Collegium Logicum – Logische Grundlagen der Philosophie und
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Historisches 9<br />
für die volle reelle Zahlenachse, die von Null aus nicht nur nach +∞, son<strong>der</strong>n<br />
auch, an <strong>der</strong> Null gespiegelt, nach −∞ reicht. Im 16. Jahrhun<strong>der</strong>t schließlich<br />
traten noch die imaginären Zahlen hinzu; sie ergaben sich aus <strong>der</strong> Fragestellung,<br />
die Wurzel aus negativen Zahlen zu ziehen. Imaginäre Zahlen wurden zunächst<br />
nicht als Zahlobjekte, son<strong>der</strong>n als reine Symbole betrachtet, mit denen man<br />
Rechenmanipulationen durchführen konnte, welche <strong>der</strong> Arithmetik <strong>der</strong> reellen<br />
Zahlen eine größere formale Geschlossenheit verliehen. Die Erweiterung <strong>der</strong><br />
Arithmetik um die imaginären Zahlen führte zu dem einheitlichen Begriff <strong>der</strong><br />
komplexen Zahlen, die Summen <strong>der</strong> Gestalt x + iy aus einem “Realteil” x <strong>und</strong><br />
einem “Imaginärteil” y darstellen, wobei i = √ −1 das imaginäre Gr<strong>und</strong>element<br />
ist. Mit Gauß setzte sich dann die Interpretation <strong>der</strong> komplexen Zahlen als<br />
Punkte in <strong>der</strong> Ebene durch (Gaußsche Zahlenebene). Analytisch gesehen sind<br />
komplexe Zahlen damit nichts an<strong>der</strong>es als geordnete Paare von reellen Zahlen.<br />
Das Ergebnis dieser sukzessiven Rückführung <strong>der</strong> genannten Zahlensysteme<br />
auf die nächsteinfacheren war, daß man sie in eine Kette von Reduktionsbeziehungen<br />
anordnen konnte, an <strong>der</strong>en Ende die natürlichen Zahlen stehen:<br />
komplexe Zahlen → reelle Zahlen → rationale Zahlen → ganze Zahlen<br />
→ natürliche Zahlen. Dies gab Gottlob Frege die Idee, eine Begründung <strong>der</strong><br />
gesamten Mathematik auf rein logischer Basis zu versuchen. Die natürlichen<br />
Zahlen einschließlich <strong>der</strong> Null können nämlich als das aufgefaßt werden, was<br />
allen Begriffen gemein ist, welche die entsprechende Anzahl von Objekten subsumieren,<br />
wobei das Gemeinsame, etwa die Zahl n, durch den Begriff “zweiter<br />
Stufe” ausgedrückt wird, unter genau diejenigen Begriffe zu fallen, die gerade n<br />
Objekte subsumieren. Bezeichnen wir für den Augenblick einen Begriff mit dem<br />
Kunstwort n-mächtig, 5 wenn er genau n Objekte subsumiert, so wäre danach<br />
zum Beispiel die Zahl 3 nichts an<strong>der</strong>es als <strong>der</strong> Begriff zweiter Stufe, auf dreimächtige<br />
Begriffe zuzutreffen. Die Zahl Null ist dann <strong>der</strong> zweitstufige Begriff,<br />
auf null-mächtige o<strong>der</strong> leere Begriffe zuzutreffen, die gar keine Objekte subsumieren.<br />
Begriffe aber sind nach Frege etwas <strong>Logische</strong>s, <strong>und</strong> über diese Brücke<br />
wäre die Reduktion auf die Logik erreicht. Ein ähnliches Programm wurde von<br />
Bertrand Russell verfolgt; beide Programme tragen den Namen Logizismus.<br />
Der Logizismus ist philosophisch von Bedeutung, weil auf diese Weise die Mathematik<br />
denselben erkenntnistheoretischen Status wie die reine Logik erhält<br />
<strong>und</strong> somit neues Licht auf die Behauptung von Kant geworfen wird, die Sätze<br />
<strong>der</strong> Mathematik seien zwar a priori, d.h. nicht empirisch gewonnen, aber<br />
dennoch nicht analytisch, d.h. durch reine Begriffsanalyse herzuleiten. Wegen<br />
des überragenden Einflusses von Kant war <strong>und</strong> ist diese Frage von großem<br />
philosophischen Interesse. Der Logizismus wird heute zwar allgemein für falsch<br />
gehalten, ist aber in “logisch geläuterter Form” immer noch ein wichtiges Thema<br />
<strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> <strong>der</strong> Mathematik.<br />
Bevor Frege sein Programm in Angriff nehmen konnte, galt es jedoch, die<br />
Wissenschaft von <strong>der</strong> Logik zu mo<strong>der</strong>nisieren, um sie den Anfor<strong>der</strong>ungen anzupassen,<br />
die die Mathematik stellte. Die Logik <strong>der</strong> Aussagen, d.h. die Logik<br />
<strong>der</strong> Satzverknüpfungen wie ‘es ist nicht <strong>der</strong> Fall’, ‘<strong>und</strong>’, ‘o<strong>der</strong>’, ‘wenn <strong>–</strong> dann’<br />
lag zwar im wesentlichen vor, obwohl die logische Bedeutung von wenn-dann-<br />
Sätzen ein notorisches Problem darstellte; das alles entscheidende Mittel zur<br />
ist.<br />
5 Es gibt jedoch den Begriff gleichmächtig, <strong>der</strong> ein zentraler Terminus <strong>der</strong> Mengenlehre