Kräfte der Evolution - Ernst & Young
Kräfte der Evolution - Ernst & Young
Kräfte der Evolution - Ernst & Young
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
S TANDORT D EUTSCHLAND<br />
Dr. Dieter Treichel,<br />
Garching Innovation GmbH, München<br />
Vom Labor zum Kunden – aber wie?<br />
Theoretisch ist <strong>der</strong> Technologietransfer als Weg aus dem Labor hin zum Kunden laut<br />
einer Definition <strong>der</strong> US-Regierung in nur 13 Worten zu beschreiben: „The process of<br />
transferring scientific findings from research laboratories to the commercial sector.“ In<br />
<strong>der</strong> Praxis bedarf es hierfür nicht selten 13 Jahre – wenn alles gut läuft. Wenn es nicht<br />
gut läuft, scheitern die Projekte bereits beim Start, da<br />
sich entwe<strong>der</strong> kein Lizenznehmer findet o<strong>der</strong> die<br />
Finanzierung einer geplanten Ausgründung scheitert,<br />
ein Problem, das gerade in <strong>der</strong> Biotechnologie häufig<br />
auftritt.<br />
Schnell wird dann <strong>der</strong> Ruf nach Patentrezepten laut. Die<br />
einen trauern um die guten, alten Zeiten, als mit Venture<br />
Capital alles möglich war, ganz so, als würde es sich um<br />
frei verfügbare För<strong>der</strong>gel<strong>der</strong> handeln und als hätte <strong>der</strong><br />
Neue Markt tatsächlich funktioniert. Die an<strong>der</strong>en sehen<br />
die Lösung aller Probleme in dem aktuellen Zauberwort<br />
private public partnership und übersehen dabei völlig,<br />
dass die meisten wichtigen Entdeckungen, die später zu<br />
Durchbruchsinnovationen geführt haben, in <strong>der</strong> Grundlagenforschung gemacht wurden,<br />
ohne dass irgend jemand <strong>der</strong>en spätere Bedeutung auch nur geahnt hätte. So sind<br />
Einsteins Formeln notwendig für Raumfahrt und GPS, die Arbeiten von Heisenberg und<br />
Planck waren die Basis für die Entwicklung <strong>der</strong> Transistoren in Computern und<br />
Mobiltelefonen, und ohne Arber, Nathans und Smith gäbe es keine Biotechnologie. Die<br />
Vergangenheit zeigt, dass gerade die Projekte, die zu weit vom Markt entfernt sind, um<br />
einen Industriepartner zu finden, oft diejenigen mit einem beson<strong>der</strong>s hohen<br />
Innovationsgrad sind – sie bestimmen unsere Zukunft. O<strong>der</strong> mit den Worten Albert<br />
Einsteins: „Wenn man die Forschung nur den Ingenieuren überlässt, hätte man perfekt<br />
funktionierende Petroleumlampen, aber keinen elektrischen Strom.“<br />
Dass die Qualität <strong>der</strong> Forschung in Deutschland durchaus international konkurrenzfähig<br />
ist, kann man an verschiedenen Punkten aufzeigen. So zitieren zum Beispiel US-Patente<br />
nach einer OECD-Statistik öfter die Artikel deutscher Wissenschaftler als diejenigen <strong>der</strong><br />
an<strong>der</strong>en sieben großen Industrienationen. Auch die Unternehmen, die auf Basis <strong>der</strong><br />
Grundlagenforschung in den letzten Jahren entstanden sind, können sich international<br />
messen. Beispiele hierfür sind unter an<strong>der</strong>em die Max-Planck-Ausgründungen<br />
EvotecOAI, GPC Biotech, Morphosys, Epigenomics, Alnylam o<strong>der</strong> Sugen.<br />
Einen Vorwurf muss sich das deutsche Wissenschaftssystem jedoch berechtigterweise<br />
gefallen lassen: Den wissenschaftlichen Ergebnissen fehlt oft die nötige Reife für die<br />
wirtschaftliche Verwertung. Daher ist es nicht nur den Unternehmen als potentiellen<br />
