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Collegium Logicum – Logische Grundlagen der Philosophie und

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22 Einleitung<br />

legende Entwicklung jener Zeit war die Begündung <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> Wahrheit<br />

<strong>und</strong> allgemeiner <strong>der</strong> Semantik als logische Disziplin durch Alfred Tarski. Der<br />

klassische Text ist Tarskis Schrift Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten<br />

Sprachen von 1935, die bis heute auch in <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> eine bedeutende<br />

Quelle darstellt. Ausgehend von <strong>der</strong> Lügner-Paradoxie, die wesentlich das<br />

Wahrheitsprädikat “... ist wahr” enthält, analysiert Tarski die paradoxe Verwendung<br />

des Wahrheitsbegriffs in <strong>der</strong> Umgangsprache <strong>und</strong> gibt eine Lösung des<br />

Problems im Rahmen formaler Logik-Systeme, indem er die wesentliche Unterscheidung<br />

zwischen Objekt- <strong>und</strong> Metasprache trifft: Wahrheit ist ein Prädikat<br />

<strong>der</strong> Metasprache, das die Aussagen <strong>der</strong> Objektsprache in wahre <strong>und</strong> falsche<br />

einteilt; in diesen Aussagen selbst kommt aber das Wahrheitsprädikat nicht<br />

vor.<br />

Die in Tarskis Aufsatz entwickelte Semantik, heute Tarski-Semantik, modelltheoretische<br />

o<strong>der</strong> Interpretationssemantik genannt, ist ein zentrales Instrument<br />

<strong>der</strong> formalen <strong>Philosophie</strong>. In <strong>der</strong> mathematischen Logik hat sie sich in <strong>der</strong><br />

Folgezeit zu <strong>der</strong> Teildisziplin <strong>der</strong> Modelltheorie weiterentwickelt, zu <strong>der</strong> Tarski<br />

selbst wesentliche Beiträge lieferte. Vor Tarski waren semantische Begriffe<br />

zwar implizit vorhanden, z.B. in Gödels Begriff <strong>der</strong> arithmetisch wahren, aber<br />

unentscheidbaren Aussage, aber im Rahmen des Hilbertschen Formalismus waren<br />

sie nicht wirklich “hoffähig”; sie galten als zu inhaltlich <strong>und</strong> philosophisch.<br />

Mit Hilfe <strong>der</strong> Tarski-Semantik konnte man nun den wesentlich semantischen<br />

Charakter einiger wichtiger früherer Ergebnisse <strong>der</strong> Logik klar herausarbeiten.<br />

Das trifft insbeson<strong>der</strong>e auf ein an<strong>der</strong>es zentrales Resultat von Gödel zu, den<br />

Vollständigkeitssatz <strong>der</strong> Prädikatenlogik. Er besagt, daß jede wi<strong>der</strong>spruchsfreie<br />

Menge von Aussagen ein Modell besitzt, d.h. eine Struktur, die alle Aussagen<br />

dieser Menge wahr macht. Geeignet umformuliert kann man den Inhalt<br />

des Vollständigkeitssatzes auch wie folgt ausdrücken. Der Satz stellt eine Verbindung<br />

her zwischen dem syntaktischen Begriff <strong>der</strong> Beweisbarkeit <strong>und</strong> dem<br />

semantischen Begriff <strong>der</strong> logischen Wahrheit, d.h. <strong>der</strong> Erfüllung in je<strong>der</strong> möglichen<br />

Struktur; das Resultat ist, daß die beiden Begriffe deckungsgleich sind.<br />

Aus diesem wichtigen Metatheorem ergeben sich bedeutende Konsequenzen für<br />

die Grenzen <strong>der</strong> Ausdruckkraft <strong>der</strong> elementaren Logik: zum Beispiel läßt sich ein<br />

intuitiv so einfacher Begriff wie <strong>der</strong> <strong>der</strong> Endlichkeit eines Modells nicht in <strong>der</strong><br />

Prädikatenlogik <strong>der</strong> ersten Stufe charakterisieren. Diese <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e analoge Ergebnisse<br />

sind auch von hohem philosophischen <strong>und</strong> wissenschaftstheoretischen<br />

Interesse.<br />

Eine letzte philosophisch ebenfalls bedeutsame Entwicklung in <strong>der</strong> Logik<br />

<strong>der</strong> Dreißiger Jahre betraf die Mengenlehre; sie wurde wie<strong>der</strong>um maßgeblich<br />

von Gödel angestoßen. Zu jener Zeit war <strong>der</strong> Mengenbegriff längst auf einige<br />

wenige intuitiv plausible Axiome <strong>der</strong> Mengenexistenz <strong>und</strong> Mengenkonstruktion<br />

zurückgeführt; diese Axiomatisierung stammt von Ernst Zermelo <strong>und</strong><br />

Abraham Fraenkel, <strong>der</strong> zu den Zermeloschen Axiomen ein wichtiges weiteres<br />

Axiom hinzufügte. Dieses System wird heute die Zermelo-Fraenkelsche<br />

Mengenlehre, kurz: ZF genannt. Aber von Anfang an entzog sich ein wichtiges<br />

mengentheoretisches Prinzip <strong>der</strong> Einordnung in dieses System: das sogenannte<br />

Auswahlaxiom (kurz: AC o<strong>der</strong> einfach C für engl. [axiom of ] choice). Es geht<br />

von <strong>der</strong> im Bereich des Endlichen plausiblen Vorstellung aus, daß man etwa aus<br />

einer Anzahl von mit Kugeln gefüllten Urnen jeweils eine Kugel herausgreifen

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