen Investoren von Anfang an<br />
angesehene US-Investoren mit in ihr Konsortium aufnehmen o<strong>der</strong> zumindest in ihrem<br />
eigenen Beziehungsnetz haben, um später eine ausreichende Vernetzung und<br />
Glaubwürdigkeit in den USA für die Rekrutierung von Top-Mitarbeitern, den CEO o<strong>der</strong><br />
weitere Finanzierungsrunden darstellen zu können.<br />
Ein Beispiel für diese Strategie ist das Unternehmen Alantos aus Heidelberg. Aufbauend<br />
auf einer Technologie des Nobelpreisträgers für Chemie Jean-Marie Lehn stellte das<br />
Team um den sehr erfahrenen CSO und „acting CEO“ (<strong>der</strong> die internationale Big-Pharma-<br />
Forschungserfahrung mitbrachte), unterstützt durch einen Ex-Mitarbeiter des deutschen<br />
Co-Lead-Investors Earlybird (inzwischen VP-Finance bei Alantos), eine 24 Mio. Euro große<br />
Finanzierungsrunde in 2003 auf die Beine. Direkt nach dieser Finanzierungsrunde wurde<br />
mit Hilfe des amerikanischen Lead-Investors Oxford Bioscience Partners ein Top-CEO (ex-<br />
Millennium) gefunden. Zeitgleich wurde das Business Modell auf Basis <strong>der</strong> gewonnenen<br />
Erkenntnisse und IP (intellectual property) auf Drug Development ausgerichtet und<br />
mehrere Top-Leute wurden für die Tochtergesellschaft in Cambridge (USA) rekrutiert.<br />
Ergebnis ist, dass nun die ehemalige Tochter in den USA zur Mutter wird (ein so genannter<br />
„Flip“) und weiter die wettbewerbsfähige und<br />
exzellente Entwicklungsmannschaft von über 20<br />
Mitarbeitern in Heidelberg nutzt. Dieser Flip<br />
ermöglicht Alantos, die starke europäische Forschungsarbeit<br />
zu nutzen, gleichzeitig jedoch die US-<br />
Refinanzierungsmöglichkeiten und schlussendlich<br />
IPO- und Exit-Märkte zu erreichen sowie Top-Talente<br />
und Medikamentenentwicklungs-Know-how im wichtigsten<br />
Markt zu adressieren.<br />
Problematisch ist, dass dieser Weg fast immer zu<br />
spät und erst auf Drängen <strong>der</strong> Investoren erfolgt.<br />
Steht eine Firma mit einem Management ohne<br />
internationale Erfahrung und nur mit Überbrückungsdarlehen von zittrigen<br />
Investorenhänden gefüttert kurz vor <strong>der</strong> Wand, wird man we<strong>der</strong> gutes Management noch<br />
internationale Investoren begeistern können. Lei<strong>der</strong> fehlt es in Deutschland nach wie vor<br />
sowohl an Management-Kapazität als auch an Life Science erfahrenen Investoren. Wie<br />
im vergangenen Jahr beobachtet, bleibt daher in dem meisten Fällen nur <strong>der</strong> Ausverkauf<br />
an Big-Pharma o<strong>der</strong> besser finanzierte Mitbewerber.<br />
Sicherlich ist Internationalisierung kein Allheilmittel und macht nicht für jedes<br />
Unternehmen Sinn, zumal die notwendigen Voraussetzungen nicht überall gegeben sind.<br />
Dennoch ist dies auch ein Weg, die schwierigen Zeiten in Europa zu überbrücken, bis die<br />
Branche so weit gereift ist, dass die VC-Märkte und IPO-Märkte erwachsen genug sind,<br />
um auch wie<strong>der</strong> Risiko einzugehen. Der Unterschied zu den USA ist, dass in Deutschland<br />
nach erst einem Börsenzyklus immer noch eine Strategie <strong>der</strong> Risikovermeidung die<br />
Börse beherrscht, wohingegen die 20 Jahre ältere Branche in den USA gelernt hat,<br />
kontrolliert Risiken einzugehen. Es ist jedoch absehbar, dass sowohl Mitarbeiter <strong>der</strong><br />
ersten Generation erfolgreicher Biotechfirmen von Morphosys bis GPC, als auch<br />
zunehmend die „Expatriates“, also die Wissenschaftler und Manage,r die lange im<br />
Ausland gelebt haben, die vergleichsweise hohe Lebensqualität in Europa nutzen<br />
werden, um erfolgreiche Neugründungen zu ermöglichen o<strong>der</strong> als erfahrene Manager zur<br />
Verfügung zu stehen.<br />
www.earlybird.com<br />
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