Lizenznehmern o<strong>der</strong> den VCs als Finanzierern anzulasten, wenn <strong>der</strong> Technologietransfer<br />
und damit die Innovationsrate in Deutschland ins Stocken geraten sind. Mit an<strong>der</strong>en<br />
Worten: Wir leisten uns eine qualitativ hochwertige Forschung, verzichten aber auf die<br />
notwendigen Instrumente, um die Ergebnisse <strong>der</strong> Forschung effizient weiterzuentwickeln<br />
und wirtschaftlich zu nutzen.<br />
Aus diesem Grund hat Garching Innovation als Technologietransfer-Organisation <strong>der</strong><br />
Max-Planck-Gesellschaft ein neues Konzept in die politische Diskussion eingebracht,<br />
um genau diesen Flaschenhals in <strong>der</strong> Innovationskette wirksam zu beseitigen –<br />
unabhängig davon, ob die Ergebnisse von Universitäten o<strong>der</strong> außeruniversitären<br />
Forschungseinrichtungen, aus <strong>der</strong> Grundlagen- o<strong>der</strong> angewandten Forschung stammen,<br />
auslizenziert o<strong>der</strong> für eine Ausgründung genutzt werden sollen. Dieses Konzept eines<br />
Innovationsfonds <strong>der</strong> Deutschen Forschung (IFDF), das inzwischen dem<br />
Bundeskanzleramt und dem BMBF vorliegt, hat die Ziele<br />
• das geistige Eigentum aus <strong>der</strong> Forschung optimal bis zur<br />
Anwendungsnähe zu entwickeln,<br />
• das vorhandene Know-how in <strong>der</strong> Forschung und <strong>der</strong> Industrie<br />
effizient zu bündeln,<br />
• damit die wirtschaftliche Verwertbarkeit <strong>der</strong> akademischen<br />
Forschungsergebnisse signifikant zu erhöhen und somit<br />
• die daraus resultierenden Ausgründungen und Lizenzprojekte für<br />
zusätzliche private Investitionen attraktiver zu machen sowie<br />
• die Innovationskraft <strong>der</strong> deutschen, insbeson<strong>der</strong>e mittelständischen,<br />
Industrie zu stärken.<br />
Um dies zu erreichen, enthält das IFDF-Konzept folgende Kernpunkte:<br />
• Antragsberechtigt sind alle deutschen Forschungsorganisationen.<br />
• Die Projektauswahl erfolgt ausschließlich nach wirtschaftlichen<br />
Gesichtspunkten, es erfolgt daher keine direkte För<strong>der</strong>ung von<br />
Grundlagenforschung.<br />
• Die Mittelvergabe erfolgt als meilensteinabhängige Projektför<strong>der</strong>ung.<br />
• Das gesamte geistige Eigentum an dem Projekt verbleibt vollständig bei <strong>der</strong><br />
beantragenden Institution, daher erfolgt die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln.<br />
• Die Projekte sollen von industrieerfahrenen Entwicklungsspezialisten bewertet und<br />
inhaltlich sowohl in <strong>der</strong> Vorbereitung als auch in <strong>der</strong> meilensteinorientierten<br />
Durchführung begleitet werden.<br />
• Die zur Projektdurchführung notwendige Infrastruktur wird zentral vom IFDF<br />
koordiniert.<br />
• Die Infrastruktur besteht aus einem Stamm fester Vertragslabore und projektweise<br />
einbezogenen Servicelaboren, die so weit als möglich die bestehende Infrastruktur in<br />
Wissenschaft und Wirtschaft nutzen.<br />
Trotz aller Hürden bietet die Grundlagenforschung ein enormes Innovationspotenzial –<br />
gerade in Deutschland. Voraussetzung hierfür ist jedoch ein erfolgreicher Technologietransfer<br />
mit den richtigen Instrumenten, damit aus einer Definition in 13 Worten<br />
schließlich neue Produkte und Arbeitsplätze für die Menschen werden.<br />
www.garching-innovation.de<br />
124 K RÄFTE DER E VOLUTION – DEUTSCHER B IOTECHNOLOGIE-REPORT 2005